Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1B_68/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 5. März 2014  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Merkli, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichter Karlen, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Härri. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
vertreten durch Rechtsanwalt Werner Greiner, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen.  
 
Gegenstand 
Sicherheitshaft, 
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Vizepräsidenten des Obergerichts des Kantons Schaffhausen vom 10. Februar 2014. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
X.________ wurde 1982 geboren und ist algerischer Staatsangehöriger. 
 
Am 31. Oktober 2013 verurteilte ihn das Kantonsgericht Schaffhausen wegen Raubes und rechtswidrigen Aufenthalts in der Schweiz zu 16 Monaten Freiheitsstrafe (unbedingt), unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 245 Tagen. Zur Sicherung des Strafvollzugs ordnete es Sicherheitshaft an. Es kam zum Schluss, X.________ habe, bei einem Diebstahl ertappt, die Geschädigte gerempelt, damit er mit der Beute habe fliehen können. 
 
Dagegen erhoben X.________ und die Staatsanwaltschaft des Kantons Schaffhausen Berufung. X.________ beantragt einen vollumfänglichen Freispruch, die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von 2 ½ Jahren. 
 
B.   
Am 27. Januar 2014 ersuchte X.________ um Entlassung aus der Sicherheitshaft. 
 
Am 10. Februar 2014 wies der Vizepräsident des Obergerichts des Kantons Schaffhausen das Gesuch ab. 
 
C.   
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Entscheid des Vizepräsidenten sei aufzuheben und die Haftentlassung anzuordnen. 
 
D.   
Der Vizepräsident hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. 
 
Die Staatsanwaltschaft beantragt unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid und auf ihre Stellungnahme vom 4. Februar 2014 an den Vizepräsidenten die Abweisung der Beschwerde. 
 
X.________ hat auf eine Replik verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Gegen den angefochtenen Entscheid ist gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG die Beschwerde in Strafsachen gegeben. 
 
Ein kantonales Rechtsmittel steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 233 StPO i.V.m. Art. 380 StPO und Art. 80 BGG zulässig. 
 
Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt. 
 
Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist einzutreten. 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer bestreitet weder den dringenden Tatverdacht noch die Fluchtgefahr. Er macht geltend, die Dauer der Haft sei nicht mehr verhältnismässig.  
 
2.2. Bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit der Haftdauer ist namentlich der Schwere der untersuchten Straftaten Rechnung zu tragen. Der Richter darf die Haft nur so lange erstrecken, als sie nicht in grosse zeitliche Nähe der im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung konkret zu erwartenden Dauer der freiheitsentziehenden Sanktion rückt (vgl. Art. 212 Abs. 3 StPO). Nach der Rechtsprechung ist die Frage, ob eine Haftdauer als übermässig bezeichnet werden muss, aufgrund der konkreten Verhältnisse des einzelnen Falles zu beurteilen (BGE 133 I 270 E. 3.4.2 S. 281 f., mit Hinweisen).  
 
Die Möglichkeit der bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug gemäss Art. 86 StGB ist bei der Berechnung der mutmasslichen Dauer der Freiheitsstrafe grundsätzlich ausser Acht zu lassen, es sei denn, die konkreten Umstände des Falles würden eine Berücksichtigung ausnahmsweise gebieten. Ein Ausnahmefall kann insbesondere dann vorliegen, wenn die Voraussetzungen von Art. 86 Abs. 1 StGB aufgrund der konkreten Umstände aller Wahrscheinlichkeit nach erfüllt sein werden (Urteil 1B_23/2014 vom 31. Januar 2014 E. 2.2 mit Hinweisen). 
 
 
2.3.  
 
2.3.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 1. März 2013 und somit ca. 12 Monaten in Haft. Aufgrund des kantonsgerichtlichen Urteils muss er mit einer Freiheitsstrafe von 16 Monaten rechnen. Die Dauer der Haft ist damit noch nicht in grosse zeitliche Nähe der im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung zu erwartenden Freiheitsstrafe gerückt.  
 
2.3.2. Hat der Gefangene zwei Drittel seiner Strafe verbüsst, so ist er gemäss Art. 86 Abs. 1 StGB bedingt zu entlassen, wenn es sein Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen.  
 
Der Beschwerdeführer weist zahlreiche Vorstrafen auf. Am 27. April 2004 verurteilte ihn das Obergericht des Kantons Zürich wegen mehrfachen Diebstahls, mehrfachen Versuchs dazu, Hausfriedensbruchs, Tätlichkeiten, mehrfacher Missachtung einer ausländerrechtlichen Zwangsmassnahme und mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu 12 Monaten Gefängnis; am 1. November 2005 das Bezirksgericht Zürich wegen mehrfachen betrügerischen Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage, mehrfachen Versuchs dazu, Hinderung einer Amtshandlung und mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu 15 Monaten Gefängnis; am 19. Februar 2008 die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat wegen Diebstahls zu 49 Tagen Freiheitsstrafe; am 25. März 2009 das Bezirksgericht Zürich wegen mehrfachen Diebstahls, falscher Anschuldigung, Hinderung einer Amtshandlung, rechtswidrigen Aufenthalts, Missachtung einer ausländerrechtlichen Zwangsmassnahme, mehrfacher Missachtung der Ein- oder Ausgrenzung und mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu 22 Monaten Freiheitsstrafe; am 8. September 2010 das Bezirksgericht Bülach wegen versuchten Diebstahls, mehrfacher Missachtung der Ein- oder Ausgrenzung und mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes zu 12 Monaten Freiheitsstrafe sowie Fr. 200.-- Busse; am 2. Februar 2012 die Staatsanwaltshaft Zürich-Sihl wegen falscher Anschuldigung und rechtswidrigen Aufenthalts zu 90 Tagen Freiheitsstrafe. 
 
Der Beschwerdeführer ist somit immer wieder einschlägig rückfällig geworden. Verschiedene längere Freiheitsentzüge haben keine Wirkung gehabt. Angesichts dessen kann offensichtlich nicht gesagt werden, dass die Voraussetzungen der bedingten Entlassung nach zwei Dritteln der Strafe aller Wahrscheinlichkeit erfüllt sein werden. Die Möglichkeit einer solchen Entlassung ist hier deshalb ausser Acht zu lassen. 
 
2.3.3. Der Beschwerdeführer beruft sich auf das Urteil 1B_234/2008 vom 8. September 2008. Dort befand sich der Beschuldigte seit ca. 14 Monaten in Haft. Erstinstanzlich wurde ihm ein Freiheitsentzug von insgesamt 18 Monaten auferlegt. Das Bundesgericht befand, die Dauer der Haft sei in erhebliche zeitliche Nähe der im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung zu erwartenden Strafe gerückt und ordnete die Haftentlassung an. Dabei mass es dem Umstand wesentliche Bedeutung zu, dass einzig der Beschuldigte, nicht aber die Staatsanwaltschaft Berufung erhoben hatte, weshalb vor zweiter Instanz keine höhere Strafe ausgesprochen werden konnte (E. 4). Im vorliegenden Fall hat auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingereicht, mit der sie eine (deutlich) höhere Freiheitsstrafe beantragt. Eine solche ist somit möglich. Im vorliegenden Fall ist demnach eine andere Konstellation gegeben, weshalb das Urteil vom 8. September 2008 nicht einschlägig ist.  
 
2.4. Unter Würdigung sämtlicher Umstände kann die Dauer der Haft hier noch als verhältnismässig angesehen werden. Das Obergericht hat die Berufungsverhandlung auf den 13. März 2014 angesetzt. Sie wird also in wenigen Tagen stattfinden. Nach Fällung des obergerichtlichen Urteils wird sich zeigen, ob die weitere Inhaftierung des Beschwerdeführers zulässig ist.  
 
3.   
Die Beschwerde ist abzuweisen. 
 
Die Bedürftigkeit des Beschwerdeführers kann angenommen werden. Da die Untersuchungshaft einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt, konnte er sich zur Beschwerde veranlasst sehen. Die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gemäss Art. 64 BGG wird deshalb bewilligt. Es werden keine Kosten erhoben und dem Vertreter des Beschwerdeführers wird eine Entschädigung ausgerichtet. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. 
 
3.   
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
4.   
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Werner Greiner, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- ausgerichtet. 
 
5.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 5. März 2014 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Merkli 
 
Der Gerichtsschreiber: Härri