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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.49/2006 /bri 
 
Urteil vom 3. November 2006 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd, 
Gerichtsschreiber Willisegger. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Andreas Kramer, 
 
gegen 
 
A.________, 
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt 
lic. iur. Herbert Heeb, 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8090 Zürich. 
 
Gegenstand 
Verübung einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit, 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Strafkammer, 
vom 24. November 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 78-jährige A.________ wurde in der Nacht vom 17. auf den 18. März 2003 Opfer einer versuchten Vergewaltigung. Wie sie als letzter Gast das Lokal von X.________ verlassen wollte, versetzte er ihr einen Schlag auf den Hinterkopf, schleifte sie die Treppe hinunter in den Keller, riss ihr die Kleider vom Leib und versuchte, mit seinem Penis in sie einzudringen. Dabei fügte er ihr mehrere Bissverletzungen zu, schlug sie mit einem nassen, schmutzigen Tuch ins Gesicht und würgte sie mit beiden Händen. 
 
Gemäss psychiatrischem Gutachten vom 31. Oktober 2003 war die Einsichtsfähigkeit vom X.________ im Zeitpunkt der versuchten Vergewaltigung durch einen alkoholinduzierten Dämmerzustand aufgehoben. Er hatte 5 Stangen Bier und eine Flasche Raki (türkischer Schnaps mit 45 vol%) getrunken und wies eine Blutalkoholkonzentration von min. 1,6 und max. 3,14 Promillen auf. 
B. 
Mit Urteil vom 24. November 2005 sprach das Obergericht des Kantons Zürich X.________ in zweiter Instanz schuldig der Verübung einer Tat in selbstverschuldeter Unzurechnungsfähigkeit (Art. 263 Abs. 1 und 2 StGB) sowie verschiedener Strassenverkehrsdelikte und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 8 Monaten. Es ordnete eine ambulante Massnahme im Sinne von Art. 44 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an. 
C. 
Gegen dieses Urteil führt X.________ eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid (mit Ausnahme der Schuldsprüche betreffend die Strassenverkehrsdelikte) aufzuheben. Eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 20. Juli 2006 ab, soweit es darauf eintrat. 
D. 
Das Obergericht verzichtet auf eine Stellungnahme zur Beschwerde. Eine Vernehmlassung der Oberstaatsanwaltschaft wurde nicht eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze (Art. 269 Abs. 1 BStP). Dabei ist in der Beschwerdeschrift kurz darzulegen, welche Bundesrechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind. Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Entscheides richten, sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Der Kassationshof ist an die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP). 
 
Der Beschwerdeführer stützt sich zur Begründung seiner Beschwerde im Wesentlichen auf das Gutachten der psychiatrischen Universitätsklinik vom 31. Oktober 2003 bzw. die ergänzende Expertise vom 28. Juni 2005. Soweit er rügt, die Vorinstanz sei zu Unrecht von den tatsächlichen Feststellungen des Sachverständigen abgewichen, übt er unzulässige Kritik an der Beweiswürdigung. Gleiches gilt für die Rüge, aufgrund des gutachterlichen Beweises sei erstellt, er habe der Herbeiführung der Zurechnungsunfähigkeit infolge Alkoholabhängigkeit gar keinen Widerstand entgegensetzen können. Auf die Beschwerde ist in diesem Umfang nicht einzutreten. 
2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Verurteilung gestützt auf Art. 263 StGB verletze Bundesrecht. Zum einen sei sein Rauschzustand nicht voraussehbar, zum anderen seine Steuerungsfähigkeit bezüglich Trinkverhalten ausgeschlossen gewesen. Somit fehle es am Verschulden. 
2.1 Nach Art. 263 StGB macht sich strafbar, wer infolge selbstverschuldeter Trunkenheit oder Betäubung unzurechnungsfähig ist und in diesem Zustand eine als Verbrechen oder Vergehen bedrohte Tat verübt. Die Bestrafung des Täters erfolgt, weil er selbstverschuldet, d.h. vorsätzlich oder fahrlässig, durch Trunkenheit oder Betäubung seine Zurechnungsunfähigkeit herbeigeführt hat. Der Unrechts- bzw. Schuldvorwurf entfällt, wenn für den Täter auch bei pflichtgemässer Vorsicht nicht vorauszusehen war, dass die Einnahme des Rauschmittels zur Unzurechnungsfähigkeit führen wird. Das kann etwa der Fall sein, wenn er durch List oder Gewalt zum Trinken veranlasst wurde oder wenn seine Alkoholempfindlichkeit, ohne dass er es wusste, durch einen aussergewöhnlichen Umstand erheblich gesteigert war oder wenn ein anderer die Voraussehbarkeit der Trunkenheit ausschliessender Grund vorlag (unveröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 21. Juni 1957, zitiert bei: W. Brandenberger, Bemerkungen zu der Verübung einer Tat in selbstverschuldeter Zurechnungsunfähigkeit, Diss. Bern 1970, S. 37). 
2.2 Aus dem angefochtenen Urteil (S. 9 und 16) geht hervor, dass der Beschwerdeführer die Wirkungen übermässigen Alkoholkonsums aus eigener und regelmässiger Erfahrung kannte. Auch war ihm bewusst, dass er unter Alkoholeinfluss vermehrt die Selbstkontrolle verlor, namentlich nach dem Konsum von Raki. Indem er dennoch freiwillig und ohne besonderen Anlass fünf Stangen Bier und eine Flasche Raki konsumierte, nahm er seinen unkontrollierten Rauschzustand zumindest in Kauf und konnte ihn folglich voraussehen. Die Annahme der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe seine Berauschung vorsätzlich und insoweit selbstverschuldet herbeigeführt, ist daher bundesrechtlich nicht zu beanstanden. 
2.3 Die Vorinstanz prüft sodann, ob ein Schuldausschluss- bzw. ein Strafminderungsgrund bezüglich des Trinkverhaltens gegeben sei, nachdem beim Beschwerdeführer eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert wurde, und hat zu diesem Zweck eigens ein Ergänzungsgutachten in Auftrag gegeben. Dieses bestätigt zunächst das Vorliegen eines auf Alkohol bezogenen Abhängigkeitssyndroms, das einer klaren Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit im Sinne von Art. 11 StGB entspreche. Weiter stellt der Sachverständige fest, dass die Schwere der Suchterkrankung und ihre Bedeutung für die Lebensvollzüge des Beschwerdeführers es rechtfertigten, das auf das Trinkverhalten selbst bezogene Steuerungsvermögen als sehr erheblich vermindert anzusehen. Gestützt darauf gelangt die Vorinstanz zum Schluss, dass die Zurechnungsfähigkeit mit Bezug auf das Sich-Berauschen sehr erheblich vermindert, nicht aber vollständig aufgehoben war. 
 
Der in der Beschwerde behauptete "logische Widerspruch" zur festgestellten Zurechnungsunfähigkeit im Zeitpunkt der Vergewaltigung liegt nicht vor. Die Feststellung der verminderten Zurechnungsfähigkeit bezieht sich ausschliesslich auf den Tatbestand von Art. 263 StGB und damit auf das Trinkverhalten vor der Rauschtat. Erst mit zunehmendem Alkoholkonsum verfiel der Beschwerdeführer in jenen alkoholinduzierten Dämmerzustand, der ihn seiner Einsichtsfähigkeit beraubte und in welchem er das Opfer zu vergewaltigen versuchte. Die Vorinstanz hat die Frage nach der Zurechnungsfähigkeit zu Recht mit Bezug auf das jeweils in Frage stehende Verhalten konkret beurteilt und in zeitlicher Hinsicht zutreffend auseinander gehalten. Im Übrigen wird in der Beschwerde nicht weiter dargetan, noch ist ersichtlich, dass und inwiefern die Vorinstanz von einem unrichtigen Begriff der Steuerungs- und Einsichtsfähigkeit ausgegangen sein sollte. Ist demnach aber davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zu Beginn seines Alkoholkonsums noch schuldfähig war - wenn auch in stark vermindertem Masse - verletzt seine Verurteilung gemäss Art. 263 StGB Bundesrecht nicht. 
3. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich nach dem Dargelegten als unbegründet und ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 3. November 2006 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: