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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_164/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 3. August 2015  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiber M. Widmer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Grimmer, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Fahren ohne Führerausweis oder trotz Entzug etc.; Willkür, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts 
des Kantons Zürich, I. Strafkammer, vom 15. Dezember 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
 X.________ wird vorgeworfen, am 5. September 2011, um ca. 17.28 Uhr, aufgrund mangelnder Aufmerksamkeit einen Verkehrsunfall in Dübendorf verursacht zu haben. Er habe als Lenker eines auf ihn eingelösten Personenwagens ein Fahrzeug überholt, das im Begriff gewesen sei, in einen Parkplatz auf der linken Strassenseite einzubiegen und diese Richtungsänderung angezeigt habe. Dies, obschon X.________ wusste, dass ihm mit Verfügung des Strassenverkehrsamtes des Kantons Zürich vom 11. November 2002 der Führerausweis ab dem 26. November 2002 auf unbestimmte Zeit entzogen worden und es ihm nicht erlaubt ist, ein Motorfahrzeug zu lenken. Nach dem Zusammenstoss habe er angehalten und sich kurz mit dem beteiligten zweiten Fahrzeugführer unterhalten. Nach einigen Minuten habe sich X.________ von der Unfallstelle entfernt, ohne sich als unfallverursachender Lenker ausgewiesen und seine Personalien angegeben zu haben. 
 
B.  
 
 Das Obergericht des Kantons Zürich verurteilte X.________ am 15. Dezember 2014 zweitinstanzlich wegen Fahrens ohne Führerausweis oder trotz Entzugs, fahrlässiger einfacher Verletzung der Verkehrsregeln und pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall. Es bestrafte ihn als Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Zürich vom 28. Oktober 2011 mit einer unbedingten Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu Fr. 80.-- sowie mit einer Busse von Fr. 800.--. 
 
C.  
 
 X.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und er freizusprechen. Allenfalls sei die Sache zur Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Er ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung für das bundesgerichtliche Verfahren. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz würdige die Beweise offensichtlich unrichtig und stelle den Sachverhalt willkürlich fest. Die vorinstanzliche Beweiswürdigung verstosse gegen den Grundsatz "in dubio pro reo".  
 
1.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Offensichtlich unrichtig ist die Sachverhaltsfeststellung, wenn sie willkürlich ist (BGE 139 II 404 E. 10.1; 137 III 226 E. 4.2; je mit Hinweisen). Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt für die Annahme von Willkür nicht (BGE 139 III 334 E. 3.2.5; 138 I 49 E. 7.1; je mit Hinweisen). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 138 I 225 E. 3.2 mit Hinweisen). Auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3; 139 II 404 E. 10.1; 137 IV 1 E. 4.2.3; je mit Hinweisen).  
 
 Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende selbstständige Bedeutung zu (BGE 138 V 74 E. 7 mit Hinweisen). 
 
1.3. Die Vorinstanz setzt sich unter Verweis auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Gerichts eingehend mit den Aussagen des Beschwerdeführers, dessen Ehefrau, deren Tochter, des Unfallbeteiligten A.________ sowie der Zeugen B.________, C.________, D.________ und E.________ auseinander und würdigt diese sorgfältig. Sie hält fest, der Beschwerdeführer habe in allen Einvernahmen bestritten, am 5. September 2011 den auf ihn zugelassenen Personenwagen gelenkt zu haben und angegeben, seine Ehefrau sei gefahren. Letztere habe diese Darstellung bestätigt, ebenso wie die im Auto mitfahrende Tochter. Demgegenüber hätten sämtliche Zeugen angegeben, der Beschwerdeführer habe das Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt gelenkt. Dabei hätten sie unterschiedliche Details zu Protokoll gegeben, die jeweils für eine wahrheitsgemässe Aussage sprächen. Auch den Unfallhergang hätten alle Zeugen abweichend vom Beschwerdeführer und dessen Angehörigen geschildert. Die Zeugen hätten das Geschehen jeweils in eigenen Worten beschrieben und verschiedene Details genannt. Ihre Schilderung werde durch die Fotodokumentation der beiden beschädigten Fahrzeuge gestützt. Das Schadensbild lasse sich demgegenüber mit der vom Beschwerdeführer und seinen Angehörigen vorgetragenen Beschreibung des Unfallhergangs nicht in Einklang bringen.  
 
1.4. Der Beschwerdeführer zeigt nicht auf, inwiefern die Vorinstanz bei der Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung in Willkür verfallen sein soll. Er beschränkt sich weitgehend darauf, seine Sicht der Dinge darzulegen, die Glaubwürdigkeit der Zeugen in Zweifel zu ziehen und angebliche Widersprüche in deren Aussagen hervorzuheben sowie die ihm gemachten Vorwürfe pauschal zu bestreiten. Soweit auf seine Rüge einzutreten ist, vermag der Beschwerdeführer keine Willkür darzutun.  
 
 Nicht zu beanstanden ist, wenn die Vorinstanz es als auffallend bezeichnet, dass der Beschwerdeführer erst in seiner zweiten Einvernahme begründete, weshalb er sich vom Unfallort entfernte. Zwar trifft es zu, dass er in seiner ersten Einvernahme nicht nach dem Grund dafür gefragt worden ist. Dasselbe gilt allerdings auch für die zweite Einvernahme, wo er die Begründung plötzlich von sich aus lieferte. Entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers wertet die Vorinstanz diesen Umstand indessen nicht explizit als Lügensignal. Inwiefern diesem Punkt entscheidende Bedeutung zukommen sollte, legt er im Übrigen nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. 
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Vorinstanz beurteile die Aussagen seiner Ehefrau und seiner Tochter zwar als widerspruchsfrei, gleichzeitig aber als derart identisch, dass sie abgesprochen wirkten. Sie habe ihn damit in eine ausweglose Situation und um die Möglichkeit gebracht, sich selbst zu entlasten. Denn hätten er und seine Angehörigen unterschiedlich ausgesagt, wäre dies als widersprüchlich und echtes Lügensignal und somit ebenfalls zu seinen Ungunsten gewertet worden. Die Rüge ist unbegründet. Die entsprechende Erwägung der Vorinstanz bezieht sich einzig auf die Schilderung der Position des anderen Fahrzeugs vor dem Zusammenstoss, nicht auf das generelle Aussageverhalten des Beschwerdeführers und seiner Angehörigen (Urteil, S. 8 E. 1.2.3 in fine). 
 
 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, er sei von den Zeugen diffamiert worden, handelt es sich um eine unsubstanziierte Behauptung. Gleiches gilt für sein Vorbringen, die Zeugen seien ihm und seinen Angehörigen feindselig gestimmt gewesen und hätten aus Fremdenfeindlichkeit beziehungsweise Abneigung gegenüber Osteuropäern zu seinem Nachteil ausgesagt. Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass es dafür in den Akten keine Hinweise gibt. Dass die Zeugen den Beschwerdeführer gemäss Polizeirapport, in welchem deren Aussagen anlässlich der Tatbestandsaufnahme durch die Polizei allerdings nur sinngemäss festgehalten sind, als "Balkantypen" beschrieben und insofern ein gewisses stereotypes Bild bedient haben mögen, reicht zur Annahme falscher Aussagen nicht aus. Die Motivation der Zeugen, den Beschwerdeführer anstelle seiner Ehefrau - die ebenfalls aus Südosteuropa stammt - als Lenker zu bezeichnen, ist nicht ersichtlich. 
Nicht gefolgt werden kann dem Beschwerdeführer soweit er einwendet, die Vorinstanz gehe zu Unrecht davon aus, sämtliche Zeugen hätten den Unfall mit eigenen Augen gesehen. Die Vorinstanz legt nachvollziehbar dar, weshalb die angeführte Aussage von C.________ nicht so gedeutet werden kann, dass nur er und B.________ den Vorfall beobachtet hätten. Damit setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander; seine Ausführungen genügen diesbezüglich den Begründungsanforderungen (vgl. Art. 42 Abs. 2 und 106 Abs. 2 BGG) nicht. Im Übrigen hat beispielsweise auch E.________ explizit ausgesagt, Richtung Strasse geblickt und den Unfall beobachtet zu haben. Unzutreffend ist sodann die Behauptung des Beschwerdeführers, die Zeugen hätten sich vor der Protokollierung ihrer Aussagen durch die Polizei abgesprochen. Aus der von ihm zitierten Aktenstelle ergibt sich vielmehr, dass die Zeugen den Vorfall danach noch einmal thematisierten. Dies erschliesst sich ohne Weiteres aus den Aussagen von B.________, wonach sie "unmittelbar nach dem Vorfall noch eine Diskussion an der Bar" gehabt hätten und es einem bleibe, wenn die Polizei komme. Dass ihre Aussagen im Plural protokolliert wurden, lässt ebenfalls nicht darauf schliessen, dass eine vorbesprochene, nicht von allen Zeugen unabhängig voneinander wahrgenommene Version des Geschehens wiedergegeben wurde. Wie die Vorinstanz richtig festhält, haben die Zeugen den Unfallhergang jeweils in eigenen Worten geschildert und unterschiedliche Details genannt, im Kern aber übereinstimmend ausgesagt. Gleiches gilt für die Beschreibung des Beschwerdeführers. Mit der Vorinstanz ist daher festzuhalten, dass keine Anhaltspunkte für eine Absprache der Aussagen bestehen. 
 
 An der Sache vorbei geht der Einwand des Beschwerdeführers, wonach die Zeugen nicht hätten erkennen können, wer auf welcher Seite seines Fahrzeugs ausstieg, da das Auto nach dem Unfall an einer Stelle parkiert worden sei, die für diese nicht vollständig einsehbar gewesen sei. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, haben alle am Unfall nicht beteiligten Personen ausgesagt, den Beschwerdeführer bereits beim Vorbeifahren als Fahrer erkannt zu haben. Dies ist mit Blick auf den Umstand, dass die Fahrzeuge nach dem Unfall am Standort der Zeugen vorbeigefahren sind ehe sie anhielten, ohne Weiteres plausibel. Die Vorinstanz weist zudem zu Recht darauf hin, es sei davon auszugehen, dass sich die Zeugen nach dem Zusammenstoss bewegt und umgesehen hätten. Nichts zu seinen Gunsten ableiten kann der Beschwerdeführer aus dem Umstand, dass der Zeuge C.________ zunächst angab, eine Frau am Steuer erkannt zu haben. Er korrigierte diese Aussage gleich im nächsten Satz von sich aus und blieb anschliessend dabei, so dass mit der Vorinstanz von einem Versprecher auszugehen ist. 
 
 Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, zur Klärung der Frage, wer den auf ihn zugelassenen Personenwagen zum Unfallzeitpunkt gelenkt habe, könne nicht auf die Aussagen von A.________ abgestellt werden. Dies tut die Vorinstanz jedoch gar nicht, womit die Rüge von vornherein ins Leere läuft. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass dessen Aussagen der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung nicht entgegenstehen. Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer angeführte fehlende Motivation, sich selbst hinters Steuer zu setzen, welche die Vorinstanz ausser Acht gelassen habe. Angesichts der Tatsache, dass er mehrfach und auch einschlägig vorbestraft ist, ist die vorinstanzliche Beweiswürdigung plausibel und spricht nicht gegen die allgemeine Lebenserfahrung. 
 
2.  
 
 Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung ist abzuweisen, da die Beschwerde von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG e contrario). Seinen angespannten finanziellen Verhältnissen ist mit reduzierten Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 3. August 2015 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: M. Widmer