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Urteilskopf

124 V 215


36. Urteil vom 27. April 1998 i.S. M. gegen Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI und Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich

Regeste

Art. 8 Abs. 1 lit. g in Verbindung mit Art. 17 AVIG und Art. 18 ff. AVIV, insbesondere Art. 19 Abs. 4 AVIV (in den bis 31. Dezember 1995 resp. 1996 gültig gewesenen Fassungen); Art. 4 Abs. 1 BV.
Nichtbefolgung der Kontrollvorschriften während eines vom Versicherten eingeleiteten Beschwerdeverfahrens nach aus andern Gründen erfolgter Ablehnung der Taggeldbezugsberechtigung.
Berufung auf den öffentlichrechtlichen Vertrauensschutz.
Auslegung der Informationspflichten im Lichte von Treu und Glauben.
Nachträgliche Befreiung von der Kontrollpflicht aufgrund besonderer Verhältnisse, z.B. mit Blick auf im Anspruchszeitraum in Betracht gefallene Präventivmassnahmen.

Sachverhalt ab Seite 216

BGE 124 V 215 S. 216

A.- a) M. (geb. 1943), tätig als Drehbuchautor und Realisator oder Regisseur in der Filmbranche, arbeitete zuletzt temporär für die Firma Y AG, Filmproduktion, und zwar vom 1. Oktober 1992 bis 15. April 1993.
Seit Oktober 1991 wegen Herzbeschwerden in Behandlung in der Medizinischen Poliklinik, Departement für Innere Medizin am Spital X, stehend, musste M. seine Tätigkeit für die Firma Y AG Mitte April 1993 krankheitsbedingt einstellen. Nachdem er sich in der Zeit von September 1993 bis Oktober 1994 verschiedenen medizinischen Therapien unterzogen hatte und dabei zeitweilig in seiner Leistungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen war, meldete er sich am 9. November 1994 zur Arbeitsvermittlung beim Städtischen Arbeitsamt und am 14. November 1994 zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung ab diesem Datum bei der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI an. Mit Verfügung vom 14. Dezember 1994 lehnte die Arbeitslosenkasse die Taggeldberechtigung ab, weil sich der Versicherte in der massgeblichen Rahmenfrist nicht über die gesetzlich geforderte Mindestbeitragsdauer von sechs Monaten, sondern nur über eine Beschäftigungszeit von fünf Monaten und sieben Tagen (bei der Firma Y AG) ausweisen könne.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die hiegegen erhobene Beschwerde gut - dies aus der Erwägung heraus, dass der Versicherte krankheitsbedingt vom Nachweis der Erfüllung der Mindestbeitragszeit befreit sei -, hob demzufolge die Ablehnungsverfügung vom 14. Dezember 1994 auf und wies die Sache zur Prüfung der weiteren Anspruchsvoraussetzungen an die Arbeitslosenkasse zurück (rechtskräftiger Entscheid vom 6. Mai 1996).
b) Die Arbeitslosenkasse teilte dem Versicherten mit Schreiben vom 13. Mai 1996 mit, es gelte nun die weiteren Anspruchsvoraussetzungen zu prüfen, vor allem das Vorliegen einer Arbeitsfähigkeit (unter dem Titel der Vermittlungsfähigkeit) ab 8. November 1994 und die Frage, ob er die Stempelkontrolle besucht habe. Da sich herausstellte, dass M. die Stempelpflicht nur vom 8. bis 30. November 1994 erfüllt hatte, lehnte die
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Kasse mit Verfügung vom 13. September 1996 den Taggeldanspruch ab 1. Dezember 1994 ab.

B.- Hiegegen erhob M., im Verlaufe des Verfahrens nunmehr anwaltlich vertreten, Beschwerde und beantragte die rückwirkende Zusprechung von Arbeitslosenentschädigung ab 1. Dezember 1994. Er berief sich hiebei auf Treu und Glauben, rügte eine Verletzung der Informationspflicht der Verwaltung, welche für den Nichtbesuch der Stempelkontrolle kausal sei, verwies auf die zufolge Anmeldung bei der Invalidenversicherung (am 5. Januar 1996) zu vermutende Vermittlungsfähigkeit und machte insbesondere geltend, dass vom gesundheitlichen Standpunkt aus in der Zeit von Oktober 1994 bis März 1995 eine Umschulung möglich gewesen wäre.
Vernehmlassungsweise schloss die Arbeitslosenkasse auf Abweisung der Beschwerde. Sie lehnte jede Haftung für eine nicht gegebene Rechtsauskunft ab. Es sei Sache der Versicherten, sich vor Stempelabbruch genügend über die Rechtslage zu informieren. Sämtliche von M. vorgebrachten Gründe für den Nichtbesuch der Stempelkontrolle würden eher auf Vermittlungsunfähigkeit hindeuten.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die Beschwerde in dem Sinne teilweise gut, als es die Sache unter Aufhebung der Verfügung vom 13. September 1996 an die Arbeitslosenkasse zwecks ergänzender Abklärungen über einen zeitlich befristeten Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung im Krankheitsfall zurückwies (Entscheid vom 22. April 1997).

C.- M. lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den sinngemässen Anträgen, es sei ihm zufolge Befreiung von der Erfüllung der Kontrollvorschriften Arbeitslosenentschädigung seit dem 1. Dezember 1994 zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur Festlegung des Taggeldes an die Arbeitslosenkasse zurückzuweisen; ebenfalls eventuell "sei das angefochtene Urteil mit einer Dispositiv-Ziffer zu ergänzen, welche die Beschwerdegegnerin auffordert, zu befinden, ob ab dem 1. Dezember 1994 Umschulungsmassnahmen angezeigt gewesen seien". Schliesslich beantragt er die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung für das letztinstanzliche Verfahren. (...).
Die Arbeitslosenkasse verzichtet auf eine Vernehmlassung, ebenso das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA; ab 1. Januar 1998: Bundesamt für Wirtschaft und Arbeit, nachfolgend: BWA).
BGE 124 V 215 S. 218

Erwägungen

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf Arbeitslosenentschädigung nach dem aktenmässig ausgewiesenen letzten Stempeltag (30. November 1994), somit die Berechtigung auf Arbeitslosenentschädigung (Art. 8 ff. AVIG) ab der Kontrollperiode (Art. 18 Abs. 2 AVIG, in der bis 31. Dezember 1995 gültig gewesenen Fassung) Dezember 1994. Soweit in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde andere Leistungen anbegehrt werden, ist darauf nicht einzutreten. Der in den Beschwerdeanträgen erwähnte Anspruch auf Präventivmassnahmen (Art. 59 ff. AVIG) ist im vorliegenden Verfahren nur insofern von Bedeutung, als zu prüfen sein wird, ob im Hinblick auf einen nach Lage der Akten in Betracht fallenden, von der Verwaltung bisher nicht geprüften Anspruch auf Präventivmassnahmen eine nachträgliche Befreiung von der Kontrollpflicht zulässig ist (Erw. 4 hienach).

2. Es steht fest und ist (unter Vorbehalt der behaupteten Präventivmassnahmen) unbestritten, dass der Beschwerdeführer ab der Kontrollperiode Dezember 1994 die Kontrollvorschriften, insbesondere die einmal pro Woche zur Vermittlung sowie zur Überprüfung der Vermittlungsfähigkeit erforderte persönliche Meldung beim Arbeitsamt (Art. 21 Abs. 1 AVIV in der vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1996 in Kraft gestandenen Fassung), nicht erfüllt hat. Damit liegt eine der kumulativ erforderlichen Anspruchsvoraussetzungen gemäss Art. 8 Abs. 1 lit. a-g AVIG nicht vor, was nach ständiger Rechtsprechung zur Verneinung des Taggeldanspruches führt. Zu prüfen ist, ob sich der Beschwerdeführer über einen Rechtstitel ausweisen kann, welcher zu einem hievon abweichenden Ergebnis führt. In Betracht fallen der öffentlichrechtliche Vertrauensschutz, das Gebot, im Verhältnis Bürger (Versicherter)/Verwaltung (Versicherer) nach Treu und Glauben zu handeln, und ferner der in Art. 19 Abs. 4 AVIV (in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung; seit 1. Januar 1997 findet sich diese Bestimmung materiell unverändert in Art. 20 Abs. 4 AVIV) dem Arbeitsamt (seit 1. Januar 1997: der zuständigen Amtsstelle) auferlegte Informationsauftrag, den Versicherten auf seine Pflichten nach Art. 17 AVIG aufmerksam zu machen, insbesondere auf diejenige, sich um Arbeit zu bemühen.
In intertemporalrechtlicher Hinsicht ist bei der Beurteilung des vorliegenden Falles von denjenigen Normen auszugehen, welche ab der
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Kontrollperiode Dezember 1994 in Geltung standen, somit die Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen in den bis 31. Dezember 1995 resp. 1996 gültig gewesenen Fassungen.
Was die vorinstanzliche Rückweisung an die Arbeitslosenkasse anbelangt, um dem Beschwerdeführer im Rahmen des Art. 28 AVIG den auf maximal 34 Taggelder im Krankheitsfall beschränkten Taggeldanspruch nach ergänzenden Abklärungen gegebenenfalls einzuräumen, ist der kantonale Entscheid von keiner Seite her angefochten und, mangels erheblicher Anhaltspunkte aufgrund der Akten (BGE 110 V 53 Erw. 4a), nicht näher zu prüfen.
a) In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird zunächst eingeräumt, dass der - damals noch nicht anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren anerkannt habe, die Kontrollvorschriften nach der Ablehnung des Anspruchs durch die Beschwerdegegnerin am 14. Dezember 1994 nicht mehr erfüllt zu haben. Er habe dies mit einer krankheits- und arbeitsmarktbedingt verminderten Vermittlungsfähigkeit begründet. Er "habe sich auch nicht vorstellen können, dass er trotz der ablehnenden Verfügung weiterhin 'irgendwelche formalen Kontrollpflichten habe erfüllen müssen'". Zudem sei ihm infolge der unrechtmässigen Ablehnung eine seine Vermittlungsfähigkeit verbessernde Umschulung verwehrt geblieben. Er habe daher im vorinstanzlichen Verfahren sinngemäss geltend gemacht, in Anbetracht seiner (sehr speziellen) Tätigkeit als Regisseur hätte erst eine Umschulung die Grundlage dafür geschaffen, dass er seine Kontrollpflichten tatsächlich gesetzeskonform hätte erfüllen können. Die Vorinstanz habe sich mit den vom Beschwerdeführer erhobenen Rügen der Verletzung von Treu und Glauben und des widersprüchlichen Verhaltens durch die Arbeitslosenkasse nicht umfassend auseinandergesetzt. Wenn der Beschwerdeführer auf der Nichterfüllung der Kontrollvorschriften behaftet werde, so müsse "auch der konsequente Schluss gezogen werden, dass die Beschwerdegegnerin ebenfalls ihren gesetzlichen Pflichten hätte nachkommen, den sich nicht den Kontrollvorschriften unterziehenden Beschwerdeführer somit nach Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG einstellen müssen, komme doch dieser Norm die 'Kontrollfunktion' zu, dass dadurch der Versicherte auf ein allfälliges Fehlverhalten zwangsläufig aufmerksam gemacht werde". Hätte die Arbeitslosenkasse ihre Pflicht zum Erlass einer Einstellung nach Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG erfüllt, so wäre der Beschwerdeführer dadurch auf die Einhaltung der Kontrollvorschriften aufmerksam gemacht worden, wodurch der
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Schaden in geringeren Grenzen hätte gehalten werden können. Die Verhaltensweise der Arbeitslosenkasse sei umso stossender, als sie während der gesamten Dauer des ersten gerichtlichen Beschwerdeverfahrens von 17 Monaten über die fehlende Erfüllung der Kontrollvorschriften orientiert gewesen sei. Es liege der Schluss nahe, dass sie bewusst die Nichterfüllung der Kontrollvorschriften geduldet habe. In Anbetracht der (der ersten Ablehnungsverfügung zugrunde liegenden) fehlenden Beitragszeit habe dem Beschwerdeführer nicht zugemutet werden können, die Kontrollvorschriften weiter zu erfüllen, "ohne sicher zu sein, dass er am Ende von der Beitragszeit befreit werden würde". Weder die damals angefochtene Ablehnungsverfügung noch das Informationsblatt noch "die Eingangsverfügung der Vorinstanz" hätten einen Hinweis darauf enthalten, dass während der Litispendenz die Kontrollvorschriften weiter zu erfüllen seien, selbst wenn vorgängig die Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung von der Kasse aus einem anderen Grund verfügungsweise aberkannt worden seien. In Anbetracht der weitgehenden (finanziellen) Konsequenzen für den Beschwerdeführer rechtfertige sich - im Rahmen einer wertenden, die verschiedenen auf dem Spiele stehenden Interessen abwägenden Betrachtungsweise - eine vom Gesetz abweichende Behandlung.
b) aa) Die bisherige Rechtsprechung hat in der vorliegenden Problematik einen ausgesprochen restriktiven Kurs eingeschlagen. Ausgegangen wird vom allgemeinen Grundsatz, dass niemand Vorteile aus seiner eigenen Rechtsunkenntnis ableiten kann (BGE 111 V 405 Erw. 3, BGE 110 V 338 Erw. 4; ZAK 1991 S. 375 Erw. 3c; ARV 1985 Nr. 13 S. 52 Erw. 4b mit Hinweis auf BGE 98 V 258 und ZAK 1977 S. 263 Erw. 3). Eine vom Gesetz abweichende Behandlung kommt nur in Betracht, wenn die praxisgemäss erforderlichen fünf Voraussetzungen für eine erfolgreiche Berufung auf den öffentlichrechtlichen Vertrauensschutz erfüllt sind (BGE 116 V 298 Erw. 3a). Dafür erforderlich ist insbesondere, dass die Verwaltung tatsächlich eine falsche Auskunft erteilt hat; von sich aus - spontan, ohne vom Versicherten angefragt worden zu sein - brauchen die Organe der Arbeitslosenversicherung hingegen - vorbehältlich Art. 19 Abs. 4 AVIV - nicht Auskünfte zu erteilen (unveröffentlichtes Urteil A. vom 19. Februar 1997). Eine in ihrer Tragweite beschränkte Abweichung davon ergibt sich aus dem gestützt auf Art. 17 AVIG und die allgemeine Vollzugskompetenz in Art. 109 AVIG erlassenen Art. 19 Abs. 4 AVIV. Nach dieser Verordnungsbestimmung
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macht das Arbeitsamt den Versicherten bei der Anmeldung zum Taggeldbezug auf seine Pflichten nach Art. 17 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes, insbesondere auf die Pflicht, sich selber um Arbeit zu bemühen, aufmerksam. Darauf ist der den Arbeitsämtern gesetzlich zugewiesene Informationsauftrag beschränkt. Eine Berufung auf den Vertrauensschutz wegen unterlassener weitergehender Auskünfte ist demzufolge unbegründet, sofern nicht konkrete Umstände eine ausserhalb der gesetzlich statuierten Verpflichtung liegende Aufklärung im Sinne der Rechtsprechung aufdrängen (unveröffentlichtes Urteil R. vom 23. Februar 1994). So muss etwa die Durchführungsstelle nicht von sich aus den Versicherten auf die Folgen der Aufnahme einer Zwischenverdiensttätigkeit (nach Art. 24 Abs. 3 AVIG) hinweisen (unveröffentlichtes Urteil L. vom 4. Juli 1997). Wenn der Beamte des Arbeitsamtes den Versicherten bei seiner einmaligen Vorsprache nicht von sich aus auf die Notwendigkeit der Stempelkontrolle und die Möglichkeit des Bezuges von Arbeitslosenentschädigung hinweist, so ist darin kein Verhalten zu erblicken, welches ein Abweichen von der Kontrollpflicht zu rechtfertigen vermag. Dies käme nur dann in Betracht, wenn der Versicherte von der zuständigen Stelle über die Bedeutung der Stempelpflicht falsch orientiert worden wäre (ARV 1979 Nr. 13 S. 82, 1976 Nr. 13 S. 85). Auch die Berufung auf die fehlende Abgabe von Merkblättern hilft nicht weiter (ARV 1980 Nr. 44 S. 109; anders verhält es sich nur, wenn mit dem Merkblatt dem Versicherten eine in seinem Einzelfall entscheidende unrichtige Auskunft erteilt wird [BGE 109 V 55 Erw. 3b]). Die gleiche Rechtsprechung gilt auch ausserhalb des Taggeldrechts, z.B. beim Anspruch auf Kurzarbeitsentschädigung, wo der Arbeitgeber nicht auf die Folgen einer verspäteten Voranmeldung aufmerksam gemacht werden muss (unveröffentlichtes Urteil M. vom 27. November 1997).
Es ist somit ausserhalb des Tatbestandes von Art. 19 Abs. 4 AVIV ein unrichtiges Verhalten der Verwaltung im Sinne eines aktiven Tätigwerdens vorausgesetzt, wobei die Rechtsprechung der falschen Auskunft auch sonst fehlerhaftes Verwaltungshandeln gleichgesetzt hat, z.B. die - entgegen Art. 23 Abs. 1 AVIV (in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung) - unterbliebene Abgabe der Stempelkarte, welche der Verletzung einer unterbliebenen mündlichen Belehrung nach Art. 19 Abs. 4 AVIV gleichgestellt wurde (unveröffentlichtes Urteil Z. vom 21. August 1995). Im Bereich der
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Präventivmassnahmen sodann umfasst der Informationsauftrag nach Art. 19 Abs. 4 AVIV auch, auf die Zuständigkeit der kantonalen Amtsstelle (und nicht des Arbeitsamtes) zur Bewilligung solcher Vorkehren hinzuweisen (unveröffentlichtes Urteil H. vom 30. November 1994).
Weitergehende Informationspflichten bestehen, wenn das positive Recht dies vorschreibt, wie z.B. die in Art. 29 Abs. 3 AVIV (in der bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung) verankerte Verpflichtung der Kasse, den Versicherten auf den Untergang seines Entschädigungsanspruches im Säumnisfall (nicht rechtzeitige Einreichung der Unterlagen und des Entschädigungsbegehrens) hinzuweisen (ARV 1993/1994 Nr. 33 S. 231).
bb) In Weiterführung dieser Grundsätze zur Tragweite des öffentlichrechtlichen Vertrauensschutzes und zu den Informationspflichten der Verwaltung im Bereich der Arbeitslosenversicherung hat das Eidg. Versicherungsgericht im unveröffentlichten Urteil W. vom 10. Dezember 1996 ausdrücklich entschieden,
"dass der Beschwerdeführer unstreitig die Kontrollvorschriften ab 1. Juli 1993 nicht erfüllt hat, weshalb es an einer für die anbegehrte Arbeitslosenentschädigung unerlässlichen Anspruchsvoraussetzung (Art. 8 Abs. 1 lit. g in Verbindung mit Art. 17 AVIG) mangelt,
dass unter den Parteien denn auch nur die Frage umstritten ist, ob der Beschwerdeführer gestützt auf den öffentlichrechtlichen Vertrauensschutz (Art. 4 Abs. 1 BV; BGE 121 V 66 f. Erw. 2a mit Hinweisen; vgl. auch BGE 116 V 298) von diesem gesetzlichen Erfordernis dispensiert werden kann,
dass das kantonale Gericht die Rechtsprechung über Treu und Glauben im Verwaltungsrecht, insbesondere über die Bindung der Behörde an eine unrichtige oder eine in Verletzung der Informationspflicht unterbliebene Auskunft, zutreffend dargelegt hat, worauf verwiesen sei,
dass unbestrittenerweise keine falsche Auskunft seitens der kantonalen Amtsstelle oder der Arbeitslosenkasse vorliegt,
dass insbesondere der Beschwerdeführer im Anschluss an die mit Vermittlungsunfähigkeit begründete Ablehnungsverfügung vom 29. Juni 1993 von den Organen der Arbeitslosenversicherung nicht vom weiteren Besuch der Stempelkontrolle abgehalten worden ist, was gegebenenfalls vertrauensschutzrechtlich von Belang wäre (BGE 119 V 497 Erw. 3d in fine; ARV 1993/1994 Nr. 32 S. 228, 1976 Nr. 13 S. 85; nicht publiziertes Urteil Z. vom 21. August 1995),
dass auch keine Verletzung der Informationspflicht (Art. 19 Abs. 4 AVIV) vorliegt, hatte doch die Verwaltung nach der Sachlage keinen hinreichenden Anlass, von sich aus beim Beschwerdeführer nachzufragen, aus welchen Gründen er ab 1. Juli 1993 die Kontrollvorschriften nicht mehr erfülle,
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dass weder tatsächlich noch rechtlich irgendetwas den Beschwerdeführer zur Annahme berechtigte, sein gegen die erste Ablehnungsverfügung betreffend Verneinung der Vermittlungsfähigkeit anhängig gemachtes Beschwerdeverfahren enthebe ihn von der Beachtung der gesetzlichen Kontrollvorschriften,
dass seine Auffassung, nur Versicherte, bezüglich deren die Anspruchsberechtigung feststehe, seien befugt, sich den gesetzlichen Kontrollvorschriften zu unterziehen, rechtsirrtümlich ist, was der Beschwerdeführer praxisgemäss selber zu vertreten hat (ARV 1985 Nr. 13 S. 52 Erw. 4b mit Hinweisen in Verbindung mit Nr. 15 S. 58),
dass dieser Rechtsirrtum für die Verwaltung nach Lage der Akten nicht erkennbar war, weshalb sich auch unter diesem Gesichtspunkt keine Verpflichtung zur Aufklärung ergab,
dass damit, wie das kantonale Gericht zutreffend erkannte, die Berufung auf den öffentlichrechtlichen Vertrauensschutz nicht durchdringt."

3. Dem Hauptstandpunkt des Beschwerdeführers kann somit nicht beigepflichtet werden. Die vorgebrachten Argumente rechtfertigen nicht die Annahme besonderer Umstände, wie sie im erwähnten unveröffentlichten Urteil W. vom 10. Dezember 1996 vorbehalten wurden: Zunächst verkennen die Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, wie das Taggeldbezugsverfahren abläuft, indem sich einerseits die Einstellungsfrage, insbesondere jene nach Art. 30 Abs. 1 lit. d AVIG, nur stellt, wenn der gesetzliche Leistungsanspruch grundsätzlich gegeben, somit alle Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind. Zum andern gehen alle weiteren Rügen des widersprüchlichen Verhaltens, der Verletzung von Treu und Glauben usw. deswegen ins Leere, weil die Verwaltung mangels Vorsprache des Beschwerdeführers am Schalter in der Zeit ab Kontrollperiode Dezember 1994 gar nie die Gelegenheit hatte, ihn auf die Wichtigkeit der Befolgung der Kontrollvorschriften trotz des Beschwerdeverfahrens hinzuweisen. Hinzu kommt, dass der Beschwerdeführer die Stempelkontrolle schon Ende November 1994 eingestellt hatte, mithin vor Erlass der ersten Ablehnungsverfügung vom 14. Dezember 1994, welche somit für den Abbruch der Stempelkontrolle nicht kausal gewesen sein kann. Dass der Versicherte, wie er geltend macht, im Dezember 1994 noch an von der kantonalen Amtsstelle organisierten Veranstaltungen vorab informierenden Charakters teilgenommen hat, ändert daran nichts.

4. Nachdem feststeht, dass der Beschwerdeführer keine vom Gesetz abweichende Behandlung beanspruchen, also nicht gestützt auf den öffentlichrechtlichen Vertrauensschutz von der Beachtlichkeit der - anspruchsausschliessenden - Nichtbefolgung der gesetzlichen
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Kontrollvorschriften freigestellt werden kann, bleibt zu prüfen, ob in Anbetracht der ab Kontrollperiode Dezember 1994 herrschenden Verhältnisse nicht eine Erleichterung der Kontrollvorschriften nach Massgabe der einschlägigen Verordnungsnormen, die damals in Kraft standen, verfügt werden kann. In einer solchen Betrachtungsweise ist nicht etwa das nachträgliche Eintragen von Kontrollstempeln für zurückliegende Tage zu erblicken, was nicht zulässig wäre (ARV 1979 Nr. 13 S. 82). Auf Antrag der kantonalen Amtsstelle konnte das BIGA in zeitlich befristeten Ausnahmefällen weitergehende Kontrollerleichterungen bewilligen, wenn ausserordentliche Verhältnisse dies erforderten (Art. 21 Abs. 3 AVIV in der vom 1. Januar 1993 bis 31. Dezember 1996 gültig gewesenen Fassung). Diese Bestimmung ist dahingehend zu verstehen, dass es um eine globale Bewilligung weitergehender Kontrollerleichterungen geht. Selbst wenn man ihr einen individuellen Charakter zumessen wollte, kann vorliegend weder von zeitlich befristeten Ausnahmefällen noch von ausserordentlichen Verhältnissen gesprochen werden. Die auf den einzelnen Versicherten zugeschnittenen Erleichterungen der Kontrollpflicht in Art. 25 AVIV erfüllt der Beschwerdeführer ebenfalls nicht. Hingegen ist die Frage noch unter dem Gesichtswinkel von Art. 26 Abs. 3 AVIV zu prüfen, der (in der hier ebenfalls intertemporalrechtlich massgeblichen Fassung) lautet:
"Versicherte, die auf Weisung oder mit Zustimmung der kantonalen Amtsstelle einen Kurs (Art. 60 AVIG) besuchen, sind von der Kontrollpflicht befreit, soweit dies für den Kursbesuch notwendig ist. Die kantonale Amtsstelle bestimmt, ob und wie oft der Versicherte die Kontrollpflicht erfüllen muss."
Im Lichte dieser Bestimmung fragt sich, ob der Beschwerdeführer im Sinne des vertretenen Eventualstandpunktes nachträglich von der Kontrollpflicht ganz oder teilweise befreit werden kann, weil schon damals auch arbeitsmarktlich bedingte Umschulungsmassnahmen nach Art. 59 ff. AVIG indiziert gewesen wären. Auch dieses Begehren scheitert aber letztlich daran, dass effektiv keine Umschulungsmassnahme ab Dezember 1994 durchgeführt wurde und dass der Beschwerdeführer damals von den Organen der Arbeitslosenversicherung auch keine solche verlangt hatte. Wenn er einwendet, aufgrund der ärztlichen Stellungnahmen, insbesondere der Bestätigung der Frau Dr. med. D., Medizinische Poliklinik, Departement für Innere Medizin am Spital X, an die Arbeitslosenversicherung vom 17. Januar
BGE 124 V 215 S. 225
1995, sei sein Umschulungsbegehren "bei der Beschwerdegegnerin aktenkundig" gewesen, so hilft ihm dies insofern nicht weiter, als trotzdem die Mindestbeitragszeit nicht erfüllt ist, welche nach Art. 60 Abs. 1 lit. b AVIG auch für Präventivmassnahmen Leistungsvoraussetzung ist, jedenfalls für den Taggeldanspruch. Aus dem von der Beitragszeit unabhängigen Kurskosten-Erstattungsanspruch nach Art. 60 Abs. 4 in Verbindung mit Art. 61 Abs. 3 AVIG lässt sich ebenfalls nichts zugunsten des Beschwerdeführers ableiten, weil Streitgegenstand eben nur der Taggeldanspruch ist. Damit stellt sich, letztlich genau gleich wie bei der Beurteilung des Hauptstandpunktes, die Frage, ob der Beschwerdeführer etwas aus dem Umstand gewinnt, dass die Verwaltung sein Dossier während der Rechtshängigkeit des ersten Beschwerdeverfahrens nicht weiter bearbeitet hatte, da sie davon ausgegangen war, zufolge Fehlens der Beitragszeit und fehlender Beitragsbefreiung könne der Beschwerdeführer keine Taggelder, auch nicht solche während einer Präventivmassnahme, beanspruchen. Diese Frage kann - aus Gründen der Konsequenz - nicht anders beantwortet werden als beim Hauptstandpunkt.

5. (Unentgeltliche Verbeiständung)

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Erwägungen 1 2 3 4 5

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