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[AZA 7] 
I 60/00 Gb 
 
II. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Ferrari und nebenamtlicher 
Richter Maeschi; Gerichtsschreiberin Bucher 
 
Urteil vom 4. Juli 2000 
 
in Sachen 
M.________, 1946, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Gemperli, Oberer Graben 42, St. Gallen, 
 
gegen 
IV-Stelle des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Kasernenstrasse 4, Herisau, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Verwaltungsgericht von Appenzell Ausserrhoden, Trogen 
 
A.- Der 1946 geborene M.________ war als Hilfsarbeiter bei der Firma K.________ angestellt gewesen. Die Stelle wurde ihm am 29. November 1995 wegen Auftragsmangels und ungenügender Arbeitsleistung auf Ende Februar 1996 gekündigt. 
Am 10. Juli 1996 meldete er sich wegen eines Rückenleidens sowie Magen- und Herzbeschwerden mit dem Begehren um berufliche Eingliederungsmassnahmen und Zusprechung einer Rente bei der Invalidenversicherung an. Auf Grund einer ersten Anmeldung vom 3. März 1992 waren ihm wegen Schwerhörigkeit zwei Hörgeräte abgegeben worden. Das Kantonale Spital X.________, wo der Versicherte vom 5.-26. Mai 1995 hospitalisiert war, diagnostizierte einen Diabetes mellitus Typ II, eine Hyperurikämie sowie elektrokardiographisch einen inkompletten Linksschenkelblock. Dr. med. 
G.________ erachtete den Versicherten im bisherigen Beruf als beeinträchtigt und bezeichnete die Ausübung einer körperlich leichteren Tätigkeit als angezeigt (Bericht vom 9. August 1996). Dr. med. S.________, Leitender Arzt Innere Medizin am Kantonalen Spital X.________, stellte einen Diabetes mellitus, degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule und eine leichte Skoliose sowie eine Adipositas permagna fest und schätzte die Arbeitsfähigkeit im bisherigen Beruf auf höchstens 50 % (Bericht vom 14. Mai 1997). Auf Rückfrage der IV-Stelle gab er für eine körperlich leichtere Tätigkeit, beispielsweise als Maschinenführer, für leichte Montagearbeiten, Kurierdienste oder leichte Magazinerarbeiten, eine Arbeitsfähigkeit von mindestens 70 % an. Die mit einer Abklärung beauftragte Berufsberaterin der IV-Stelle stellte am 24. Februar 1998 fest, der Versicherte könne z.B. einfache Montagearbeiten ausführen oder Kurierdienste leisten, wohingegen der Einsatz als Magaziner eher fraglich sei, da er die deutsche Sprache nicht beherrsche. 
Mit leichten Montagearbeiten könne er einen Monatslohn von Fr. 3'000.- bis Fr. 3'200.- und als Hauskurier einen solchen von Fr. 2'300.- erzielen. Eine berufliche Wiedereingliederung sei aus invaliditätsfremden Gründen nicht mehr möglich. Mit Verfügung vom 26. November 1998 sprach die IV-Stelle des Kantons Appenzell Ausserrhoden dem Versicherten ab 1. Juli 1997 eine halbe einfache Invalidenrente auf Grund eines Invaliditätsgrades von 62 % zu. 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher M.________ die Zusprechung von Eingliederungsmassnahmen, eventuell einer ganzen Rente ab Februar 1997 beantragen liess, wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden mit Entscheid vom 20. Oktober 1999 unter Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung abgewiesen. 
 
C.- M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen sinngemäss mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des angefochtenen Entscheids und der Verwaltungsverfügung vom 26. November 1998 sei die IV-Stelle zu verpflichten, Eingliederungsmassnahmen durchzuführen; eventuell sei ihm eine ganze Invalidenrente mit Wirkung ab Februar 1997 zuzusprechen; ferner sei ihm die unentgeltliche Verbeiständung zu gewähren. 
Die IV-Stelle des Kantons Appenzell Ausserrhoden hat sich innert angesetzter Frist nicht vernehmen lassen, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Stellungnahme verzichtet. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Streitig und zu prüfen ist vorab, ob der Beschwerdeführer Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen in Form von Umschulung (Art. 17 IVG), allenfalls auch Berufsberatung (Art. 15 IVG) und Arbeitsvermittlung (Art. 18 IVG) hat. 
 
a) Nach Art. 17 Abs. 1 IVG hat der Versicherte Anspruch auf Umschulung auf eine neue Erwerbstätigkeit, wenn die Umschulung infolge Invalidität notwendig ist und dadurch die Erwerbsfähigkeit voraussichtlich erhalten oder wesentlich verbessert werden kann. Gemäss Art. 6 Abs. 1 IVV gelten als Umschulung Ausbildungsmassnahmen, die Versicherte nach Abschluss einer erstmaligen beruflichen Ausbildung oder nach Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ohne vorgängige berufliche Ausbildung wegen ihrer Invalidität zur Erhaltung oder wesentlichen Verbesserung der Erwerbsfähigkeit benötigen. 
 
b) Invalid im Sinne von Art. 17 Abs. 1 IVG ist der Versicherte, wenn er wegen der Art und Schwere des Gesundheitsschadens im bisher ausgeübten Beruf und in den ihm ohne zusätzliche berufliche Ausbildung offen stehenden zumutbaren Erwerbstätigkeiten eine bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbseinbusse von mindestens etwa 20 % erleidet (AHI 1997 S. 80 Erw. 1b; ZAK 1984 S. 91 oben). Bei der Beurteilung, ob die nach der Rechtsprechung geforderte Erheblichkeitsschwelle erreicht ist, sind, insbesondere bei Berufen mit tiefen Anfangslöhnen, neben den aktuellen Verdienstmöglichkeiten im Rahmen einer Prognose weitere Faktoren wie Lohnentwicklung und Aktivitätsdauer mit zu berücksichtigen (BGE 124 V 108 ff.). Die Umschulung hat den Versicherten in die Lage zu versetzen, eine seiner früheren Tätigkeit möglichst gleichwertige Erwerbstätigkeit auszuüben (BGE 122 V 79 Erw. 3b/bb, 100 V 19, je mit Hinweisen). 
Der Versicherte hat Anspruch auf eine annähernd gleichwertige, nicht dagegen auf eine höherwertige Ausbildung, es sei denn, die erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens lassen sich nur auf diese Weise hinreichend beheben (ZAK 1988 S. 467). Die Gleichwertigkeit bezieht sich nicht in erster Linie auf das Ausbildungsniveau als solches, sondern auf die nach erfolgter Ausbildung zu erwartenden Verdienstmöglichkeiten (ZAK 1988 S. 470, 1978 S. 517); bei der Beurteilung der Gleichwertigkeit ist indessen auch die mit der angestrebten Ausbildung verbundene (voraussichtliche) künftige Entwicklung der Erwerbsmöglichkeiten zu berücksichtigen (AHI 1997 S. 83; ferner BGE 124 V 108 ff.). 
2.- a) Auf Grund der ärztlichen Angaben ist anzunehmen, dass der Beschwerdeführer den bisherigen Beruf als Bauhilfsarbeiter krankheitsbedingt nicht mehr auszuüben vermag. Jedenfalls ist er im Rahmen der bisherigen Tätigkeit in einem Grad beeinträchtigt, dass die Voraussetzungen für eine Umschulung grundsätzlich gegeben sind. Dass er keine Berufslehre absolviert hat und stets als Hilfsarbeiter tätig gewesen ist, schliesst einen Anspruch nach Art. 17 Abs. 1 IVG nicht aus. Als Umschulung in Betracht fällt auch eine Anlehre oder eine Vorbereitung - beispielsweise in Form eines Sprachkurses (vgl. AHI 1997 S. 79) - auf eine andere, besser entlöhnte Tätigkeit, welche es dem Versicherten erlaubt, die mit der erforderlichen Umstellung auf eine geeignete leichtere Tätigkeit verbundene Verdiensteinbusse ganz oder teilweise auszugleichen. 
Die Verwaltung hat den Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen nicht umfassend geprüft. Die angefochtene Verfügung beschränkt sich auf die Feststellung, dass die Vermittlung eines adäquaten Arbeitsplatzes aus invaliditätsfremden Gründen zur Zeit nicht möglich sei. Die Feststellung stützt sich auf die Ausführungen der Berufsberaterin der IV-Stelle im Bericht vom 24. Februar 1998, wonach eine berufliche Wiedereingliederung des Versicherten aus invaliditätsfremden Gründen nicht mehr möglich ist. Um was für Gründe es sich dabei handelt, wird im Bericht nicht näher ausgeführt. Festgestellt wird lediglich, dass sämtliche Bemühungen der Organe der Arbeitslosenversicherung, dem Versicherten Arbeit zu vermitteln, erfolglos geblieben seien. 
Während sechs Monaten sei er in einem Beschäftigungsprogramm integriert gewesen, wo er mit Einsatz gearbeitet habe und seine Leistungen "nicht so schlecht" gewesen seien; er habe jedoch sehr einfache und wenig anspruchsvolle Arbeiten ausführen müssen. Es wird damit allenfalls eine Arbeitsvermittlung (Art. 18 IVG) als aussichtslos bezeichnet, jedoch nichts über die Notwendigkeit und die Erfolgsaussichten einer Umschulung ausgesagt. Wenn die Vorinstanz in diesem Zusammenhang auf das vorgerückte Alter des (1946 geborenen) Beschwerdeführers hinweist, so genügt dies nicht, um die Erfolgsaussichten beruflicher Eingliederungsbemühungen zu verneinen. Der Sachverhalt bedarf daher zusätzlicher Abklärungen. 
 
b) Als ungenügend abgeklärt erweisen sich auch der medizinische Sachverhalt und die Frage nach den erwerblichen Auswirkungen der diagnostizierten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Seitens des Diabetes mellitus scheint sich die Beeinträchtigung auf eine täglich zweimalige Insulin-Injektion sowie eine Fussschwellung bei längeren Gehstrecken zu beschränken. Bezüglich der andern Leiden fehlen jegliche Angaben zur Relevanz der Befunde für die Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers. Aus den Arztberichten geht insbesondere nicht schlüssig hervor, inwieweit der Beschwerdeführer auch im Rahmen einer körperlich leichteren Tätigkeit in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt ist. 
Während sich Dr. med. G.________ im Bericht vom 9. August 1996 hiezu nicht ausspricht, führt Dr. med. S.________ in der ergänzenden Stellungnahme vom 26. Juni 1997 aus, der Versicherte sei seines Erachtens für eine körperlich leichte Tätigkeit mindestens zu 70 % arbeitsfähig. Gemäss einer im Bericht der Berufsberaterin der IV-Stelle erwähnten Auskunft von Dr. med. G.________ soll der Versicherte für leichte körperliche Arbeiten sogar voll arbeitsfähig sein. 
Angesichts dieser teils unbestimmten, teils widersprüchlichen Angaben wäre die IV-Stelle zur Vornahme ergänzender Abklärungen gehalten gewesen, zumal der Versicherte im Rahmen eines Beschäftigungsprogramms der Arbeitslosenversicherung anscheinend voll gearbeitet hat. Mangels entsprechender Abklärungen lässt sich nicht zuverlässig beurteilen, inwieweit der Beschwerdeführer auch im Rahmen einer geeigneten leichteren Tätigkeit in der Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt ist und ob gegebenenfalls selbst bei voller Arbeitsfähigkeit eine invaliditätsbedingte Notwendigkeit beruflicher Eingliederungsmassnahmen zum Ausgleich allfälliger Lohnunterschiede besteht. Die Sache ist daher an die Verwaltung zurückzuweisen, damit sie ergänzende medizinische und berufliche Abklärungen, erforderlichenfalls in Form eines stationären Abklärungsaufenthaltes, vornehme und hierauf über den Anspruch des Beschwerdeführers auf berufliche Eingliederungsmassnahmen befinde. 
 
c) Nach dem Gesagten ist die Verfügung vom 26. November 1998 aufzuheben. Über den Rentenanspruch wird die Verwaltung aufgrund der Ergebnisse der vorzunehmenden Abklärungen und nach allfälliger Durchführung beruflicher Eingliederungsmassnahmen neu zu verfügen haben. Bei der Neubeurteilung des Rentenanspruchs werden, soweit erforderlich, die vom Beschwerdeführer gegen die Invaliditätsbemessung vorgebrachten Einwendungen zu prüfen sein. 
 
 
3.- Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 2 OG). Das Begehren um Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung (Art. 152 Abs. 2 OG) erweist sich damit als gegenstandslos. 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne 
gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts 
des Kantons Appenzell Ausserrhoden vom 20. Oktober 1999 sowie die Verfügung vom 26. November 
1998 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle 
 
des Kantons Appenzell Ausserrhoden zurückgewiesen 
wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der 
Erwägungen, über den Leistungsanspruch neu verfüge. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
III. Die IV-Stelle des Kantons Appenzell Ausserrhoden hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung 
 
 
von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) 
zu bezahlen. 
 
IV. Das Verwaltungsgericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden wird über eine Parteientschädigung anstelle der unentgeltlichen Verbeiständung für das vorinstanzliche 
 
 
Verfahren zu befinden haben. 
 
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht 
des Kantons Appenzell Ausserrhoden und dem Bundesamt 
für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 4. Juli 2000 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: