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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
2C_406/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 2. Juli 2015  
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Zünd, Präsident, 
Bundesrichter Seiler, 
Bundesrichterin Aubry Girardin, 
Bundesrichter Stadelmann, 
Bundesrichter Haag, 
Gerichtsschreiberin Mayhall. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Marc Spescha, 
 
gegen  
 
Migrationsamt des Kantons Solothurn. 
 
Gegenstand 
Widerruf der Niederlassungsbewilligung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn 
vom 10. März 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 A.________ ist griechischer Staatsbürger. Er wurde im Januar 1990 in der Schweiz geboren und ist hier bei seiner Familie aufgewachsen. Im Februar 1997 erhielt er die Niederlassungsbewilligung. 
 
 Im November 2008 kollidierte der von A.________ innerorts mit stark übersetzter Geschwindigkeit gelenkte Personenwagen mit einem aus der Gegenrichtung kommenden Personenwagen. Durch den Aufprall wurde der Lenker des entgegenkommenden Fahrzeuges leicht, dessen Beifahrerin schwer und die auf dem Rücksitz mitfahrende B.________ tödlich verletzt. 
 
A.a. Das Departement des Innern des Kantons Solothurn entzog A.________ nach dem Vorfall den Führerausweis wegen charakterlicher Nichteignung als Motorfahrzeuglenker auf unbestimmte Zeit. Nach einer Überprüfung seiner Fahreignung mittels einer verkehrspsychologischen Untersuchung wurde der Führerausweisentzug mit Verfügung vom 6. September 2011 unter Auflage, nur mit einem Datenaufzeichnungsgerät ausgerüstete Fahrzeuge zu führen, aufgehoben. Seit Januar 2012 ist er wieder im Besitz des Führerausweises.  
 
A.b. Das Obergericht des Kantons Solothurn verurteilte A.________ im März 2012 in zweiter Instanz wegen (eventual) vorsätzlicher Tötung, (eventual) vorsätzlicher schwerer und einfacher Körperverletzung sowie mehrfacher grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Eine gegen dieses Urteil erhobene Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 6. Mai 2013 (6B_463/2012) ab, soweit es darauf eintrat. Den Strafvollzug trat A.________ am 14. Oktober 2013 an.  
 
B.  
 
 Das kantonale Migrationsamt widerrief die Niederlassungsbewilligung von A.________ mit Verfügung vom 9. Dezember 2013 und wies ihn an, die Schweiz am Tag seiner Entlassung aus dem Strafvollzug zu verlassen. Eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn mit Urteil vom 10. März 2014 ab. 
 
C.  
 
 Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 2. Mai 2014 beantragt A.________, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. März 2014 sei aufzuheben und ihm sei die Niederlassungsbewilligung zu belassen. Ihm sei sowohl für das bundesgerichtliche Verfahren wie auch für das vorinstanzliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu bewilligen. 
 
 Die Vorinstanz, das kantonale Migrationsamt und das Staatssekretariat für Migration schliessen auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Mit Präsidialverfügung vom 7. Mai 2014 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt. 
 
 
 Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Gegenstand des bundesgerichtlichen Beschwerdeverfahrens bildet das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. März 2014. Die dadurch ersetzte Verfügung des kantonalen Migrationsamts vom 9. Dezember 2013, mit welcher die Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers widerrufen worden ist, gilt als inhaltlich mitangefochten (Devolutiveffekt; BGE 134 II 142 E. 1.4 S. 144; zum Begriff des Streitgegenstands vgl. BGE136 II 457 E. 4.2 S. 463; 133 II 35 E. 2 S. 38; Urteil 2C_961/2013 vom 29. April 2014 E. 3.3). Nicht zum Streitgegenstand gehört, ob dem Beschwerdeführer der Führerausweis zu Recht wieder erteilt worden ist. Das schliesst nicht aus, dass die Gründe, die zur Wiedererteilung des Führerausweises geführt haben, und insbesondere das dazu erstellte verkehrspsychologische Gutachten im vorliegenden Verfahren mitberücksichtigt werden.  
 
1.2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) eingereicht und richtet sich gegen einen Endentscheid einer letzten oberen kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 BGG; Art. 90 BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG).  
 
1.3. Nach Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen Entscheide über ausländerrechtliche Bewilligungen ausgeschlossen, auf deren Erteilung weder das Bundes- noch das Völkerrecht einen Rechtsanspruch einräumen. Grundsätzlich besteht ein Anspruch auf den Fortbestand einer bereits erteilten Niederlassungsbewilligung. Wird die Niederlassungsbewilligung widerrufen, so steht gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (BGE 135 II 1 E. 1.2.1 S. 4). Die Beschwerde ist zulässig und der Beschwerdeführer dazu legitimiert (Art. 89 Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist, vorbehältlich der Erfüllung der Rüge- und Begründungspflicht, einzutreten.  
 
1.4. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 und Art. 96 BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 mit Hinweis). Die Verletzung von Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht untersucht es in jedem Fall nur insoweit, als eine solche Rüge in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 139 I 229 E. 2.2 S. 232; 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).  
 
1.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zu Grunde (Art. 105 Abs. 1 BGG), es sei denn, dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 2 BGG). Offensichtlich unrichtig festgestellt ist ein Sachverhalt, wenn er willkürliche Feststellungen beinhaltet (BGE 137 I 58 E. 4.1.2 S. 62). Die dem Bundesgericht durch Art. 105 Abs. 2 BGG eingeräumte Befugnis, die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz zu berichtigen oder zu ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung von Art. 95 BGG beruht, entbindet den Beschwerdeführer nicht von seiner Rüge- und Substanziierungspflicht (BGE 133 IV 286 E. 6.2 S. 288). Die betroffene Person muss rechtsgenügend dartun, dass und inwiefern der festgestellte Sachverhalt in diesem Sinne mangelhaft erscheint und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 139 II 404 E. 10.1 S. 445 mit Hinweisen).  
 
2.  
 
2.1. Die Niederlassungsbewilligung kann widerrufen werden, wenn ein Ausländer zu einer längerfristigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde (Art. 63 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 62 lit. b des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Ausländerinnen und Ausländer [AuG; SR 142.20]). Als "längerfristig" gilt eine Freiheitsstrafe, wenn ihre Dauer ein Jahr überschreitet (BGE 135 II 377 E. 4.2 und E. 4.5 S. 379 ff.). Ein auf die genannten Bestimmungen gestützter Widerruf der Niederlassungsbewilligung kann grundsätzlich auch dann erfolgen, wenn sich ein Ausländer - wie vorliegend der Beschwerdeführer - seit mehr als 15 Jahren ununterbrochen und ordnungsgemäss in der Schweiz aufgehalten hat (Art. 63 Abs. 2 AuG).  
 
2.2. Der Widerruf einer Niederlassungsbewilligung setzt weiter voraus, dass die Massnahme im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. Dieser bereits in Art. 5 Abs. 2 BV verankerte Grundsatz wird in Art. 96 Abs. 1 AuG insoweit verdeutlicht, als die zuständigen Behörden bei der Ermessensausübung die öffentlichen Interessen und die persönlichen Verhältnisse sowie den Grad der Integration der betroffenen Person berücksichtigen. Mit in die Beurteilung einzubeziehen ist bei straffällig gewordenen Personen eine allenfalls bestehende Rückfallgefahr und die Möglichkeit der Resozialisierung (BGE 130 II 176 E. 4.2 S. 185 mit zahlreichen Hinweisen). Dabei soll die Prognose über das Wohlverhalten in jener Abwägung nach der Rechtsprechung nicht den Ausschlag geben (BGE 130 II 176 E. 4.2 S. 185; 125 II 105 E. 2c S. 110 mit Hinweisen).  
 
2.3. Zusätzlich ist bei Staatsangehörigen eines Mitglieds der EU zu prüfen, welche Rechte sich aus dem Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit vom 21. Juni 1999 (FZA; SR 0.142.112.681) ergeben. In Anwendung von Art. 5 Anhang I FZA darf eine Niederlassungsbewilligung nur widerrufen werden, wenn eine hinreichend  schwere und gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vorliegt (vgl. BGE 130 II 176 E. 3.4.1 und 4.2 S. 182 ff. mit Hinweisen). Eine strafrechtliche Verurteilung kann diese Anforderung erfüllen, wenn die betreffende Person mit der begangenen Tat ein persönliches Verhalten zeigt, das eine künftige Gefährdung der öffentlichen Ordnung als wahrscheinlich erscheinen lässt. Eine auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgesprochene Ausweisung ohne Berücksichtigung des persönlichen Verhaltens oder der vom Täter ausgehenden Gefährdung für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ist nicht zulässig; ausschlaggebend darf "ausschliesslich das persönliche Verhalten der in Betracht kommenden Einzelperson" sein (Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 64/221/EWG in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 Anhang I FZA). Die ausländische Person, gegen welche die ausländerrechtlichen Massnahmen ergriffen werden, muss durch ihr persönliches Verhalten zu diesen Massnahmen Anlass gegeben haben (BGE 130 II 176 E. 3.4.1 S. 183; Urteil 2C_15/2009 vom 17. Juni 2009 E. 4.1; MERZ, Le droit de séjour selon l'ALCP et la jurisprudence du Tribunal fédéral, in: RDAF I 2009, S. 302). Art. 5 Anhang I FZA steht demnach Massnahmen entgegen, die (allein) aus generalpräventiven Gründen verfügt werden (BGE 136 II 5 E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 3.4.1 S. 183; 129 II 15 E. 7.1 S. 21 f.; Urteil 2C_194/2014 vom 25. November 2014 E. 2.2; 2C_407/2013 vom 15. November 2013 E. 3.2; KADDOUS/GRISEL, Libre circulation des personnes et des services, 2012, S. 132; BORGHI, La libre circulation des personnes entre la Suisse et l'UE, 2010, S. 112). Die Behörde, welche über die Beendigung des Aufenthalts entscheidet, hat eine  spezifische Gesamtwürdigung der Umstände unter dem Blickwinkel der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorzunehmen; diese stimmt nicht zwingend mit der strafrechtlichen Würdigung eines Verhaltens überein (Urteil 2C_15/2009 vom 17. Juni 2009 E. 4.1).  
 
3.  
 
 Es ist unbestritten, dass mit der Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren der Widerrufsgrund einer längerfristigen Freiheitsstrafe (Art. 62 lit. b AuG) erfüllt ist. Zu prüfen sind das öffentliche Interesse und die Verhältnismässigkeit des Widerrufs der Niederlassungsbewilligung. Zudem stellt sich die Frage, ob sich der Beschwerdeführer auf das FZA berufen kann. 
 
3.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, der Widerruf seiner Niederlassungsbewilligung sei nicht mit den Vorgaben von Art. 5 Anhang I FZA vereinbar. Zwar stehe ausser Frage, dass er sich im November 2008 gröbste Verkehrsregelverletzungen zu Schulden habe kommen lassen, welche als katastrophale Folge den Tod einer Verkehrsteilnehmerin und Verletzungen zweier weiterer Personen nach sich gezogen hätten. Diese Folgen würden ihn sein Leben lang begleiten. Für eine Rückfallgefahr würden jedoch keine Anhaltspunkte bestehen. Er sei zuvor, abgesehen von einer Busse wegen Nichtmitführens des Führerausweises und Nichtanhaltens bei einer Stoppstrasse, nie straffällig geworden. Die verkehrspsychologische Begutachtung zwei Jahre nach dem Unfall habe ergeben, dass er für die übrigen Verkehrsteilnehmer charakterlich zumutbar sei, worauf ihm der Führerausweis unter der Auflage, nur Fahrzeuge mit einem Datenaufzeichnungsgerät zu führen, im Januar 2012 wieder erteilt worden sei. In der zwischen der Tatbegehung im November 2008 und seinem Strafantritt im Oktober 2013 verstrichenen Zeit sei er weder im Strassenverkehr noch sonstwie negativ in Erscheinung getreten. Mithin habe er den Tatbeweis erbracht, dass die damalige Prognose seiner Fahreignung zutreffend war.  
 
3.2. Voraussetzung für die Anrufung des FZA ist, dass der ausländische Staatsangehörige über ein aus dem FZA fliessendes Anwesenheitsrecht verfügt. Besteht ein solches Recht, so kommt ein Widerruf der Niederlassungsbewilligung einer Beschränkung der aus dem FZA fliessenden Rechte gleich. Ein Bewilligungsentzug muss somit den Anforderungen dieses Abkommens entsprechen (BGE 139 II 121 E. 5.3 S. 125; Urteil 2C_401/2012 vom 18. September 2012 E. 3.1; KELLERHALS/BAUMGARTNER, Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU, 2007, S. 4, 8). Der Anwendung des FZA steht der später in Kraft getretene Art.121 BV, insbesondere dessen nicht unmittelbar anwendbare Abs.3-6, nicht entgegen (vgl. BGE139 I 16 E.4 und 5 S. 23 f; 139 I 31 E. 2.3.2 S. 34 am Ende). Zu prüfen ist, ob das FZA Anwendung findet.  
 
3.3. Der Beschwerdeführer hat nach absolvierter Schulzeit im Jahr 2006 eine Lehre als Gipser begonnen. Nach fristloser Auflösung des Lehrvertrags durch seinen Arbeitgeber wegen seiner Raserfahrt Ende 2008 absolvierte er die Abschlussprüfung als Gipser im Jahr 2010 in einem neuen Lehrbetrieb. Nach den Feststellungen des rechtskräftigen strafrechtlichen Urteils des Obergerichts vom 22. März 2012arbeitete der Beschwerdeführer vor dem Strafantritt in temporären Anstellungen als Gipser und war zwischendurch arbeitslos.  
 
 Der Beschwerdeführer stand somit zeitweise in einem weisungsgebundenen Abhängigkeitsverhältnis, wobei er eine (tatsächliche und echte) Tätigkeit für einen anderen für eine bestimmte Zeit verrichtete und dafür ein Entgelt bezog, womit er als Arbeitnehmer im Sinne des FZA zu qualifizieren ist (BGE 141 II 1 E. 2.2 S. 4 ff.; 140 II 460 E.4.1.1 S. 466 f.; 131 II 339 E.3.1 S.345; MERZ, a.a.O., S.270; BORGHI, a.a.O., S.68 f.). Weder unfreiwillige Arbeitslosigkeit noch der Umstand, dass der Beschwerdeführer Temporärarbeit leistete, lassen seine Arbeitnehmereigenschaft entfallen (Art. 4 FZA in Verbindung mit Art. 6 Ziff. 1 Anhang I FZA; BGE 141 II 1 E. 3.2 S. 7 f.; 131 II 339 E. 3.3 S. 346; MERZ, a.a.O., S. 269; BORGHI, a.a.O., S. 68 f.; KADDOUS/ GRISEL, a.a.O., S. 893; zur angesichts von Art. 17 FZA nur im Umfang einer Nachführung der im FZA als anwendbar erklärten Richtlinien zu berücksichtigenden Richtlinie 2004/38/EG BORGHI, a.a.O., S. 338 f.). 
 
 Der Umstand, dass der Beschwerdeführer während seiner Haft dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung steht, bedeutet nicht grundsätzlich, dass er während dieser Zeit nicht weiterhin in den schweizerischen Arbeitsmarkt eingegliedert ist, sofern zu erwarten ist, dass er innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach seiner Haftentlassung wieder eine Beschäftigung findet (vgl. Urteile des EuGH vom 29. April 2004 C-482/01  Orfanopoulos und Oliveri, Slg. 2004 I-5257 Randnr. 50; vom 10. Februar 2000 C-340/97  Nazli, Slg. 2000 I-957 Randnr. 40; BGE 141 II 1 E. 2.2.3 S. 5 f.; 137 II 233 E. 5.3 S. 239).  
 
3.4. Die Arbeitnehmereigenschaft des Beschwerdeführers, der griechischer Staatsbürger ist, begründet somit die Anwendbarkeit des FZA gemäss Art. 4 FZA in Verbindung mit Art. 6 ff. Anhang I FZA (BGE 141 II 1 E. 2.1 S. 3 f.; 140 II 460 E. 3.2 S. 462 f.; 130 II 339 E. 2 S. 344; BORGHI, a.a.O., S. 64 ff.; KELLERHALS/BAUMGARTNER, a.a.O., S. 4). Der Widerruf der Niederlassungsbewilligung des Beschwerdeführers kommt einer Beschränkung seiner aus dem FZA fliessenden Rechte gleich. Daraus folgt, dass der Beschwerdeführer sich auf Art. 5 Anhang I FZA berufen kann (Art. 5 Abs. 2 Anhang I FZA in Verbindung mit Richtlinie 64/221/EWG; grundlegend Urteil des EuGH vom 4. Dezember 1974 C-41/74  van Duyn Slg. 1974 1337 Randnr. 15). Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Angelegenheit von den Urteilen betreffend Raser, auf die das FZA nicht anwendbar war (Urteile 2C_218/2010 vom 27. Juli 2010 E. 3.3.1; 2C_679/2011 vom 21. Februar 2012 E. 3.4.1).  
 
4.  
 
4.1. Wie in E. 2 hiervor dargelegt, hat die Behörde, die über eine Beendigung des Aufenthalts entscheidet, eine umfassende Interessenabwägung und Verhältnismässigkeitsprüfung vorzunehmen. Darin sind eine allenfalls bestehende Rückfallgefahr und die Möglichkeit der Resozialisierung mitzuberücksichtigen. Zu beantworten ist im Hinblick auf Art. 5 Anhang I FZA im Rahmen der Gesamtwürdigung, ob eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit vorliegt. Generalpräventive Gesichtspunkte können die Weg- oder Ausweisung eines EU-Bürgers nicht rechtfertigen.  
 
4.2. Die Bejahung einer Rückfallgefahr setzt nicht voraus, dass ein Straftäter mit Sicherheit weiter delinquieren wird; ebensowenig kann für die Verneinung einer Rückfallgefahr verlangt werden, dass überhaupt kein Restrisiko einer Straftat besteht. Die Ausweisung wegen einer einzigen strafrechtlichen Verurteilung kann vor Art. 5 Anhang I FZA standhalten, wenn aus dem während der Straftat gezeigten Verhalten des Täters hervorgeht, dass weitere schwere Straftaten zu erwarten sind. Je schwerer die befürchtete Rechtsgutsverletzung wiegt, umso niedriger sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit einer Rückfallgefahr anzusetzen (BGE 139 II 121 E. 5.3 S. 125 f.; 136 II 5 E. 4.2 S. 20; 130 II 176 E. 4.3.1 S. 186; Urteile 2C_903/2010 vom6. Juni 2011 E. 4.3, nicht publ. in: BGE 137 II 233; 2C_194/2014 vom25. November 2014 E. 2.2; 2C_1141/2012 vom 1. Mai 2013 E. 2.1). Als schwerwiegende Rechtsgutsverletzungen gelten Beeinträchtigungen der physischen, psychischen und sexuellen Integrität, Drogenhandel, organisierte Kriminalität und namentlich Terrorismus oder Menschenhandel (BGE 139 II 121 E. 6.3 S. 130 f., mit Hinweisen auf die Rechtsprechung zu Art. 5 Anhang I FZA).  
 
4.3. Massgeblich für die Beurteilung der Rückfallgefahr ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Verfügung der aufenthaltsbeendenden Massnahme, es sei denn, dass zwischen ihrem Erlass und der Überprüfung ihrer Rechtmässigkeit in einem Gerichtsverfahren ein längerer Zeitraum liegt (BGE 137 II 233 E. 5.3 S. 239 f.; Urteil des EuGH vom 29. April 2004 482/01 und 493/01  Orfanopoulos und Oliveri, Slg. 2004 I-5257 N. 81).  
 
5.  
 
5.1. Bei der Gesamtwürdigung der Umstände ist vom persönlichen Verhalten des Beschwerdeführers auszugehen. Das Verhalten des Beschwerdeführers vom 8. November 2008 ist äusserst gravierend. Er passierte eine ihm bekannte Dorfeinfahrt mit einer Geschwindigkeit von 116-129 km/h, als er bei Beginn der Innerortszone, mithin 130 Meter vor der Kollisionsstelle, einen Personenwagen wahrnahm. Das Risiko einer Kollision mit schwerst möglichen Auswirkungen musste demBeschwerdeführer bewusst gewesen sein. Es ist davon auszugehen, er habe sich gegen die geschützten Rechtsgüter entschieden, indem er nicht abbremste. Ein solches Inkaufnehmen eines tödlichen Ausgangs einer Kollision ist ausserordentlich verwerflich und rechtfertigt nach der Rechtsprechung die Bejahung eines Eventualvorsatzes (Urteil 6B_463/2012 vom 6. Mai 2013 E. 3.3). Der Beschwerdeführer wurde denn auch zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt, die er zurzeit verbüsst.  
 
5.2. Zur Frage, inwiefern eine Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Beschwerdeführer weitere Raserfahrten mit tödlichem Ausgang unternehmen wird, liegen zwei verkehrspsychologische Gutachten und eine ergänzende Stellungnahme der Gutachterin vor. Weniger als ein Jahr nach der Raserfahrt mit Todesfolge wurde seine Fahreignung in einem ersten Gutachten vom 21. September 2009 verneint. In einem zweiten Gutachten vom 14. Dezember 2010, dem standardisierte Leistungs- und Persönlichkeitstests sowie ein exploratives Interview zu Grunde liegen, wird das Verhalten des Beschwerdeführers bei der Exploration als durchwegs unauffällig, kooperativ, und der Situation angemessen beschrieben. Die erhobenen Befunde würden - auch wenn er seine Situation etwas beschönigend darstelle - dafür sprechen, dass er Einsicht in sein Fehlverhalten zeige und es ihm gelungen sei, sich deutlich zu stabilisieren und auch seine Verkehrseinstellung in prognostisch günstigem Sinn zu verändern. Unter normalen Umständen erachtete es die Gutachterin als vertretbar, ihm den Führerausweis wieder zu erteilen. Wegen des hohen öffentlichen Drucks, der auf den Beschwerdeführer insbesondere durch die Medien ausgeübt werde, kam das Gutachten allerdings zum Schluss, dass die zu prognostizierenden gravierenden Folgen einer Wiedererteilung des Führerausweises dem Beschwerdeführer nicht zumutbar seien. In einer weiteren Stellungnahme vom 20. Mai 2011 hielt die Gutachterin fest, es sei auf Grund der aktuell herrschenden und durch die Medien geschürten feindlichen Stimmung sinnvoll, den Beschwerdeführer zu seinem persönlichen Schutz vorderhand vom Verkehr fernzuhalten. Gleichwohl kam die zuständige kantonale Strassenverkehrsbehörde im September 2011 gestützt auf das positive Ergebnis der gutachterlichen Beurteilung der Fahreignung zum Schluss, dass ihm der Führerausweis wieder zu erteilen sei unter der Auflage, dass die von ihm geführten Fahrzeuge mit einem Datenaufzeichnungsgerät ausgerüstet seien. Diese Massnahme dient nach den Ausführungen des Departements des Innern im Entscheid vom 6. September 2011 bei auffällig gewordenen Automobilisten der Vorbeugung vor Rückfällen.  
 
5.3. Aufgrund der vorstehenden Ausführungen ist davon auszugehen,dass es unter normalen Umständen zu keinem Rückfall des Beschwerdeführers kommt. Aus dem zweiten verkehrspsychologischen Gutachten vom 14. Dezember 2010 ergibt sich eine deutliche, prognostisch günstige Veränderung seit der Straftat, indem sich die Gefahrenkenntnisse und Selbsteinschätzung des Beschwerdeführers hinsichtlich der Grenzen der eigenen Verhaltensmöglichkeiten im Verkehr sowie seine Konzentrationsfähigkeit und Selbststeuerungsfähigkeit deutlich verbessert hätten. Auch wird ihm von der Gutachterin die umfassende Einsicht in das Unrecht seiner Tat und eine hohe Kooperationsbereitschaft bei der Aufarbeitung attestiert. Insgesamt folgt aus dem Gutachten, dass sich der Beschwerdeführer seit der Straftat stabilisieren konnte und unter normalen Umständen eine Wiedererteilung des Führerausweises befürwortet werden kann. Nach Ansicht der Gutachterin sollte der Beschwerdeführer vor einem befürchteten Druck der Medien geschützt werden, indem er von der Teilnahme am Strassenverkehr ferngehalten wird.  
 
 Es ist nachvollziehbar, dass Medien - deren Kampagne gegen den Beschwerdeführer im rechtskräftigen Urteil des Obergerichts vom 22. März 2012 als ruchlos und vorverurteilend bezeichnet wurde - einen erheblichen Druck auf eine Person ausüben und derenVerhalten beeinflussen können. Dass ein solcher Druck den Beschwerdeführer dazu veranlassen könnte, weitere Raserfahrten zu unternehmenund das Leben von Verkehrsteilnehmern erheblich zu gefährden, ist indessen nicht ersichtlich. Auslöser der Raserfahrt vom 8. November 2008 war nach der Feststellung des Obergerichts ein "gemeinsames Kräftemessen" in einem Raserrennen. Der fatale Ausgang des Rennens ist darauf zurückzuführen, dass der Beschwerdeführer ein Unterliegen in diesem Kräftemessen verhindern wollte und dieses Ziel über die Sicherheit der übrigen Verkehrsteilnehmer stellte. Es bestehen keine Hinweise, dass sich eine vergleichbare Raserfahrt des Beschwerdeführers bei einem erneuten Druck der Medien wiederholen könnte. Auch besteht keine konkrete Gefahr, dass der Beschwerdeführer in anderer Weise mit der gesetzlichen Ordnung in Konflikt geraten könnte. 
 
5.4. Die Wahrscheinlichkeiteiner weiteren Delinquenz erscheint somit aufgrund der im Gutachten beschriebenen positiven Entwicklung des Beschwerdeführers seit der Straftat als gering. Diese Beurteilung wird auch dadurch gestützt, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen jungen Erwachsenen handelt, der im Zeitpunkt der Raserfahrt 18-jährig war. Angehörige dieser Altersgruppe lassen sich in ihrer Entwicklung noch wesentlich beeinflussen und die meisten der "Frühdelinquenten" werden nicht mehr straffällig, weshalb ihre Wiedereingliederung im Vordergrund steht (vgl. zu jungen Erwachsenen insbesondere STRATENWERTH/WOHLERS, Handkommentar zum Schweizerischen Strafgesetzbuch, 3. Aufl. 2013, N. 1 zu Art. 61 StGB; TRECHSEL/BORER, in: Praxiskommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl. 2013, N. 4 zu Art. 61 StGB; Botschaft vom 21. September 1998 zur Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches [Allgemeine Bestimmungen, Einführung und Anwendung des Gesetzes] und des Militärstrafgesetzes sowie zu einem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht, BBl 1999 2081). Das Wohl eines Jugendlichen oder eines jungen Erwachsenen und dessen Wiedereingliederungschancen, die gefährdet erscheinen, wenn die familiären und sozialen Bande aufgelöst werden und er im Aufnahmestaat seine Wurzeln verliert, sind bei der Interessenabwägung jeweils von besonderem, aber nicht allein ausschlaggebendem Gewicht, falls den Jugendlichen oder den jungen Erwachsenen mit seinem Heimatstaat nicht mehr verbindet als lediglich (noch) seine reine (weitgehend nicht mehr gelebte) Staatsbürgerschaft (Urteile 2C_896/2014 vom 25. April 2015 E. 2.3; 2C_166/2013 vom 12. November 2013 E. 2.3; 2C_224/2013 vom 27. November 2013 E. 2.3; für eine Übersicht über die Rechtsprechung zur Interessenabwägung bei Ausländern der zweiten Generation vgl. Urteil 2C_28/2012 vom 18. Juli 2012 E. 3.4).  
 
5.5. In der Gesamtbeurteilung ist zudem zu berücksichtigen, dass der in der Schweiz geborene und aufgewachsene Beschwerdeführer hier familiär, sozial und beruflich integriert ist. Hier hat er seine Schulausbildung sowie selbst nach fristloser Kündigung durch seinen ersten Lehrmeister nach der Raserfahrt die Lehre als Gipser erfolgreich abgeschlossen. Zu seinem Heimatstaat Griechenland hat er, ausser der blossen Staatsbürgerschaft, keinen Bezug mehr, und er beherrscht die Sprache nur knapp mündlich. Er ist somit nicht nur familiär, sondern auch beruflich und sozial ausschliesslich in der Schweiz verwurzelt. Massgeblich ins Gewicht fällt weiter, dass die Raserfahrt - abgesehen von einer Nichtbeachtung eines Stoppsignals - seine einzige, wenn auch ausserordentlich schwerwiegende, Straftat darstellt. Er zeigt ausserdem Einsicht in sein Fehlverhalten, wie sich aus dem Gutachten und auch aus seiner Entwicklung seit der Straftat ergibt. Insgesamt ist somit eine gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als Voraussetzung für den Widerruf der Niederlassungsbewilligung und die Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Schweiz zu verneinen.  
 
5.6. Zusammenfassend istfestzuhalten, dass der Beschwerdeführer ein Mal, wenn auch in ausserordentlich schwerwiegendem Mass, straffällig geworden ist, eine Wiederholung der schweren Straftat unwahrscheinlich erscheint,dem Beschwerdeführer der Führerausweis wieder erteilt wurde, und er sich seither allgemein und insbesondere auch im Strassenverkehr wohlverhalten hat. Damit sind die aus Art. 5 Anhang I FZAfliessenden Anforderungen für eine Beendigung des Aufenthalts des Beschwerdeführers in der Schweiz nicht erfüllt. Die Beschwerde erweist sich als begründet, und das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Der Beschwerdeführer ist aber mit Nachdruck darauf hinzuweisen, dass ein Widerruf der Niederlassungsbewilligung jederzeit möglich bleibt, sollte er erneut delinquieren oder durch sein Verhalten einen anderen Widerrufsgrund setzen.  
 
6.  
 
 Es ergibt sich, dass die Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben ist. Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4 BGG). Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche (Art. 68 Abs. 1 BGG) und das vorinstanzliche Verfahren (Art. 68 Abs. 5 BGG) eine angemessene Parteientschädigung auszurichten. Das Gesuch des obsiegenden Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständigung im bundesgerichtlichen Verfahren wird damit gegenstandslos. 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen, und das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom 10. März 2014 wird aufgehoben. 
 
2.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Der Kanton Solothurn hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche und das vorinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung von insgesamt Fr. 4'000.-- auszurichten. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Solothurn und dem Staatssekretariat für Migration schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 2. Juli 2015 
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Zünd 
 
Die Gerichtsschreiberin: Mayhall