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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.180/2004 /rov 
 
Urteil vom 4. Juni 2004 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Zbinden. 
 
Parteien 
B.________ (Ehemann), 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher 
Dieter Caliezi, 
 
gegen 
 
2. Zivilkammer des Appellationshofes des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern. 
 
Gegenstand 
Art. 29 und 9 BV (unentgeltliche Rechtspflege), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Appellationshofes des Kantons 
Bern vom 31. März 2004. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Im Eheschutzverfahren der Eheleute A.________ (Ehefrau) und B.________ (Ehemann) wies der Appellationshof des Kantons Bern mit Urteil vom 31. März 2004 die Nichtigkeitsklagen beider Ehegatten sowie das vor zweiter Instanz gestellte Gesuch des Ehemannes um unentgeltliche Prozessführung mangels Bedürftigkeit ab. 
 
Der Ehemann führt staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV sowie Art. 9 BV in Verbindung mit Art. 77 ZPO/BE im Wesentlichen mit den Begehren, das Urteil des Appellationshofs betreffend Erteilung des Rechts auf unentgeltliche Prozessführung vom 31. März 2004 aufzuheben und ihm für das bundesgerichtliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren. 
 
Der Appellationshof räumt in seiner Vernehmlassung einen Irrtum bei der Berechnung des Bedarfs des Beschwerdeführers ein. 
2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, der Appellationshof habe in seinem Urteil das Bruttoeinkommen inkl. aller Zuschläge und Anteil 13. Monatslohn mit Fr. 7'725.-- angegeben. Bei der Berechnung des Zwangsbedarfs habe er in den Erwägungen zuerst die Wohnkosten von Fr. 1'058.--, die Krankenkassenbeiträge von Fr. 268.--, die Unterhaltsbeiträge von Fr. 2'800.--, den Hypothekarzins für die Familienwohnung von Fr. 1'222.--, die Sozialabgaben von Fr. 994.50, die Kosten für den Arbeitsweg von Fr. 150.-- sowie die Steuern von Fr. 1'500.-- berücksichtigt, was zusammengerechnet einen Betrag von Fr. 7'992.50 ergebe. Unter Hinzurechnung des Grundbetrages von Fr. 1'000.-- sowie des prozessualen Zuschlages von Fr. 300.-- ergebe sich ein Gesamtbetrag von Fr. 9'292.50. In der anschliessenden Zusammenstellung habe der Appellationshof die Wohnkosten von Fr. 1'058.-- sowie die Sozialabgaben von Fr. 994.50.--, d.h. insgesamt Fr. 2'052.50 nicht berücksichtigt. Unter Wohnkosten seien in der Tabelle fälschlicherweise die Unterhaltszahlungen an die Familie bezeichnet worden (Fr. 2'800.--). Aufgrund des Fehlers sei der Appellationshof irrtümlicherweise von einem Überschuss ausgegangen. Bei einer Gegenüberstellung von Einkommen und prozessualem Zwangsbedarf resultiere jedoch ein ungedeckter Betrag von Fr. 1'567.50 (Fr. 7'725.-- ./. Fr. 9'292.50), womit die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers in willkürlicher Anwendung von Art. 77 ZPO/BE bzw. in Verletzung von 29 Abs. 3 BV zu Unrecht verneint worden sei. 
2.1 Der Beschwerdeführer legt in der Beschwerde nicht dar, inwiefern ihm die Bestimmung von Art. 77 ZPO/BE einen umfassenderen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege gewährt als Art. 29 Abs. 3 BV (BGE 124 I 1 E. 2). Die Beschwerde wird daher einzig im Lichte von Art. 29 Abs. 3 BV behandelt. 
2.2 Nach der Rechtsprechung zu Art. 4 aBV, die sich ohne weiteres auf Art. 29 Abs. 3 BV übertragen lässt, gilt als bedürftig, wer die Kosten eines Prozesses nicht aufzubringen vermag, ohne die Mittel anzugreifen, deren er zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes für sich und seine Familie bedarf. Die prozessuale Bedürftigkeit beurteilt sich nach der gesamten wirtschaftlichen Situation des Rechtsuchenden im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs. Dazu gehören einerseits sämtliche finanziellen Verpflichtungen, anderseits die Einkommens- und Vermögensverhältnisse (BGE 120 Ia 179 E. 3a S. 181; 124 I 1 E. 2a S. 2, je mit Hinweisen). Bei der Ermittlung des notwendigen Lebensunterhaltes soll nicht schematisch auf das betreibungsrechtliche Existenzminimum abgestellt, sondern den individuellen Umständen Rechnung getragen werden. Ein allfälliger Überschuss zwischen dem zur Verfügung stehenden Einkommen und dem Zwangsbedarf der Gesuch stellenden Partei ist mit den für den konkreten Fall zu erwartenden Gerichts- und Anwaltskosten in Beziehung zu setzen (BGE 118 Ia 369 E. 4a S. 370 f.); dabei sollte es der monatliche Überschuss ihr ermöglichen, die Prozesskosten bei weniger aufwändigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre zu tilgen. Entscheidend ist zudem, ob die Gesuch stellende Partei mit dem ihr verbleibenden Überschuss in der Lage ist, die anfallenden Gerichts- und Anwaltskostenvorschüsse innert absehbarer Zeit zu leisten (BGE 109 Ia 5 E. 3a S. 9 mit Hinweisen; 118 Ia 369 E. 4a S. 370). Das Bundesgericht prüft frei, ob die Kriterien zur Bestimmung der Bedürftigkeit zutreffend gewählt worden sind, während seine Kognition in Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Behörde auf Willkür beschränkt ist (BGE 119 Ia 11 E. 3a S. 12 mit Hinweis). 
2.3 Der Appellationshof hat den Ausführungen des Beschwerdeführers zugestimmt. Wie das Bundesgericht selbst feststellen kann, treffen die Vorwürfe zu. Damit aber hat der Appellationshof die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers zu Unrecht verneint, zumal aus der Gegenüberstellung des Einkommens und des prozessualen Zwangsbedarfs in der Tat nicht ein Überschuss, sondern ein ungedeckter Betrag von Fr. 1'567.50 resultiert, was dem Beschwerdeführer verunmöglicht, die Prozesskosten innert eines Jahres zu tilgen. Damit ist die staatsrechtliche Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit damit die unentgeltliche Prozessführung verweigert worden ist. 
3. 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Der Kanton Bern hat indes den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 OG). Damit wird das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht 
im Verfahren nach Art. 36a OG
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil der 2. Zivilkammer des Appellationshofs des Kantons Bern vom 31. März 2004 aufgehoben, soweit damit das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Prozessführung abgewiesen worden ist. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Der Kanton Bern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der 2. Zivilkammer des Appellationshofes des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 4. Juni 2004 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: