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[AZA] 
C 184/99 Vr 
 
II. Kammer  
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiber Widmer 
 
Urteil vom 3. April 2000  
 
in Sachen 
 
Kantonales Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Baselland, 
Bahnhofstrasse 32, Pratteln, Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
W.________, 1962, Beschwerdegegner, vertreten durch Advokat 
Dr. J.________, 
und 
 
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal 
 
    A.- Der 1962 geborene W.________ war seit 1984 bei der 
Firma E.________ AG tätig. Seit 1995 bekleidete er die 
Funktion des Leiters Marketing/Verkauf und war Mitglied des 
Verwaltungsrates. Auf Ende Juli 1997 wurde er von der 
Arbeitgeberin entlassen, und am 13. August 1997 erfolgte 
die Löschung des Handelsregistereintrages. Am 29. Dezember 
1997 machte W.________ beim Arbeitsgericht Liestal gegen 
die Firma E.________ AG klageweise offene Lohnforderungen 
(Monat Juli 1997, Anteil 13. Monatslohn) sowie eine Ent- 
schädigung für nicht bezogene Ferientage im Gesamtbetrag 
von Fr. 19'057.50 geltend. Nachdem am 6. Januar 1998 über 
die Firma E.________ AG der Konkurs eröffnet worden war, 
stellte W.________ am 11. Februar 1998 Antrag auf Insol- 
venzentschädigung für offene Lohnforderungen in der Höhe 
von Fr. 21'750.-. Mit Verfügung vom 20. Februar 1998 lehnte 
die Öffentliche Arbeitslosenkasse Baselland diesen Antrag 
ab, weil der Versicherte als Mitglied des Verwaltungsrates 
die Entscheidungen der Arbeitgeberin massgeblich habe be- 
einflussen können und damit von Gesetzes wegen vom an- 
spruchsberechtigten Personenkreis ausgeschlossen sei. 
 
    B.- In Gutheissung der hiegegen eingereichten Be- 
schwerde hob das Versicherungsgericht des Kantons Basel- 
Landschaft, welches die Insolvenzentschädigungsberechtigung 
von W.________ bejahte, die angefochtene Verfügung auf und 
wies die Sache zur Berechnung des Anspruchs an die Arbeits- 
losenkasse zurück (Entscheid vom 28. April 1999). 
 
    C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt das 
Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit Baselland 
(KIGA), der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben. 
    Während W.________ auf Abweisung der Verwaltungs- 
gerichtsbeschwerde schliessen lässt, verzichtet das Bundes- 
amt für Wirtschaft und Arbeit (seit 1. Juli 1999 Staats- 
sekretariat für Wirtschaft) auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
    1.- Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen 
über den Anspruch auf Insolvenzentschädigung (Art. 51 
Abs. 1 lit. a AVIG) sowie die Personen, die auf Grund ihrer 
finanziellen Beteiligung oder ihrer Stellung innerhalb des 
Betriebes sowie der damit verbundenen Einflussmöglichkeiten 
vom Anspruch auf Insolvenzentschädigung ausgeschlossen sind 
(Art. 51 Abs. 2 AVIG), zutreffend dargelegt. Richtig fest- 
gehalten hat das kantonale Gericht ferner, dass mitarbei- 
tende Verwaltungsräte, die unmittelbar von Gesetzes wegen 
(Art. 716 bis 716b OR) über eine massgebliche Entschei- 
dungsbefugnis verfügen, von der Anspruchsberechtigung auf 
Insolvenzentschädigung ausgeschlossen sind, ohne dass nähe- 
re Abklärungen zu ihrer Stellung im Betrieb getroffen wer- 
den müssten (BGE 122 V 272 Erw. 3 mit Hinweisen). Zu ergän- 
zen ist, dass für die Beurteilung der Frage, bis wann das 
Verwaltungsratsmitglied tatsächlich auf die Tätigkeit der 
Gesellschaft Einfluss nehmen kann, auf den Zeitpunkt des 
effektiven Rücktritts, welcher unmittelbar wirksam ist, und 
nicht auf die Löschung im Handelsregister oder das Datum 
der Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt abzu- 
stellen ist (zur Publikation vorgesehenes Urteil K. vom 
31. Januar 2000, C 337/98). 
 
    2.- a) Der Beschwerdegegner war bis Ende Juli 1997 bei 
der Firma E.________ AG angestellt. Auf welchen Zeitpunkt 
er aus dem Verwaltungsrat ausschied, ist nicht ersichtlich. 
Hingegen ist erstellt, dass der Handelsregistereintrag am 
13. August 1997 gelöscht wurde. Die massgebliche Einfluss- 
möglichkeit des Beschwerdegegners als Verwaltungsrat endete 
somit spätestens an diesem Datum, knapp fünf Monate vor der 
Konkurseröffnung über die Firma E.________ AG (vom 6. Ja- 
nuar 1998). Den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen in 
der Beschwerde an die Vorinstanz ist zu entnehmen, dass die 
Firma E.________ AG im Juli 1997 an einen leitenden Ange- 
stellten verkauft wurde, der am 13. August 1997 als Dele- 
gierter des Verwaltungsrates im Handelsregister eingetragen 
wurde, die Geschäftsführung übernahm und verschiedene 
Restrukturierungsmassnahmen einleitete. Diese zeitigten 
indessen nicht den gewünschten Erfolg, weshalb am 6. Januar 
1998 der Konkurs über die Firma eröffnet wurde. Da der Be- 
schwerdegegner zu diesem Zeitpunkt schon seit fast fünf 
Monaten nicht mehr dem Verwaltungsrat der Firma E.________ 
AG angehörte, kann der geltend gemachte Anspruch auf Insol- 
venzentschädigung nicht unter Berufung auf Art. 51 Abs. 2 
AVIG abgelehnt werden. Hieran ändert der Einwand des KIGA, 
dass die Firma E.________ AG gemäss provisorischer Bilanz 
bereits per 31. Mai 1997 überschuldet gewesen sei, nichts. 
Denn nach dem Erwerb der Firma übernahm im August 1997 eine 
neue Leitung die Geschicke der Gesellschaft, deren Restruk- 
turierungs- und Sanierungskonzept, auf das der Versicherte 
keinen Einfluss nehmen konnte, in der Folge scheiterte, was 
letztlich zum Konkurs führte. Weiter geht aus dem vom KIGA 
eingereichten Auszug aus dem Betreibungsprotokoll des Be- 
treibungsamtes X.________, umfassend den Zeitraum vom 
1. Januar 1992 bis 13. Januar 1998, hervor, dass während 
der Zugehörigkeit des Beschwerdegegners zum Verwaltungsrat 
mit einer Ausnahme keine Betreibungen über hohe Forderungen 
gegen die Firma eingeleitet wurden, was im Sinne der Aus- 
führungen in der Vernehmlassung daraufhin deutet, dass die 
Gläubigerbanken - trotz formeller Überschuldung - zumindest 
bis Juli 1997 offenbar an eine Zukunft der nachmaligen 
Konkursitin glaubten und bereit waren, die notwendigen 
Kredite zu gewähren. 
 
    b) Die weiteren Einwendungen des KIGA sind unbegrün- 
det. Zunächst ist auf das zur Publikation vorgesehene Ur- 
teil B. vom 18. Februar 2000, C 362/98, hinzuweisen; danach 
kann auf Grund der Änderungen des positiven Rechts an der 
Rechtsprechung gemäss BGE 114 V 56 insofern nicht festge- 
halten werden, als sie den Anspruch auf Insolvenzentschä- 
digung an die Bedingung knüpft, dass der Arbeitgeber im 
Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses insolvent 
war. Hingegen ist an der zweiten in BGE 114 V 59 Erw. 3d 
genannten Anspruchsvoraussetzung, dass sich die Konkurs- 
eröffnung oder die Einreichung des Pfändungsbegehrens nicht 
aus Gründen verzögert haben, für die der Versicherte ein- 
zustehen hat, festzuhalten (ARV 1999 Nr. 24 S. 143 oben; 
bestätigt im erwähnten Urteil B. vom 18. Februar 2000, 
C 362/98). Dass der Konkurs über die Firma E.________ AG 
erst am 6. Januar 1998 eröffnet wurde, ist jedenfalls nicht 
auf Gründe, die der Beschwerdegegner zu vertreten hätte, 
zurückzuführen, da die Überschuldung der Firma im Zeitraum, 
in welchem er dem Verwaltungsrat angehörte, nicht evident 
war, zumal sie laut Auszug aus dem Betreibungsregister 
ihren finanziellen Verpflichtungen im Wesentlichen noch 
nachkam. Somit steht auch unter diesem Gesichtswinkel einer 
Entschädigung nichts entgegen. 
    Was schliesslich die von der Vorinstanz behandelte, 
vom Gesetz nicht geregelte Frage betrifft, wie weit die 
Auflösung des Arbeitsverhältnisses und die (glaubhaft 
gemachten) Lohnforderungen gegen den zahlungsunfähigen 
Arbeitgeber bei Erreichen des jeweiligen zwangsvoll- 
streckungsrechtlichen Stadiums gemäss Art. 51 Abs. 1 
lit. a-c AVIG zurückliegen dürfen, um noch einen Anspruch 
auf Insolvenzentschädigung zu begründen, hat das Eidgenös- 
sische Versicherungsgericht im erwähnten, zur Publikation 
vorgesehenen Urteil B. vom 18. Februar 2000 Folgendes dar- 
gelegt: 
 
"In der Lehre sind die Meinungen geteilt. Während Gerhards 
(AVIG-Kommentar, Bd. III, N 9 zu Art. 52 I) aufgrund der 
mit der Zeit abnehmenden Bedeutung des Schutzzweckes der 
Insolvenzentschädigung und aus Gründen der Praktikabilität 
eine Frist von zwei Jahren analog der in anderen Leis- 
tungsbereichen geltenden Rahmen- oder Bezugsfristen (z.B. 
Art. 9 AVIG [ALE], Art. 35 Abs. 1 AVIG [KAE], Art. 44a 
Abs. 1 AVIG [SWE]) als vertretbar erachtet, ist nach 
Thomas Nussbaumer (Arbeitslosenversicherung, in: Schweize- 
risches Bundesverwaltungsrecht, S. 197 Rz 524) von einer 
Befristung abzusehen. Diese zweite Lösung verdient den 
Vorzug. Zum einen besteht zwischen der Insolvenzentschädi- 
gung und den erwähnten anderen Leistungsarten, insbesonde- 
re der Arbeitslosenentschädigung, ein wesentlicher kon- 
zeptioneller Unterschied, indem der Ausfall des Verdiens- 
tes für tatsächlich geleistete und nicht derjenige für 
infolge Arbeitslosigkeit nicht zu erbringende Arbeit ab- 
gegolten wird (vgl. BGE 121 V 379 Erw. 2a). Schon von 
daher lässt sich die rückwirkende zeitliche Deckung von 
Lohnforderungen durch Insolvenzentschädigung nicht ohne 
weiteres mit den für andere Leistungen der Arbeitslosen- 
versicherung geltenden Rahmenfristen vergleichen. Zum 
andern kann sich, wie der zweitgenannte Autor zu Recht 
festhält, eine feste zeitliche Begrenzung des Anspruchs 
auf Insolvenzentschädigung als unbillig erweisen, wenn 
sich die Konkurseröffnung oder das Pfändungsbegehren aus 
vom Arbeitnehmer nicht zu vertretenden Gründen längerfris- 
tig verzögert (Nussbaumer, a.a.O.). In diesem Zusammenhang 
ist zu beachten, dass der Versicherte, will er in den Ge- 
nuss von Leistungen kommen, nach Art. 55 Abs. 1 AVIG alles 
unternommen haben muss, um seine Forderungsrechte gegen- 
über dem Arbeitgeber zu wahren. Diese alle Versicherten in 
gleicher Weise treffende (Schadenminderungs-) Pflicht 
spricht trotz des diesbezüglich allenfalls vermehrten 
Abklärungsaufwandes ebenfalls gegen eine feste zeitliche 
Begrenzung des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung. Davon 
ist aus vorstehenden Gründen daher abzusehen. Einzige 
Schranke des Anspruchs auf Insolvenzentschädigung in 
zeitlicher Hinsicht bildet somit die Verjährung von Forde- 
rungen aus dem Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern gemäss 
Art. 128 Ziff. 3 OR." 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III.Das Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit 
    Baselland hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren 
    vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine 
    Parteientschädigung von Fr. 997.- (einschliesslich 
    Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs- 
    gericht des Kantons Basel-Landschaft, der Öffentlichen 
    Arbeitslosenkasse Baselland und dem Staatssekretariat 
    für Wirtschaft zugestellt. 
 
 
Luzern, 3. April 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Der Gerichtsschreiber: