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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 677/02 
 
Urteil vom 3. Februar 2003 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiberin Hofer 
 
Parteien 
H.________, 1956, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Willy Bolliger, Bahnhofplatz 1, 5400 Baden, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 20. August 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Der 1956 geborene H.________ war seit Januar 1992 als Maschinenoperateur in der Maschinenfabrik O.________ AG tätig. Am 6. Januar 1996 erlitt er bei einem Sturz auf dem Glatteis eine Kontusion der Lendenwirbelsäule und an Arm und Schulter rechts. Nachdem er seine bisherige Tätigkeit wieder aufgenommen hatte, reduzierte er das Arbeitspensum ab dem 26. Januar 1998 auf 50 %; seit Mitte April 1998 geht er keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. 
 
Am 25. September 1998 meldete sich H.________ unter Hinweis auf Rückenbeschwerden und psychische Probleme bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich klärte die medizinischen und beruflichen Verhältnisse ab und zog die Akten der Unfallversicherung bei. Im Rahmen des Vorbescheidverfahrens veranlasste sie zudem die Begutachtung der Medizinischen Abklärungsstelle am Spital X.________ (Medas) vom 13. Juni 2000. Mit zwei Verfügungen vom 17. April 2001 sprach sie dem Versicherten für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Juli 1999 eine ganze und mit Wirkung ab 1. August 1999 eine halbe Invalidenrente zu. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich - nach Androhung einer reformatio in peius - mit Entscheid vom 20. August 2002 in dem Sinne teilweise gut, als es die beiden Verfügungen vom 17. April 2001 aufhob mit der Feststellung, dass der Versicherte von Januar 1999 bis und mit April 2000 keinen Anspruch auf Invalidenrente habe und die Sache an die IV-Stelle zurückwies, damit diese nach erfolgten erwerblichen und allenfalls auch medizinischen Abklärungen im Sinne der Erwägungen über den Rentenanspruch ab 1. Mai 2000 neu befinde. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt H.________ beantragen, es sei Ziffer 1 des vorinstanzlichen Entscheids dahingehend aufzuheben, als festgehalten wurde, dass für die Zeit von Januar 1999 bis April 2000 kein Rentenanspruch bestehe und es sei festzustellen, dass ihm mit Wirkung ab 1. Januar 1999 eine Invalidenrente zuzusprechen sei; zudem wird um unentgeltliche Rechtspflege ersucht. 
 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und rechtlichen Grundsätze zutreffend dargelegt. Es betrifft dies den Invaliditätsbegriff (Art. 4 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 116 V 249 Erw. 1b mit Hinweisen; AHI 1998 S. 170 oben), den Rentenbeginn bei langdauernden Krankheiten (Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG; BGE 126 V 243 Erw. 5, 121 V 274 Erw. 6b/cc, 119 V 115 Erw. 5a, vgl. auch BGE 118 V 24 Erw. 6d, 105 V 160 Erw. 2a; AHI 1998 S. 124) sowie die Rechtsprechung zur Bedeutung ärztlicher Auskünfte im Rahmen der Invaliditätsschätzung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. 
 
Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier: 17. April 2001) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
2. 
Aufgrund des Rechtsbegehrens und der Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist der vorinstanzliche Entscheid nur insofern angefochten, als das kantonale Gericht - in peius reformierend - die mit Wirkung ab 1. Januar 1999 verfügte ganze und ab 1. August 1999 halbe Invalidenrente bis und mit April 2000 aufgehoben hat. Die Rückweisung an die IV-Stelle zur Aktenergänzung hinsichtlich der Entwicklung des Valideneinkommens als Beurteilungsgrundlage für den dem Beschwerdeführer ab 1. Mai 2000 unbestrittenermassen grundsätzlich zustehenden Rentenanspruch und der allfälligen Prüfung einer Verschlechterung der Arbeitsfähigkeit wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ausdrücklich akzeptiert. Weder im Lichte der letztinstanzlichen Vorbringen der Parteien noch zufolge sich aus den Akten ergebender Anhaltspunkte besteht Anlass, diesen unbeanstandet gebliebenen Teil des Anfechtungsgegenstandes näher zu überprüfen (BGE 125 V 417 Erw. 2c, 110 V 53 Erw. 4a). 
3. 
Gegen die vorinstanzliche Prozesserledigung bringt der Beschwerdeführer in formellrechtlicher Hinsicht vor, die eine (befristete) ganze Invalidenrente ab 1. Januar 1999 zusprechende Verfügung vom 17. April 2001 sei nicht angefochten worden und daher in Rechtskraft erwachsen, weshalb sie nicht Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung bilden könne. Dazu gilt es festzuhalten, dass nach der in BGE 125 V 413 präzisierten Rechtsprechung in anfechtungs- und streitgegenständlicher Hinsicht ein einheitliches Rechtsverhältnis (Rentenanspruch) vorliegt, wenn rückwirkend eine abgestufte und/oder befristete Rente zugesprochen wird, unabhängig davon, ob diesem eine oder mehrere am gleichen Tag erlassene Verwaltungsverfügungen zu Grund liegen. Dessen Entwicklung kann in hinsichtlich des Umfanges des Rentenanspruchs nach Art. 28 Abs. 1 IVG nach Massgabe des Eintritts erheblicher Tatsachenänderungen (analog zu Art. 41 IVG) nur dann sachgerecht beurteilt werden, wenn die gesamte Leistungsbezugszeit in die Beurteilung miteinbezogen wird, wie das kantonale Gericht zutreffend erkannt hat. Weil einer rückwirkend verfügten abgestuften und/oder befristeten Rente nach der Rechtsprechung Revisionsgründe unterlegt sein müssen (BGE 109 V 125), könnte die Frage nach der Rechtmässigkeit der Abstufung gar nicht beurteilt werden, wenn unbestritten gebliebene Rentenbezugszeiten von der richterlichen Prüfung ausgenommen blieben. Denn die revisionsweise Herauf-, Herabsetzung oder Aufhebung der Invalidenrente beruht, selbst wenn sie rückwirkend gleichzeitig mit der erstmaligen Rentenzusprechung vorgenommen wird, immer auf einem Vergleich der zeitlich massgeblichen Sachverhalte, d.h. den Entwicklungen in den tatsächlichen Verhältnissen in dem durch die Rentenzusprechungsverfügung oder den Rentenbeginn und die Revisionsverfügung bestimmten Zeitraum (BGE 125 V 418 Erw. 2d). Ergibt die Prüfung, dass bei richtiger Betrachtungsweise kein, ein geringerer oder ein höherer Rentenanspruch bestand, als die Verwaltung in der Verfügung oder in den Verfügungen betreffend die abgestufte/befristete Rentenzusprechung annahm, ist das angerufene Gericht im Rahmen der fehlenden Bindung an die Parteianträge (Art. 69 IVG in Verbindung mit Art. 85 Abs. 2 lit. c AHVG; Art. 132 lit. c OG) befugt, unter Gewährung des rechtlichen Gehörs, insbesondere des Hinweises auf die Möglichkeit zu einem Rückzug der Beschwerde (BGE 122 V 166, vgl. auch BGE 125 V 417 Erw. 2c), gegebenenfalls in peius oder in melius reformierend, die zugesprochene befristete oder abgestufte Rente aufzuheben, herabzusetzen oder zu erhöhen. Diese prozessualen Voraussetzungen sind von der Vorinstanz unbestrittenermassen beachtet worden. 
4. 
In materiellrechtlicher Hinsicht streitig und zu prüfen ist, ob das kantonale Gericht zu Recht die Eröffnung der Wartezeit nach Art. 29 Abs. 1 lit b IVG auf Ende Mai/anfangs Juni 1999 verlegt hat, mit der Folge, dass der Rentenanspruch frühestens am 1. Mai 2000 entstehen kann, oder ob eine erhebliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit bereits ab Januar 1998 anzunehmen ist, wovon die IV-Stelle in der Verfügung vom 17. April 2001 ausgegangen ist. 
4.1 Das kantonale Gericht hat erwogen, aufgrund der Berichte des Spitals T.________ in W.________ vom 4. November 1998 und 17. März 1999 sei der Beschwerdeführer aus somatischer Sicht seit dem Rückfall vom 27. Januar bis 14. April 1998 in seinem angestammten Beruf zu 50 % und während des anschliessenden stationären Klinikaufenthaltes bis zum 3. Mai 1998 vollständig arbeitsunfähig gewesen. In der Folge habe die Arbeitsfähigkeit 100 % betragen. Die kaum begründete Einschätzung des Hausarztes Dr. med. S.________ vom 20. November 1998, wonach der Versicherte seit dem 20. August 1998 wieder zu 100 % arbeitsunfähig sei, vermöge daran nichts zu ändern, zumal sich auch Dr. med. M.________, Facharzt für Neurologie, am 12. April 1999 aufgrund des vollständig normalen Neurostatus nicht im Sinne einer Arbeitsunfähigkeit geäussert habe. Gemäss Gutachten der Medas vom 13. Juni 2000 bestehe infolge der im Vordergrund stehenden psychischen Beschwerden sowohl in der angestammten Tätigkeit wie auch in einer Verweisungstätigkeit seit mindestens einem Jahr eine 50%ige Arbeitsfähigkeit. Davon gehe auch Dr. med. C.________ aus. 
4.2 Indem die Vorinstanz in Würdigung der medizinischen Unterlagen geschlossen hat, eine im Sinne der zu Art. 29 Abs. 1 lit. b IVG ergangenen Rechtsprechung (AHI 1998 S. 124) eingetretene Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit sei - ohne wesentlichen Unterbruch (Art. 29ter IVV) - erst aus psychischen Gründen (lang andauernde Schmerzverarbeitungsstörung mit begleitender depressiver Entwicklung) ausweislich der Akten im Mai 1999 eingetreten, lässt sich dies nicht beanstanden. Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermögen hiegegen nicht durchzudringen. Wenn Prof. Dr. med. U.________ in seinem Bericht an den behandelnden Arzt Dr. med. S.________ vom 5. Mai 1998 bemerkte, die Schmerzproblematik sei immer noch nicht gelöst, belegt dies keine durchgehende Arbeitsunfähigkeit erheblichen Ausmasses ohne wesentlichen Unterbruch. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat sodann die Klinik für Rheumatologie und Rehabilitation des Spitals T.________ die Arbeitsunfähigkeit nicht einfach in das Ermessen des Hausarztes gestellt, sondern klar und deutlich festgehalten, dass der Versicherte im Anschluss an die stationäre intensive Physiotherapie vom 14. bis 30. April 1998, d.h. nach dem 3. Mai 1998, aus rheumatologischer Sicht in der Arbeitsfähigkeit nicht eingeschränkt war (Bericht vom 4. November 1998). Auch am 17. März 1999 bestätigte das Spital T.________, dass "aus streng rheumatologischer Sicht" (...) "der Patient, wie bereits im April 1998 bemerkt, als 100 % arbeitsfähig zu betrachten" sei. Die trotz diesen fachärztlichen Stellungnahmen zur Arbeitsunfähigkeit vorgenommenen anderslautenden Atteste des Hausarztes Dr. med. S.________ beruhen nicht auf einem hinreichend ausgewiesenen medizinischen Substrat. Vielmehr trat ausweislich der Akten, insbesondere des Berichts des Dr. med. C.________, Spezialarzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, vom 15. August 2001 erst im Mai 1999 eine erhebliche Verschlechterung des psychischen Gesundheitszustandes ein. Diese Betrachtungsweise wird durch das Gutachten der Medas vom 13. Juni 2000 bestätigt (50%ige Arbeitsunfähigkeit beginnend ein Jahr vor der im Mai 2000 durchgeführten Untersuchung). 
5. 
Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten erweist sich daher als gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, ja mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Willy Bolliger für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse eine Entschädigung (einschliesslich Mehrwertsteuer) von Fr. 2500.- ausgerichtet. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse der Schweizerischen Maschinenindustrie und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 3. Februar 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: