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Urteilskopf

118 Ib 442


53. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 14. September 1992 i.S. Bank X. gegen Bezirksanwaltschaft IV für den Kanton Zürich und Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Verwaltungsgerichtsbeschwerde)

Regeste

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, Legitimation der Bank im kantonalen Beschwerdeverfahren.
Im kantonalen Beschwerdeverfahren ist die Legitimation im Falle von Streitigkeiten, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden können, mindestens in dem Umfang zu gewährleisten, als sie das Bundesrecht für die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht vorsieht. Entsprechend ist die Beschwerdelegitimation der Bank, die im ausländischen Strafverfahren zwar nicht beschuldigt, aber vom Rechtshilfeersuchen betroffen wird, nach Art. 103 lit. a OG zu beurteilen. Im Lichte dieser Bestimmung ist die Bank, über deren Finanzoperationen und Kontenbewegungen Auskünfte in Gestalt herauszugebender Dokumente oder durch Befragung von Angestellten bzw. Organen verlangt werden, beschwerdelegitimiert (E. 2).

Sachverhalt ab Seite 443

BGE 118 Ib 442 S. 443
Die Staatsanwaltschaft Mailand führt eine Strafuntersuchung gegen die Verwalter bzw. Organe der Firma S. in Mailand. Diesen wird zur Last gelegt, in der Zeit ab 1981 falsche Bilanzen und falsche Jahresrechnungen erstellt, vorgelegt und veröffentlicht sowie falsche Angaben über Handelsgesellschaften gemacht zu haben. Sodann wird ihnen Betrug bzw. Veruntreuung in der Höhe von einigen dutzend Millionen US-$ zum Nachteil der Anzeigeerstatterin P. vorgeworfen, welche mit der Firma S. vertraglich verbunden war. Diese soeben genannten Straftaten sollen die Beschuldigten vor allem in den letzten rund 10 Jahren begangen haben.
Mit Rechtshilfegesuch vom 14. Dezember 1991 gelangte die Staatsanwaltschaft Mailand über das Bundesamt für Polizeiwesen (BAP) an die Bezirksanwaltschaft Zürich mit dem Antrag, bei der Bank X., Zürich, die im Ersuchen ausführlich beschriebenen Bankermittlungen durchzuführen.
Mit Verfügung vom 9. Dezember 1991 entsprach die Bezirksanwaltschaft Zürich dem Ersuchen und forderte die Bank X. auf, verschiedene Auskünfte zu erteilen und Unterlagen herauszugeben.
Gegen diese Verfügung rekurrierte die Bank X. an die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. Mit Entscheid vom 16. April 1991 verneinte diese die Rekurslegitimation der Bank und trat im Sinne der Erwägungen nicht auf den Rekurs ein.
Mit Eingabe vom 20. Mai 1992 erhob die Bank X. Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht. Sie beantragte, der Rekursentscheid der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 16. April 1992 und die Verfügung der Bezirksanwaltschaft Zürich vom 9. Dezember 1991 seien aufzuheben; das Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Mailand sei abzuweisen, da die Voraussetzungen zur Rechtshilfeleistung nicht erfüllt seien. Eventualiter sei das Verfahren zum Entscheid in der Sache selbst an die Vorinstanz
BGE 118 Ib 442 S. 444
zurückzuweisen, welche der Rekurrentin zu Unrecht die Rekurslegitimation abgesprochen habe.

Erwägungen

Aus den Erwägungen:

2. a) Die Staatsanwaltschaft erwog im angefochtenen Entscheid, die Bank X. als gemäss der Verfügung der Bezirksanwaltschaft editions- und auskunftspflichtige juristische Person sei zwar grundsätzlich zum Rekurs befugt. Nicht rekurslegitimiert sei sie aber, soweit sie sich nicht nur für sich selber, sondern auch für andere durch das Ersuchen betroffene Personen wehren wolle; denn ihr Rechtsschutzinteresse reiche nur soweit, als sie selber durch den angefochtenen Entscheid beschwert sei (BGE 105 Ib 429 E. 7a, nicht publ. Urteil des Bundesgerichts vom 14. Januar 1992 i.S. C. und Mitb.). Die Beschwerdeführerin begründe ihre Legitimation damit, als Bank des Finanzplatzes Zürich habe sie aus grundsätzlichen Erwägungen ein Interesse daran, die Zulässigkeit der Gewährung der Rechtshilfe an die Staatsanwaltschaft Mailand klären zu lassen, denn es könne nicht angehen, dass sie gezwungen werde, Akten über Tatsachen, die vom Bankgeheimnis gedeckt seien, herauszugeben, wenn die Voraussetzungen dafür offensichtlich nicht gegeben seien. Sie verhindere dadurch die Verletzung von Schutzinteressen Dritter und vermeide unzumutbaren Aufwand im Zusammenhang mit der Herausgabe von Akten über solche Dritte. Mit dieser Begründung, so die Vorinstanz weiter, berufe sich die Bank nicht auf ein eigenes Rechtsschutzinteresse, sondern einzig auf das Schutzinteresse Dritter; eine eigene rechtlich relevante Beschwer mache sie damit nicht geltend. Unter diesen Umständen sei auf den Rekurs nicht einzutreten.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz verkenne, dass sie durchaus selber beschwert sei und ein eigenes Rechtsschutzinteresse an der Aufhebung der Verfügung der Bezirksanwaltschaft vom 9. Dezember 1991 habe. Mit dieser Verfügung werde sie aufgefordert, Auskunft über ihren Kundenkreis und die mit diesem getätigten Geschäfte zu erteilen. Diese Tatsachen seien Bestandteil des Geschäftsgeheimnisses der Beschwerdeführerin. Sie sei an der Geheimhaltung der Teil ihres Geschäftsgeheimnisses bildenden Tatsachen nicht nur interessiert, sondern bezüglich ihres Kundenkreises nach Art. 47 des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934 (BankG, SR 952.0) verpflichtet.
BGE 118 Ib 442 S. 445
Die Herausgabeverfügung berühre die Beschwerdeführerin somit unmittelbar in ihren eigenen Rechten und Pflichten, weshalb sie ohne weiteres rekurslegitimiert sei. Sodann betreffe die verlangte Edition Informationen und Unterlagen, die gemäss Art. 47 BankG vom Bankgeheimnis geschützt seien. Die Pflicht zur Geheimhaltung von dem Bankgeheimnis unterliegenden Informationen und Unterlagen sei Bestandteil jeder vertraglichen Beziehung der Beschwerdeführerin mit ihren Kunden; diese hätten ein Recht darauf, dass die Bank der genannten Pflicht nachkomme. Werde die Edition von Informationen und Unterlagen verfügt, die vom Bankgeheimnis geschützt seien, so sei die Beschwerdeführerin somit ebenfalls in ihren eigenen Rechten und Pflichten berührt und in ihren eigenen Interessen betroffen. Bei diesen Verhältnissen habe die Vorinstanz zu Unrecht erkannt, die Beschwerdeführerin sei nicht rekurslegitimiert. Daran vermöge nichts zu ändern, dass die Beschwerdeführerin durch die Wahrung ihrer eigenen Interessen gleichzeitig die Verletzung von Schutzinteressen Dritter verhindere. Der Umstand, dass das Bankgeheimnis ein Recht des Bankkontoinhabers sei, dürfe nicht dazu missbraucht werden, der Beschwerdeführerin die Rekurslegitimation überhaupt abzuerkennen, denn dies hätte zur Konsequenz, dass eine Bank trotz Eingriffs in ihre eigenen Interessen niemals rekurslegitimiert wäre, es sei denn, dass sie in der Rechtshilfesache selber Beschuldigte wäre. Im übrigen habe die Beschwerdeführerin in ihrem Rekurs an die Staatsanwaltschaft nur deshalb auch auf ihr grundsätzliches Interesse daran verwiesen, die Zulässigkeit des Rechtshilfeersuchens abklären zu lassen, um klarzustellen, dass sie nicht aus trölerischen Gründen, sondern aus berechtigten geschäftlichen Interessen zum Schutz ihrer eigenen bankvertraglichen Beziehungen rekurriere.
b) Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist im kantonalen Verfahren die Legitimation im Falle von Streitigkeiten, die mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht weitergezogen werden können, mindestens in dem Umfang zu gewährleisten, als sie das Bundesrecht für die Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht vorsieht. Dieser Grundsatz, der übrigens ausdrücklich in das Bundesgesetz über die Raumplanung aufgenommen worden ist (Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG), gilt für alle an das Bundesgericht weiterziehbaren Verwaltungsrechtsstreitigkeiten (s. BGE 112 Ib 415 E. 2d mit Hinweisen, ferner BGE 103 Ib 147 E. 3a), also auch für eine Angelegenheit im Bereiche der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen (BGE 115 Ib 371 E. 2), wie sie Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildet.
BGE 118 Ib 442 S. 446
Massgebend ist somit hier Art. 103 lit. a OG (die die Beschwerdelegitimation strenger als diese Bestimmung regelnde Vorschrift des Art. 21 Abs. 3 IRSG betrifft nur Personen, gegen die sich das ausländische Strafverfahren richtet, so dass sie im vorliegenden Fall, in dem eine nicht selber angeschuldigte Bank Beschwerde erhoben hat, nicht zum Tragen kommt (s. BGE 115 Ib 371 E. 2, 111 Ib 58 f. E. 2a, BGE 110 Ib 400 E. 1b, BGE 108 Ib 250 E. 2d mit Hinweisen). Entsprechend ist berechtigt, einen erstinstanzlichen Vollzugsentscheid an die kantonale Rekursinstanz weiterzuziehen (Art. 23 IRSG), wer darzulegen vermag, durch den angefochtenen Entscheid berührt bzw. beschwert zu sein sowie ein schutzwürdiges - aktuelles und praktisches - Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung zu haben (BGE 115 Ib 371 E. 2 mit Hinweisen). Die Praxis präzisiert, dass schutzwürdig auch ein bloss tatsächliches Interesse sein könne und dieses Interesse nicht mit den Interessen in Beziehung zu stehen brauche, welche die angeblich verletzte Norm zu schützen bestimmt ist (BGE 108 Ib 250 E. 2d mit Hinweisen). Ein derartiges schutzwürdiges Interesse liegt indes nicht schon dann vor, wenn jemand irgendeine Beziehung zum Streitobjekt zu haben behauptet. Vielmehr ist zur Bejahung der Legitimation erforderlich, dass der angefochtene Entscheid den Beschwerdeführer in stärkerem Masse berührt als die Allgemeinheit der Bürger, bzw. - mit anderen Worten - es ist eine vom einschlägigen Bundesrecht erfasste spezifische Beziehungsnähe vorausgesetzt (s. BGE 109 Ib 199 ff. E. 4).
c) Im Lichte dieser Grundsätze halten die zürcherischen Vollzugsinstanzen wie auch das BAP zwar zutreffend dafür, die Beschwerdeführerin sei insoweit nicht rekurslegitimiert, als sie als Bank lediglich aus grundsätzlichen Erwägungen ein Interesse daran habe, die Zulässigkeit der Gewährung der verlangten Rechtshilfe abklären zu lassen, oder als sie sich lediglich für die im ausländischen Strafverfahren Beschuldigten wehren wolle, denn insoweit habe sie kein Rechtsschutzinteresse (BGE 105 Ib 429 E. 7a, nicht publ. Urteil des Bundesgerichts vom 14. Januar 1992 i.S. C. und Mitb.). Dabei verkennen sie aber, dass die Rekurrentin ihre Legitimation bereits im kantonalen Verfahren nicht nur auf diese Weise, sondern ebenfalls mit dem Hinweis darauf begründete, sie sei durch die fraglichen Rechtshilfemassnahmen auch in ihren eigenen Interessen betroffen und deshalb ohne weiteres rekurslegitimiert. Diese Ausführungen waren zwar knapp gehalten, was die Beschwerdeführerin veranlasst hat, die diesbezüglichen Gründe im bundesgerichtlichen Verfahren noch einlässlicher darzulegen (vorstehende lit. a). Doch ändert dies
BGE 118 Ib 442 S. 447
nichts daran, dass sie bereits im kantonalen Verfahren ihre eigene Beschwer geltend machte und ihre Rekurslegitimation unter Hinweis auf die einschlägige, die bundesgerichtliche Rechtsprechung wiedergebende Literatur (PAOLO BERNASCONI, Der Schutz der betroffenen Person durch die kantonalen Rechtsmittel in der internationalen Rechtshilfe für Strafsachen, SAV Band 1, S. 26, und HANS SCHULTZ, Bankgeheimnis und internationale Rechtshilfe in Strafsachen, SBV Heft Nr. 22, S. 30) begründete.
Das Bundesgericht hat insbesondere auch die Frage der Legitimation mit freier Kognition zu prüfen. Was die Beschwerdeführerin zur Begründung ihrer Rekurslegitimation vorträgt (vorstehende lit. a), ist plausibel und lässt sich nicht von der Hand weisen. Gemäss konstanter bundesgerichtlicher Rechtsprechung und auch nach der Literatur ist eine Bank, über deren Finanzoperationen und Kontenbewegungen Auskünfte in Gestalt herauszugebender Dokumente oder durch Befragung von Angestellten bzw. Organen verlangt werden, durch diese Rechtshilfemassnahmen selber berührt bzw. beschwert, und sie hat ein schutzwürdiges Interesse im Sinne von Art. 103 lit. a OG, Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu erheben (BGE 105 Ib 422 E. 1, zudem nicht publ. E. 1b von BGE 113 Ib 157 ff. und nicht publ. E. 2 von BGE 110 Ib 82 ff., sodann etwa nicht publ. Urteile des Bundesgerichts vom 16. Juli 1992 i.S. R., vom 17. Januar 1990 i.S. SBG, vom 8. Juni 1988 i.S. SKA, vom 4. Januar 1988 i.S. A., vom 6. Mai 1988 i.S. Kantonalbank S., vom 12. Mai 1987 i.S. C. Bank, vom 20. November 1985 i.S. SBV etc., vom 1. März 1985 i.S. B., vom 8. Februar 1984 i.S. Banque S., vom 26. Januar 1983 i.S. C. Bank und i.S. U., s. auch PAOLO BERNASCONI, Droits et devoirs de la banque et de ses clients dans la procédure d'entraide judiciaire internationale en matière pénale, in: Beiträge zum schweizerischen Bankrecht, Bern 1987, S. 372, sowie LIONEL FREI, Der Rechtshilfevertrag mit den USA und die Aufhebung geschützter Geheimnisse, SJK 67a, S. 73, und BEAT KLEINER, Bankgeheimnis, in: Bodmer/Kleiner/Lutz, Kommentar zum Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen, N. 58 ff. und 80 ff. zu Art. 47 BankG, nebst der bereits zitierten Literatur). Dasselbe gilt, wenn die Bank gegen die sie selber treffende Vollzugsverfügung Beschwerde führt, um das Bankgeheimnis ihrer Kunden und die zwischen ihr und den Kunden bestehenden vertraglichen Beziehungen zu schützen (s. insbesondere auch nicht publ. Urteil des Bundesgerichts vom 6. Juli 1988 i.S. A. und Mitb.). Was für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht gilt, hat nach
BGE 118 Ib 442 S. 448
dem Gesagten auch für den Rekurs im kantonalen Verfahren Geltung (vorstehende lit. b).
Verhält es sich so, so ist die Rekurslegitimation der Beschwerdeführerin im kantonalen Verfahren zu bejahen. Im Sinne der vorstehenden Erwägungen ist die Beschwerde somit gutzuheissen und der angefochtene Entscheid der Staatsanwaltschaft aufzuheben. Bei den gegebenen Verhältnissen ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, welche die von der Beschwerdeführerin vorgetragenen materiellen Rügen zu behandeln und dabei namentlich auch die von ihr mit der Eingabe vom 3. September 1992 geltend gemachten Noven zu prüfen hat (vgl. diesbezüglich BGE 100 Ib 355 mit Hinweisen).

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Sachverhalt

Erwägungen 2

Referenzen

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