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Urteilskopf

114 Ia 221


36. Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 8. Dezember 1988 i.S. Willy Müller gegen Kanton Basel-Landschaft (staatsrechtliche Beschwerde)

Regeste

Aufhebung der §§ 23 Abs. 3, 25 Abs. 2 sowie 37-40 des basellandschaftlichen Gesetzes über die Staats- und Gemeindesteuern und den Finanzausgleich vom 7. Februar 1974; Art. 4 BV.
1. Art. 89 Abs. 1 OG: Beginn der Frist für die staatsrechtliche Beschwerde gegen einen der Volksabstimmung unterliegenden Erlass (E. 1a).
2. Art. 88 OG: Legitimation des Steuerpflichtigen zur Beschwerde wegen Verletzung der Rechtsgleichheit gegen einen Erlass, der die Besteuerung von Kapitalgewinnen auf beweglichem Privatvermögen abschafft? (E. 1b, Frage offen gelassen).
3. Allgemeine Grundsätze rechtsgleicher Steuergesetzgebung (Art. 4 Abs. 1 BV): Die Abschaffung der Steuer von Kapitalgewinnen auf beweglichem Privatvermögen lässt sich sachlich rechtfertigen und verletzt die Rechtsgleichheit nicht (E. 2-6).

Sachverhalt ab Seite 222

BGE 114 Ia 221 S. 222
Am 25. Juni 1986 verabschiedete der Landrat des Kantons Basel-Landschaft eine Änderung des Gesetzes vom 7. Februar 1974 über die Staats- und Gemeindesteuern und den Finanzausgleich (Steuer- und Finanzgesetz - StG). Mit der Änderung wurden u.a. die bisherigen §§ 23 Abs. 3, 25 Abs. 2 sowie 37 bis 40 über die Besteuerung der Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen aufgehoben. Die Revision wurde in der Volksabstimmung vom 28. September 1986 angenommen.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 17. November 1986 beantragt der in Basel-Landschaft wohnhafte und steuerpflichtige Willy Müller, die Gesetzesnovelle sei insoweit aufzuheben, als sie den verfassungsmässigen Grundsatz der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung verletze, namentlich soweit sie die Streichung der bisher geltenden §§ 23 Abs. 3, 25 Abs. 2 sowie 37 bis 40 StG zum Gegenstand hat. Das Bundesgericht weist die Beschwerde, soweit es darauf eintritt, ab,

Erwägungen

aus folgenden Erwägungen:

1. a) Die Frist zur staatsrechtlichen Beschwerde berechnet sich von der nach kantonalem Recht massgebenden Eröffnung oder Mitteilung des Erlasses oder der Verfügung an (Art. 89 Abs. 1 OG; BGE 112 Ia 182 E. 1a, mit Hinweisen). Bei Beschwerden wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte durch Erlasse, die (wie Gesetze des Kantons Basel-Landschaft: § 30 lit. b KV) der Volksabstimmung unterliegen, beginnt die Beschwerdefrist nicht, bevor der unter Mitwirkung des Volkes gültig zustande gekommene Erlass und die Feststellung, dass er gültig zustande gekommen ist, in der nach kantonalem Recht massgeblichen Form publiziert worden sind (BGE 110 Ia 12 E. 1c; BGE 108 Ia 129 E. 1a, 142 E. 1, mit Hinweisen).
Diese Veröffentlichungen erfolgen in Basel-Landschaft im Amtsblatt (BGE 99 Ia 643 E. 2; § 16 Gesetz über die politischen Rechte, SGS 120, für den Erwahrungsbeschluss) oder in der dem Amtsblatt beiliegenden chronologischen Gesetzessammlung (§ 93 Abs. 1 Geschäftsordnung des Landrats, SGS 131.1). Der angefochtene Erlass erschien in der Gesetzessammlung (als Beilage zum Amtsblatt Nr. 41) am 16. Oktober 1986, die Mitteilung vom Beschluss des Regierungsrats über die Erwahrung des Ergebnisses der Volksabstimmung vom 28. September 1986 im Amtsblatt Nr. 42 vom 23. Oktober 1986. Die Beschwerdefrist ist somit gewahrt.
BGE 114 Ia 221 S. 223
b) Die Legitimation des Beschwerdeführers zur staatsrechtlichen Beschwerde prüft das Bundesgericht von Amtes wegen. Zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist nach ständiger Rechtsprechung nur legitimiert, wer durch den Erlass unmittelbar oder zumindest virtuell (d.h. mit einem Minimum an Wahrscheinlichkeit früher oder später einmal) in seiner rechtlich geschützten Stellung betroffen ist (BGE 112 Ia 32 E. 2a, 182 E. 1b, mit Hinweisen). Art. 88 OG verlangt dafür eine den Beschwerdeführer persönlich treffende Rechtsverletzung. Es genügt nicht, dass er vom Erlass in bloss faktischen Interessen betroffen ist oder Beschwerde zur Wahrung von rein öffentlichen, allgemeinen Interessen erhebt; die Popularbeschwerde ist ausgeschlossen (a.a.O., ferner BGE 111 Ia 117 E. 1b). Macht der Beschwerdeführer geltend, der Erlass begünstige Dritte in rechtswidriger Weise, muss er sich in vergleichbarer Lage wie der angeblich Begünstigte befinden. Der dem Dritten gewährte Vorteil muss sich für ihn als Nachteil auswirken (vgl. BGE 110 Ia 10 f. E. 1a; BGE 109 Ia 254 f. E. 4b und c).
Da die Beschwerde ohnehin abzuweisen ist, kann offen bleiben, ob der als unselbständiger KV-Lehrer tätige Beschwerdeführer persönliche, rechtlich geschützte Interessen oder bloss Interessen der Allgemeinheit verfolgt.

2. a) Der Beschwerdeführer rügt zur Hauptsache eine Verletzung der Rechtsgleichheit (Art. 4 BV). Weiter macht er geltend, die Aufhebung der Bestimmungen über die Besteuerung der Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen sei "auch unter Willkürgesichtspunkten als verfassungswidrig anzusehen". Diese Willkürrüge erhebt er einzig im Zusammenhang mit seiner Hauptrüge. Er behauptet nicht, der angefochtene Erlass wäre - vom Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit abgesehen - auch aus anderen Gründen willkürlich, beruhe namentlich nicht auf ernsthaften Gründen oder sei überhaupt sinn- und zwecklos (BGE 111 Ia 91 E. 3a; BGE 106 Ib 188 E. 4a, mit Hinweisen; vgl. HAEFLIGER, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, S. 62; G. MÜLLER in Kommentar BV, Art. 4 N. 30 S. 15). Für eine so verstandene Willkürrüge würde in seiner Beschwerdeschrift auch die nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG erforderliche Begründung fehlen (vgl. BGE 110 Ia 3 E. 2a; BGE 109 Ia 226 E. 2b, mit Hinweisen).
b) Ein Erlass verletzt den Grundsatz der rechtsgleichen Behandlung (Art. 4 Abs. 1 BV), wenn er rechtliche Unterscheidungen trifft, für die ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen
BGE 114 Ia 221 S. 224
nicht ersichtlich ist, oder wenn er Unterscheidungen unterlässt, die sich aufgrund der Verhältnisse aufdrängen. Die Rechtsgleichheit ist insbesondere verletzt, wenn Gleiches nicht nach Massgabe seiner Gleichheit gleich oder Ungleiches nicht nach Massgabe seiner Ungleichheit ungleich behandelt wird; vorausgesetzt ist, dass sich der unbegründete Unterschied oder die unbegründete Gleichstellung auf eine wesentliche Tatsache bezieht. Die Frage, ob für eine rechtliche Unterscheidung ein vernünftiger Grund in den zu regelnden Verhältnissen ersichtlich ist, kann zu verschiedenen Zeiten verschieden beantwortet werden, je nach den herrschenden Anschauungen und Zeitverhältnissen. Dem Gesetzgeber bleibt im Rahmen dieser Grundsätze ein weiter Spielraum der Gestaltung (BGE 114 Ia 2 f. E. 3; BGE 112 Ia 243 E. 4a; 111 Ia 91 E. 3a; BGE 110 Ia 13 E. 2b, mit Hinweisen). Das Bundesgericht kann von Verfassungs wegen bloss eingreifen, wenn der Gesetzgeber mit den Unterscheidungen, die er trifft oder unterlässt, eine Grenze zieht, die sich nicht vernünftig begründen lässt, die unhaltbar und damit in den meisten Fällen auch geradezu willkürlich ist (BGE 109 Ia 327 E. 4, mit Hinweisen; HÖHN, Aspekte verfassungsmässiger Besteuerung, ASA 45, S. 209 ff., insbes. 226 f.; G. MÜLLER, a.a.O., Art. 4 BV N. 30 S. 15).
c) Für den Steuergesetzgeber folgen - nebst dem Erfordernis einer gesetzlichen Grundlage belastender Eingriffe und dem Willkürverbot sowie teilweise in Verbindung mit diesen Grundsätzen - aus Art. 4 Abs. 1 BV und dem darin garantierten Anspruch auf Gleichbehandlung namentlich die Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung sowie der verhältnismässigen Steuerbelastung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit jedes Pflichtigen (BGE 112 Ia 244 E. 4b; BGE 110 Ia 14 E. 2b, mit Hinweisen).
Der Grundsatz der Allgemeinheit verlangt die steuerliche Erfassung aller Personen und Personengruppen nach derselben gesetzlichen Ordnung. Er verbietet eine unbegründete Ausnahme einzelner Personen oder Personengruppen von der Besteuerung, da der Finanzaufwand des Gemeinwesens für die allgemeinen öffentlichen Aufgaben grundsätzlich von der Gesamtheit der Bürger getragen werden soll (BGE 112 Ia 244 E. 4b; BGE 99 Ia 652 f.; G. MÜLLER, a.a.O., Art. 4 BV N. 79 S. 35).
Nach dem Grundsatz der Gleichmässigkeit der Besteuerung sind Personen, die sich in gleichen Verhältnissen befinden, in derselben Weise mit Steuern zu belasten und müssen wesentliche
BGE 114 Ia 221 S. 225
Ungleichheiten in den tatsächlichen Verhältnissen zu entsprechend unterschiedlicher Steuerbelastung führen (a.a.O.; BGE 111 Ia 91 E. 3b; BGE 90 I 162 E. 2, mit Hinweisen).
Mit diesen Grundsätzen hängt derjenige der verhältnismässigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zusammen, der verlangt, dass jeder Bürger im Verhältnis der ihm zur Verfügung stehenden Mittel und der seine Leistungsfähigkeit beeinflussenden persönlichen Verhältnisse zur Deckung des staatlichen Finanzbedarfs beitragen soll. Im System der allgemeinen Reineinkommens- und Reinertragsbesteuerung hat der Gesetzgeber alle Personen, die tatsächlich Einkommen und Gewinn erzielen, nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zur Steuer heranzuziehen, wobei er insbesondere durch einen progressiven Steuertarif der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit angemessen Rechnung tragen darf (BGE 112 Ia 244 E. 4b; BGE 110 Ia 14 E. 2b; BGE 109 Ia 102 E. 3b; BGE 104 Ia 295 E. 5c; BGE 99 Ia 653 /4, mit Hinweisen; G. MÜLLER, a.a.O., Art. 4 BV N. 80 S. 36; REICH, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommenssteuerrecht, ASA 53, S. 5 ff., bes. S. 16 ff.).

3. a) Im Kanton Basel-Landschaft erheben Staat und Gemeinden von natürlichen Personen Einkommens- und Vermögenssteuern, von juristischen Personen Reinertrags- und Kapitalsteuern, ergänzt durch eine Grundstückgewinn- und Handänderungssteuer des Staats und fakultative Grundstücksteuern (§ 3 StG). Der Einkommenssteuer unterliegen grundsätzlich sämtliche wiederkehrenden oder einmaligen Einkünfte aller Art (§ 23 f. StG) nach Abzug der Gewinnungskosten und Schuldzinsen (§ 29 Abs. 1 lit. b, e und f StG). Die Belastung des steuerbaren Reineinkommens steigt progressiv (§ 34 StG). Die Progression wird allerdings durch eine weitgehende Indexierung gemildert (§ 20 StG).
b) Mit der allgemeinen Reineinkommens- und Vermögenssteuer wurden (in Anlehnung an das Beispiel des Nachbarkantons Basel-Stadt, der Kapitalgewinne seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts besteuert) seit dem früheren Steuergesetz von 1928 auch Kapitalgewinne auf privaten Wertpapieren und Guthaben erfasst, welche durch Veräusserung entstanden, und seit dem Steuergesetz von 1952 alle Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen (TH. CHRISTEN, Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen im basellandschaftlichen und baselstädtischen Steuerrecht, 1983, S. 29 ff.).
BGE 114 Ia 221 S. 226
c) Nach dem Steuergesetz vom 7. Februar 1974 unterlagen realisierte Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen weiterhin der allgemeinen Einkommenssteuer (§ 3 Abs. 1 lit. a StG), wurden jedoch von den übrigen Einkünften gesondert veranlagt (§ 23 Abs. 3, § 25 Abs. 2 und § 37 ff. StG) nach der Differenz zwischen dem Erlös und dem indexierten (§ 21 Abs. 1 StG) Gestehungswert, bei einem mehr als 10 Jahre zurückliegenden Erwerb nach der Differenz zwischen dem Erlös und dem Verkehrswert vor 10 Jahren, sofern kein höherer Erwerbspreis nachweisbar war (§ 38 Abs. 3 StG). Nach Abzug von Kapitalverlusten des gleichen Jahrs und der fünf Vorjahre (§ 39 StG) wurden die Kapitalgewinne zum Satz der Einkommenssteuer besteuert, der sich für sie alleine ergab (§ 40 StG; CHRISTEN, a.a.O., S. 38).
d) Der Regierungsrat begründete die Abschaffung der Besteuerung der Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen in seinen Erläuterungen zur Vorlage vom 25. Juni 1986 zuhanden der Stimmbürger mit der Förderung der Eigentumsbildung und damit, dass in den meisten anderen Kantonen eine solche Steuer nicht erhoben werde. In der Vernehmlassung führt er zur Begründung im wesentlichen an, dass die Steuer ungenügend durchsetzbar sei, nach den seit 1. Januar 1975 geltenden Bestimmungen nur einen geringen Ertrag abwerfe, die Veranlagung kompliziert sei und der Veranlagungsaufwand zum Ertrag in keinem Verhältnis stehe.

4. Der Beschwerdeführer begründet seine Rüge, wonach die Streichung der Bestimmungen über die Besteuerung der Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen eine verfassungswidrige Rechtsungleichheit bedeute, u.a. damit, dass Kapitalgewinne auf Geschäftsvermögen, aber auch auf Grundstücken weiterhin der Einkommenssteuer bzw. Grundstückgewinnsteuer unterliegen.
a) Selbständigerwerbende, die einen Geschäftsbetrieb, d.h. eine Unternehmung führen, haben Kapitalgewinne auf dem beweglichen Geschäftsvermögen als Einkommen zu versteuern (§ 24 lit. b und § 25 Abs. 1 StG). Das aus Unternehmungstätigkeit herrührende Einkommen ist vom übrigen Einkommen natürlicher Personen grundlegend verschieden zu veranlagen. Bei der Gewinnermittlung ist an die Abschlüsse der (kaufmännischen) Buchhaltung anzuknüpfen (§§ 29 Abs. 1 lit. b und 30-32 StG), wenn auch die nach kaufmännischen Grundsätzen abgeschlossene Bilanz steuerrechtlich (durch Aufrechnung nicht geschäftsmässig begründeter Abschreibungen oder Rückstellungen) bereinigt werden muss. Grundsätzlich sind dabei positive und negative Wertveränderungen
BGE 114 Ia 221 S. 227
im Geschäftsvermögen mitzuberücksichtigen. Es ist deshalb nur sachgerecht, wenn Kapitalgewinne auf Geschäftsvermögen in das steuerbare Erwerbseinkommen aus dem Geschäftsbetrieb einbezogen werden.
Schon wegen dieses Unterschieds erscheint ein allgemeines Einkommenssteuergesetz nicht als unhaltbar rechtsungleich, wenn der Kanton Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen natürlicher Personen nicht auch besteuert. Die allgemeine Steuer von natürlichen Personen erfasst zwar - wie in der direkten Bundessteuer und in anderen Kantonen - ihr Einkommen in einem weiten, von der sog. Reinvermögenszugangstheorie geprägten Sinne. Danach ist als Einkommen grundsätzlich die Gesamtheit der Wirtschaftsgüter zu betrachten, welche dem Pflichtigen während eines bestimmten Zeitabschnittes zufliessen und die er ohne Schmälerung (Verzehr) seines Vermögens zur Befriedigung seiner persönlichen Bedürfnisse und seiner laufenden Wirtschaft (Zuwendungen, Sparen, Anlage, Deckung von eingetretenen Verlusten) verwenden kann (BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. Aufl., S. 144; KÄNZIG, Wehrsteuer, 2. Aufl., N. 1-2 zu Art. 21 BdBSt, S. 223 f.; REIMANN/ZUPPINGER/SCHÄRRER, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Bd. II, Vorbemerkungen zu §§ 19-32, N. 6 f.). Aber ein solcher Einkommensbegriff lässt nicht nur die Verwendung der Einkünfte ausser Betracht, sondern auch die Veränderungen im Vermögensstand oder im Wert der Vermögensbestandteile während des betrachteten Zeitraums. Er setzt einen Vermögensvergleich zu Beginn und am Ende nicht voraus, ganz anders als die Erfassung eines als Einkommen steuerbaren Unternehmungsgewinns (BGE 108 Ib 230 E. 2c; ASA 56, 63 E. 1c, mit Hinweisen).
b) Es lässt sich auch sachlich rechtfertigen, ausschliesslich private Kapitalgewinne auf Grundstücken zu besteuern (wie dies die §§ 69 ff. StG weiterhin vorsehen), ohne gleichzeitig Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen zu erfassen.
Grundstückgewinne werden zufolge der Knappheit des Bodens realisiert, dessen Wert seit vielen Jahrzehnten stets nur anstieg, und zwar bedeutend. Sie erreichen regelmässig verhältnismässig beträchtliche Beträge, während Kapitalverluste auf Grundeigentum selten sind. Der realisierte Wertzuwachs entsteht weitgehend durch Lagevorteile und Erschliessung, deren Kosten ganz oder teilweise das Gemeinwesen trägt. Dem Wertzuwachs stehen (wie der Nutzung der Grundstücke) ausserdem besondere Aufwendungen
BGE 114 Ia 221 S. 228
des Gemeinwesens im Interesse des Grundeigentums gegenüber, welche es rechtfertigen, den Eigentümer sogar ungeachtet seiner übrigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu entsprechenden Steuern vom realisierten Gewinn heranzuziehen. Im Gegensatz zu Gewinnen auf beweglichem Vermögen, erfasst der Kanton bloss Kapitalgewinne auf den in seinem Gebiet gelegenen, ihm zur ausschliesslichen Besteuerung vorbehaltenen Grundstücken. Ihre Veräusserung und ein Teil der als wirtschaftliche Realisierung gleichgestellten Rechtsgeschäfte (§ 72 Abs. 2 StG) ist aus dem Grundbuch des Kantons ersichtlich, die Feststellung anderer Formen der wirtschaftlichen Realisierung wird immerhin durch die Grundbuch- und Handelsregistereinträge erleichtert, was der rechtzeitigen Veranlagung dient und es erschwert, dieser auszuweichen. Fast alle Kantone besteuern denn auch die Grundstückgewinne, auch wenn diese nicht im Rahmen einer Erwerbstätigkeit erzielt werden, ohne Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen zu erfassen.

5. Hauptsächlich rügt der Beschwerdeführer, es verletze die aus dem Rechtsgleichheitsgebot (Art. 4 BV) hergeleiteten Grundsätze der Allgemeinheit und Gleichmässigkeit der Besteuerung, von einer Steuer auf Kapitalgewinnen auf beweglichem Privatvermögen völlig abzusehen. Für diese Diskriminierung (Privilegierung der Pflichtigen, die solche Gewinne erzielen) könnten keine stichhaltigen Rechtfertigungsgründe angeführt werden.
a) In einem System der Besteuerung des Gesamtreineinkommens, das weitgehend von der Reinvermögenszugangstheorie geprägt ist, werden der Grundsatz der gleichmässigen Besteuerung und der (daraus und aus demjenigen der Allgemeinheit abgeleitete) Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit durchbrochen, wenn wesentliche Zuflüsse wirtschaftlicher Güter als Einkommen nicht erfasst werden (BGE 112 Ia 243 E. 3c), ohne einer entsprechenden Sonderbesteuerung zu unterliegen.
Jeder Systemeinbruch ist wegen der konsequenten Besteuerung des Einkommens aus Erwerbstätigkeit nicht leicht zu nehmen, so auch ein solcher bei Kapitalgewinnen auf beweglichem Privatvermögen - die unter Umständen ein erhebliches Mass erreichen können -, namentlich wenn das allgemeine Einkommenssteuergesetz den Abzug bezahlter Schuldzinsen vom rohen Einkommen voraussetzungslos und unbegrenzt zulässt (so § 29 Abs. 1 lit. f StG), ohne Rücksicht darauf, ob den Schulden steuerbarer Ertrag der durch Darlehensaufnahme finanzierten Vermögenswerte gegenübersteht
BGE 114 Ia 221 S. 229
oder ob diese z.B. bloss Zuwachsgewinn erzielen lassen.
Auch in der Literatur besteht weitgehende Übereinstimmung darin, dass das System der allgemeinen Reineinkommens- und Reinertragssteuer nicht bloss wegen der damit gewollten (sog. Doppel-) Belastung von natürlichen Personen und Kapitalgesellschaften, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsgleichheit, v.a. der gleichmässigen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, im Grunde eine (ergänzende) Besteuerung der Kapitalgewinne auf dem beweglichen Privatvermögen verlangt (HÖHN, Die Besteuerung der privaten Gewinne, S. 275 f.; STUDER, Die steuerliche Behandlung der Kapitalgewinne, Generalbericht International Fiscal Association 1960, Cahiers de droit fiscal international XLII/1960, S. 142; OESCH, Die steuerliche Behandlung der Wertzuwachsgewinne auf dem beweglichen Privatvermögen, S. 88; DORMOND, L'imposition des gains en capital sur la fortune mobilière privée, S. 9, 14 ff.; CHRISTEN, a.a.O., S. 7 ff.; CAGIANUT, Gedanken zur Gesetzgebung über die Einkommenssteuer - heutiger Stand und Zukunft, ASA 55, S. 593 ff., bes. 601 f.; ZUPPINGER/BÖCKLI/LOCHER/REICH, Steuerharmonisierung, S. 99 f., 109, mit weiteren Hinweisen).
b) Abgesehen von der Besteuerung des Unternehmungsgewinns, wurden allerdings Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen bisher in den Kantonen nur ganz vereinzelt in das mit der allgemeinen Einkommenssteuer erfasste Gesamteinkommen einbezogen. Eine gesonderte Besteuerung drängt sich schon wegen des meist unregelmässigen Anfalls solcher Kapitalgewinne auf, ist aber auch aus weiteren Gründen naheliegend, so im Hinblick auf eine Verrechnung von Kapitalverlusten oder auf eine Berücksichtigung der Besitzdauer und Geldentwertung.
Der Bund und die Mehrzahl der Kantone haben jedoch auch eine gesonderte Besteuerung der Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen bisher nie eingeführt. Das hat sich indessen unter dem Gesichtspunkt der rechtsgleichen Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als fragwürdig erwiesen und zur Suche nach der Erfassung von Kapitalgewinnen als Erwerbseinkommen oder Vermögensertrag geführt (Botschaft vom 25. Mai 1983 zur Steuerharmonisierung, BBl 1983 III 37 f.).
Die Steuergesetzgeber fassten daher in Bund und Kantonen die gesonderte Besteuerung der wichtigen Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen, v.a. der sog. Beteiligungsgewinne ins
BGE 114 Ia 221 S. 230
Auge. Eine Anzahl von Kantonen führten sie (teils schon vor Jahrzehnten oder mindestens vor Jahren) auch bereits ein. Sie stiess allerdings, auch in der auf Beteiligungen beschränkten Form, ebenfalls auf Widerspruch. Namentlich wurde die vom Bundesrat in der Steuerharmonisierungsvorlage vorgeschlagene Beteiligungsgewinnsteuer u.a. als rechtsungleich heftig kritisiert, weil sie teilweise unbedeutende Gewinne aus Anteilen kleinerer Gesellschaften erfassen, bedeutende Gewinne aus Anteilen grosser Gesellschaften dagegen steuerfrei lassen würde (ZUPPINGER/BÖCKLI/ LOCHER/REICH, a.a.O., S. 110 f.; CHRISTEN, S. 55 ff., mit Hinweisen).
Von den Kantonen, welche eine Kapitalgewinnbesteuerung, insbesondere eine Beteiligungsgewinnsteuer, schon einführten, haben inzwischen ausser Basel-Stadt, Graubünden und Jura alle ebenfalls wieder darauf verzichtet (so Tessin schon vor dem Inkrafttreten, aber auch Zürich, Bern, Solothurn, Schaffhausen, St. Gallen, Thurgau und Wallis; vgl. Die Steuern der Schweiz, Allgemeine Übersichten, III. Teil, Besonderes 1, Besteuerung der Vermögensgewinne). Neuerdings schlägt auch in Basel-Stadt der Regierungsrat ihre Abschaffung vor.
c) Für die Steuerfreiheit von Kapitalgewinnen auf beweglichem Privatvermögen werden vor allem praktische Gründe angeführt, auf die sich auch der Regierungsrat hier hauptsächlich beruft. Die Veranlagung solcher Gewinne ist kompliziert und aufwendig. Das gilt jedenfalls, wenn sie sich nicht auf Gewinne auf Anteilen an Kapitalgesellschaften und anderen Wertschriften beschränkt, die mit jeder periodischen Einkommens- und Vermögenssteuerveranlagung im Wertschriftenverzeichnis zu deklarieren sind, sondern wenn sie - wie in Basel-Landschaft bis 1986 - auch Gewinne auf anderen Vermögensgegenständen erfasst. Das rührt u.a. von der nachträglichen Feststellung des Gestehungswerts her, von der Anrechnung von Aufwendungen zur Wertverbesserung, aber auch vom Erwerb im Erbgang oder von Veränderungen im Bestand von Kapitalanteilen durch Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen und Gratisausgabe. Schematische Lösungen, wie das Abstellen auf den früheren Verkehrswert bei mehr als 10 Jahren Besitzdauer (§ 38 Abs. 3 aStG), vereinfachen die Veranlagung nicht durchwegs. Sie ist selbst bei einer auf wesentliche Beteiligungen beschränkten Sonderbesteuerung aufwendig (CHRISTEN, a.a.O., S. 9; ZUPPINGER/SCHÄRRER/FESSLER/REICH, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz,
BGE 114 Ia 221 S. 231
Ergänzungsband 2. Aufl., S. 155 N. 162 zu § 23; ZUPPINGER/BÖCKLI/LOCHER/REICH, a.a.O., S. 103 f.).
d) Der Regierungsrat macht weiter geltend, dass die Besteuerung von Kapitalgewinnen auf beweglichen Gegenständen des Privatvermögens nur unvollständig durchgesetzt werden kann. Das ist für Gewinne auf Gegenständen, die nicht (wie Wertschriften) einzeln mit jeder Vermögenssteuerdeklaration anzugeben sind, glaubhaft und einleuchtend (CHRISTEN, a.a.O., S. 10, 98; Botschaft zur Steuerharmonisierung, BBl 1983 III 37 f.).
e) Der Beschwerdeführer kann auch nicht bestreiten, dass der Ertrag der Kapitalgewinnsteuer von 1985 mit rund 1 Mio. und 1986 rund 2.5 Mio. Franken bescheiden war und den Veranlagungsaufwand kaum lohnte. Das hing zum Teil gewiss mit der besonderen Ausgestaltung der Sondersteuer seit 1975 zusammen, so mit dem Abstellen auf den Verkehrswert vor 10 Jahren bei längerer Besitzdauer und mit der sehr weitgehenden Indexierung, wie der Regierungsrat selber einräumt. Auch in allen anderen Kantonen, die schon Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen besteuerten, zeigte sich aber ein ähnliches Ergebnis, v.a. wenn aus Gründen rechtsgleicher Behandlung Kapitalverluste weitgehend mit Kapitalgewinnen verrechnet oder zum Abzug zugelassen wurden (ZUPPINGER/BÖCKLI/LOCHER/REICH, a.a.O., S. 10 f., wonach der Ertrag durchwegs weit unter 1% der Steuereinkünfte lag, meist gar unter 0,2%; Botschaft zur Steuerharmonisierung, a.a.O.; CAGIANUT, a.a.O., S. 602).

6. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, solche praktische oder finanzwirtschaftliche Gründe, v.a. auch der im Hinblick auf die aufwendige Veranlagung geringe Ertrag der Besteuerung, hätten hinter der nach Art. 4 BV gebotenen Gleichbehandlung und Besteuerung aller Pflichtigen nach ihrer Leistungsfähigkeit zurückzutreten.
a) Bei der Überprüfung kantonaler Steuergesetze auf ihre Verfassungsmässigkeit hat das Bundesgericht bisher dem Gesetzgeber zugebilligt, dass er zur Vereinfachung der Steuerveranlagung schematische Lösungen wählen darf, auch wenn sie die rechtsgleiche Behandlung aller Pflichtigen nicht restlos im gewünschten Masse gewährleisten (BGE 111 Ia 328 E. 7b; BGE 109 Ia 101 E. 2d; BGE 102 Ia 45 f., mit Hinweisen; ASA 53, 392 f. E. 3d). Es hat auch eingeräumt, dass vereinfachende Vorschriften (z.B. Minimalbeträge) in sachlich vertretbaren Grenzen rein veranlagungsökonomisch begründet sein mögen (BGE 96 I 574 f.). Dem kantonalen Gesetzgeber
BGE 114 Ia 221 S. 232
ist zuzubilligen, dass er sich bei der Ausgestaltung der Steuernormen von praktischen und veranlagungsökonomischen Gesichtspunkten noch weitergehend leiten lässt. Die vom Regierungsrat angeführten veranlagungsökonomischen bzw. finanzwirtschaftlichen Gesichtspunkte sind sachlicher Art. Das Bundesgericht hat solche Gründe so lange zu respektieren, als sie nicht bloss vorgeschützt werden, um ein mit den aus Art. 4 BV fliessenden Grundsätzen einer rechtsgleichen Besteuerung schlechthin unvereinbares Privileg zu begründen.
b) Der im Verhältnis zum Veranlagungsaufwand geringe Ertrag der Sondersteuer hätte, wie der Beschwerdeführer in seiner Replik geltend macht, zwar durch eine Änderung der aufgehobenen Bestimmungen allenfalls verbessert werden können. Ob die geringe Ergiebigkeit für sich allein genügt, um den gänzlichen Verzicht auf die Besteuerung der Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen im kantonalen Steuersystem als vertretbar erscheinen zu lassen, braucht nicht entschieden zu werden. Sie fällt jedenfalls nebst anderen praktischen Gesichtspunkten erheblich mit ins Gewicht.
c) Die praktischen Gesichtspunkte sind zusammengenommen nicht unwesentlich, selbst wenn sie jeder für sich in Frage gestellt werden können und der streitige Verzicht auf jede Veranlagung der Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen andere praktische Schwierigkeiten mit sich bringt. Das Bundesgericht hat dem kantonalen Gesetzgeber zuzubilligen, dass er die praktischen Gründe für den Verzicht auf ihre Veranlagung höher bewertete. Es kann den angefochtenen Erlass deshalb nicht als unhaltbar bezeichnen und als verfassungswidrig aufheben, dies umso weniger, als der Kanton Basel-Landschaft mit der Abschaffung der Besteuerung von Kapitalgewinnen auf beweglichem Privatvermögen nur der grossen Mehrheit der Kantone folgte. Dies zeigt, dass nach allgemeinen Rechtsempfinden die vom Kanton Basel- Landschaft gewählte Lösung akzeptiert wird.

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