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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6P.151/2003 
6S.427/2003 /kra 
 
Urteil vom 2. März 2004 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Kolly, Karlen, 
Gerichtsschreiberin Arquint Hill. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kreso Glavas, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, 
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau. 
 
Gegenstand 
6S.427/2003 
mehrfaches Parkieren im Bereich einer Strassenkreuzung 
 
6P.151/2003 
willkürliche Beweiswürdigung (Strafverfahren) 
 
Nichtigkeitsbeschwerde (6S.427/2003) und Staatsrechtliche Beschwerde (6P.151/2003) gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, vom 28. Oktober 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
X.________ stellte im aargauischen Buchs seine Reisecars mehrere Male im Bereich der Einmündung des A.________wegs in den B.________weg ab. 
B. 
Das Bezirksgericht Aarau sprach X.________ am 5. März 2003 im Anschluss an einen Augenschein von der Anschuldigung des mehrfachen Parkierens im Bereich einer Strassenkreuzung frei. 
 
Das Obergericht des Kantons Aargau hiess die Berufung der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau am 28. Oktober 2003 gut und büsste X.________ wegen mehrfachen Parkierens im Bereich einer Strassenverzweigung mit Fr. 500.--. 
C. 
X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Streitsache zwecks Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts an das Obergericht zurückzuweisen. Er erhebt überdies eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt die Aufhebung des obergerichtlichen Urteils sowie seinen Freispruch. 
Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme zu beiden Beschwerden. Eine Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft wurde nicht eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
I. Staatsrechtliche Beschwerde 
1. 
1.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich rein kassatorischer Natur (BGE 126 I 213 E. 1c; 124 I 327 E. 4a). Soweit der Beschwerdeführer mehr als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids verlangt, ist auf sein Rechtsmittel nicht einzutreten. 
1.2 In der staatsrechtlichen Beschwerde muss dargetan werden, welche verfassungsmässigen Rechte und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt werden (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene Rügen (BGE 127 I 38 E. 3c; 125 I 492 E. 1b; 122 I 70 E. 1c). Die pauschale Behauptung des Beschwerdeführers, verschiedene verfassungsmässige Rechte und Garantien der EMRK seien verletzt, weil der angefochtene Entscheid dem Ansinnen der Dorfpolizei Vorschub leiste, ihn wirtschaftlich zu ruinieren, genügt den gesetzlichen Anforderungen an die Begründungspflicht nicht. Auf diese Rügen ist daher nicht einzutreten. 
2. 
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht vor, es habe den rechtserheblichen Sachverhalt willkürlich gewürdigt und seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es den beantragten Augenschein ohne Begründung abgelehnt habe. 
2.1 Der Richter kann das Beweisverfahren schliessen, wenn die Beweisanträge eine nicht erhebliche Tatsache betreffen oder offensichtlich untauglich sind oder wenn er auf Grund bereits abgenommener Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde. Das Bundesgericht greift auf staatsrechtliche Beschwerde nur ein, wenn die Beweiswürdigung mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dabei hebt es einen Entscheid nur auf, wenn er sich im Resultat als verfassungswidrig erweist und nicht schon dann, wenn nur die Begründung unhaltbar ist (BGE 124 I 208 E. 4a). 
2.2 Das Obergericht stützte sich bei der Beurteilung der Frage, ob beim Zusammentreffen von B.________weg und A.________weg eine Strassenverzweigung im Sinne von Art. 1 Abs. 8 Satz 1 VRV vorliege, hauptsächlich auf den Bericht der Gemeindepolizei Buchs vom 17. Juli 2003. Es stellte dabei fest, dass beide Verkehrswege Quartierstrassen und nicht Durchgangsstrassen seien. Zudem erwog es, dass hinsichtlich der Verkehrsbedeutung ein eindeutiges Unter-/Überordnungsverhältnis zwischen den beiden Strassen nicht vorliege, da über die fragliche Kreuzung lediglich 22 Haushaltungen am A.________weg und 10 Wohneinheiten am B.________weg erschlossen würden. Die beiden Strassen seien demnach gleichrangig. 
2.3 Der Beschwerdeführer begnügt sich in seiner Beschwerdeeingabe weitgehend damit, die Ausführungen des Bezirksgerichts zu den tatsächlichen Verhältnissen wiederzugeben, ohne sich mit den Sachverhaltsangaben des Obergerichts im Einzelnen auseinander zu setzen. So stellt der Beschwerdeführer nicht in Frage, dass es sich bei den beiden Verkehrswegen um Quartierstrassen und nicht um Durchgangsstrassen handelt. Im Weiteren zeigt sich anhand der Situationsfotos und des Situationsplans, dass sich der B.________weg und der A.________weg hinsichtlich Art, Grösse und Erscheinungsbild grundsätzlich entsprechen (kantonale Akten, S. 3 und 15). Auch diese Tatsachen zieht der Beschwerdeführer nicht in Zweifel. Ebenso wenig vermag er die Angaben des Obergerichts zur Verkehrsbedeutung zu widerlegen. Zwar wendet er gestützt auf die bezirksgerichtliche Sachverhaltserhebung ein, der B.________weg diene bloss zwei Häusern (und nicht 10 Wohneinheiten) als Zufahrtsstrasse. Er zeigt dabei jedoch nicht auf, wie viele Wohneinheiten den beiden Häusern tatsächlich zuzuordnen sind. Im übrigen verkennt der Beschwerdeführer, dass von einem eindeutigen Unter/-Überordnungsverhältnis zwischen den beiden Verkehrswegen auch nicht gesprochen werden könnte, wenn von den bezirksgerichtlichen Tatsachenfeststellungen auszugehen wäre. Unter diesen Umständen durfte das Obergericht ohne weiteres ausschliessen, dass ein weiterer Augenschein beweismässig etwas bringen würde. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist daher zu verneinen. Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich insoweit als unbegründet. 
2.4 Die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers sind für den Entscheid der Sache unerheblich (vgl. E. 4.4). 
2.5 Aus diesen Gründen ist die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. 
II. Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde 
3. 
3.1 Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist rein kassatorischer Natur (Art. 277ter Abs. 1 BStP). Soweit der Beschwerdeführer mehr verlangt als die Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ist auf sein Rechtsmittel nicht einzutreten (BGE 129 IV 276 E. 1.2 mit Hinweis). 
3.2 Das Bundesgericht ist im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Entscheids richten, sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Die Anwendung des Bundesrechts wird insoweit ausschliesslich auf der Grundlage des von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts geprüft (BGE 129 IV 246 E. 1). Auf die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde ist daher nicht einzutreten, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung wendet. 
4. 
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe die verkehrsmässige Bedeutung von B.________weg und A.________weg vollkommen falsch beurteilt. Da eine Strassenverzweigung im rechtlichen Sinne nicht vorliege, könne ihm nicht vorgeworfen werden, auf einer Kreuzung parkiert zu haben. 
4.1 Nach Art. 37 Abs. 2 SVG dürfen Fahrzeuge nicht dort angehalten oder aufgestellt werden, wo sie den Verkehr behindern oder gefährden könnten. Gemäss Art. 18 Abs. 2 lit. d in Verbindung mit Art. 19 Abs. 2 lit. a VRV ist das freiwillige Halten und Parkieren untersagt auf Strassenverzweigungen, vor und nach Strassenverzweigungen näher als 5 m von der Querfahrbahn sowie - nach dem klaren Willen des Verordnungsgebers - an der geschlossenen Seite einer durchlaufenden Strasse im Bereich einer T-förmigen Einmündung (BGE 112 IV 94 E. 2). 
4.2 Der Begriff der Strassenverzweigung bestimmt sich in erster Linie nach Art. 1 Abs. 8 VRV. Danach sind Verzweigungen Kreuzungen, Gabelungen oder Einmündungen von Fahrbahnen (Art. 1 Abs. 8 Satz 1 VRV). Hingegen gilt das Zusammentreffen von Rad- oder Feldwegen, von Garage-, Parkplatz-, Fabrik- oder Hofausfahrten usw. mit der Fahrbahn nicht als Verzweigung (Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV). Ist eine tatsächliche Situation nicht ohne weiteres als Ausnahme unter Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV zu subsumieren, sind weitere Kriterien für die Vornahme einer Abgrenzung notwendig (René Schaffhauser, Grundriss des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I, 2. Auflage, Bern 2002, N 826 ff.). Dabei sind vorab die Art der Anlage, ihre Grösse und ihr Erscheinungsbild miteinzubeziehen. Ausserdem ist nach der Rechtsprechung in besonderen Fällen zusätzlich auf die Bedeutung des Verkehrswegs abzustellen, die dieser für den allgemeinen Verkehr hat, insbesondere im Vergleich mit der Strasse, mit der er zusammentrifft. Unter diesem Aspekt beurteilt sich die Frage, ob eine Strassenverzweigung vorliegt, nicht einzig danach, ob ein Verkehrsweg erkennbar eine geringe Bedeutung hat, sondern ebenso sehr danach, ob die Strasse, in die er einmündet, dem Durchgangsverkehr dient und deshalb eine erheblich grössere Verkehrsfrequenz aufweist. Nur wenn der eine Verkehrsweg im Verhältnis zum andern als völlig untergeordnet und praktisch bedeutungslos erscheint, liegt eine Strassenkreuzung im Rechtssinne nicht vor (vgl. BGE 127 IV 91 E. 2a/bb; 123 IV 218 E. 3a; 112 IV 88 E. 2). 
4.3 Die Auffassung der Vorinstanz, wonach sich die Einmündung des A.________wegs in den B.________weg nicht ohne weiteres als Ausnahme gemäss Art. 1 Abs. 8 Satz 2 VRV klassieren lässt, trifft zu. 
 
Sowohl der B.________weg als auch der A.________weg sind Quartierstrassen in dünn besiedeltem Wohngebiet. Für den Durchgangsverkehr sind sie offensichtlich bedeutungslos, und sie weisen nur ein geringes Verkehrsvolumen auf. Der B.________weg und der A.________weg unterscheiden sich nach Art, Erscheinungsbild und Grösse grundsätzlich nicht: Beide Strassen sind nahezu gleich breit und asphaltiert. Ausserdem verbreitert sich der A.________weg beim Zusammentreffen der beiden Strassen, so dass dessen Einmündung in den B.________weg für jedermann deutlich erkennbar ist (kantonale Akten, Situationsfotos und Situationsplan, S. 3 und 15). Dass die Vorinstanz das Verkehrsgefälle zwischen den beiden Wegen unter diesen Umständen als nicht dermassen erheblich einstufte, als dass ein eindeutiges Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen A.________weg und B.________weg anzunehmen wäre, ist daher nicht zu beanstanden. Mit der Vorinstanz ist demnach von der Gleichrangigkeit der beiden Verkehrswege auszugehen. Das Vorliegen einer Strassenverzweigung im Sinne von Art. 1 Abs. 8 Satz 1 VRV wurde daher zu Recht bejaht. Der angefochtene Entscheid liegt auf der Linie der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 106 IV 56 E. 2; 101 IV 4141 E. 2c). Dass der Beschwerdeführer seine Reisecars auf der fraglichen Kreuzung mehrmals parkierte, ist erstellt. Unter diesen Umständen verletzt der vorinstanzliche Schuldspruch kein Bundesrecht. 
Auch die weiteren Einwände des Beschwerdeführers sind unbehelflich. So erkannte die Vorinstanz zu Recht, dass es auf die Zustimmung des angrenzenden Bauern nicht ankomme und es auch keine Rolle spiele, ob der parkierte Bus konkret jemanden gestört habe. Ebenso wenig ist von Bedeutung, dass die fraglichen Strassen als Wege bezeichnet sind und die Reisecars nur selten auf der hier relevanten Strassenverzweigung abgestellt waren. Es kann in dieser Hinsicht auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden (angefochtener Entscheid, S. 9; Art. 36a Abs. 3 OG). 
 
Aus diesen Gründen ist die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. 
5. 
Da der Beschwerdeführer mit beiden Beschwerden unterliegt, hat er die Kosten für die bundesgerichtlichen Verfahren zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG und Art. 278 Abs. 1 BStP). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
3. 
Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 4'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 2. März 2004 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: