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[AZA] 
I 359/99 Hm 
 
II. Kammer  
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiberin Keel 
 
Urteil vom 2. März 2000  
 
in Sachen 
 
R.________, 1957, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, Bern, Beschwerdegegne- 
rin, 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
    A.- Die 1957 geborene R.________ leidet seit Geburt an 
Osteogenesis imperfecta (Geburtsgebrechen Ziff. 126 
GgV-Anhang). Die Invalidenversicherung erbrachte verschie- 
dene Leistungen; unter anderem gab sie R.________ im Jahre 
1991 einen Elektrorollstuhl, Modell Garant 63 E-PRO, leih- 
weise ab (Mitteilung des IV-Sekretariates des Kantons Bern 
vom 31. Juli 1991). Dieses Hilfsmittel wurde R.________ auf 
Wunsch zum weiteren Gebrauch überlassen, als ihr die 
IV-Stelle Bern im Jahre 1996 einen Kostenbeitrag an einen 
Elektrorollstuhl Garant 23 S-PRO zusprach (Verfügung vom 
10. Juli 1996). 
    Ein im Jahre 1998 gestelltes Gesuch um Kostengutspra- 
che für einen Elektrorollstuhl Garant 63 E-PRO N lehnte die 
IV-Stelle mit Verfügung vom 15. Oktober 1998 ab. 
 
    B.- Die von R.________ hiegegen erhobene Beschwerde 
wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid 
vom 6. Mai 1999 ab. 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt 
R.________ das Rechtsbegehren, es sei ihr von der IV-Stelle 
ein Ersatz für den Elektrorollstuhl Garant 63 E-PRO zu 
gewähren und zu gestatten, den Garant 23 S-PRO ins Depot 
der Invalidenversicherung zurückzugeben. In formeller Hin- 
sicht wird um persönliche Vorladung zur Verhandlung vor dem 
Eidgenössischen Versicherungsgericht ersucht. 
    Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungs- 
gerichtsbeschwerde schliesst, lässt sich das Bundesamt für 
Sozialversicherung nicht vernehmen. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Die Beschwerdeführerin beantragt die persönliche 
Vorladung zur Verhandlung vor dem Eidgenössischen Versiche- 
rungsgericht. Sofern dieses Begehren als Antrag auf Durch- 
führung einer öffentlichen Verhandlung verstanden werden 
muss, gilt Folgendes: Nach der Rechtsprechung (BGE 122 V 54 
Erw. 3 mit Hinweisen) ist die von Art. 6 Ziff. 1 EMRK ge- 
forderte Öffentlichkeit der Verhandlung - in Übereinstim- 
mung mit der Praxis der Konventionsorgane - primär im erst- 
instanzlichen Beschwerdeverfahren zu gewährleisten. Wie in 
BGE 122 V 55 Erw. 3a weiter dargelegt wurde, setzt die 
Durchführung einer öffentlichen Verhandlung im Sozialver- 
sicherungsprozess grundsätzlich einen - im erstinstanzli- 
chen Verfahren zu stellenden - Parteiantrag voraus. Ver- 
säumt eine Partei die rechtzeitige Geltendmachung des An- 
spruchs auf öffentliche Verhandlung, hat dieser grundsätz- 
lich als verwirkt zu gelten (BGE 122 V 56 Erw. 3b/bb). 
    Im vorinstanzlichen Verfahren hat die Beschwerdefüh- 
rerin keinen Antrag auf öffentliche Verhandlung gestellt. 
Ein entsprechendes Begehren findet sich - wenn überhaupt - 
erstmals in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, weshalb der 
Anspruch verspätet geltend gemacht wurde und damit verwirkt 
ist. Von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung 
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht ist daher 
abzusehen. 
 
    2.- Gemäss Art. 21 Abs. 1 IVG hat der Versicherte im 
Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch 
auf jene Hilfsmittel, deren er für die Ausübung der Er- 
werbstätigkeit oder der Tätigkeit in seinem Aufgabenbe- 
reich, für die Schulung, die Ausbildung oder zum Zwecke der 
funktionellen Angewöhnung bedarf. Ferner bestimmt Art. 21 
Abs. 2 IVG, dass der Versicherte, der infolge seiner Inva- 
lidität für die Fortbewegung, für die Herstellung des Kon- 
taktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge kostspieli- 
ger Geräte bedarf, im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustel- 
lenden Liste ohne Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit An- 
spruch auf solche Hilfsmittel hat. 
    Die Befugnis zur Aufstellung der Hilfsmittelliste und 
zum Erlass ergänzender Vorschriften im Sinne von Art. 21 
Abs. 4 IVG hat der Bundesrat in Art. 14 IVV an das Eidge- 
nössische Departement des Innern übertragen, welches die 
Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Inva- 
lidenversicherung (HVI) mit anhangsweise aufgeführter 
Hilfsmittelliste erlassen hat. Gemäss Ziff. 9.02 HVI-Anhang 
haben Versicherte, die einen gewöhnlichen Rollstuhl nicht 
bedienen und sich nur dank elektromotorischem Antrieb 
selbstständig fortbewegen können, Anspruch auf einen Elek- 
trorollstuhl. 
    3.- Es steht fest und ist unbestritten, dass die Be- 
schwerdeführerin Anspruch auf einen Elektrorollstuhl im 
Sinne von Ziff. 9.02 HVI-Anhang hat. Streitig und zu prüfen 
ist lediglich, ob ihr, wie beantragt, Kostengutsprache für 
das Modell Garant 63 E-PRO N - als Ersatz für den von der 
Invalidenversicherung zurückzunehmenden Garant 23 S-PRO - 
zu erteilen ist. 
 
    a) Als die IV-Stelle der Versicherten im Jahre 1996 
einen Beitrag an die Anschaffung des Elektrorollstuhles 
Garant 23 S-PRO zusprach, stützte sie sich in medizinischer 
Hinsicht auf ein Zeugnis des behandelnden Arztes Dr. med. 
L.________ vom 10. Juni 1994, wonach die an Osteogenesis 
imperfecta mit multiplen Skelettdeformitäten leidende Be- 
schwerdeführerin einen stabilen Elektrorollstuhl benötigt, 
welcher wegen der schweren, Schmerzen und Atembeschwerden 
verursachenden Skoliose verstellbar und wegen der vermehr- 
ten Knochenbrüchigkeit sehr gut gefedert sein sollte. Mit 
der Versicherten ermittelte die Firma X.________ das Modell 
Garant 23 S-PRO (Offerte vom 7. Februar 1996), welches die 
IV-Stelle durch die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft 
Hilfsmittelberatung für Behinderte und Betagte (SAHB) prü- 
fen liess. Die SAHB befürwortete die Kostengutsprache und 
führte in ihrem Bericht vom 14. Juni 1996 unter Bezugnahme 
auf das Arztzeugnis vom 10. Juni 1994 aus, dass der ver- 
stellbare Sitz- und Rückenteil und die sehr gute Federung 
für einen der Behinderung angepassten Fahrkomfort, der 
anatomische Rücken für die richtige Körperhaltung und die 
verkürzte Sitztiefe und das Fussbrett wegen der Kleinwüch- 
sigkeit der Beschwerdeführerin erforderlich seien. Die Ver- 
sicherte habe das Modell bereits getestet und sei damit 
sehr zufrieden. In der Besprechung habe sie angegeben, dass 
der offerierte Elektrorollstuhl ihren Bedürfnissen entspre- 
che. 
    Auf das im Jahre 1998 gestellte Gesuch der Versicher- 
ten hin liess die IV-Stelle auch die Zweckmässigkeit des 
Modells Garant 63 E-PRO N (Offerte der Firma X.________ vom 
7. April 1998) durch die SAHB prüfen. Diese hielt in ihrem 
Bericht vom 7. August 1998 fest, dass der ältere Rollstuhl 
(Garant 63 E-PRO) ausgetauscht werden müsse, da nächstens 
verschiedene Reparaturen anfielen und er zu wenig an die 
Behinderung angepasst sei. Der von der Versicherten ge- 
wünschte Elektrorollstuhl der Firma X.________ (Garant 63 
E-PRO N) entspreche wohl besser der Behinderung als der 
alte Garant 63, sei aber nicht so gut wie der Garant 23 aus 
dem Jahre 1996. Im Weitern sei die pannensichere Bereifung 
des beantragten Rollstuhls Garant 63 E-PRO N nicht sinn- 
voll, weil der Fahrkomfort für die Beschwerdeführerin ange- 
sichts ihrer Krankheit "härter" werde. 
 
    b) Gestützt auf diese fachmännische Beurteilung ge- 
langten Vorinstanz und IV-Stelle zum Ergebnis, dass der 
Garant 23 S-PRO als hinlängliche Ausrüstung mit einem Elek- 
trorollstuhl zu betrachten sei und keine Kostengutsprache 
für den weniger zweckmässigen, der Behinderung nicht opti- 
mal angepassten Rollstuhl Garant 63 E-PRO N erteilt werden 
könne. Dieser Auffassung ist beizupflichten. 
    Was die Beschwerdeführerin hiegegen vorbringt, vermag 
zu keinem anderen Ergebnis zu führen. Ihren Einwänden, die 
fehlende pannensichere Bereifung des Garant 23 S-PRO habe 
sie schon zweimal in Schwierigkeiten gebracht und seine 
weiche Federung mache ihr, weil sie das Gefühl für den 
Bodenkontakt nehme, Angst vor einem Unfall mit vorprogram- 
mierten Knochenbrüchen, kann nicht beigepflichtet werden. 
Denn wie aus dem Abklärungsbericht vom 7. August 1998 deut- 
lich hervorgeht, ist eine gute Federung, welche beim Garant 
63 E-PRO N gerade nicht gewährleistet ist, vom medizini- 
schen Standpunkt her zur Verhinderung von Knochenbrüchen 
unerlässlich (Zeugnis des Dr. med. L.________ vom 10. Juni 
1994). Aus demselben Grund ist nach der Abklärung des SAHB 
auch eine pannensichere Bereifung nicht sinnvoll. Unklar 
bleibt, was die Beschwerdeführerin aus ihrem Vorbringen, 
sie habe von den Vorteilen des Garant 23 S-PRO entgegen 
ihren Erwartungen in ihrer Wohnung in Y.________ gar nicht 
profitieren können, ableitet. Soweit darin der Einwand, das 
Modell eigne sich für diese Räumlichkeiten nicht, erblickt 
werden muss, ist ihr entgegenzuhalten, dass dies anlässlich 
der in der Wohnung durchgeführten Abklärung vom 7. August 
1998 weder auffiel noch vorgebracht wurde (Bericht der SAHB 
vom 7. August 1998). Zudem ist die Versicherte vor mehr als 
einem Jahr umgezogen, wobei mit Bezug auf die neue Adresse 
in Z.________ derartige Anhaltspunkte weder geltend gemacht 
noch aus den Akten ersichtlich sind. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.  
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-  
    richt des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche 
    Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung 
    zugestellt. 
 
 
Luzern, 2. März 2000 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: 
 
i.V.