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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_99/2013 
 
Urteil vom 5. April 2013 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Leuzinger, Präsidentin, 
Bundesrichter Maillard, Bundesrichterin Heine, 
Gerichtsschreiberin Hofer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
D.________, vertreten durch 
Rechtsanwalt Thomas Biedermann, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Scheibenstrasse 70, 3014 Bern, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13. Dezember 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Der 1954 geborene D.________ meldete sich, nachdem er nach einer Lungenoperation unter Atembeschwerden litt, erstmals am 15. September 2000 zum Bezug einer Invalidenrente bei der IV-Stelle des Kantons Bern an. Diese wies mit Verfügung vom 17. Dezember 2001 das Leistungsbegehren ab. 
 
Das mit Neuanmeldung vom 26. März 2004 unter Hinweis auf eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes gestellte Rentengesuch beschied die IV-Stelle mit Verfügungen vom 26. November 2004 und 14. Juli 2005 wiederum abschlägig. 
 
Am 26. März 2010 meldete sich D.________ ein drittes Mal bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle klärte die medizinischen und erwerblichen Verhältnisse ab und veranlasste unter anderem eine Abklärung durch die Berufliche Abklärungsstelle (BEFAS [Bericht vom 15. Dezember 2011]). Mit Verfügung vom 11. Juli 2012 wies sie das Leistungsbegehren erneut ab. 
 
B. 
Die von D.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 13. Dezember 2012 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde lässt D.________ die Aufhebung der Verfügung vom 11. Juli 2012 und des kantonalen Gerichtsentscheids sowie die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung beantragen; eventualiter sei der Invaliditätsgrad auf 46 Prozent festzusetzen. 
Es wurden die vorinstanzlichen Akten eingeholt, aber kein Schriftenwechsel durchgeführt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
Das kantonale Gericht hat im angefochtenen Entscheid die vorliegend massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG; Art. 4 Abs. 1 IVG), der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 Abs. 1 ATSG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG) und die Ermittlung des Invaliditätsgrads nach der Einkommenvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die vorinstanzlichen Ausführungen zu den bei der Neuanmeldung analog zur Rentenrevision anwendbaren Grundsätzen (Art. 87 Abs. 2 und 3 IVV), zur Beweiswürdigung und zum Beweiswert ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 134 V 232 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a S. 352). Darauf wird verwiesen. 
 
3. 
3.1 Vorinstanz und Verwaltung haben gestützt auf die ärztlichen Unterlagen und auf den Abklärungsbericht der BEFAS vom 15. Dezember 2011 festgestellt, dass der Versicherte aufgrund der Atembeschwerden seine ehemalige Tätigkeit als Hilfsmaurer nicht mehr ausüben kann. Hingegen seien ihm einfache, serielle Arbeiten an eingestellten Maschinen, Montage-, Verpackungs- oder Ausrüstarbeiten ganztags zumutbar. Infolge vermehrter Tagesmüdigkeit und einer Anstrengungsdyspnoe könne nach einer längeren Trainingsphase von einer Leistungsfähigkeit von 80 Prozent ausgegangen werden. Aufgrund des zwischenzeitlich hinzugetretenen Nierenleidens bestehe keine längerfristige Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. 
 
3.2 Die vorinstanzliche Beweiswürdigung und die darauf beruhenden Feststellungen (E. 3.1) sind nicht offensichtlich unrichtig. Der Beschwerdeführer bringt auch nichts gegen eine Arbeitsfähigkeit von 80 Prozent vor. 
 
4. 
4.1 Für das Invalideneinkommen haben IV-Stelle und Vorinstanz auf die Schweizerische Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für Statistik (LSE 2010; Tabelle TA1, Anforderungsniveau 4, Männer, Total) abgestellt und unter Berücksichtigung der betriebsüblichen Wochenarbeitszeit sowie eines leidensbedingten Abzugs von 10 Prozent bei einer Arbeitsfähigkeit von 80 Prozent ein Invalideneinkommen von Fr. 44'038.- ermittelt. 
4.1.1 Streitig und zu prüfen ist vorliegend, in welchem Ausmass ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Leidensabzug vom statistisch ermittelten Invalideneinkommen vorzunehmen ist. Nach Auffassung des Beschwerdeführers müsste in korrekter Anwendung von Bundesrecht ein Abzug vom Tabellenlohn in Höhe von 25 Prozent vorgenommen werden, da er keine Schwerarbeit mehr verrichten und auch in einer behinderungsangepassten Tätigkeit keine volle Leistung mehr erbringen könne. Zudem sei er aufgrund der Behinderung und der langen Abwesenheit vom Arbeitsmarkt auf eine verstärkte Rücksichtnahme seitens der Vorgesetzten und Arbeitskollegen angewiesen und daher einem Arbeitgeber auf dem ersten Arbeitsmarkt praktisch nicht zumutbar. 
4.1.2 Praxisgemäss kann der Tatsache, dass persönliche und berufliche Merkmale wie etwa Art und Ausmass der Behinderung, Lebensalter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Nationalität oder Aufenthaltskategorie sowie Beschäftigungsgrad Auswirkungen auf die Höhe des Lohnes einer versicherten Person haben, durch einen Abzug vom LSE-Tabellenlohn Rechnung getragen werden. Ein (behinderungsbedingt oder anderweitig begründeter) Abzug kann aber nur vorgenommen werden, wenn im Einzelfall Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die versicherte Person wegen eines oder mehrerer der genannten Kriterien ihre gesundheitlich bedingte (Rest-)Arbeitsfähigkeit auch auf einem ausgeglichenen Arbeitsmarkt nur mit unterdurchschnittlichem Erfolg erwerblich verwerten kann (BGE 135 V 297 E. 5.2 S. 301 mit Hinweisen). 
Die Festlegung der Höhe des (im konkreten Fall grundsätzlich angezeigten) Leidensabzugs beschlägt eine typische Ermessensfrage, deren Beantwortung letztinstanzlicher Korrektur nur dort zugänglich ist, wo die Vorinstanz das Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt hat, also Ermessensüberschreitung, -missbrauch oder -unterschreitung vorliegt (BGE 137 V 71 E. 5.1 S. 72 f.). 
4.1.3 Zwar wurde mit dem sogenannten Leidensabzug ursprünglich berücksichtigt, dass versicherte Personen, welche in ihrer letzten Tätigkeit körperliche Schwerarbeit verrichtet und nach Eintritt des Gesundheitsschadens auch für leichtere Arbeiten nurmehr beschränkt einsatzfähig sind, in der Regel das entsprechende durchschnittliche Lohnniveau gesunder Hilfsarbeiter nicht erreichen. Nachdem sich hieraus ein allgemeiner behinderungsbedingter Abzug entwickelt hatte (BGE 134 V 322 E. 5.2 S. 327 mit Hinweis), der unter Berücksichtigung der bereits dargelegten persönlichen und beruflichen Merkmale (E. 4.1.2 hievor) gesamthaft zu schätzen ist, führte die gesundheitlich bedingte Unmöglichkeit, weiterhin körperlich schwere Arbeit zu verrichten, nicht automatisch zu einer weiteren Verminderung des hypothetischen Invalidenlohnes. Vielmehr ist der Umstand allein, dass nurmehr leichte körperliche Tätigkeiten zumutbar sind, kein Grund für einen zusätzlichen leidensbedingten Abzug, weil der Tabellenlohn im Anforderungsniveau 4 bereits eine Vielzahl von leichten und mittelschweren Tätigkeiten umfasst (Urteil 9C_386/2012 vom 18. September 2012 E. 5.2). Unter dem Titel Beschäftigungsgrad wird bei Männern, welche gesundheitlich bedingt lediglich noch teilzeitlich erwerbstätig sein können, ein Abzug anerkannt. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei Männern statistisch gesehen Teilzeitarbeit vergleichsweise weniger gut entlöhnt wird als eine Vollzeittätigkeit. Dagegen rechtfertigt der Umstand, dass eine grundsätzlich vollzeitlich arbeitsfähige versicherte Person gesundheitlich bedingt lediglich reduziert leistungsfähig ist, an sich keinen Abzug vom Tabellenlohn (Urteil 9C_40/2011 vom 1. April 2010 E. 2.3.1 mit Hinweisen). Dass der Versicherte ganztags arbeitsfähig, hierbei aber nur reduziert leistungsfähig ist, begründet daher keinen höheren Abzug. Erfordern bestimmte Arbeitsplätze Eigenschaften, welche der Beschwerdeführer nicht mit sich bringt oder die ihm nicht zumutbar sind (Publikumsverkehr), fallen diese ausser Betracht. Im Totalwert über alle Branchen sind im Anforderungsniveau 4 genügend Stellen enthalten, welche ihm trotz der genannten Einschränkung zumutbar sind. Das ebenfalls angeführte Erfordernis einer verstärkten Rücksichtnahme seitens der Vorgesetzten betrifft in erster Linie die Chancen, auf dem freien Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden und stellt bei Versicherten, deren verminderte Belastbarkeit bereits im Rahmen der Arbeitsfähigkeit berücksichtigt ist, kein anerkanntes eigenständiges Abzugskriterium dar. 
Die Vorbringen zum leidensbedingten Abzug vermögen nach dem Gesagten die vorinstanzlich gewährten 10 Prozent nicht als ermessens-missbräuchlich erscheinen zu lassen, weshalb der vorinstanzliche Entscheid in dieser Hinsicht Bundesrecht nicht verletzt. 
 
4.2 
4.2.1 Das kantonale Gericht geht in seinem Entscheid davon aus, es seien keine invaliditätsbedingten Gründe ersichtlich, welche eine Wiedereingliederung in der freien Wirtschaft als unrealistisch erscheinen liessen. Die im Abklärungsbericht der BEFAS genannten Umstände (langjährige Phase ohne Erwerbstätigkeit, Überzeugung des Versicherten) seien invaliditätsfremd. 
4.2.2 Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine unvollständige Abklärung des Sachverhalts vor. Diese habe nicht berücksichtigt, dass er auf dem ersten Arbeitsmarkt keine verwertbare Arbeit leisten könne. Aufgrund seiner Krankheit (exspiratorisches Pfeifen und Giemen als Folge des Lungenleidens) sei er auf ein besonders tolerantes Umfeld angewiesen und einem Arbeitgeber auf dem offenen Arbeitsmarkt kaum zumutbar. 
4.2.3 Diesem Einwand ist entgegen zu halten, dass der ausgeglichene Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) ein theoretischer und abstrakter Begriff ist. Er berücksichtigt die konkrete Arbeitsmarktlage nicht, umfasst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten auch tatsächlich nicht vorhandene Stellenangebote und sieht von den fehlenden oder verringerten Chancen Teilinvalider, eine zumutbare und geeignete Arbeitsstelle zu finden, ab (BGE 134 V 64 E. 4.2.1 S. 70; 110 V 273 E. 4b S. 276). 
4.2.4 Wenn die Vorinstanz davon ausgegangen ist, dass die Restarbeitsfähigkeit auf dem allgemeinen ausgeglichenen Arbeitsmarkt (Art. 16 ATSG) verwertbar ist, so beruht dies weder auf einer mangelhaften Feststellung des Sachverhalts noch verstösst es sonst wie gegen Bundesrecht. Denn es kann nicht gesagt werden, dass dem Versicherten eine zumutbare Tätigkeit nur in so eingeschränkter Form möglich ist, dass sie der ausgeglichene Arbeitsmarkt praktisch nicht kennt oder dass sie nur unter nicht realistischem Entgegenkommen eines durchschnittlichen Arbeitgebers möglich wäre und das Finden einer entsprechenden Stelle deshalb zum Vornherein als ausgeschlossen erscheint. Der beantragten Beweiserweiterung bedarf es nicht. 
 
4.3 Die übrigen Faktoren der Invaliditätsbemessung, so das Valideneinkommen von Fr. 68'675.-, werden weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht beanstandet. Es besteht kein Anlass für eine nähere Prüfung von Amtes wegen (BGE 125 V 413 E. 1b und 2c S. 415 ff.). 
 
4.4 Nach dem Gesagten hat die Vorinstanz bei einem Invaliditätsgrad von höchstens 36 Prozent zu Recht einen Rentenanspruch verneint (Art. 28 Abs. 2 IVG). 
 
5. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 5. April 2013 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Die Präsidentin: Leuzinger 
 
Die Gerichtsschreiberin: Hofer