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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
4A_321/2011 
 
Urteil vom 3. Oktober 2011 
I. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Klett, Präsidentin, 
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss, 
Gerichtsschreiber Hurni. 
 
Verfahrensbeteiligte 
K.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Michael Ausfeld, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
X.________, bestehend aus: 
1. Y.________ AG, 
2. Z.________ SA, 
3. Q.________ AG, 
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Giovanni Gaggini, 
Beschwerdegegnerinnen. 
 
Gegenstand 
Haftung des Geschäftsherrn, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 12. April 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
K.________ (Beschwerdeführer) ist Musiker, Hornist, und als solcher Mitglied des Orchesters R.________. Die Y.________ AG, Z.________ SA und Q.________ AG (Beschwerdegegnerinnen) sind Unternehmungen der Tiefbaubranche und bildeten zusammen die "Arbeitsgemeinschaft X.________". 
Im Juni 2002 führten die Beschwerdegegnerinnen an der S.________strasse Tiefbauarbeiten aus. Am 26. Juni 2002 bohrten die Arbeiter vertikale Löcher in den Grund und brachten darin Stahlträger ein. Dabei entstanden Kratz- und Quietschgeräusche. Daneben wurde auf der Baustelle weiterer Lärm erzeugt, namentlich aufgrund von Motoren und Maschinen. 
Gegen 10 Uhr des gleichen Tages fuhr der Beschwerdeführer mit seinem Fahrrad auf dem Weg ins Probelokal R.________ am S.________platz an der Baustelle der Beschwerdegegnerinnen vorbei. In diesem Moment ist gemäss seiner Darstellung ein äusserst lauter, hochfrequenter Lärm von der Baustelle ausgegangen, eventuell auch eine Art Knall, von rund zwei Sekunden Dauer. Dieser Lärm habe bei seinem linken Ohr ein Knalltrauma mit Pfeif-Tinnitus verursacht, welcher zu einer zeitweisen Arbeitsunfähigkeit und zu einer dauernden Schädigung des Gehörs geführt habe. 
 
B. 
B.a Mit Klage vom 15. November 2005 beantragte der Beschwerdeführer dem Bezirksgericht Zürich, es seien die Beschwerdegegnerinnen unter solidarischer Haftbarkeit sowie unter Vorbehalt der Nachklage zu verpflichten, dem Beschwerdeführer Schadenersatz von mindestens Fr. 342'113.-- nebst laufendem Zins zu 5 % seit 16. November 2005 sowie aufgerechnetem Zins von Fr. 3'973.-- zu zahlen. Weiter seien die Beschwerdegegnerinnen unter solidarischer Haftbarkeit zu verpflichten, dem Beschwerdeführer eine Genugtuung von Fr. 5'340.-- nebst laufendem Zins zu 5 % seit 16. November 2005 sowie aufgerechnetem Zins von Fr. 1'612.-- zu zahlen. 
Mit Urteil vom 23. Juli 2010 wies das Bezirksgericht die Klage nach Anhörung zahlreicher Zeugen ab. 
B.b Mit Urteil vom 12. April 2011 wies das Obergericht des Kantons Zürich die vom Beschwerdeführer gegen das Urteil des Bezirksgerichts eingelegte Appellation ab und bestätigte die Abweisung der Klage. 
 
C. 
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht, es sei die Klage gutzuheissen, eventualiter sei die Sache zur Fortsetzung des Verfahrens an die erste Instanz zurückzuweisen. 
Die Beschwerdegegnerinnen beantragen in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden Entscheid (Art. 90 BGG) eines oberen kantonalen Gerichts in einem Rechtsmittelverfahren (Art. 75 BGG), ist innert der Beschwerdefrist (Art. 100 BGG) von der mit ihren Rechtsbegehren unterlegenen Partei (Art. 76 Abs. 1 BGG) eingereicht worden und bei der Streitsache handelt es sich um eine Zivilsache (Art. 72 BGG) mit einem Fr. 30'000.-- übersteigenden Streitwert (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG). Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerinnen genügt die Beschwerdeschrift den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG
 
1.2 Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann die Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Bundesverfassungsrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG; BGE 134 III 379 E. 1.2). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist somit weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 134 I 83 E. 3.2 S. 88; 134 II 244 E. 2.2 S. 246; 133 II 249 E. 1.4.2). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). 
 
2. 
Der Beschwerdeführer hat seine Forderungen zunächst auf Art. 41 und Art. 55 OR sowie auf Art. 59a des Bundesgesetzes vom 7. Oktober 1983 über den Umweltschutz (USG; SR 814.01) gestützt. In der Beschwerde an das Bundesgericht rügt der Beschwerdeführer hingegen nur noch eine Verletzung von Art. 55 Abs. 1 OR
Gemäss dieser Bestimmung haftet der Geschäftsführer für den Schaden, den seine Arbeitnehmer oder andere Hilfspersonen in Ausübung ihrer dienstlichen oder geschäftlichen Verrichtungen verursacht haben, wenn er nicht nachweist, dass er alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt angewendet hat, um einen Schaden dieser Art zu verhüten, oder dass der Schaden auch bei Anwendung dieser Sorgfalt eingetreten wäre. 
Bei dieser Haftung handelt es sich um eine Kausalhaftung, die weder ein Verschulden des Arbeitnehmers noch des Geschäftsherrn selbst voraussetzt; es genügt, dass der Arbeitnehmer durch eine Handlung oder Unterlassung einen Schaden (mit)verursacht hat (BGE 95 II 93 E. II/4c-d S. 107, 90 II 86 E. 3b S. 90). Der Geschäftsherr kann sich nur entlasten, wenn er beweist, dass ihn keinerlei Verschulden trifft und er alle objektiv gebotenen Massnahmen vorgekehrt hat, um einen Schaden von der Art des eingetretenen abzuwenden. Dazu gehört insbesondere der Nachweis, dass er seine Angestellten sorgfältig ausgewählt, ihnen die nötigen Anleitungen gegeben und ihre Arbeit gehörig überwacht hat, sowie dass er seinen Betrieb zweckmässig organisiert hat (BGE 90 II 86 E. 3c S. 90). 
 
3. 
Die Vorinstanz hielt für das Bundesgericht verbindlich fest (Art. 105 Abs. 1 BGG), dass von einer nicht näher bekannten Quelle auf der Baustelle ein kurzer, äusserst lauter und hochfrequenter Lärm ausgegangen ist. Insoweit treffen die Tatsachenbehauptungen des Beschwerdeführers gemäss der Vorinstanz zu. Die Vorinstanz hält zudem fest, dass von der Baustelle diverse Lärmbelastungen ausgingen, darunter kurzzeitig besonders laute Kratz- und Quietschgeräusche, wie sie etwa bei einem in eine Kurve fahrenden Tram oder einer über eine Wandtafel gezogenen Kreide erzeugt werden. Demgegenüber gibt es gemäss der Vorinstanz keine Anhaltspunkte für extreme Lärmereignisse, welche den allgemein üblichen Lärm einer Baustelle im Tiefbau überschritten hätten. 
 
Die Vorinstanz kam zum Schluss, dass die Beschwerdegegnerinnen unter diesen Umständen nicht verpflichtet gewesen sind, besondere Vorkehrungen gegen extreme Ereignisse zu treffen; insbesondere könne offen bleiben, worin solche Vorkehrungen hätten bestehen können und ob sie eine Schädigung Unbeteiligter auch tatsächlich hätten verhindern können. Wenn das vom Beschwerdeführer geschilderte Geräusch von der Baustelle der Beschwerdegegnerinnen ausgegangen sei, so habe es sich dabei um ein Ereignis gehandelt, mit welchem die Beschwerdegegnerinnen nicht hätten rechnen müssen. Folglich verneinte die Vorinstanz eine Haftung der Beschwerdegegnerinnen gestützt auf Art. 55 Abs. 1 OR
 
4. 
Gegen diese Erwägung wendet sich der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf BGE 110 II 456. In diesem Entscheid kam das Bundesgericht zum Schluss, dass sich der Produzent eines mangelhaften Produkts haftbar gemacht hat, weil er es unterlassen hatte, durch eine Nachkontrolle allfällige Fehler bei der Produktion aufzuspüren, bzw. weil er nicht alle nötigen und zumutbaren Massnahmen ergriffen hatte, um die Sicherheit seines Produkts zu verbessern. Es handelte sich dabei um einen 690 kg schweren Schachtrahmen aus armiertem Beton mit zwei in der Schwerelinie des Rahmens einbetonierten Aufhängeschlaufen. Eine dieser Schlaufen ist während eines Hebevorgangs gerissen, worauf der Rahmen herabfiel und den rechten Fuss einer Person zerquetschte. 
Aus den vorinstanzlichen Feststellungen ergeben sich für den vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte dafür, dass das von den Beschwerdegegnerinnen verwendete Material bzw. deren Maschinen mangelhaft gewesen wären. Ebenso wenig sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Arbeiten auf der Baustelle in einer unsachgemässen Weise ausgeführt worden wären. Der Beschwerdeführer kann aus dem angerufenen Entscheid BGE 110 II 456 nichts zu seinen Gunsten ableiten. 
Der Beschwerdeführer betont weiter, dass die Beschwerdegegnerinnen überhaupt keine Anstrengungen unternommen hätten, um die Entstehung eines gehörschädigenden Lärms zu verhindern. Er bestreitet dabei aber nicht, dass der Geschäftsherr gestützt auf Art. 55 Abs. 1 OR für die Folgen eines ausserordentlichen und nicht vorhersehbaren Ereignisses keine Haftung trägt, wie dies die Vorinstanz erwogen hat. Der Beschwerdeführer versucht vielmehr aufzuzeigen, dass der potentiell gehörschädigende Lärm vorhersehbar gewesen sei, und verweist dazu auf die Tatsache, dass die Arbeiter auf der Baustelle mit Gehörsschützen ausgestattet waren. Die Vorinstanz hat dieses Argument verworfen mit der Begründung, dass die Arbeiter im Tiefbau praktisch während ihrer ganzen Arbeitszeit Lärmbelastungen ausgesetzt seien und sich auch gegen weniger intensive, aber lang andauernde und wiederkehrende Belastungen schützen müssten. Damit seien die Arbeiter zwar auch gegen ausserordentliche Lärmereignisse geschützt, dies mache aber solche Ereignisse noch nicht zu vorhersehbaren. Dem vermag der Beschwerdeführer nichts entgegenzusetzen. 
 
5. 
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist damit abzuweisen. 
Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 sowie Art. 68 Abs. 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 6'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerinnen für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 7'500.-- zu entschädigen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 3. Oktober 2011 
 
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Klett 
 
Der Gerichtsschreiber: Hurni