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Urteilskopf

130 IV 58


10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes i.S. X. und Y. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern sowie Obergericht des Kantons Luzern (Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde)
6P.138/2003 vom 26. April 2004

Regeste

Art. 111 und 18 Abs. 2 StGB; vorsätzliche Tötung; Eventualvorsatz.
Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit bei einem tödlich verlaufenen Raserunfall (E. 8 und 9).

Sachverhalt ab Seite 58

BGE 130 IV 58 S. 58
Das Kriminalgericht des Kantons Luzern erklärte mit Urteil vom 15. März 2002 schuldig
X. der mehrfachen (eventual-) vorsätzlichen Tötung, des Nichtbeherrschens des Fahrzeuges, der mehrfachen Überschreitung der gesetzlichen und signalisierten Höchstgeschwindigkeit innerorts und ausserorts sowie des Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die Strassen- und Verkehrsverhältnisse, des mehrfachen ungenügenden Abstandhaltens beim Hintereinanderfahren sowie des mehrfachen vorschriftswidrigen Überholens,
Y. der mehrfachen (eventual-) vorsätzlichen Tötung, der mehrfachen Überschreitung der gesetzlichen und signalisierten Höchstgeschwindigkeit innerorts und ausserorts sowie des Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die Strassen- und Verkehrsverhältnisse, des ungenügenden Abstandhaltens beim Hintereinanderfahren, des vorschriftswidrigen Überholens sowie des pflichtwidrigen Verhaltens bei Verkehrsunfall.
Es verurteilte beide Angeklagten zu je 6 1/2 Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft, sowie zu 5 Jahren Landesverweisung, mit bedingtem Strafvollzug bei einer Probezeit von 4 Jahren. Hinsichtlich Y. sprach es die Strafe als Zusatzstrafe zum Urteil des Amtsstatthalteramtes Luzern vom 21. Oktober 2002 aus und widerrief im Weiteren den ihm gemäss Strafverfügung des Bezirksamtes Kulm vom 10. August 1999 für eine Strafe von 14 Tagen Gefängnis gewährten bedingten Strafvollzug.
Die von X. und Y. gegen diesen Entscheid geführten Appellationen wies das Obergericht des Kantons Luzern mit Urteil vom 16. Juni 2003 ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.
BGE 130 IV 58 S. 59
Die Verurteilten führen sowohl staatsrechtliche Beschwerde als auch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

3. Dem zu beurteilenden Fall liegt ein Verkehrsunfall zugrunde. Das Obergericht geht gestützt auf die Aussagen der verschiedenen Augenzeugen und der Beteiligten sowie auf ein verkehrstechnisches Unfallgutachten von folgendem Geschehen aus:
Der Beschwerdeführer 1 fuhr am Abend des 3. September 1999 um ca. 22.30 Uhr mit seinem Personenwagen VW Corrado von Hochdorf in Richtung Gelfingen. Beim Kreisel in Hochdorf schloss ein zweiter VW Corrado, der vom Beschwerdeführer 2 gesteuert wurde, zum Auto des Beschwerdeführers 1 auf. Die beiden Fahrzeuglenker kannten sich nicht. Beide führten in ihren Personenwagen Mitfahrer mit.
Der Beschwerdeführer 1 fühlte sich offenbar vom dicht hinter ihm herfahrenden Beschwerdeführer 2 provoziert. Er beschleunigte deshalb ausserhalb von Hochdorf seine Fahrt und fuhr mit übersetzter Geschwindigkeit in Richtung Gelfingen. Dabei wurde er vom Beschwerdeführer 2 in geringem Abstand verfolgt. In der Folge entwickelte sich zwischen den beiden Lenkern ein spontanes Autorennen. Nach der Ortschaft Baldegg überholte der Beschwerdeführer 2 mit einer Geschwindigkeit im Bereich von 100-140 km/h zunächst den Wagen des Beschwerdeführers 1 und hernach weitere, in Richtung Gelfingen fahrende unbeteiligte Personenwagen. Daraufhin fuhr der Beschwerdeführer 1 seinem Kontrahenten mit massiv übersetzter Geschwindigkeit dicht hinterher. Vor dem Ortseingang von Gelfingen setzte der Beschwerdeführer 1 seinerseits zu einem Überholmanöver an und fuhr auf die linke Fahrspur. Beide Beschwerdeführer rasten eng hintereinander bzw. teilweise nebeneinander mit einer Geschwindigkeit von rund 120-140 km/h in das Dorf Gelfingen hinein.
Als der Beschwerdeführer 1 gegen Ende des Überholmanövers vor der unübersichtlichen Linkskurve innerorts auf die rechte Fahrspur einzuschwenken begann, verlor er rund 150 Meter nach der Ortstafel die Herrschaft über seinen Wagen und geriet ins Schleudern. Sein Auto drehte sich um die eigene Achse und kollidierte mehrfach mit einer Mauer an der linken Strassenseite. Schliesslich erfasste das Fahrzeug auf dem Trottoir zwei jugendliche Fussgänger
BGE 130 IV 58 S. 60
und schleuderte sie rund 30 Meter weit nach vorne weg. Dabei erlitten beide Opfer schwerste Verletzungen, denen sie noch auf der Unfallstelle bzw. kurz nach der Einlieferung ins Spital erlagen.
Der Beschwerdeführer 2 setzte nach dem Ortsbeginn von Gelfingen seine Geschwindigkeit insoweit geringfügig herab, als er etwas Gas wegnahm. Er bremste seine Fahrt erst ab, als er erkannte, dass der Wagen des Beschwerdeführers 1 ins Schleudern geriet. In der Folge fuhr er mit einer Geschwindigkeit von ca. 20-30 km/h am Unfallauto vorbei, ohne sich weiter um das Unfallgeschehen zu kümmern.
(...)

7. In rechtlicher Hinsicht wenden sich die Beschwerdeführer gegen den Schuldspruch der (eventual-)vorsätzlichen Tötung. Sie machen geltend, der tödliche Verkehrsunfall sei auf eine Verkettung unglücklicher Umstände zurückzuführen. Der Beschwerdeführer 1 habe sich daher lediglich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht.
(...)

8. Gemäss Art. 18 Abs. 2 StGB verübt ein Verbrechen oder Vergehen vorsätzlich, wer die Tat mit Wissen und Wollen ausführt.

8.1 Der Vorsatz erfordert auf der Wissensseite ein aktuelles Wissen um die Tatumstände (für Einzelheiten vgl. GUIDO JENNY, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch I, Art. 18 StGB N. 21; GÜNTER STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, Allg. Teil I, 2. Aufl., Bern 1996, § 9 N. 71 f.). Bei Delikten, die den Eintritt eines Erfolges erfordern, gehört zur Wissensseite des Vorsatzes eine Vorstellung über den Zusammenhang zwischen dem eigenen Handeln und dem Erfolg. Der Vorsatz bezieht sich nicht nur auf Tatumstände, deren Vorhandensein oder Eintreten der Täter für sicher hält. Er kann sich auch auf solche erstrecken, deren Vorhandensein oder Eintreten er nur für möglich hält (BGE 125 IV 242 E. 3c S. 251; BGE 103 IV 65 E. I.2 S. 67 f.; vgl. schon BGE 69 IV 75 E. 5 S. 79 f.; JENNY, a.a.O., Art.18 StGB N. 22; STRATENWERTH, a.a.O., § 9 N. 73).

8.2 Neben dem Wissen um die reale Möglichkeit der Tatbestandserfüllung verlangt der Vorsatz auch den Willen, den Tatbestand zu verwirklichen. Der Täter muss sich gegen das rechtlich geschützte Gut entscheiden (STRATENWERTH, a.a.O., § 9 N. 58 f.; SCHÖNKE/ SCHRÖDER/CRAMER/STERNBERG-LIEBEN, Strafgesetzbuch, Kommentar,
BGE 130 IV 58 S. 61
26. Aufl., 2001, § 15 N. 80). Dieser Wille ist gegeben, wenn die Verwirklichung des Tatbestandes das eigentliche Handlungsziel des Täters ist oder ihm als eine notwendige Voraussetzung zur Erreichung seines Zieles erscheint. Dasselbe gilt, wenn die Verwirklichung des Tatbestandes für den Täter eine notwendige Nebenfolge darstellt, mag sie ihm auch gleichgültig oder gar unerwünscht sein (JENNY, a.a.O., Art.18 StGB N. 39 f./42; STRATENWERTH, a.a.O., § 9 N. 93 ff.).
Neben diesem direkten Vorsatz erfasst Art. 18 Abs. 2 StGB auch den Eventualvorsatz. Hier strebt der Täter den Erfolg nicht an, sondern weiss lediglich, dass dieser möglicherweise mit der willentlich vollzogenen Handlung verbunden ist. Die Rechtsprechung bejaht Eventualvorsatz, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs bzw. die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 125 IV 242 E. 3c S. 251; BGE 121 IV 249 E. 3a/aa; BGE 119 IV 1 E. 5a, je mit Hinweisen).

8.3 Die Abgrenzung zwischen Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit kann im Einzelfall schwierig sein (vgl. nur STRATENWERTH, a.a.O., § 9 N. 61; CLAUS ROXIN, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Bd. I, 3. Aufl., 1997, § 12 N. 27). Sowohl der eventualvorsätzlich als auch der fahrlässig handelnde Täter wissen um die Möglichkeit oder das Risiko der Tatbestandsverwirklichung. Hinsichtlich der Wissensseite stimmen somit beide Erscheinungsformen des subjektiven Tatbestandes überein. Unterschiede bestehen jedoch beim Willensmoment.
Der bewusst fahrlässig handelnde Täter vertraut (aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit) darauf, dass der von ihm als möglich vorausgesehene Erfolg nicht eintrete, sich das Risiko der Tatbestandserfüllung mithin nicht verwirklichen werde. Das gilt selbst für den Täter, der sich leichtfertig bzw. frivol (BGE 69 IV 75 E. 5 a.E. S. 80) über die Möglichkeit der Tatbestandserfüllung hinwegsetzt und mit der Einstellung handelt, es werde schon nichts passieren.
Demgegenüber nimmt der eventualvorsätzlich handelnde Täter den Eintritt des als möglich erkannten Erfolgs ernst, rechnet mit ihm und findet sich mit ihm ab. Wer den Erfolg derart in Kauf nimmt, "will" ihn im Sinne von Art. 18 Abs. 2 StGB. Nicht erforderlich ist, dass der Täter den Erfolg "billigt" (eingehend BGE 96 IV 99 S. 101; BGE 103 IV 65 E I.2 S. 68; STRATENWERTH, a.a.O., § 9 N. 104)
BGE 130 IV 58 S. 62
.

8.4 Für den Nachweis des Vorsatzes kann sich der Richter - soweit der Täter nicht geständig ist - regelmässig nur auf äusserlich feststellbare Indizien und auf Erfahrungsregeln stützen, die ihm Rückschlüsse von den äusseren Umständen auf die innere Einstellung des Täters erlauben. Nach der Rechtsprechung darf er vom Wissen des Täters auf den Willen schliessen, wenn sich dem Täter die Verwirklichung der Gefahr als so wahrscheinlich aufdrängte, dass die Bereitschaft, sie als Folge hinzunehmen, vernünftigerweise nur als Inkaufnahme des Erfolges ausgelegt werden kann (BGE 109 IV 140 mit Hinweisen; so schon BGE 69 IV 75 E. 5 S. 80; JENNY, a.a.O., Art. 18 StGB N. 48/53; STRATENWERTH, a.a.O., § 9 N. 61/101 ff.).
Zu den äusseren Umständen, aus denen der Schluss gezogen werden kann, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, zählt die Rechtsprechung unter anderem auch die Grösse des dem Täter bekannten Risikos der Tatbestandsverwirklichung und die Schwere der Sorgfaltspflichtverletzung. Je grösser die Wahrscheinlichkeit der Tatbestandsverwirklichung ist und je schwerer die Sorgfaltspflichtverletzung wiegt, desto näher liegt die tatsächliche Schlussfolgerung, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen (BGE 125 IV 242 E. 3c S. 252; BGE 119 IV 1 E. 5a). Zu den relevanten Umständen können aber auch die Beweggründe des Täters und die Art der Tathandlung gehören (BGE 125 IV 242 E. 3c S. 252 mit Hinweisen). Der Schluss, der Täter habe die Tatbestandsverwirklichung in Kauf genommen, darf aber jedenfalls nicht allein aus der Tatsache gezogen werden, dass sich dieser des Risikos der Tatbestandsverwirklichung bewusst war und dennoch handelte. Denn dieses Wissen um das Risiko der Tatbestandsverwirklichung wird - wie ausgeführt - auch bei der bewussten Fahrlässigkeit vorausgesetzt.

8.5 Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft so genannte innere Tatsachen, ist damit Tatfrage (BGE 125 IV 242 E. 3c S. 251 mit Hinweisen; BGE 121 IV 249 E. 2a/aa; BGE 119 IV 1 E. 5a; BGE 110 IV 20 E. 2, BGE 110 IV 74 E. 1c; BGE 109 IV 46 E. 1; BGE 104 IV 35 E. 1, je mit Hinweisen) und kann daher im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur Entscheidung gestellt werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b, Art. 277bis Abs. 1 BStP). Rechtsfrage ist demgegenüber, ob im Lichte der von der kantonalen Instanz festgestellten Tatsachen der Schluss auf Eventualvorsatz berechtigt erscheint. Das gilt grundsätzlich auch dann, wenn bei Fehlen eines Geständnisses
BGE 130 IV 58 S. 63
des Täters aus äusseren Umständen auf jene inneren Tatsachen geschlossen werden muss. Es ist allerdings nicht zu übersehen, dass sich Tat- und Rechtsfragen insoweit teilweise überschneiden (BGE 119 IV 1 E. 5a und 242 E. 2, je mit Hinweisen). Die kantonale Instanz hat deshalb, wenn es um die Frage des Eventualdolus geht, die in diesem Zusammenhang relevanten Tatsachen so erschöpfend wie möglich festzustellen, damit erkennbar wird, aus welchen Umständen sie die Inkaufnahme der Tatbestandsverwirklichung ableitet. Denn der Sinngehalt der zum Eventualdolus entwickelten Formeln lässt sich nur im Lichte der tatsächlichen Umstände des Falles erschliessen. Das Bundesgericht kann daher in einem gewissen Ausmass die richtige Bewertung dieser Umstände im Hinblick auf den Rechtsbegriff des Eventualvorsatzes überprüfen (BGE 125 IV 242 E. 3c S. 252; BGE 119 IV 242 E. 2c S. 248).

9.

9.1 Im Folgenden ist vorerst hinsichtlich des Beschwerdeführers 1, der den Unfall unmittelbar verursacht hat, zu prüfen, ob der Schluss auf ein Handeln mit Eventualvorsatz vor Bundesrecht standhält.

9.1.1 Nicht zu beanstanden ist zunächst, dass die Vorinstanz das Wissenselement des Vorsatzes als erfüllt erachtet. Der Beschwerdeführer 1 hat sich mit dem Beschwerdeführer 2 ein eigentliches, wenn auch nicht im Voraus abgesprochenes Autorennen geliefert, bei welchem beide Fahrer danach trachteten, sich gegenseitig in ihrer fahrerischen Stärke und der Leistungskraft des eigenen Wagens zu überbieten. Dabei musste er, als er kurz vor dem Dorfeingang mit einer Geschwindigkeit von rund 120-140 km/h zu einem Überholmanöver ansetzte, damit rechnen, dass ein Einbiegen auf die rechte Spur und ein Abbremsen innerhalb kurzer Zeit ohne den Verlust der Herrschaft über den Wagen nicht möglich sein würde. Die Vorinstanz nimmt in diesem Zusammenhang zu Recht an, dass die Folgen einer derart halsbrecherischen Fahrweise jedem Verkehrsteilnehmer in klarer Weise vor Augen stehen. Der Beschwerdeführer 1 musste auch davon ausgehen, dass sich an einem späteren Freitagabend im Spätsommer noch Fussgänger oder andere Verkehrsteilnehmer auf der Strasse befinden bzw. dass diese die Strasse auf dem Fussgängerstreifen überqueren könnten. Die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verkehrsunfalles war aufgrund der örtlichen Situation und seiner Fahrweise derart hoch, dass er sie spätestens im Zeitpunkt des Überholmanövers erkannt haben musste.
BGE 130 IV 58 S. 64
Dies wird im Grunde auch vom Beschwerdeführer 1 nicht bestritten.
Als erfüllt erweist sich beim Beschwerdeführer 1 auch das Wil lenselement des Vorsatzes. Wie die Vorinstanz zu Recht annimmt, haben es ihm die konkreten Umstände nicht mehr erlaubt, ernsthaft darauf zu vertrauen, er werde den als möglich erkannten Erfolg durch seine Fahrgeschicklichkeit vermeiden können. Wer im Rahmen eines fahrerischen Kräftemessens kurz vor einem Dorfeingang mit einem Tempo von 120-140 km/h zu einem Überholmanöver ansetzt und sich nicht davon abbringen lässt, obwohl er voraussieht, dass es sich bis in den Innerortsbereich hinziehen wird, wo er die höchstzulässige Geschwindigkeit mithin um bis zu 90 km/h überschreitet, kann gar nicht anders, als den Deliktserfolg ernstlich in Rechnung zu stellen. Er lässt es offensichtlich "drauf ankommen" (vgl. ROXIN, a.a.O., § 12 N. 27 a.E.). Der Beschwerdeführer 1 hat sich daher mit seiner Fahrweise für die mögliche Rechtsgüterverletzung entschieden. Denn die Wahrscheinlichkeit des Erfolgseintritts musste sich ihm als so gross aufdrängen, dass der Umstand, dass er - anstatt seine Fahrt vor der Ortschaft Gelfingen abzubremsen und das Rennen aufzugeben - trotz der massiv übersetzten Geschwindigkeit seines Gegners noch zu einem Überholmanöver angesetzt hat, nicht anders denn als Inkaufnahme des als möglich erkannten Erfolgs ausgelegt werden kann. Seine Fahrweise hat dem Beschwerdeführer 1 mit anderen Worten nurmehr die Hoffnung erlaubt, die Sache werde glimpflich ausgehen. Er musste es letztlich Glück oder Zufall überlassen, ob sich die Gefahr verwirklichen werde oder nicht. Die blosse Hoffnung auf das Ausbleiben des tatbestandsmässigen Erfolgs schliesst eine Inkaufnahme im Sinne eventualvorsätzlicher Tatbegehung anders als das - auch bloss leichtsinnige - Vertrauen jedoch nicht aus. Es bedeutet lediglich, dass der Erfolgseintritt als solcher unerwünscht ist (BGE 125 IV 242 E. 3f S. 254; vgl. auch ROXIN, a.a.O., § 12 N. 27).
Zwar trifft zu, dass ein Fahrzeuglenker durch sein gewagtes Fahrverhalten selbst zum Opfer zu werden droht. Man wird daher einem Autofahrer bei einer riskanten Fahrweise, z.B. bei einem waghalsigen Überholmanöver, auch wenn ihm die möglichen Folgen bewusst sind und er auf sie gar ausdrücklich hingewiesen worden ist, in der Regel zugestehen, dass er - wenn auch oftmals rational nicht begründbar - leichtfertig darauf vertrauen wird, es werde schon nicht zu einem Unfall kommen. Die Annahme, der
BGE 130 IV 58 S. 65
Fahrzeug lenker habe sich gegen das Rechtsgut entschieden und nicht mehr im Sinne der bewussten Fahrlässigkeit auf einen guten Ausgang vertraut, darf daher nicht leichthin getroffen werden (ROXIN, a.a.O., § 12 N. 23; SCHÖNKE/SCHRÖDER/CRAMER/STERNBERG-LIEBEN, a.a.O., § 15 N. 75). Aus diesem Grund hat der von den kantonalen Instanzen angeführte nicht publizierte Entscheid des Bundesgerichts, in welchem es die Verurteilung eines Fahrzeuglenkers wegen eventualvorsätzlicher Tötung schützte, der mit seinem Lamborghini nachts auf der Autobahn mit einer Geschwindigkeit von mindestens 240 km/h auf ein auf der Fahrbahn liegen gebliebenes Unfallauto aufgefahren war und dabei zwei Personen tödlich verletzt hatte, Anlass zu Kritik gegeben (Urteil des Kassationshofs Str. 61/86 vom 6. Oktober 1986, auszugsweise zit. bei HANS SCHULTZ, Rechtsprechung und Praxis zum Strassenverkehrsrecht in den Jahren 1983-1987, Bern 1990, S. 92 ff.; vgl. die Kritik bei SCHULTZ, a.a.O., S. 94 f.; JEAN-PIERRE GUIGNARD, Note sur l'arrêt X., JdT 1988 IV S. 131 ff.). Der jenem Entscheid zu Grunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich von demjenigen im vorliegenden Fall jedoch wesentlich, so dass sich weitere Erörterungen hiezu erübrigen.
Im zu beurteilenden Fall kann das Verhalten des Beschwerdeführers 1 jedenfalls nicht mehr als bloss verantwortungslose riskante Fahrweise bzw. als unverantwortlicher Leichtsinn gewürdigt werden. Aus dem ganzen Ablauf des Geschehens, der gegenseitigen Anstachelung der beiden Fahrzeuglenker beim ersten Aufeinandertreffen bis zum letzten, sich bis in den Innerortsbereich von Gelfingen erstreckenden Überholmanöver ergibt sich, dass primäres Ziel des Beschwerdeführers 1 war, dem Rivalen die eigene fahrerische Überlegenheit zu beweisen und um keinen Preis das Gesicht zu verlieren. Dieses Ziel hat er höher bewertet als die drohenden Folgen, mithin als den Tod der beiden Opfer. Diesem hat er selbst die eigene Sicherheit und diejenige seiner Mitfahrer untergeordnet. Dadurch, dass er sich durch nichts davon abbringen liess, das Überholmanöver bis zuletzt durchzuziehen, hat er zum Ausdruck gebracht, dass ihm der als möglich erkannte Erfolg völlig gleichgültig war.

9.1.2 Was der Beschwerdeführer 1 hiegegen vorbringt, dringt nicht durch. Soweit er geltend macht, der Unfall sei das Resultat einer unkontrollierten Schleuderfahrt gewesen, deren Ursache nicht hinreichend abgeklärt worden sei, wendet er sich gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, an welche der Kassationshof
BGE 130 IV 58 S. 66
im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gebunden ist (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Insofern kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.
Unbegründet ist seine Beschwerde, soweit er sich auf den Standpunkt stellt, das Unfallgeschehen, insbesondere das initiale Schleudern, sei in dieser Form nicht vorhersehbar gewesen. Wie die Vorinstanz zu Recht erkennt, erfordert die Annahme des Vorsatzes keine sichere Voraussicht des genauen Geschehensablaufs. Es genügt, wenn der Täter die Tatbestandsverwirklichung ernsthaft und tatsächlich für möglich hält (STRATENWERTH, a.a.O., § 9 N. 73). Dies ist hier, wie sich aus den obstehenden Erwägungen ergibt (E. 9.1.1), ohne weiteres zu bejahen.

9.1.3 Die Bejahung des Eventualvorsatzes beim Beschwerdeführer 1 verletzt aus diesen Gründen Bundesrecht nicht. Die Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers 1 erweist sich daher in diesem Punkt als unbegründet.

9.2 Bei diesem Ergebnis ist nunmehr zu prüfen, ob die Annahme der Vorinstanz, der Beschwerdeführer 2 habe sich als Mittäter ebenfalls der eventualvorsätzlichen Tötung schuldig gemacht, mit dem Bundesrecht im Einklang steht.

9.2.1 Nach der Rechtsprechung ist Mittäter, wer bei der Ent schliessung, Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise mit anderen Tätern zusammenwirkt, so dass er als Hauptbeteiligter dasteht. Dabei kommt es darauf an, ob der Tatbeitrag nach den Umständen des konkreten Falles und dem Tatplan für die Ausführung des Deliktes so wesentlich ist, dass sie mit ihm steht oder fällt. Das blosse Wollen der Tat, der subjektive Wille allein genügt zur Begründung von Mittäterschaft jedoch nicht. Der Mittäter muss vielmehr bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung der Tat auch tatsächlich mitwirken. Daraus folgt aber nicht, dass Mittäter nur ist, wer an der eigentlichen Tatausführung beteiligt ist oder sie zu beeinflussen vermag. Dass der Mittäter bei der Fassung des gemeinsamen Tatentschlusses mitwirkt, ist nicht erforderlich; es genügt, dass er sich später den Vorsatz seiner Mittäter zu eigen macht (vgl. BGE 125 IV 134 E. 3a mit Hinweisen).

9.2.2 Der Beschwerdeführer 2 hat sich am spontanen Autorennen im selben Masse beteiligt wie der den Unfall unmittelbar verursachende Beschwerdeführer 1. Beide Fahrzeuglenker haben sich durch die gegenseitigen Provokationen zu einem Duell auf der Strasse
BGE 130 IV 58 S. 67
herausgefordert und durch das dichte Hintereinanderherjagen bei stetig steigender Geschwindigkeit konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie sich auf das Kräftemessen einlassen und dem Gegner die eigene Überlegenheit aufzeigen wollten.
Die Vorinstanz erkennt zu Recht, dass der Beschwerdeführer 2 bei diesem Geschehen als Hauptbeteiligter erscheint, auch wenn er den Unfall nicht direkt verursacht hat. Sein Tatbeitrag liegt darin, dass er sich überhaupt am Rennen beteiligt hat, vor allem aber darin, dass er im Zeitpunkt, als der Beschwerdeführer 1 vor der Ortschaft Gelfingen zu seinem Überholmanöver angesetzt hat, seine Fahrt mit gleichbleibender, massiv überhöhter Geschwindigkeit bis in den Innerortsbereich fortgesetzt hat. Insofern gilt für ihn dasselbe, was hinsichtlich des Beschwerdeführers 1 ausgeführt worden ist (vgl. oben E. 9.1.1). Auch ihm mussten die Folgen einer solchen Fahrweise klar vor Augen stehen. Dennoch liess er sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Aus dem Umstand, dass er sein Tempo während des Überholmanövers seines Gegners trotz des nahenden Dorfeinganges nicht reduziert hat, lässt sich nur schliessen, dass er den Konkurrenten um keinen Preis an sich vorbeiziehen lassen und ihm das Überholen, wohl in der Absicht, ihn zum Aufgeben zu bewegen, so schwer wie möglich machen wollte. Dadurch hat er verhindert, dass der Beschwerdeführer 1, der ebenfalls unter keinen Umständen klein beigeben wollte, das Überholen vor dem Ortsbeginn abschliessen konnte. Auch der Beschwerdeführer 2 hat damit offensichtlich sein Bestreben, um jeden Preis als Gewinner aus der Auseinandersetzung hervorzugehen, über alles gestellt und die Gefahr eines drohenden Unfalls beiseite geschoben. Daraus lässt sich nur schliessen, dass er es ebenfalls "drauf ankommen" liess und ihm alles andere als der Ausgang des Rennens vollkommen gleichgültig war.

9.2.3 Was der Beschwerdeführer 2 hiegegen einwendet, führt zu keinem anderen Ergebnis.
Soweit er zunächst geltend macht, er habe nicht voraussehen können, dass der Beschwerdeführer 1 aufgrund einer Unachtsamkeit plötzlich ins Schleudern geraten könnte, ist er nicht zu hören. Insoweit geht er von einem Sachverhalt aus, der von den verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweicht (vgl. Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277bis Abs. 1 BStP).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers 2 schliesst die Vorinstanz sodann nicht vom blossen Wissen um das Risiko der
BGE 130 IV 58 S. 68
Tatbestandsverwirklichung auf deren Inkaufnahme. Vielmehr erachtet sie auf Grund verschiedener Anzeichen die Willensseite des Vorsatzes als erfüllt. Diesem Schluss steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer 2 nach dem Ortsbeginn seine Fahrt leicht verlangsamt hat, indem er etwas Gas wegnahm. Dass er den Erfolg nicht wollte, liesse sich nur annehmen, wenn er vor der Ortschaft seine Fahrt abgebremst und damit dem Beschwerdeführer 1 erlaubt hätte, sein Überholmanöver rechtzeitig zu vollenden.

9.2.4 Der Schluss der Vorinstanz, der Beschwerdeführer 2 habe sich als Mittäter der eventualvorsätzlichen Tötung schuldig gemacht, verletzt daher Bundesrecht nicht. Dasselbe gilt hinsichtlich der von ihm beanstandeten Schuldsprüche wegen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz, namentlich wegen Überschreitens der Höchstgeschwindigkeit innerorts (Art. 4a Abs. 1 lit. a VRV i.V.m. Art. 32 Abs. 2 SVG). Die Nichtigkeitsbeschwerde des Beschwerdeführers 2 erweist sich ebenfalls als unbegründet.

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