Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4A_374/2011 
 
Urteil vom 1. September 2011 
I. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch, 
Bundesrichter Kolly, 
Gerichtsschreiber Hurni. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________ Architektur AG, 
vertreten durch Rechtsanwalt Daniel Santini, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
A. und B. Y.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Siegrist, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Mängelrüge; Verjährung, 
 
Beschwerde gegen den Schiedsspruch des Einzelschiedsgerichts SIA mit Sitz in Egliswil vom 16. Mai 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die X.________ Architektur AG mit Sitz in Z.________ schloss am 3. April 2001 mit A. und B. Y.________ einen Vertrag über Architekturleistungen ab; es ging um den Bau eines Einfamilienhauses in Q.________. 
Der Vertrag sah vor, dass zwecks Vermeidung gerichtlicher Auseinandersetzungen beide Parteien bei Meinungsverschiedenheiten das Urteil eines schon im Voraus bestimmten Einzelschiedsrichters anerkennen. 
 
B. 
Gestützt auf Art. 21 der SIA-Richtlinie 150 für das Verfahren vor einem Schiedsgericht ersuchte die Architektin am 18. August 2006 den Schiedsrichter um Durchführung eines Vermittlungsversuchs, welcher scheiterte. Daraufhin reichte die Architektin am 3. September 2007 Klage gegen die Bauherrschaft ein auf Bezahlung eines Honorarguthabens von Fr. 86'905.30 plus Verzugszins. 
Die Bauherrschaft schloss auf Abweisung der Klage und widerklageweise auf Bezahlung von Schadenersatz in der Höhe von Fr. 150'000.-- plus Verzugszins. 
Mit Schiedsspruch vom 16. Mai 2011 hiess der Schiedsrichter die Klage im Betrag von Fr. 47'002.70 und die Widerklage im Betrag von Fr. 138'000.-- gut, beides inklusive aufgelaufene Zinsen, und verurteilte somit die Architektin, der Bauherrschaft per saldo Fr. 90'997.30 mit Verzugszins von 5% ab dem 21. November 2007 zu bezahlen; ferner auferlegte er Gutachterkosten von Fr. 28'485.20 der Architektin und verteilte die übrigen Kosten des Schiedsgerichts von 92'152.25 im Verhältnis von einem Achtel zu Lasten der Bauherrschaft und von sieben Achteln zu Lasten der Architektin. 
 
C. 
Die Architektin (nachfolgend: die Beschwerdeführerin) reichte beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen ein. Sie schliesst dahin, das Urteil sei aufzuheben, soweit es die Widerklage gutheisst, die Widerklage sei abzuweisen und drei Viertel der Kosten und Auslagen des Schiedsgerichts sowie der Parteikosten seien der Bauherrschaft (nachfolgend: die Beschwerdegegner) aufzuerlegen. 
Die Beschwerdegegner schliessen hauptsächlich auf Nichteintreten und subsidiär auf Abweisung. Der Schiedsrichter verzichtete auf eine Stellungnahme. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Das Schiedsgericht und die Parteien haben ihren Sitz bzw. Wohnsitz in der Schweiz; der Schiedsspruch wurde nach dem 1. Januar 2011 eröffnet; es besteht keine ausdrückliche Erklärung der Parteien, mit welcher sie gemäss Art. 353 Abs. 2 ZPO die Anwendbarkeit der Art. 176 ff. IPRG oder die Beschwerdemöglichkeit an ein kantonales Gericht (vgl. Art. 390 ZPO) vereinbart haben; der Streitwert übersteigt Fr. 30'000.--. Der angefochtene Schiedsspruch unterliegt damit der Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht, ungeachtet der Frage, ob dafür der erwähnte Mindeststreitwert erforderlich ist (Art. 353, 389, 390 und 407 Abs. 3 ZPO; Art. 77 Abs. 1 Bst. b und Abs. 2 BGG). 
Das Bundesgericht kann in der Sache nicht selbst entscheiden (Art. 77 Abs. 2 i.V.m. Art. 107 Abs. 2 BGG), anders als früher auch nicht ausnahmsweise (vgl. BGE 133 III 634 E. 1.3 zu Art. 36 KSG); bei Gutheissung der Beschwerde kann es den Schiedsspruch nur aufheben und die Sache an das Schiedsgericht zurückweisen, weshalb die Begehren der Beschwerdeführerin auf Abweisung der Widerklage und Änderung der Kostenverteilung des Schiedsverfahrens unzulässig sind. Die Beschwerdeführerin schliesst hingegen nicht auf Rückweisung; da dies die einzig mögliche Folge bei Gutheissung der Beschwerde ist, schadet ihr diese Unterlassung nicht. 
 
2. 
2.1 Die Beschwerdegründe gegen einen Schiedsspruch sind enger als gegen ein staatliches Urteil; sie sind im Gesetz abschliessend aufgezählt (Art. 393 ZPO). Das Bundesgericht prüft sodann nur die Beschwerdegründe, die in der Beschwerde vorgebracht und begründet werden (Art. 77 Abs. 3 BGG). Diese Anforderung entspricht der für die Verletzung von Grundrechten vorgesehenen Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG); dabei gelten nach wie vor die strengen Begründungsanforderungen, die das Bundesgericht unter der Herrschaft von Art. 90 Abs. 1 lit. b aOG stellte (BGE 134 III 186 E. 5). Der Beschwerdeführer muss die einzelnen Beschwerdegründe, die nach seinem Dafürhalten erfüllt sind, benennen und anhand des angefochtenen Schiedsspruches im Detail aufzeigen, warum sie erfüllt sind (vgl. BGE 128 III 50 E. 1c). 
 
2.2 Die Beschwerdeführerin erklärt einleitend zur Beschwerdebegründung, sie berufe sich auf "Willkür (Verletzung klaren Rechts, insbesondere von Art. 8 ZGB)" sowie eine "Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und des rechtlichen Gehörs, insbesondere des Überraschungsverbots". 
 
2.3 Gegen den Schiedsspruch kann vorgebracht werden, er sei im Ergebnis willkürlich, weil er auf offensichtlich aktenwidrigen tatsächlichen Feststellungen oder auf einer offensichtlichen Verletzung des Rechts oder der Billigkeit beruht (Art. 393 Bst. e ZPO); dieser Beschwerdegrund wurde aus dem früheren Konkordat übernommen (Art. 36 Bst. f aKSG; Botschaft zur Schweizerischen Zivilprozessordnung vom 28. Juni 2006, Ziff. 5.25.8 zu Art. 391 VE, BBl 2006 7405). Offensichtlich aktenwidrige tatsächliche Feststellungen in diesem Sinn trifft das Schiedsgericht dann, wenn es sich infolge Versehens mit den Akten in Widerspruch gesetzt hat, sei es, dass es Aktenstellen übersehen oder ihnen einen anderen als den wirklichen Inhalt beigemessen hat, sei es, dass es irrig davon ausgegangen ist, eine Tatsache sei aktenmässig belegt, während die Akten in Wirklichkeit darüber keinen Aufschluss geben. Aktenwidrigkeit ist nicht mit Beweiswürdigung gleichzusetzen, sondern liegt nur vor, wenn der Richter bei der Beweiswürdigung von unrichtigen tatsächlichen Prämissen ausgeht; nicht das Ergebnis der Beweiswürdigung und die darin liegenden Wertungen sind Gegenstand der Willkürrüge, sondern durch Akten unstreitig widerlegte Tatsachenfeststellungen (BGE 131 I 45 E. 3.6). Mit offensichtlicher Verletzung des Rechts ist nur eine Verletzung des materiellen Rechts gemeint und nicht eine solche des Verfahrensrechtes (BGE 112 Ia 350 E. 2). Eine offensichtliche Verletzung der Billigkeit schliesslich kann nur gerügt werden, wenn das Schiedsgericht befugt war, nach Billigkeit zu entscheiden, oder wenn es eine Norm angewendet hat, die auf Billigkeit verweist (BGE 107 Ib 63). 
 
2.4 Ein Schiedsspruch kann sodann angefochten werden, wenn der Grundsatz der Gleichbehandlung der Parteien oder der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt wurde (Art. 393 Bst. d ZPO); diese Regel wurde aus der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit (Art. 190 Abs. 2 Bst. d IPRG) übernommen (Botschaft, a.a.O.). Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung besteht kein verfassungsrechtlicher Anspruch der Parteien, zur rechtlichen Würdigung der durch sie in den Prozess eingeführten Tatsachen noch besonders angehört zu werden. Ebenso wenig folgt aus dem Gehörsanspruch, dass die Parteien vorgängig auf den für den Entscheid wesentlichen Sachverhalt hinzuweisen wären. Eine Ausnahme besteht namentlich dann, wenn ein Gericht seinen Entscheid mit einem Rechtsgrund zu begründen beabsichtigt, auf den sich die beteiligten Parteien nicht berufen haben und mit dessen Erheblichkeit sie vernünftigerweise nicht rechnen mussten. Bei der Frage, ob die Rechtsanwendung des Schiedsgerichts als überraschend im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung zu qualifizieren ist, handelt es sich um eine Ermessensfrage, bei deren Beurteilung sich das Bundesgericht auf dem Gebiet der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Zurückhaltung auferlegt (BGE 130 III 35 E. 5). Diese Zurückhaltung gilt grundsätzlich auch für die interne Schiedsgerichtsbarkeit; die aus der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit übernommene Regel soll dort nicht anders ausgelegt werden. 
 
3. 
Die Beschwerdebegründung besteht in zahlreichen aneinandergereihten, teilweise vermischten oder lapidaren Rügen. Es wird jeweils weder ein gesetzlicher Beschwerdegrund angerufen noch anhand des Schiedsspruches im Detail aufgezeigt, warum er erfüllt ist. Eine solche appellatorische Kritik genügt den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung einer Beschwerde gegen einen Schiedsspruch nicht. 
Ungeachtet dessen betrifft die Kritik im Wesentlichen die Anwendung prozessrechtlicher Bestimmungen, insbesondere jene der SIA-Richtlinie 150, namentlich in Bezug auf Behauptungslast und Verhandlungsmaxime; solche Rügen sind von vornherein unzulässig. Gerügt wird auch eine willkürliche Anwendung von Art. 8 ZGB, welcher die Folgen der Beweislosigkeit regelt und nicht die prozessuale Beweisführungslast (vgl. KUMMER, Berner Kommentar, N. 33 zu Art. 8 ZGB); die Beschwerdeführerin zeigt aber nicht auf, wo der Schiedsrichter diese Regel angewendet und eine unbewiesene Tatsache in willkürlicher Anwendung der Beweislastverteilung festgehalten hätte. Die Kritik richtet sich sodann auch gegen den Sachverhalt, der dem Schiedsspruch zu Grunde liegt; es wird aber nicht aufgezeigt, inwieweit eine offensichtliche Aktenwidrigkeit vorliegt. Schliesslich ist nicht ersichtlich, worin für die Beschwerdeführerin eine überraschende Rechtsanwendung liegen sollte, namentlich in der Abweisung der von ihr erhobenen Verjährungseinrede; in der Beschwerde wird die Rüge mit einer Verletzung der Verhandlungsmaxime in Zusammenhang gebracht, welche als prozessrechtliche Regel der Überprüfung aber entzogen ist. 
 
4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann. Die Beschwerdeführerin trägt die Gerichts- und Parteikosten (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Einzelschiedsgericht SIA mit Sitz in Egliswil schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 1. September 2011 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Der Gerichtsschreiber: Hurni