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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
C 269/06 
 
Urteil vom 2. April 2007 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichter Schön, Frésard, 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Parteien 
N.________, 1977, Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Fürsprecher Serge Flury, Kasinostrasse 38, 5000 Aarau, 
 
gegen 
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zug, Industriestrasse 24, 6301 Zug, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Zug vom 28. September 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1977 geborene N.________ war seit dem 1. April 2000 als Finanzberaterin bei der Firma A.________ GmbH in X.________ tätig. Sie löste das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 20. September 2001 auf Ende Dezember desselben Jahres auf, war aber nach eigenen Angaben nur noch bis Ende Oktober für die Firma tätig. Am 25. Januar 2002 ersuchte N.________ schriftlich um Auszahlung von noch ausstehenden Provisionen seit August 2001, nachdem mündliche Mahnungen fruchtlos geblieben seien. Am 2. Dezember 2003 wurde über die Firma A.________ GmbH der Konkurs eröffnet und am 17. Dezember 2003 mangels Aktiven wieder eingestellt. N.________ stellte am 28. Januar 2004 Antrag auf Involvenzentschädigung. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zug wies diesen mit Verfügung vom 19. Februar 2004 ab, da die Versicherte sich nicht rechtzeitig nachdrücklich um die Eintreibung ihrer Forderung bemüht habe. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 29. August 2005). 
B. 
Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 28. September 2006 ab. 
C. 
N.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, die Arbeitslosenkasse sei richterlich anzuweisen, ihr die gesetzliche Insolvenzentschädigung zuzüglich eines Verzugszins von 5 % zu bezahlen. 
 
Die Arbeitslosenkasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Staatssekretariat für Wirtschaft verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid am 28. September 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395). 
2. 
Im vorinstanzlichen Entscheid werden die gesetzlichen Bestimmungen über den Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Art. 51 Abs. 1 AVIG), den Umfang des Anspruchs (Art. 52 Abs. 1 AVIG in der bis 30. Juni 2003 gültig gewesenen Fassung) sowie über die Pflichten des Arbeitsnehmers im Konkurs- und Pfändungsverfahren (Art. 55 Abs. 1 AVIG; BGE 114 V 56 Erw. 3d S. 59; ARV 2002 Nr. 8 S. 62 ff. [C 91/01] und Nr. 30 S. 190 ff. [C 367/01], 1999 Nr. 24 S. 140 ff.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. Dasselbe gilt hinsichtlich der allgemeinen Schadenminderungspflicht des Arbeitsnehmers schon vor der Konkurseröffnung und des für eine ursprüngliche Leistungsverweigerung vorausgesetzten schweren Verschuldens des Versicherten mit der dazu ergangenen Rechtsprechung. 
 
Inwieweit das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000, mit welchem zahlreiche Bestimmungen im Arbeitslosenversicherungsbereich geändert worden sind, nach den allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Rechts und des zeitlich massgebenden Sachverhalts (BGE 130 V 445 Erw. 1.2.1 S. 447 mit Hinweisen) auf den zu beurteilenden Fall anwendbar ist, kann offen bleiben. Denn bezüglich der hier streitigen Frage nach einer Verletzung der Schadenminderungspflicht enthält das ATSG - mit Ausnahme von Art. 21 Abs. 4 - keine Bestimmungen (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, S. 17 Rz 34). 
3. 
Die Prüfung der Frage, ob der Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Schadenminderungspflicht vorzuwerfen ist, umfasst einerseits die Periode zwischen der letzten unbestrittenen Lohnzahlung ab 1. August 2001 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2001 einerseits und diejenige von diesem Zeitpunkt bis zur Konkurseröffnung andererseits. 
3.1 Auf Grund der Akten ist davon auszugehen, dass die aus Provisionsforderungen bestehenden Lohnansprüche bis im August 2001 beglichen wurden. In der Folge gab es offenbar Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Anspruchs, worauf die Beschwerdeführerin das Arbeitsverhältnis am 20. September 2001 kündigte. Offenbar mahnte die Versicherte die Firma A.________ GmbH Ende Januar 2002 schriftlich. Diese reagierte umgehend mit ihrem Schreiben vom 29. Januar 2002, worin sie sich erstaunt über die Forderung zeigte. Das weist darauf hin, dass die Forderung vor dem genannten Datum nicht unmissverständlich geltend gemacht worden war. Damit hat die Beschwerdeführerin nach Kenntnis über die unbezahlt gebliebene August-Forderung knapp fünf Monate zugewartet, bis sie diese gegenüber der Arbeitgeberin nachdrücklich geltend machte. Vier Monate davon fallen in die Zeit nach der Kündigung ihres Arbeitsvertrages. Das alleine stellt zwar noch keine Verletzung der Schadenminderungspflicht dar. Indessen wirft ein so langes Untätigbleiben doch Fragen auf, nachdem nichts auf ein besonderes Vertrauensverhältnis zur Arbeitgeberin, ein besonders stabiles Arbeitsverhältnis oder einen anderen Umstand hindeutet, welcher ein monatelanges Zuwarten erklärbar machen würde. 
3.2 Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses übergab die Beschwerdeführerin die Angelegenheit an ihre Rechtsschutzversicherung. Diese ersuchte ihrerseits am 6. März, 4. April und 8. Mai 2002 schriftlich um Begleichung der offen stehenden Provisionen im Umfang von Fr. 8'000.-. Am 9. Juli 2002 bestritt die Firma A.________ GmbH erneut schriftlich, der Beschwerdeführerin überhaupt noch etwas schuldig zu sein. Spätestens zu jenem Zeitpunkt war klar, dass keine freiwillige Zahlung zu erwarten war und die Forderung nur klageweise eingetrieben werden konnte. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin zu irgendeinem Zeitpunkt seit Beendigung des Arbeitsverhältnisses darauf vertrauen durfte, dass die von ihr geltend gemachte Forderung aus dem Arbeitsverhältnis von der Firma A.________ GmbH anerkannt und beglichen würde. 
3.3 Die Beschwerdeführerin lässt ausführen, sie habe vor der Ergreifung eigener Schritte zur klageweisen Geltendmachung ihrer Forderung das Verfahren eines ehemaligen Arbeitskollegen, F.________, welcher am 29. August 2002 eigene Provisionsansprüche beim Arbeitsgericht Y.________ geltend gemacht habe, abgewartet. 
Gründe für ein Zuwarten sind nicht ersichtlich. Auch eine Gutheissung der Klage des F.________ hätte die Beschwerdeführerin nicht in die Lage versetzt, ihren Anspruch ohne Gang vor das Arbeitsgericht durchzusetzen, da dieser ja grundsätzlich bestritten wurde und nicht absolut identisch mit demjenigen des F.________ war. Zudem zeigt ein Auszug aus dem Betreibungsregister der Firma A.________ GmbH, dass bis im März 2003, also eineinhalb Jahre nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses, keine Betreibungen über grössere Forderungen bestanden. Damit war im Sommer 2002 noch nicht von einer Zahlungsunfähigkeit auszugehen, welche eine Klage überflüssig gemacht hätte. Auch aus dieser Sicht ist nicht nachzuvollziehen, warum die Beschwerdeführerin ab Sommer 2002 untätig blieb. Dies auch unter dem Gesichtspunkt, dass eine Klage vor Arbeitsgericht - welches für eine Forderung von Fr. 8'000.- aus Arbeitsvertrag zuständig gewesen wäre - grundsätzlich unentgeltlich gewesen wäre (Art. 343 Abs. 3 OR). Damit kann die Beschwerdeführerin nicht geltend machen, sie hätte diesen Schritt aus Kostengründen unterlassen. 
 
Zusammenfassend war es nicht gerechtfertigt, ab dem letzten Mahnschreiben vom 24. Juni 2002, mit welchem der Arbeitgeberin noch eine letzte Frist bis Ende Juni 2002 gesetzt wurde ("Nach diesem Datum wird ohne weitere Korrespondenz die Klage eingereicht") bis zur Konkurseröffnung im Dezember 2003 keine weiteren Schritte zu unternehmen. Es muss daher bei der Feststellung bleiben, dass Verwaltung und Vorinstanz den Anspruch auf Insolvenzentschädigung zu Recht verneint haben. 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Sozialversicherungsrechtliche Kammer, dem Kantonalen Amt für Wirtschaft und Arbeit (KWA) und dem Staatssekretariat für Wirtschaft zugestellt. 
Luzern, 2. April 2007 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: