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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_611/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 4. April 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, 
Bundesrichter Denys, 
Gerichtsschreiber Borner. 
 
Verfahrensbeteiligte 
S._________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Joachim Breining, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen, Bahnhofstrasse 29, 8200 Schaffhausen,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Einziehung und Verwertung; Kostenauflage (Erschleichen einer Falschbeurkundung usw.); 
Willkür, rechtliches Gehör, 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 21. Mai 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
S._________ führte unter seinem Namen ein Architekturbüro als Einzelfirma. Am 12. Juni 1992 gründete er die S._________ Architekturbüro AG und liberierte das Aktienkapital von Fr. 50'000.-- durch Sacheinlage der Einzelfirma. Dazu gehörte unter anderem das Kontokorrentkonto "Ordinario". 
 
 Die S._________ Architekturbüro AG war Eigentümerin der Stockwerkeinheit GB Schaffhausen Nr. XY700 (5½-Zimmer-Terrassenhaus) und von drei Achteln Miteigentumsanteil an der Stockwerkeinheit Nr. XY704 (Einstellhalle). Auf diesen Liegenschaften wurde am 7. März 1997 ein Namenschuldbrief über Fr. 128'000.-- mit der Schaffhauser Kantonalbank als Gläubigerin und der Aktiengesellschaft als Schuldnerin errichtet. Am 22. Juli 1998 wurde der Betrag des Schuldbriefs auf Fr. 530'000.-- erhöht und S._________ als solidarisch haftender Schuldner aufgeführt. Der Schuldbrief wurde nie belehnt. 
 
 Am 27. August 1998 übertrug die S._________ Architekturbüro AG die erwähnten Liegenschaften an S._________, der den Kaufvertrag für sich und die Aktiengesellschaft unterzeichnete. Der Erwerber hatte den Kaufpreis von Fr. 530'000.-- zu tilgen, indem er " (...) Fr. 530'000.-- (... übernahm) zur alleinigen Verzinsung und Bezahlung zu den heute geltenden und ihm bekannten Zins- und Zahlungsbestimmungen mit Zinspflicht auf eigene Rechnung ab Antrittstag unter Entlassung der Veräusserin aus der Solidarhaft". Da der Schuldbrief nicht belehnt war, erhielt S._________ die Liegenschaften unentgeltlich. 
 
 Am 10. Dezember 1999 wurde über die S._________ Architekturbüro AG der Konkurs eröffnet. 
 
B.   
Das Kantonsgericht Schaffhausen verurteilte S._________ am 23. Mai 2007 wegen Urkundenfälschung, mehrfacher Erschleichung einer falschen Beurkundung, ungetreuer Geschäftsbesorgung und Gläubigerschädigung durch Vermögensverminderung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten. Zudem ordnete es die Einziehung und Verwertung der Stockwerkeinheit GB Schaffhausen Nr. XY700 zugunsten der Staatskasse an. 
 
 Eine Berufung des Verurteilten hiess das Obergericht des Kantons Schaffhausen am 10. Februar 2012 teilweise gut. Es stellte das Verfahren wegen Urkundenfälschung und mehrfacher Erschleichung einer falschen Beurkundung ein, weil die Verjährung eingetreten war, und sprach ihn vom Vorwurf der ungetreuen Geschäftsbesorgung frei. Es verurteilte ihn wegen Erschleichung einer falschen Beurkundung und Gläubigerschädigung durch Vermögensverminderung zu einer bedingten Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 135.--. Zudem ordnete es an, "die Stockwerkeinheit GB Schaffhausen Nr. XY700 (...) sowie die total drei Achtel Miteigentumsanteile Nrn. 16579 und 16581 am Grundstück XY704 werden zugunsten der Staatskasse eingezogen und verwertet. Im Fr. 731'500.-- übersteigenden Betrag wird der Verwertungserlös dem Angeklagten zurückerstattet." 
 
C.   
S._________ beanstandete die Berechnung des Einziehungsbetrags, worauf das Bundesgericht seine Beschwerde am 11. Oktober 2012 teilweise guthiess und den vorinstanzlichen Entscheid wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufhob. 
 
 Das Obergericht bestätigte am 21. Mai 2013 den Einziehungsentscheid und setzte den maximalen Einziehungsbetrag auf Fr. 780'000.-- fest. 
 
D.   
S._________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt zur Hauptsache, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Die Vorinstanz schätzt den Wert der Liegenschaften im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung auf den Beschwerdeführer im Jahre 1998 auf Fr. 600'000.--, indexiert auf den Urteilszeitpunkt auf Fr. 780'000.--. Dabei stützt sie sich insbesondere auf eine Verkehrswertschätzung der Schaffhauser Kantonalbank aus dem Jahre 1998 von Fr. 840'000.-- und berücksichtigt den Kaufpreis im Kaufvertrag vom 27. August 1998 von Fr. 530'000.--. Die Verkehrswertschätzung des Beschwerdeführers vom 27. August 2005 mit einem Betrag von Fr. 492'000.-- erachtet sie als zu tief, weil der Wert des Bodens 2005 tiefer angesetzt wurde als im Kaufvertrag von 1998, da nach der Mischwertmethode vom geschätzten Verkehrswert nach Endausbau ebenfalls nur schätzbare Fertigstellungskosten abgezogen wurden und solche Unsicherheiten eine vorsichtige Schätzung nahelegten. Zudem würde eine Bank nicht einen Kredit von Fr. 530'000.-- gewähren, wenn lediglich ein Grundstück mit einem tieferen Verkehrswert zur Absicherung diente. Die Vorinstanz zieht auch die Aussage eines Verwaltungsrats einer Garten- und Erdbau AG heran, wonach der Beschwerdeführer die Rohbauwohnung ohne die drei Einstellplätze für Fr. 500'000.-- habe verkaufen wollen, um Forderungen der AG zu begleichen. Die Vorinstanz relativiert die Schätzung des Beschwerdeführers auch mit dem Steuerwert der Liegenschaften im Jahre 2009 von Fr. 609'000.--, wobei der Verkehrswert höher gewesen sei. 
 
2.   
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe bei der Schätzung und Indexierung den Sachverhalt nicht richtig abgeklärt und das Verhältnismässigkeitsprinzip sowie sein rechtliches Gehör verletzt. 
 
2.1. Er beanstandet, die Vorinstanz habe keine anerkannte Berechnungsmethode angewandt, den Schätzwert willkürlich festgelegt und sich mit der Schätzung im Jahre 2005 nicht nachvollziehbar auseinandergesetzt.  
 
 Nach seinen eigenen Angaben lebt er seit 2006 in der Liegenschaft. Vorher bestand sie lediglich im Rohbau. Bei dieser Ausgangslage kann zur Bestimmung der Preisentwicklung über die gesamte Dauer des illegalen Besitzes von 1998 bis 2013 nicht bloss ein einziger Index für Bauland-, Baukosten- oder Preise für Eigentumswohnungen herangezogen werden. 
 
 Die Berechnungen des Beschwerdeführers stützen sich auf eine Verkehrswertschätzung aus dem Jahre 2005 und lassen Anhaltspunkte aus den früheren Jahren ausser Acht. Auf die vorinstanzliche Kritik an seiner Schätzung geht der Beschwerdeführer nicht ein. Die lapidare Aussage, beim Kaufpreis von Fr. 530'000.-- gemäss Kaufvertrag handle es sich um nichts anderes als den Nominalbetrag des Schuldbriefs, vermag die vorinstanzliche Argumentation, ohne weitere Sicherheiten hätte die Kantonalbank keinen Kredit in dieser Höhe gewährt, nicht zu entkräften. Betrug der Bodenwert gemäss Kaufvertrag 1998 bereits Fr. 176'000.--, stimmt die Berechnung des Beschwerdeführers nicht, der im Jahr 2005 lediglich von Fr. 173'000.-- ausgeht und bloss die Preisentwicklung von 2005 bis 2013 berücksichtigt. Zudem ist nicht einzusehen, weshalb die drei im Jahre 1998 erstellten Plätze in der Einstellhalle nicht ab diesem Datum an der Preisentwicklung hätten teilhaben sollen. Schliesslich hält die Vorinstanz unwidersprochen fest, für die angenommenen Fr. 492'000.-- im Jahre 2005 habe es sich geradezu aufgedrängt, den Wert vorsichtig zu schätzen. 
 
 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz hätte usanzgemäss die Vergleichswertmethode anwenden müssen, und stellt eigene Berechnungen an. Zwei vergleichbare Liegenschaften seien 1998 für Fr. 650'000.-- verkauft worden. "In den Verkaufspreisen war das Honorar des Beschwerdeführers als Architekt und der Gewinn als Verkäufer enthalten, welche Betreffnisse mit je Fr. 120'000.-- zu beziffern sind" (Beschwerdeschrift, S. 14 oben). In der Folge zieht er vom Preis der Vergleichsliegenschaften nebst den Kosten für den Innenausbau auch Honorar und Gewinn ab, um den Wert "seiner" Liegenschaft zu bestimmen. Dabei unterschlägt er, dass Honorar und Gewinn "seiner" Liegenschaft nicht ihm, sondern seiner konkursiten AG zustanden. Damit erweisen sich die Berechnungen des Beschwerdeführers zur Vergleichswertmethode als falsch. 
 
 Die Vorinstanz zog für ihre Schätzung Bankdokumente und weitere Anhaltspunkte aus dem Jahre 1998 heran (E. 1). Das ist grundsätzlich nicht zu beanstanden. Der Beschwerdeführer rügt, der Wert der bankinternen Schätzung von Fr. 840'000.-- weiche von allen übrigen Werten (Aussage F.________: Fr. 500'000.--; Verkaufspreise der anderen drei Terrassenwohnungen: 2x Fr. 650'000.-- und Fr. 735'000.--) massiv ab, weshalb ihm keine Bedeutung zukommen dürfe. Die Rüge geht an der Sache vorbei. Denn die Vorinstanz hat die bankinterne Schätzung nicht unbesehen übernommen, sondern lediglich als Anhaltspunkt und den Schätzwert deutlich tiefer auf Fr. 600'000.-- festgesetzt. 
 
 In der Verkehrswertschätzung des Beschwerdeführers wird der Mietwert der Liegenschaft mit Fr. 35'745.-- angegeben (Akten des Obergerichts, act. 522). Die Vorinstanz hat darauf verzichtet, den Mietwert einzuziehen. Im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung ist dies von Bedeutung. Die Mietwerte von 2006 bis 2013 im Betrag von ca. Fr. 250'000.-- hätten eingezogen werden können (Urteil 6B_184/2012 vom 11. Oktober 2012, E. 3.3 am Ende). Selbst wenn die Vorinstanz den Ausgangsschätzwert etwas hoch angesetzt, der Beschwerdeführer Fr. 26'000.-- für Türen und Fenster aus seinem Vermögen und nicht jenem der AG bezahlt haben sollte und für die Zeitspanne des Rohbaus keine Wertsteigerung angenommen würde, wäre der einziehbare Betrag von Fr. 780'000.-- angesichts des nicht eingezogenen Mietwerts jedenfalls im Ergebnis verhältnismässig. 
 
 Bei dieser Sachlage war die Vorinstanz auch nicht verpflichtet, den Verkehrswert im Zeitpunkt des Einziehungsentscheids gutachterlich ermitteln zu lassen. Die Rüge des Beschwerdeführers, sein Anspruch auf rechtliches Gehör sei verletzt, ist unbegründet. 
 
2.2. Der Beschwerdeführer erachtet die Einziehung unter dem zeitlichen Aspekt als absolut unverhältnismässig. Die Sanktion stehe in keinem vernünftigen Verhältnis zur Anlasstat, die bereits 15 Jahre zurückliege.  
 
 Die Rüge geht an der Sache vorbei. Nutzniesser der langen Verfahrensdauer war der Beschwerdeführer selbst, der während Jahren gratis in der Liegenschaft wohnen konnte. Seinem Eventualantrag, die Einziehung sei bis zu seinem Tod und dem Tod seiner Ehefrau bzw. einem altersbedingten Auszug aus der Liegenschaft aufzuschieben, kann nicht stattgegeben werden. Damit würde der illegale Zustand weiterhin aufrechterhalten. Daran vermag auch die Tatsache nichts zu ändern, dass der Beschwerdeführer sehbehindert ist. 
 
2.3. Nach dem bisher Gesagten ist nicht von Belang, ob der Beschwerdeführer die einzuziehende Liegenschaft bewohnt oder nicht. Deshalb gehen seine diesbezüglichen Rügen, die Vorinstanz habe den Sachverhalt zu wenig abgeklärt und so seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, an der Sache vorbei.  
 
3.   
Der Beschwerdeführer kritisiert die Begründung im Rückweisungsentscheid, wonach die Einziehung gegen den bösgläubigen Erwerber keinen Strafcharakter besitze. Darauf ist nicht zurückzukommen. 
 
 Im gleichen Zusammenhang wirft er der Vorinstanz vor, sie habe das Verbot der reformatio in peius verletzt, indem sie auch die Wertsteigerung der Immobilie zwischen ihren zwei Urteilen eingezogen habe. 
 
Die Einziehung gegenüber dem bösgläubigen Erwerber greift selbst bei einer Vermischung und wertsteigernden Objekten nicht in dessen Vermögensrechte ein, solange die einzuziehende Quote mit der entsprechenden Wertsteigerung dem Gebot der Verhältnismässigkeit genügt. Deshalb ist die Argumentation des Beschwerdeführers nicht stichhaltig, bei einem Verwertungserlös von weniger als Fr. 780'000.-- verlöre er die finanziellen Mittel, die er in den Rohbau investiert habe. Beträgt die Wertsteigerung zwischen zwei Urteilen beispielsweise 10 % und die einzuziehende Quote drei Viertel, so sind drei Viertel von 10 % einzuziehen und das restliche (legale) Viertel an den Betroffenen herauszugeben. Dieses Vorgehen stellt keine reformatio in peius dar, weil der Betroffene hinsichtlich seiner legalen Quote von der Wertsteigerung profitiert. Die gesamte Wertsteigerung dem Betroffenen zukommen zu lassen, würde jedoch dem Einziehungsgrundsatz widersprechen, weil sich so strafbares Verhalten für ihn lohnen würde. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf Erwägung 11.5 des Urteils 6S.555/2006 vom 23. März 2007 geht fehl, weil dort die Einziehungsgegenstände (aus Wolle der artgeschützten Tibet-Antilope hergestellte Schals) keine Wertsteigerung aufwiesen. 
 
4.   
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung. 
 
 In der Steuererklärung 2011 geben der Beschwerdeführer und seine Ehefrau Fr. 41'790.-- Renteneinkommen sowie Fr. 34'098.-- Nettoertrag aus Liegenschaften an, wovon Fr. 21'895.-- an Schuldzinsen abzuziehen sind. Das verfügbare Einkommen beträgt somit Fr. 53'993.--. Da die hypothekarisch belastete Liegenschaft bloss bis zum Belehnungswert und nicht Verkehrswert belastet ist und der Verwertungserlös der bewohnten Liegenschaft den Einziehungsbetrag merklich übersteigen wird, ist auch ein nicht unbedeutender Vermögensbetrag zu berücksichtigen. Insgesamt ist das Gesuch abzulehnen. Bei vorübergehenden Liquidationsschwierigkeiten kann ein Stundungsgesuch an die Bundesgerichtskasse gestellt werden. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 4. April 2014 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Der Gerichtsschreiber: Borner