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[AZA 0/2] 
4C.379/2001/rnd 
 
I. ZIVILABTEILUNG 
******************************** 
 
3. April 2002 
 
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter, 
Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler und Gerichtsschreiberin 
Giovannone. 
 
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In Sachen 
L.________ AG, Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Henzen, Eisenbahnstrasse 41, Postfach 228, 9401 Rorschach, 
 
gegen 
M.________ AG, Klägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Markus Wydler, Im Lindenhof, Postfach 41, 9320 Arbon, 
 
betreffend 
Werkvertrag; Mängel (Art. 370 Abs. 3 OR), hat sich ergeben: 
 
A.- Die Rechtsvorgängerin der M.________ AG schloss im Jahre 1993 als Bauherrin mit der Rechtsvorgängerin der L.________ AG als Totalunternehmerin einen Werkvertrag über die schlüsselfertige Ausführung von vier Mehrfamilienhäusern in der Überbauung X.________ zu einem Pauschalpreis von Fr. 8'700'000.--. Die Parteien erklärten das Leistungsverzeichnis sowie die SIA-Norm 118 zum ergänzenden Vertragsbestandteil. 
Die Bauten wurden im Jahre 1995 erstellt und am 20. November 1995 abgenommen. 
 
 
Nachdem die Hauseigentümerin M.________ AG im Haus D unter dem Treppenlauf UG/EG und an der Kellerwand Feuchtigkeitsflecken entdeckt hatte, besichtigten die Parteien am 15. Dezember 1998 gemeinsam den festgestellten Schaden. Mit Gesuch vom 31. März 1999 leitete die Hauseigentümerin M.________ AG beim Bezirksgericht Bischofszell ein Verfahren zur vorsorglichen Beweisaufnahme u.a. hinsichtlich konstruktiver und planerischer Mängel in den Häusern A, B, C und D ein. Das Verfahren wurde nach Einholung einer gerichtlichen Expertise mit Verfügung vom 7. September 1999 abgeschlossen. 
 
 
B.-Mit Urteil vom 19. Juni/15. November 2000 hiess das Bezirksgericht Bischofszell die Klage der Hauseigentümerin M.________ AG auf Bezahlung von Fr. 144'623. 35 nebst Zins als Minderwert zufolge Werkmängeln an den Häusern A bis D vollumfänglich gut. Die dagegen erhobene Berufung der Unternehmerin L.________ AG wies das Obergericht des Kantons Thurgau ab. Es reduzierte jedoch das Klagebegehren von Amtes wegen, mit dem Einverständnis der Klägerin, auf Fr. 104'632. 35 und korrigierte damit ein Missverständnis der beiden Parteien und des Bezirksgerichts hinsichtlich der Berechnung des Minderwerts im gerichtlichen Gutachten. 
 
C.-Mit Berufung beantragt die Unternehmerin L.________ AG dem Bundesgericht, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Klage abzuweisen. Gleichzeitig erhebt sie staatsrechtliche Beschwerde. 
 
Das Obergericht sowie die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragen die Abweisung der Berufung. 
 
D.-Mit Urteil vom heutigen Tag hat das Bundesgericht die staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Nach Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ist in der Berufungsschrift anzugeben, welche Bundesrechtssätze der angefochtene Entscheid verletzt, und inwiefern er gegen sie verstösst. 
Fehl am Platz sind dagegen Rügen der Verletzung von Verfassungsrecht (Art. 43 Abs. 1 Satz 2 OG) und Ausführungen, die sich in unzulässigerweise Weise gegen die tatsächlichen Feststellungen und gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz richten (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 116 II 92 E. 2 mit Hinweisen). 
 
Vor Obergericht war im Wesentlichen die Frage streitig, ob die geheimen Mängel rechtzeitig gerügt worden sind. Dabei hat das Obergericht unterschieden zwischen der Rüge betreffend das Haus D, in welchem der Mangel aufgrund eines Feuchtigkeitsfleckens zu Tage getreten war, und derjenigen betreffend die Häuser A bis C, deren Mangelhaftigkeit infolge der Untersuchungen zum Haus D entdeckt wurde. 
 
Die Vorinstanz ist davon ausgegangen, anlässlich der telefonischen Terminabsprache einige Tage vor dem 
15. Dezember 1998 habe der Vertreter der Klägerin dem Vertreter der Beklagten bekannt gegeben, weshalb er im Haus D erscheinen müsse und was es zu besichtigen gebe. Damit habe die Klägerin der Beklagten zumindest konkludent zu verstehen gegeben, dass sie den Schaden nicht akzeptiere und dessen Behebung verlange. 
 
Inwiefern eine auf diese Weise erhobene Mängelrüge unsubstanziiert sein soll, legt die Beklagte nicht dar und ist nicht ersichtlich. Die Beklagte wendet sich in diesem Zusammenhang überdies gegen die Feststellung der Vorinstanz, anlässlich der Besichtigung vom 15. Dezember 1998 sei über die Mängelbehebung gesprochen worden. Damit ist sie nicht zu hören (BGE 126 III 59 E. 2a). 
 
2.- Die Beklagte macht weiter geltend, die Vorinstanz habe nicht klargestellt, wann der Mangel im Haus D erkannt worden sei. Die Klägerin könne den durch den Mangel hervorgerufenen Schaden an jedem Tag zwischen dem 9. November und dem 15. Dezember 1998 entdeckt haben. Je nachdem erweise sich die Mängelrüge als rechtzeitig oder als verspätet. 
 
a) Nach Art. 370 Abs. 3 OR muss ein geheimer Mangel sofort nach seiner Entdeckung gerügt werden, widrigenfalls das Werk auch hinsichtlich dieses Mangels als genehmigt gilt. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung billigt dem Besteller aber eine kurze Erklärungsfrist zu. Wie lange sich der Besteller mit der Rüge Zeit lassen darf, ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Abzustellen ist insbesondere auf die Art des Mangels: besteht bei einem Mangel die Gefahr, dass ein Zuwarten zu einem grösseren Schaden führt, ist die Frist kurz zu bemessen (BGE 118 II 142 E. 3b S. 148). 
 
b) Die Beklagte verkennt, dass die Vorinstanz die Behauptung der Klägerin, sie habe den Mangel am Haus D Anfang Dezember 1998 entdeckt, als glaubwürdig bezeichnet. 
Damit hat sie implizit den Zeitpunkt der Entdeckung auf Anfang Dezember festgelegt. Sie ist zudem davon ausgegangen, dass die Klägerin den Mangel einige Tage vor dem 15. Dezember gerügt hat. Dass die Vorinstanz die Rüge als rechtzeitig erachtet hat, ist unter den gegebenen Umständen mit Blick auf die zitierte Rechtsprechung bundesrechtskonform, zumal die Beklagte nicht geltend macht, es habe wegen der verzögerten Rüge das Risiko bestanden, dass sich der Schaden vergrössere. 
 
3.- Im Zusammenhang mit den Mängeln an den Häusern A bis C hat die Vorinstanz das Schreiben vom 31. März 1999 als unvollständige Mängelrüge qualifiziert, welche durch die Ablieferung der gerichtlichen Mängelexpertise vollendet worden sei. Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Schreiben vom 31. März sei richtigerweise als genügend substanziierte Rüge zu werten und in diesem Fall auch der Zeitpunkt der vorgängigen Entdeckung festzustellen. Dies habe die Vorinstanz nicht getan. Indem sie von einer rechtzeitigen Mängelrüge im Sinn von Art. 370 Abs. 3 OR ausgegangen sei, habe sie Bundesrecht verletzt. 
 
 
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist dort, wo der Mangel in Form eines sich fortentwickelnden Schadens zu Tage tritt, zu berücksichtigen, dass der Mangel erst als entdeckt gilt und die Rügefrist zu laufen beginnt, wenn er zweifelsfrei festgestellt ist (BGE 107 II 172 E. 1a S. 175; 117 II 425 E. 2 S. 427; BGE 118 II 142 E. 3b S. 148). Dies muss erst recht gelten, wenn ein nicht sichtbarer Konstruktionsfehler sich noch nicht in einem Schaden manifestiert, der Mangel mithin nur durch Nachforschungen aufgedeckt werden kann. 
 
b) Die Vorinstanz hat - insoweit unangefochten - festgehalten, in den Häusern A bis C seien jedenfalls bis zum Vorliegen des gerichtlichen Gutachtens Q.________ keine Feuchtigkeitsschäden sichtbar gewesen. Sodann steht nach Abweisung der staatsrechtlichen Beschwerde nunmehr verbindlich fest, dass die Klägerin erst mit Einsicht in die gerichtliche Expertise hinreichende Sicherheit darüber haben konnte, dass die Häuser A - C planerische und konstruktive Mängel aufwiesen. Die Rügefrist hat demnach erst mit Ablieferung der gerichtlichen Expertise zu laufen begonnen. Das Obergericht hat die Rüge der Klägerin im Hinblick auf diese Frist als rechtzeitig erachtet. Diese Würdigung hat die Beklagte nicht als bundesrechtswidrig angefochten. 
 
c) Ob nun das Schreiben vom 31. März als unvollständige und durch die Zusendung der gerichtlichen Expertise vollendete oder als vollständige Mängelrüge qualifiziert wird, ist unerheblich. Soweit die Beklagte aus dem Schreiben der Klägerin vom 31. März 1999 schliessen will, diese habe die Mängel bereits damals gekannt, kritisiert sie wiederum den für das Bundesgericht verbindlich festgestellten Sachverhalt. 
Überdies lässt die Erhebung einer Mängelrüge entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in jedem Fall den Schluss zu, dass der Mangel vorher im Sinne der Rechtsprechung "entdeckt", das heisst zweifelsfrei erkannt worden ist. Dem Besteller ist es unbenommen, vorsorglich auf blosse Vermutung hin eine Mängelrüge anzubringen, mithin bevor die Rügefrist zu laufen beginnt. 
 
4.-Zusammenfassend ergibt sich, dass die Berufung abzuweisen ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beklagte die Gerichtsgebühr zu tragen und die Klägerin für ihre Kosten im bundesgerichtlichen Verfahren zu entschädigen (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 1 und 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1.-Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 17. Mai 2001 bestätigt. 
 
2.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird der Beklagten auferlegt. 
 
3.-Die Beklagte hat die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen. 
 
4.-Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt. 
 
______________ 
Lausanne, 3. April 2002 
 
Im Namen der I. Zivilabteilung 
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: