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Urteilskopf

127 I 133


16. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 12. Juni 2001 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft und Obergericht des Kantons Aargau (staatsrechtliche Beschwerde)

Regeste

Art. 29 Abs. 1 BV; § 230 Ziff. 1 StPO/AG; Anspruch auf Revision im Strafverfahren; Garantie gleicher und gerechter Behandlung in Gerichts- und Verwaltungsverfahren.
Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonal letztinstanzlichen Entscheid über ein Revisionsgesuch, das aufgrund von neuen Tatsachen gestellt wurde, die eine vom kantonalen Prozessrecht beherrschte Frage betreffen (E. 3).
Es stellt eine grundsätzlich in allen Prozessverfahren Geltung beanspruchende Verfahrensgarantie dar, ein materiell und formell rechtskräftiges Urteil, das mit der materiellen Wahrheit nicht übereinstimmt, unter bestimmten Voraussetzungen korrigieren zu können. Ein materiell und formell rechtskräftiges Prozessurteil im Strafverfahren, das dem davon Betroffenen wegen einer angeblich verpassten Rechtsmittelfrist den ordentlichen Rechtsmittelweg gegen eine Verurteilung endgültig versperrt, muss daher aufgrund von Art. 29 Abs. 1 BV auf dem Weg der Revision korrigiert werden können (E. 4-7).

Sachverhalt ab Seite 134

BGE 127 I 133 S. 134

A.- X. wurde vom Bezirksgericht Bremgarten am 27. Januar 2000 der einfachen Körperverletzung, der Gewalt und Drohung gegen Beamte und der Hinderung einer Amtshandlung schuldig gesprochen und zu einer bedingt vollziehbaren Strafe von 3 Monaten Gefängnis sowie einer Busse von Fr. 500.- verurteilt. Gleichzeitig widerrief das Bezirksgericht den bedingten Vollzug einer vom selben Gericht am 16. Dezember 1997 ausgesprochenen Strafe von 1 1/2 Monaten Gefängnis.
X. erhob gegen das Urteil vom 27. Januar 2000 Berufung beim Obergericht des Kantons Aargau und beantragte sinngemäss, er sei von Schuld und Strafe freizusprechen. Das Obergericht (I. Strafkammer) trat am 25. August 2000 auf die mit Datum vom 30. Mai 2000 versehene Berufung nicht ein, weil X. diese erst am 2. Juni 2000 der schweizerischen Post übergeben und damit die am 31. Mai 2000 abgelaufene Berufungsfrist nicht eingehalten habe.

B.- Dagegen gelangte X. mit einer als "Berufung" bezeichneten Eingabe vom 9. Oktober 2000 an das Obergericht und machte im Wesentlichen geltend, er habe die auf den 30. Mai 2000 datierte Berufung bereits am Tage vor Auffahrt, dem 31. Mai 2000, nach
BGE 127 I 133 S. 135
Erkundigung bei einem SBB-Angestellten in einen Briefkasten der schweizerischen Post am Bahnhof H. eingeworfen und nicht erst am 2. Juni 2000. Er habe die Berufungsfrist nicht überschritten. Das Urteil vom 25. August 2000 sei zu widerrufen.
Das Obergericht überwies die Eingabe am 17. Oktober 2000 dem Bundesgericht zur Behandlung. Am 4. Dezember 2000 sandte der Instruktionsrichter des Bundesgerichts die Eingabe vom 9. Oktober 2000 zur allfälligen Behandlung als Begehren um Revision des obergerichtlichen Urteils an das Obergericht zurück.

C.- Das Obergericht trat auf das Revisionsbegehren mit Beschluss vom 1. März 2001 nicht ein, da eine Revision des Prozessurteils vom 25. August 2000 weder nach § 230 der Strafprozessordnung des Kantons Aargau noch nach Art. 397 StGB zulässig sei.

D.- Gegen diesen Beschluss erhob X. mit Eingabe vom 9. April 2001 staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Willkürverbots.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Der Entscheid vom 1. März 2001 ist kantonal letztinstanzlich (Art. 86 Abs. 1 OG). Der Beschwerdeführer ist davon im Sinne von Art. 88 OG persönlich betroffen. Er macht die Verletzung verfassungsmässiger Rechte geltend, wozu er nach Art. 84 Abs. 1 OG befugt ist.
Das Gesuch um Revision des Urteils vom 25. August 2000, auf welches das Obergericht nicht eintrat, begründete der Beschwerdeführer allein aufgrund von Tatsachen, welche die Fristwahrung als eine vom kantonalen Prozessrecht beherrschte Frage betreffen. Der Verurteilte hat nach Art. 397 StGB einen Anspruch auf Wiederaufnahme, wenn er in Anwendung eidgenössischen Rechts verurteilt worden ist, und er neue Tatsachen und Beweismittel in Bezug auf die ihm vorgeworfene Tat oder die damit verbundene Rechtsfolge vorbringt, nicht aber, wenn es um vom kantonalen Prozessrecht beherrschte Fragen geht. Der Beschwerdeführer macht daher zu Recht nicht geltend, die Verneinung der Zulässigkeit seines Revisionsgesuches verletze Art. 397 StGB. Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher nicht gegeben und der Grundsatz der Subsidiarität der staatsrechtlichen Beschwerde mithin gewahrt (Art. 84 Abs. 2 OG und Art. 269 BStP). Da diese und auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
BGE 127 I 133 S. 136

4. Das Obergericht trat gestützt auf § 230 Ziff. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Aargau vom 11. November 1958 (StPO/AG) auf die Eingabe vom 9. Oktober 2000 nicht ein. Nach dieser Bestimmung kann:
"gegen jedes rechtskräftige Strafurteil die Wiederaufnahme des Verfahrens verlangt werden, wenn erhebliche Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die dem Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens nicht bekannt waren und die allein oder zusammen mit den früher festgestellten Tatsachen geeignet sind, die Freisprechung des Verurteilten oder eine erheblich geringere Bestrafung herbeizuführen oder eine andere Beurteilung des Zivilpunktes zu bewirken".
Das Obergericht führte dazu aus, die Voraussetzung, dass die neuen erheblichen Tatsachen oder Beweismittel allein oder zusammen mit den früher festgestellten Tatsachen geeignet sein müssen, die Freisprechung des Verurteilten oder eine erheblich geringere Bestrafung herbeizuführen, seien vorliegend nicht erfüllt. Werde von der Sachdarstellung des Beschwerdeführers ausgegangen, wonach er die Berufung am 31. Mai 2000 in den Briefkasten geworfen habe, so würde dies lediglich zu einer Aufhebung des Nichteintretensentscheids der I. Strafkammer vom 25. August 2000 führen. Dies würde jedoch nicht zu einem Freispruch oder einer Besserstellung des Gesuchstellers führen, sondern hätte lediglich zur Folge, dass die Berufung behandelt werden müsste. Erst dies könnte eine Besserstellung bewirken, weshalb die Prüfung der Frage der Erheblichkeit nur indirekt möglich wäre. Ferner ergebe sich aus § 234 StPO/AG zwingend, dass bei der Wiederaufnahme das erstinstanzlich zuständige Gericht, d.h. das Bezirksgericht, im gleichen Verfahren wie bei der ersten Beurteilung einen neuen Entscheid zu fällen hätte. Dies würde indessen keinen Sinn machen, da es nur darum gehen könne, dass die Berufung behandelt werde. Eine Revision gegen das Prozessurteil vom 25. August 2000 sei deshalb nicht zulässig.

5. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Nichteintretensentscheid des Obergerichts verletze das rechtliche Gehör und stelle eine "willkürliche Prozessführung" dar, "welche im gröbsten Masse die Grundrechte des einfachen Bürgers mit Händen und Füssen" trete. Dies halte "im Lichte des Art. 4 BV nicht stand." Sinngemäss macht der Beschwerdeführer damit eine Verletzung der Bundesverfassung in der Form einer formellen Rechtsverweigerung geltend. Neben dieser Rüge kommt einer Willkürrüge keine selbständige Bedeutung zu. Das Bundesgericht prüft frei, ob eine formelle Rechtsverweigerung vorliegt (BGE 125 I 166 E. 3a; BGE 121 I 177 E. 2b/aa; BGE 120 II 425 E. 2a; BGE 119 Ia 4 E. 2a).
BGE 127 I 133 S. 137
Eine willkürliche Auslegung und Anwendung von § 230 Ziff. 1 StPO macht der Beschwerdeführer jedenfalls nicht substantiiert geltend; er legt nicht näher dar, inwiefern eine solche vorliegen würde. Dies wohl zu Recht. Diese Bestimmung ist gemäss ihrem Wortlaut, insbesondere auch im Zusammenhang mit § 234 StPO, allein auf die Revision von Sachurteilen zugeschnitten.
Es ist daher zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung das Recht zusteht, die Revision des Urteils des Obergerichts bzw. die Wiederaufnahme des Verfahrens zu verlangen, mit welchem dieses auf seine Berufung wegen verspäteter Einreichung nicht eintrat.

6. Nach der unter Art. 4 aBV entwickelten bundesgerichtlichen Rechtsprechung, die unter Art. 29 Abs. 1 und 2 BV ihre Gültigkeit behält (vgl. Botschaft über die neue Bundesverfassung, BBl 1997 I 1ff., S. 181 f.), ist eine Verwaltungsbehörde von Verfassungs wegen verpflichtet, auf einen rechtskräftigen Entscheid zurückzukommen und eine neue Prüfung vorzunehmen, wenn ein klassischer Revisionsgrund vorliegt. Dies ist der Fall, wenn der Gesuchsteller erhebliche Tatsachen oder Beweismittel anführt, die ihm im früheren Verfahren nicht bekannt waren oder die schon damals geltend zu machen für ihn rechtlich oder tatsächlich unmöglich war oder keine Veranlassung bestand (BGE 120 Ib 42 E. 2b S. 46/47; BGE 113 Ia 146 E. 3a S. 150 ff.; BGE 109 Ib 246 E. 4c S. 253; BGE 100 Ib 368 E. 3 S. 371 ff.; ANDRÉ GRISEL, Traité de droit administratif, Bd. II, 1984, S. 949; FRITZ GYGI, Bundesverwaltungsrechtspflege, Bern 1983, S. 262 f.; ALFRED KÖLZ/ISABELLE HÄNER, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl., Zürich 1998, Rz. 428 ff.).
Ein Urteil, das formell und materiell rechtskräftig ist, und daher anders nicht mehr abgeändert werden kann, muss im Interesse der Wahrheitsfindung mit dem ausserordentlichen Rechtsmittel der Revision korrigiert werden können, wenn sich nachträglich herausstellt, dass es auf einer falschen tatsächlichen Grundlage beruht. Eine entsprechende Korrekturmöglichkeit sehen denn auch grundsätzlich alle Prozessgesetze vor (vgl. für den Bund: Art. 137 OG, Art. 66 VwVG [SR 172.021], Art. 229 BStP [SR 312.0], Art. 84 VStrR [SR 313.0]; für die kantonalen Strafverfahren: vgl. u.a. ROBERT HAUSER/ERHARD SCHWERI, Schweizerisches Strafprozessrecht, 4. Aufl., Basel 1999, § 102 Rz. 1 ff., und § 53 Rz. 1 ff. allgemein zum Grundsatz der materiellen Wahrheit im Strafverfahren; NIKLAUS SCHMID, Strafprozessrecht, 3. Aufl., Zürich 1997, Rz. 1134; JÜRG AESCHLIMANN, Einführung in das Strafprozessrecht, Bern 1997,
BGE 127 I 133 S. 138
Rz. 1913 f.; THOMAS MAURER, Das bernische Strafverfahren, Bern 1999, S. 525). Ein Urteil, das mit der materiellen Wahrheit nicht übereinstimmt, unter bestimmten Voraussetzungen nachträglich korrigieren zu können, stellt eine grundlegende, grundsätzlich in allen Prozessverfahren in gleicher Weise Geltung beanspruchende Verfahrensgarantie dar. Deshalb ist die angeführte Rechtsprechung des Bundesgerichts, die sich auf das Verwaltungsverfahren bezieht, auch auf das Strafverfahren anzuwenden. In BGE 113 Ia 146 E. 3b S. 153 erachtete das Bundesgericht diese Rechtsprechung bereits auch auf Wahl- und Abstimmungsverfahren für anwendbar. Sieht ein Strafverfahrensgesetz ein Revisionsrecht nicht oder nicht in genügender Weise vor, gebietet die Garantie einer gleichen und gerechten Behandlung in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen, wie sie heute in Art. 29 Abs. 1 BV festgehalten ist, dieses Recht unmittelbar aufgrund der Bundesverfassung zu gewähren. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist dabei das Geltendmachen neuer Tatsachen oder Beweismittel an die gleich strengen Voraussetzungen geknüpft, die in der Praxis bei der Bejahung eines Revisionsgrundes in den gesetzlich geregelten Fällen gelten. Insbesondere dürfen Revisionsgesuche nicht dazu dienen, rechtskräftige Entscheide immer wieder in Frage zu stellen oder gesetzliche Vorschriften über die Rechtsmittelfristen zu umgehen (BGE 120 Ib 42 E. 2b S. 46/47 mit Hinweisen; GRISEL, a.a.O., S. 948).

7. a) Die Strafprozessordnung des Kantons Aargau sieht, wie bereits angeführt wurde, allein eine Revision von Sachurteilen vor (vgl. DIETER GERSPACH, Die Wiederaufnahme des Verfahrens im aargauischen Strafprozess, Diss. Zürich 1973, S. 59 ff.). Die Bestimmungen der kantonalen Strafprozessordnungen über die Revision sind allgemein auf die erstinstanzlichen Sachurteile zugeschnitten, zumal sie Art. 397 StGB zu genügen haben und sich so an diese Gesetzesvorschrift anlehnen. Sie lassen die Revision hingegen grundsätzlich gegen alle formell und materiell rechtskräftigen Entscheide zu. Gegen Verfügungen, die nicht in materielle Rechtskraft erwachsen, bedarf es des ausserordentlichen Rechtsmittels der Revision nicht, um diese nötigenfalls korrigieren zu können. Gegen nicht in materielle Rechtskraft erwachsende Entscheide, wie prozessleitende Verfügungen oder Einstellungsverfügungen ist die Revision dementsprechend ausgeschlossen (vgl. HAUSER/SCHWERI, a.a.O., § 102 Rz. 8 f.; GÉRARD PIQUEREZ, Procédure pénale suisse, Zürich 2000, Rz. 3493 ff.; SCHMID, a.a.O., Rz. 1138 ff.; MAURER, a.a.O., S. 526; AESCHLIMANN, a.a.O., Rz. 1919; NIKLAUS OBERHOLZER, Grundzüge
BGE 127 I 133 S. 139
des Strafprozessrechts, Bern 1994, S. 554; vgl. auch MAX GULDENER, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Zürich 1979, S. 533). Anders verhält es sich indessen mit einem Prozessurteil, mit dem die zuständige kantonale Instanz auf ein Rechtsmittel wegen Fehlens einer Prozessvoraussetzung nicht eintrat. Ein solches bewirkt nicht nur die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils - wie dies hier gemäss § 169 Ziff. 4 und § 221 StPO/AG der Fall ist -, sondern wird hinsichtlich der beurteilten Zulässigkeitsfrage auch selber materiell rechtskräftig (vgl. BGE 115 II 187 E. 3a; HAUSER/SCHWERI, a.a.O., § 84 Rz. 13; SCHMID, a.a.O., Rz. 580 und 583; AESCHLIMANN, a.a.O., Rz. 1660 und 1664; GYGI, a.a.O., S. 324; KÖLZ/HÄNER, a.a.O., Rz. 715). Es versperrt dem davon Betroffenen den ordentlichen Rechtsmittelweg gegen eine Verurteilung endgültig und muss daher aufgrund der angeführten Verfahrensgarantie nach Art. 29 Abs. 1 BV nötigenfalls nachträglich auf dem Wege der Revision korrigiert werden können.
Der Beschwerdeführer, auf dessen Berufung nicht eingetreten wurde, weil er diese erst nach Fristablauf der Post übergeben haben soll, muss danach dieses Urteil rückgängig machen können, wenn er mit neuen Tatsachen und Beweismitteln dartun kann, dass er die Berufung doch vor Ablauf der Berufungsfrist der Post übergab. Andernfalls würde er seines Berufungsrechts - und damit seines Rechts, seine strafrechtliche Verurteilung durch eine zweite Instanz überprüfen zu lassen -, verlustig gehen, obwohl er die Berufungsfrist allenfalls in Tat und Wahrheit nicht verpasste. Dies ist mit der erwähnten verfassungsmässigen Verfahrensgarantie nicht vereinbar.
b) Mit der Behauptung, die Berufungseingabe vom 30. Mai 2000 am darauffolgenden Tag in einen Briefkasten der schweizerischen Post eingeworfen zu haben, macht der Beschwerdeführer eine neue Tatsache geltend, die zwar im Zeitpunkt des Erledigungsentscheids vom 25. August 2000 bestand, dem Obergericht aber nicht bekannt war (vgl. zu Art. 137 lit. b OG: BGE 121 IV 317 E. 2; BGE 110 V 138 E. 2 S. 141; BGE 108 V 170 E. 1 S. 171, je mit Hinweisen; HAUSER/SCHWERI, a.a.O., § 102 Rz. 20 ff.; SCHMID, a.a.O., Rz. 1152; PIQUEREZ, a.a.O., Rz. 3524 ff.). Zu einer früheren Geltendmachung hatte der Beschwerdeführer keinen Anlass.
Die geltend gemachte Behauptung betrifft sodann, soweit die übrigen Voraussetzungen für das Eintreten auf die Berufung vom 30. Mai 2000 erfüllt sind, eine erhebliche Tatsache, genügt doch der fristgerechte Einwurf in einen Briefkasten für die Wahrung der Rechtsmittelfrist (§ 52 StPO/AG i.V.m. Art. 82 ZPO/AG;
BGE 127 I 133 S. 140
BGE 109 Ia 183). Soweit sie sich im Revisionsverfahren beweisen lässt, kann sie zu einer Gutheissung des Revisionsgesuchs und damit zu einer Aufhebung des Prozessurteils vom 25. August 2000 und einem Eintreten auf die Berufung führen. Es genügt, dass das Recht des Beschwerdeführers, gegen seine erstinstanzliche Verurteilung beim Obergericht Berufung zu führen, auf dem Spiele steht, um die Erheblichkeit der geltend gemachten neuen Tatsachen als Voraussetzung zum Eintreten auf ein Revisionsgesuch zu bejahen. Keine Rolle spielt dabei, dass es sich beim Urteil des Obergerichts vom 25. August 2000 um ein Prozess- und nicht um ein Sachurteil handelt. Entscheidend ist, wie dargelegt, dass es sich dabei um einen formell und materiell rechtskräftigen Entscheid handelt, der für den Beschwerdeführer einen rechtlichen Nachteil zur Folge hat und anders nicht abgeändert werden kann.
c) Der Beschwerdeführer wandte sich mit seiner Eingabe vom 9. Oktober 2000 an das Obergericht und stellte unter Nennung von Beweismitteln substantiierte Behauptungen über die Wahrung der Frist auf. Das Obergericht wäre unter diesen Umständen von Verfassungs wegen verpflichtet gewesen, die Eingabe als zulässiges Gesuch um Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens im Sinne der analog als anwendbar zu betrachtenden §§ 230 ff. StPO/AG entgegen zu nehmen und zu behandeln. Seine Weigerung dies zu tun, stellt eine formelle Rechtsverweigerung dar, die Art. 29 Abs. 1 BV verletzt.
d) Die staatsrechtliche Beschwerde vom 9. April 2001 ist demnach gutzuheissen und der angefochtene Entscheid vom 1. März 2001 aufzuheben.

Inhalt

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Regeste: deutsch französisch italienisch

Sachverhalt

Erwägungen 3 4 5 6 7

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