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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 730/05 
 
Urteil vom 3. April 2006 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber Fessler 
 
Parteien 
B.________, 1952, Beschwerdeführerin, vertreten 
durch Rechtsanwalt Dr. André Largier, Sonnegg- 
strasse 55, 8006 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 
8005 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 23. August 2005) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1952 geborene B.________ meldete sich am 1. März 1999 bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Nach Abklärungen, u.a. Begutachtung durch die MEDAS X.________ (Expertise vom 16. August 2001), lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich mit Verfügung vom 29. Januar 2002 das Leistungsbegehren ab. Mit Entscheid vom 17. Februar 2003 hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich diesen Verwaltungsakt auf und wies die Sache an die IV-Stelle zurück, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, neu verfüge. 
 
Am 15. März 2004 wurde B.________ durch die Medizinische Begutachtungsstelle Y.________ internistisch, rheumatologisch und psychiatrisch untersucht (Expertise vom 10. Mai 2004). Mit Verfügung vom 12. Juli 2004 und Einspracheentscheid vom 1. Oktober 2004 verneinte die IV-Stelle erneut den Anspruch auf eine Invalidenrente. 
B. 
Die Beschwerde der B.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 23. August 2005 ab. 
C. 
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und es sei ihr rückwirkend ab 1. April 1999 eine ganze Invalidenrente zuzusprechen. 
 
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Kantonales Gericht und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung. 
2. 
Das kantonale Gericht hat in Anwendung der auch im Rahmen des Allgemeinen Teils des Sozialversicherungsrechts geltenden Gerichts- und Verwaltungspraxis zur gemischten Methode (vgl. BGE 125 V 148 f. Erw. 2a-c sowie BGE 130 V 393 und Urteil E. vom 13. Dezember 2005 [I 156/04]) einen Invaliditätsgrad von gerundet 35 % (0,6 x 44,42 % + 0,4 x 20 %) ermittelt, was keinen Rentenanspruch ergibt (Art. 28 Abs. 1 IVG). Dabei entspricht 0,6 (= 60 %/100 %) dem zeitlichen Umfang gemessen an einem Normalarbeitspensum, in welchem die Versicherte ohne gesundheitliche Beeinträchtigung als Sortiererin erwerbstätig wäre. 44,42 % beträgt die Einschränkung im erwerblichen Bereich und 20 % die Behinderung im Haushalt. 
 
Die IV-Stelle hatte in der mit Einspracheentscheid vom 1. Oktober 2004 bestätigten Verfügung vom 12. Juli 2004 einen Invaliditätsgrad von 30 % (0,6 x 37 % + 0,4 x 20 %) ermittelt. 
 
Von den Bemessungsfaktoren sind der frühest mögliche Rentenbeginn am 1. April 1999, die Anwendbarkeit der gemischten Methode bei einem Anteil der Erwerbstätigkeit von 0,6 sowie das ohne gesundheitliche Beeinträchtigung als Angestellte 1999 erzielte Einkommen von Fr. 35'838.- unbestritten. Es besteht kein Anlass zu einer näheren Prüfung von Amtes wegen (BGE 125 V 415 Erw. 1b und 417 oben, 110 V 53 Erw. 4a). 
3. 
In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in erster Linie die von Vorinstanz und Verwaltung bejahte Schlüssigkeit des Gutachtens der Medizinischen Begutachtungsstelle Y.________ vom 10. Mai 2004 bestritten. Sodann könne nicht auf den Bericht «Abklärung der beeinträchtigten Arbeitsfähigkeit in Beruf und Haushalt» vom 9. Juni 2000 abgestellt werden. 
3.1 Im Gutachten der Medizinischen Begutachtungsstelle Y.________ vom 10. Mai 2004 werden als wesentliche Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit eine Fibromyalgie mit zusätzlicher Schmerzgeneralisierung in den gesamten Weichteilen sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.4) genannt. Für eine leichte, wechselbelastende Tätigkeit ohne repetitives Heben von Gewichten über 10 kg, welche in wechselnden Positionen ausgeführt werden kann, besteht eine Arbeitsfähigkeit von 50 %. Deren Realisierung in der freien Wirtschaft bezeichnen die Gutachter wegen der jahrelangen Arbeitsabstinenz sowie passiven Lebenshaltung der Versicherten als schwierig. Es wird eine langsame Einführung in die Arbeitsfähigkeit in einer halbstationären oder stationären psychiatrischen Arbeitseinrichtung empfohlen. Im Weitern halten die Experten der Medizinischen Begutachtungsstelle Y.________ fest, die seit Jahren eingenommenen zwei Psychopharmaka könnten als Nebenwirkung eine deutliche Müdigkeit aufweisen, was von der Explorandin resp. ihrem Ehegatten beklagt werde. Sie schlagen vor, die Versicherte mit einem Antidepressivum einer anderen Stoffklasse neu einzustellen. 
3.1.1 Nach Auffassung der Vorinstanz beruht die Empfehlung der Ärzte der Medizinischen Begutachtungsstelle Y.________, eine Arbeitsangewöhnung im halbstationären oder stationären Rahmen durchzuführen, ausschliesslich auf invaliditätsfremden Gründen. Insbesondere die passive Lebenshaltung und die Überzeugung der Versicherten, nach der gesundheitlich bedingten Aufgabe ihrer Tätigkeit keine anderweitige Arbeit mehr verrichten zu können, müsse bei der Beurteilung der Frage nach der in psychischer Hinsicht zumutbaren Arbeitsfähigkeit unberücksichtigt bleiben. Dies gelte, selbst wenn Müdigkeit und Energielosigkeit allenfalls medikamentös bedingt wären. Dieser Umstand allein stelle noch keinen Gesundheitsschaden dar, der die Erwerbsfähigkeit dauernd beeinträchtigte, könnte ihm doch mit einer Umstellung der Medikamente begegnet werden. 
3.1.2 Es fragt sich, ob die passive Lebenshaltung, die erhöhte Ermüdbarkeit und das zu tiefe Energieniveau rein invaliditätsfremder Natur sind. Gemäss Gutachten der Medizinischen Begutachtungsstelle Y.________ vom 10. Mai 2004 hat die Versicherte aufgrund ihrer somatischen Beschwerden eine passive Lebenshaltung entwickelt, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtig festgehalten wird. Wenn und soweit Medikamente notwendig sein sollten, um den Gesundheitszustand zu erhalten und eine Verschlimmerung zu verhindern, wären allfällige unvermeidbare Nebenwirkungen als invaliditätsbedingt zu betrachten und bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit zu berücksichtigen. Gemäss Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nahm die Versicherte die fraglichen zwei Psychopharmaka auf ärztliche Verordnung hin ein. Es ist somit nicht auszuschliessen, dass zumindest bis zum Zeitpunkt des Gutachtens vom 10. Mai 2004 eine invaliditätsbedingt erhöhte Müdigkeit und Energielosigkeit bestanden, welche die Arbeitsfähigkeit im erwerblichen Bereich und im Haushalt zusätzlich einschränkten, allenfalls in Form wechselseitiger, durch die Beanspruchung im jeweils anderen Tätigkeitsfeld bedingter Leistungseinbussen (Urteil E. vom 13. Dezember 2005 [I 156/04] Erw. 6.2). PD Dr. med. Z.________ führte dazu in seinem Bericht vom 19. Dezember 2001 über die Untersuchung vom 14. September 2001 aus, höchstens 50 % des Teilzeitpensums von 60 % seien zumutbar, um die leichten Arbeiten im Haushalt wenigstens noch zu 50 % erledigen zu können. Andernfalls wäre von einer vollen Arbeitsunfähigkeit in diesem Aufgabenbereich auszugehen. 
 
Im Weitern ist offen, ob es sich bei der von den Gutachtern der Medizinischen Begutachtungsstelle Y.________ als notwendig und sinnvoll erachteteten Arbeitsangewöhnung im halbstationären oder stationären Rahmen tatsächlich um einen für die Invaliditätsbemessung gänzlich unbeachtlichen Umstand handelt. Wie bei der passiven Lebenshaltung kann aufgrund der Akten nicht ohne weiteres angenommen werden, nicht zu arbeiten aus der Überzeugung heraus, nicht mehr arbeiten zu können, sei rein psychisch bedingt. 
3.1.3 Ob der vom kantonalen Gericht vorgenommene Abzug vom Tabellenlohn von 10 % nach BGE 126 V 75 zu niedrig ist, wie die Beschwerdeführerin vorbringen lässt, braucht nicht abschliessend beurteilt zu werden, da die Sache ohnehin nicht spruchreif ist. Immerhin ist festzustellen, dass es nicht genügt zu behaupten, die Versicherte sei Ausländerin ohne Deutschkenntnisse, was sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit negativ lohnwirksam ausgewirkt habe und deshalb beim Invalideneinkommen berücksichtigt werden müsse (vgl. ZAK 1989 S. 458 oben und Urteil S. vom 29. August 2002 [I 97/00] Erw. 4.1). 
3.2 Für den Aufgabenbereich Haushalt ergab die Abklärung vor Ort vom 6. Juni 2000 eine Behinderung von 20 %. Gemäss Bericht vom 9. Juni 2000 war es nicht möglich, die tatsächliche Einschränkung herauszufinden, da die Versicherte wegen des schlechten gesundheitlichen Zustandes, der nach ihrer und ihres Ehemannes Überzeugung keine Tätigkeit mehr zuliess, keine Hausarbeiten mehr ausführte. Der Haushalt wurde angeblich weitgehend von der Schwiegertochter besorgt. Die Abklärungsperson bezifferte die Einschränkung in allen relevanten Teilbereichen ausgenommen die Haushaltführung auf 20 %. Dabei handelt es sich offensichtlich um eine ermessensweise Einschätzung. Es kann offen bleiben, ob die Versicherte auf diese Konsequenz ihrer der ärztlichen Beurteilung widersprechenden Überzeugung, nicht arbeiten zu können, hätte aufmerksam gemacht und die Erhebung allenfalls in einem späteren Zeitpunkt hätte vorgenommen werden müssen. Selbst wenn diese Frage zu bejahen wäre, könnte auf das Ergebnis von 20 % nicht abgestellt werden. Wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht geltend gemacht wird, sind aus medizinischer Sicht schwere und mittelschwere Tätigkeiten unzumutbar, und bei leichten Arbeiten besteht lediglich eine Arbeitsfähigkeit von 50 %. Dieser Einschätzung widerspricht, von einer durchwegs gleich starken Einschränkung in praktisch allen Bereichen auszugehen. Insbesondere umfassen Wohnungspflege sowie Wäsche- und Kleiderpflege regelmässig nicht als leicht zu bezeichnende Arbeiten. Es kommt dazu, dass die Versicherte zusammen mit ihrem Ehemann zwischenzeitlich in eine andere kleinere Wohnung gezogen ist. Dabei kann es sich mit Blick auf die konkreten Umstände, in denen ein Betätigungsvergleich stattfindet, entgegen der Vorinstanz um eine bedeutsame Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen handeln, zumal im Unterschied zur Situation im Zeitpunkt der Abklärung vor Ort Sohn, Schwiegertochter und Enkelkind nicht mehr im gleichen Haushalt leben. Die Akten sind somit auch in Bezug auf die invaliditätsbedingte Behinderung im Aufgabenbereich Haushalt nicht spruchreif. 
 
Die IV-Stelle wird im Sinne des Vorstehenden weitere Abklärungen vorzunehmen haben und danach über den Anspruch auf eine Invalidenrente neu verfügen. 
4. 
Dem Prozessausgang entsprechend hat die Beschwerdeführerin Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 23. August 2005 und der Einspracheentscheid vom 1. Oktober 2004 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen wird, damit sie nach weiteren Abklärungen im Sinne der Erwägungen über den Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hat die Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses festzusetzen. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Eidgenössischen Ausgleichskasse und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 3. April 2006 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: