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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 1/2} 
1C_483/2010 
 
Urteil vom 2. November 2010 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Féraud, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Raselli, 
Gerichtsschreiberin Gerber. 
 
Verfahrensbeteiligte 
1. Christian Gutekunst, 
2. Sabine Ziegler, 
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Benno Wild, 
 
gegen 
 
Regierungsrat des Kantons Zürich, vertreten durch die Direktion der Justiz und des Innern, Neumühlequai 10, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 19. April 2010 des Kantonsrats des Kantons Zürich über die Bewilligung eines Beitrages für den Erweiterungsbau des Schweizerischen Landesmuseums Zürich aus dem Lotteriefonds. 
Sachverhalt: 
 
A. 
Am 22. Juni 2009 bewilligte der Kantonsrat des Kantons Zürich einen Beitrag von 20 Mio. Franken aus dem Lotteriefonds an das Schweizerische Landesmuseum Zürich für einen Erweiterungsbau. 
Mit Eingabe vom 28. Juni 2009 erhob Christian Gutekunst Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Zürich und beantragte, die Staatskanzlei sei anzuweisen, das Geschäft ordentlich im Amtsblatt des Kantons Zürich zu publizieren und Frist für das fakultative Referendum anzusetzen. Am 12. August 2009 wies der Regierungsrat den Stimmrechtsrekurs ab. 
Gegen den Regierungsratsentscheid erhob Christian Gutekunst am 23./24. August 2009 Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Er beantragte, der Kantonsratsbeschluss vom 22. Juni 2009 sei entweder aufzuheben oder er sei dem fakultativen Referendum zu unterstellen. Am 21. Oktober 2009 trat das Verwaltungsgericht auf die Beschwerde nicht ein und leitete diese an das Bundesgericht weiter. Es ging davon aus, dass kein kantonales Rechtsmittel gegen den Beschluss des Kantonsrats bestehe. 
Am 3. März 2010 hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut, weil der streitige Kantonsratsbeschluss dem fakultativen Finanzreferendum hätte unterstellt werden müssen. Es hob den Beschluss des Kantonsrats vom 22. Juni 2009 auf und wies die Sache zu erneuter Beschlussfassung im Sinne der Erwägungen an den Kantonsrat zurück (1C_493/2009). 
 
B. 
Am 19. April 2010 beschloss der Kantonsrat erneut, 20 Mio. Franken aus dem Lotteriefonds für den Erweiterungsbau des Schweizerischen Landesmuseums Zürich zu bewilligen, und unterstellte diesen Beschluss dem fakultativen Referendum. 
Dagegen erhoben Christian Gutekunst und Sabine Ziegler am 28. April 2010 Beschwerde an den Regierungsrat des Kantons Zürich. Sie beantragten, der angefochtene Beschluss sei aufzuheben, soweit die Finanzierung zulasten des Lotteriefonds erfolgen solle. In verfahrensrechtlicher Hinsicht beantragten sie, die Ausführung des angefochtenen Beschlusses, insbesondere die Anberaumung der Volksabstimmung, sei so lange zu sistieren, bis über die sich in diesem Verfahren stellenden Rechtsfragen rechtsgültig entschieden sei. Ferner ersuchten sie um Weiterleitung der Beschwerde an die zuständige Instanz, sofern der Regierungsrat für die Behandlung der Beschwerde nicht zuständig sein sollte. 
Am 23. Juni 2010 trat der Regierungsrat auf den Rekurs nicht ein und leitete die Eingabe vom 28. April 2010 zuständigkeitshalber an das Bundesgericht weiter. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerdeführer verlangen die Aufhebung des angefochtenen Kantonsratsbeschlusses. Sie machen keine Verletzung ihrer politischen Rechte geltend; eine Stimmrechtsverletzung ist auch nicht ersichtlich, nachdem der Ausgabenbeschluss nunmehr dem fakultativen Referendum unterstellt worden ist. Vielmehr rügen die Beschwerdeführer, der Einsatz von Mitteln des Lotteriefonds zur Finanzierung des Museumserweiterungsbaus widerspreche Bundesrecht, namentlich Art. 5 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 8. Juni 1923 betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten (LG; SR 935.51). Es handelt sich somit nicht um eine Beschwerde betreffend die politische Stimmberechtigung der Bürger i.S.v. Art. 82 lit. c BGG, sondern um eine Beschwerde gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts i.S.v. Art. 82 lit. a BGG (vgl. Urteil 1P.63/1997 vom 18. Juni 1997 E. 3c, publ. in: ZBl 99/1998 S. 91). 
Gegenstand dieser Beschwerde sind Entscheide, d.h. hoheitliche Anordnungen mit verbindlichen Rechtswirkungen für den einzelnen Bürger (vgl. Bernhard Waldmann, in: Basler Kommentar zum BGG, N. 8 ff. zu Art. 82 BGG). Unterliegt ein Beschluss dem fakultativen Referendum, so wird er erst verbindlich, wenn die Referendumsfrist ungenutzt abgelaufen oder (sofern das Referendum ergriffen wurde) der Beschluss in der Volksabstimmung angenommen worden ist. Dementsprechend beginnt auch die Beschwerdefrist erst mit der Publikation zu laufen, aus der sich ergibt, dass der Beschluss definitiv zustande gekommen ist (Urteil 2C_53/2008 vom 22. August 2008 E. 2.3.1; vgl. auch BGE 130 I 82 E. 1.2 S. 84 f. mit Hinweisen zu Art. 89 OG). 
Im vorliegenden Fall hat die Abstimmung noch nicht stattgefunden, weshalb noch ungewiss ist, ob der streitige Ausgabenbeschluss überhaupt zustande kommen wird. Derzeit liegt noch kein verbindlicher Entscheid vor, der Gegenstand einer Beschwerde i.S.v. Art. 82 lit. a BGG sein könnte. Die Beschwerde ist daher offensichtlich verfrüht. 
Nach der früheren bundesgerichtlichen Praxis wurden verfrüht eingereichte Beschwerden sistiert, bis der angefochtene Entscheid/Erlass definitiv angenommen worden war und damit in Kraft treten konnte (vgl. z.B. BGE 108 I 122 E. 1a S. 130). Dagegen ist das Bundesgericht in jüngeren Entscheiden auf verfrühte Beschwerden jedenfalls dann nicht eingetreten, wenn zweifelhaft war, ob der angefochtene Erlass oder Entscheid überhaupt zustande kommen würde, namentlich weil noch eine Volksabstimmung bevorstand (vgl. Urteil 2P.52/2005 vom 4. Februar 2005 E. 4). Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer beantragt, die Abstimmung sei bis zum gerichtlichen Entscheid über ihre Beschwerde auszusetzen. Sie streben also einen gerichtlichen Entscheid noch vor der Abstimmung an, der diese - im Gutheissungsfall - überflüssig machen würde. Dieses Ziel kann jedoch nicht erreicht werden. Unter diesen Umständen rechtfertigt es sich nicht, das bundesgerichtliche Verfahren zu sistieren. 
 
2. 
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde schon mangels eines tauglichen Anfechtungsobjekts nicht einzutreten. Es kann daher offen bleiben, ob die Voraussetzungen von Art. 86 Abs. 3 BGG (Entscheid mit vorwiegend politischem Charakter) vorliegen, ob die Beschwerdeführer überhaupt zur Beschwerde legitimiert wären (Art. 89 Abs. 1 BGG) und ob die Rüge der Bundesrechtswidrigkeit des Ausgabenbeschlusses nicht schon im ersten bundesgerichtlichen Verfahren hätte erhoben werden müssen. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden den Beschwerdeführern je zur Hälfte auferlegt. 
 
3. 
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Regierungsrat und dem Kantonsrat des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 2. November 2010 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Féraud Gerber