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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 7} 
I 460/06 
 
Urteil vom 4. April 2007 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Schön, 
Gerichtsschreiberin Schüpfer. 
 
Parteien 
W.________, 1957, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Erich Züblin, Spalenberg 20, 4051 Basel, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Basel-Stadt, Lange Gasse 7, 4052 Basel, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 11. Mai 2006. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1957 geborene W.________ arbeitete seit 1978 in einem Pensum von 57 % als Servicefach-Angestellte bei der Firma X.________ im Personalrestaurant der Bank Y.________. Daneben führte sie ihren Haushalt. Seit dem 1. August 1994 war sie im Rahmen eines 50%-Pensums stellvertretende Betriebsleiterin der Firma X.________ im Ausbildungszentrum der Bank Y.________. W.________ erlitt am 25. April 1995 einen cerberovaskulären Insult mit einem Hemisyndrom rechts. Sie meldete sich am 31. Januar 1996 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Basel-Stadt sprach ihr nach Abklärung des Sachverhalts bei einem Invaliditätsgrad von 68 % eine ganze Rente zu (Verfügung vom 12. August 1997). Sie ging dabei von einer je hälftigen Erwerbstätigkeit und Tätigkeit im Haushalt aus, wobei für erstere eine volle Einschränkung und im Haushaltsbereich eine solche von 35 % ermittelt wurde. Die Verfügung erwuchs in Rechtskraft. 
 
Nachdem Rentenrevisionen im Jahre 1998 und 2001 keine veränderten Verhältnisse zeigten, wurde nach Inkrafttreten der 4. IV-Revision erneut ein Rentenrevisionsverfahren eingeleitet. Die IV-Stelle ermittelte einen Invaliditätsgrad von 65 % und setzte den Anspruch der Versicherten mit Verfügung vom 15. Juni 2005 ab 1. August 2005 auf eine Dreiviertelsrente herab. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest (Entscheid vom 19. Januar 2006). 
B. 
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wies die dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher beantragt wurde, es sei der Versicherten in Aufhebung des Einspracheentscheides weiterhin eine ganze Invalidenrente auszurichten, mit Entscheid vom 11. Mai 2006 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert W.________ das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren. 
 
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von Werdt/ Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Gerichtsentscheid am 1. März 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 Erw. 1.2 S. 395). 
1.2 Da die Verwaltungsgerichtsbeschwerde am 1. Juli 2006 bereits am Eidgenössischen Versicherungsgericht hängig war, sind auch die auf diesen Zeitpunkt in Kraft getretenen, für Streitigkeiten um Leistungen der Invalidenversicherung geltenden Anpassungen von Art. 132 und Art. 134 OG gemäss Ziff. III des Bundesgesetzes vom 16. Dezember 2005 über die Änderung des IVG nicht anwendbar. Die Beurteilung hat daher mit voller Kognition zu erfolgen und das Verfahren ist kostenfrei (Art. 132 und Art. 134 OG je in der massgebenden, bis 30. Juni 2006 in Kraft gestandenen Fassung). 
2. 
2.1 Die Vorinstanz hat die hier massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze richtig dargelegt. Es betrifft dies namentlich diejenigen über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG) und über die verschiedenen Invaliditätsbemessungsmethoden, bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG in Verbindung mit Art. 16 ATSG; vgl. auch BGE 130 V 348 Erw. 3.4 mit Hinweisen), bei nichterwerbstätigen, insbesondere im Haushalt beschäftigten Versicherten nach der spezifischen Methode des Betätigungsvergleichs (Art. 28 Abs. 2bis IVG in Verbindung mit Art. 27 IVV; vgl. auch BGE 130 V 99 Erw. 3.3.1) sowie bei teilerwerbstätigen Versicherten nach der gemischten Methode (Art. 28 Abs. 2ter IVG in Verbindung mit Art. 27bis IVV; vgl. auch BGE 130 V 393, 125 V 146). Darauf wird verwiesen. 
2.2 Gemäss Art. 28 Abs. 1 IVG in der bis Ende 2003 gültig gewesenen Fassung hatte ein Versicherter Anspruch auf eine ganze Rente, wenn er mindestens zu 66 2/3 %, auf eine halbe Rente, wenn er mindestens zu 50 % oder auf eine Viertelsrente, wenn er mindestens zu 40 % invalid war. Mit der auf den 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Gesetzesänderung vom 21. März 2003 (4. IV-Revision, AS 2003 3837 ff.) wurde die Rentenabstufung dahin geändert, dass bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 70 % Anspruch auf eine ganze Rente, bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 60 % Anspruch auf eine Rente von drei Vierteln, bei einem solchen von mindestens 50 % auf eine halbe Rente und bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 40 % Anspruch auf eine Viertelsrente besteht (Art. 28 Abs. 1 IVG in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung). 
2.3 Nach den Schlussbestimmungen der Gesetzesänderung vom 21. März 2003 (AS 2003 3850 ff.) werden laufende ganze Renten bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 66 2/3 % nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung für alle jene Rentenbezügerinnen und Rentenbezüger weitergeführt, welche zu diesem Zeitpunkt das 50. Altersjahr zurückgelegt haben. Alle andern ganzen Renten bei einem Invaliditätsgrad unter 70 % werden innerhalb eines Jahres nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung einer Revision unterzogen (lit. f). 
3. 
Da die 1957 geborene Beschwerdeführerin am 1. Januar 2004 noch nicht 50 Jahre alt war, wurde ihr Rentenanspruch zu Recht einer Revision unterzogen. Dabei sind sich die Parteien nunmehr einig, dass sich der Gesundheitszustand nicht wesentlich verändert hat und auch die Einschränkung in der Haushaltführung seit der erstmaligen Rentenzusprechung gleich geblieben ist. Strittig ist einzig, ob das bereits der Verfügung vom 12. August 1997 zu Grunde gelegte Verhältnis zwischen Erwerbs- und Haushaltsarbeit im Gesundheitsfalle von je 50 % auch auf die Revisionsverfügung anzuwenden ist. 
Die Beschwerdeführerin fordert, basierend auf der von ihr tatsächlich geleisteten Arbeit vor ihrer Erkrankung sei von einem Verhältnis von 65 : 35, eventuell 60 : 40, zu Gunsten der Erwerbstätigkeit auszugehen. Das kantonale Gericht hat in seinem Entscheid erwogen, damit werde behauptet, beim ursprünglichen Rentenentscheid sei die IV-Stelle von unzutreffenden Annahmen ausgegangen. Es prüfte diese unter dem Gesichtspunkt der Wiedererwägung und kam zum Schluss, es sei damals nicht zweifellos unrichtig gewesen, von einer hälftigen Teilerwerbstätigkeit auszugehen. 
4. 
4.1 Entgegen der Darstellung im angefochtenen Entscheid ist die Frage, zu welchem Prozentsatz die Beschwerdeführerin ohne Gesundheitsschaden erwerbstätig wäre, nicht nur unter dem eingeschränkten Gesichtspunkt der zweifellosen Unrichtigkeit der ursprünglichen Verfügung (Wiedererwägung) zu prüfen. 
 
Bei einer Verfügung über Versicherungsleistungen bildet grundsätzlich einzig die Leistung Gegenstand des Dispositivs. Nach der Rechtsprechung zu Art. 103 lit. a OG wird das Rechtsschutzinteresse verneint, wenn sich die Beschwerde nur gegen die Begründung der angefochtenen Verfügung richtet, ohne dass eine Änderung des Dispositivs verlangt wird. Die Beantwortung der Frage, welcher Invaliditätsgrad der Rentenzusprechung zugrunde gelegt wurde, dient in der Regel lediglich der Begründung der Leistungsverfügung. Sie könnte nur dann zum Dispositiv gehören, wenn und insoweit sie Gegenstand einer Feststellungsverfügung ist (BGE 115 V 417 Erw. 3b/aa mit Hinweisen). 
4.2 Bei der Rentenzusprechung im Jahre 1997 spielte es keine Rolle, ob der Invaliditätsgrad 68 % oder über 70 % betrug, da die Beschwerdeführerin auf jeden Fall Anspruch auf eine ganze Invalidenrente hatte. Die einzelnen Bemessungsfaktoren, zu welchen unter anderem auch die prozentuale Aufteilung zwischen Erwerbs- und Hausarbeit gehört, konnten und mussten damals mangels Rechtsschutzinteresses nicht angefochten werden (vgl. Erwägung 4.1). Damit ist die in der Verfügung vom 12. August 1997 gemachte Feststellung einer je hälftigen Tätigkeit nicht in Rechtskraft erwachsen und frei überprüfbar. 
4.3 Fraglich ist demnach, in welchem Pensum die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Revisionsverfügung, also im Juni 2005 ohne gesundheitlichen Probleme erwerbstätig gewesen wäre. Es geht dabei um ein hypothetisches Sachverhaltselement, welches nur mit einem gewissen Wahrscheinlichkeitsgrad, nie aber mit Sicherheit bestimmt werden kann. Der im Zeitpunkt des cerberovaskulären Insults im April 1995 geltende Arbeitsvertrag ist dabei nur ein Indiz, kann aber nicht für sich allein entscheidend sein, um die hypothetische Erwerbstätigkeit zu ermitteln. In tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass die Versicherte von 1978 bis August 1994 während 16 Jahren in einem Pensum von 57 % bei der gleichen Arbeitgeberin tätig war. Wegen einer Umstrukturierung (Neueröffnung eines Restaurants) mit neuem Arbeitsplatz bei derselben Firma wurde ihr Arbeitsvertrag auf den 1. August 1994 dahingehend modifiziert, dass nur noch von einem Pensum von 50 % ausgegangen wurde. Die Lohnabrechnungen in den Folgemonaten zeigen aber, dass der tatsächliche Arbeitseinsatz zwischen 60 und 65 % eines Vollpensums lag. Zudem bestätigt die damalige Vorgesetzte schriftlich, dass eine wegen des guten Geschäftsverlaufs geplante Erhöhung des Arbeitspensums auf 60 % einzig an der inzwischen eingetretenen Erkrankung der Versicherten scheiterte. Damit besteht für die Annahme, dass die Beschwerdeführerin je hälftig erwerbstätig und im Haushalt arbeiten würde, nur wenig Raum. Das wird gestützt durch den Umstand, dass sie an ihrem Arbeitsplatz überaus geschätzt war und ein 2-Personen-Haushalt in einer Vierzimmerwohnung ohne weiteres auch neben einer 60%igen Erwerbstätigkeit erledigt werden kann. Tatsächlich hatte die Beschwerdeführerin also trotz anderslautender vertraglicher Vereinbarung nie in einem 50%-Pensum gearbeitet, weshalb es auch als überwiegend wahrscheinlich erscheint, dass sie dies im Jahre 2005 nicht getan hätte. Entsprechende Indizien dafür fehlen. Andererseits fehlt es auch an konkreten Grundlagen für die Annahme einer über 60%igen Berufsttätigkeit. Die Tatsache allein, dass mit Überstunden während einiger Monate ein Pensum von 65 % erreicht wurde, besagt nichts darüber, dass dieses über Jahre hinweg gleich geblieben wäre. 
4.4 Für die Invaliditätsbemessung ist daher von einer 60%igen Erwerbstätigkeit und einer 40%igen Haushaltstätigkeit auszugehen. Basierend auf für die jeweiligen Tätigkeitsbereiche ermittelten Einschränkungen von 100 % in der Erwerbstätigkeit und 35 % im Haushalt ergibt das einen Gesamtinvaliditätsgrad von 74 %, womit die Beschwerdeführerin weiterhin Anspruch auf eine ganze Rente der Invalidenversicherung hat. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 11. Mai 2006 und der Einspracheentscheid der IV-Stelle Basel-Stadt vom 19. Januar 2006 aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, der Ausgleichskasse Hotela, Montreux, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 4. April 2007 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: