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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_112/2011 
 
Urteil vom 5. August 2011 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Borella, Kernen, 
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann, 
Gerichtsschreiber Scartazzini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
P.________, 
vertreten durch Dr. G.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Stadt X.________, 
Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Ergänzungsleistung zur AHV/IV, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 30. November 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Die 1946 geborene P.________ bezog ab 1. Januar 1998 eine ganze Invalidenrente sowie Zusatzleistungen in Form von Ergänzungsleistungen. Der Anspruch auf Ergänzungsleistungen wurde in den Jahren 2000, 2004, 2006 und 2008 überprüft. Im Zusammenhang mit der periodischen Überprüfung im Jahr 2008 erfuhr die Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt X.________ (hiernach: Durchführungsstelle) am 25. Februar 2008, dass P.________ ein auf ein Freizügigkeitskonto überwiesenes Guthaben von Fr. 72'132.95 (Stand 31. Dezember 1997) und auf einem weiteren Konto ein Guthaben der Säule 3a von Fr. 37'875.40 besass. Daher setzte sie die Ergänzungsleistungen ab 1. Januar 1998 im Zuge einer Neuberechnung neu fest (Revisionsverfügungen vom 1. Juli 2008) und forderte von der Versicherten gleichzeitig die ab 1. Januar 1998 bis 31. Juli 2008 zu viel ausgerichteten Leistungen im Betrag von Fr. 86'597.- zurück (Rückerstattungsverfügung vom 1. Juli 2008). In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Einsprache reduzierte die Durchführungsstelle die Rückerstattungsforderung für die Zeit vom 1. März 2003 bis 31. Juli 2008 mit Entscheid vom 2. Februar 2009 auf Fr. 49'728.-. 
 
B. 
Die von der Versicherten dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 30. November 2010 ab. 
 
C. 
P.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen seien das Urteil der Vorinstanz sowie der Einspracheentscheid und alle Verfügungen vom 1. Juli 2008 aufzuheben. 
Die Beschwerdegegnerin, das kantonale Sozialversicherungsgericht und das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf eine Vernehmlassung. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
1.2 Der Rückforderungsanspruch unrechtmässig bezogener Leistungen erlischt mit dem Ablauf eines Jahres, nachdem die Versicherungseinrichtung davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Jahren nach der Entrichtung der einzelnen Leistung (Art. 25 Abs. 2 Satz 1 ATSG). Für den Beginn der relativen einjährigen Verwirkungsfrist ist nicht das erstmalige unrichtige Handeln und die daran anknüpfende unrechtmässige Leistungsausrichtung massgebend. Abzustellen ist auf jenen Tag, an dem das Durchführungsorgan später bei der ihm gebotenen und zumutbaren Aufmerksamkeit - etwa aufgrund eines zusätzlichen Indizes (SVR 2002 IV Nr. 2, I 678/00, S. 5 f. E. 3b) - den Fehler hätte erkennen müssen, wobei die Voraussetzungen für eine Rückforderung erfüllt zu sein haben. Dies ist der Fall, wenn alle im konkreten Einzelfall erheblichen Umstände zugänglich sind, aus deren Kenntnis sich der Rückforderungsanspruch dem Grundsatz nach und in seinem Ausmass gegenüber einer bestimmten rückerstattungspflichtigen Person ergibt. Nach der Rechtsprechung gilt in Bezug auf die Ergänzungsleistungen eine unrechtmässige Leistungsausrichtung spätestens im Rahmen der periodischen, mindestens alle vier Jahre vorzunehmenden Überprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse als erkennbar (Art. 30 ELV; Urteil 9C_482/2009 vom 19. Februar 2010 E. 3.3.2), sodass die relative einjährige Verwirkungsfrist zu laufen beginnt, sobald der Rückforderungsanspruch als solcher und betragsmässig feststeht (Urteil 9C_999/2009 vom 7. Juni 2010 E. 3.2.1). 
 
2. 
Für den Bezug von Ergänzungsleistungen hat die Gesuch stellende Person bei der Durchführungsstelle für Zusatzleistungen zur AHV/IV der Stadt X.________ ein dazu bestimmtes Formular auszufüllen. Es stellt sich somit die Frage, inwieweit aufgrund dieses Anmeldeformulars hinreichend klar war, dass darin auch Freizügigkeitsguthaben und ein 3a-Säule-Konto aufzuführen sind. Dabei hat die Vorinstanz der Beschwerdeführerin im angefochtenen Entscheid nicht vorgeworfen, sie habe im Anmeldeformular offenkundig falsche Antworten gegeben. Vielmehr ist das kantonale Gericht davon ausgegangen, sie habe die darin gestellten Fragen durch unvollständige Angaben beantwortet. Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. So mögen weder ein Freizügigkeitsguthaben noch ein Guthaben der Säule 3a während des Ansparens Steuersubstrat bilden. Indes wird spätestens mit der Auffangfrage nach "andere(n) Vermögenswerte(n)" eindeutig klar, dass die Bezügerin von Ergänzungsleistungen sämtliche Aktiven anzugeben hat, wozu auch unzweifelhaft Freizügigkeitskonti und Sparkapitalien auf einem Konto der 3. Säule gehören. 
 
3. 
Zu prüfen ist, ob und inwieweit der Rückerstattungsanspruch der Durchführungsstelle verwirkt ist. Die Vorinstanz verneinte dies mit der Begründung, eine Nachforschungspflicht der Beschwerdegegnerin im Zeitpunkt der Anmeldung bzw. anlässlich der erstmaligen Zusprechung von Ergänzungsleistungen sei zu verneinen. Auch im Sinne einer kombinatorischen Analyse der Belege der Erwerbsbiographie der Beschwerdeführerin sei eine Nachforschungspflicht nicht gegeben. 
Feststellungen einer gerichtlichen Vorinstanz, was die Parteien in einem bestimmten Zeitpunkt gewusst oder nicht gewusst haben, sind tatsächlicher Natur. Rechtsfragen sind hingegen Folgerungen, die ausschliesslich - losgelöst vom konkreten Sachverhalt - auf die allgemeine Lebenserfahrung gestützt werden, oder die Frage, ob aus festgestellten Tatsachen oder Indizien mit Recht auf bestimmte Umstände oder Rechtsfolgen geschlossen worden ist. Rechtsfrage ist namentlich auch, wie weit eine bestimmte Sorgfaltspflicht geht (SVR 2008 KV Nr. 4, K 70/06, S. 16 E. 5.4). Bei der Frage, ob der Rückerstattungsanspruch der Durchführungsstelle wegen verletzter Nachforschungspflicht verwirkt ist, handelt es sich somit um eine Rechtsfrage. 
 
3.1 Die vorinstanzliche Würdigung der konkreten Verhältnisse überzeugt. Die Beschwerdeführerin lässt ausser Acht, dass es nicht um die Frage geht, wie leicht es für die Beschwerdegegnerin gewesen wäre abzuklären, ob eine Vorsorgeversicherung bestand. Vielmehr steht die Frage im Vordergrund, ob und inwieweit die Beschwerdegegnerin Anlass gehabt hätte, weitere Abklärungen zu treffen. Auch wenn es sich bei ihr um eine "spezialisierte Behörde" handelt, wie die Beschwerdeführerin ausführt, ist nicht ersichtlich, aus welchen gerechtfertigten Gründen der allgemeinen Mitwirkungspflicht der Versicherten gegenüber der üblichen Nachforschungspflicht der Beschwerdegegnerin von vornherein geringeres Gewicht zukommen soll. 
 
3.2 Nach dem Gesagten war der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall ein Mindestmass an Kenntnis und Sorgfalt möglich, das Freizügigkeits- und Säule 3a-Konto bei der Anmeldung zu deklarieren (E. 2), insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie im Januar 1998 die entsprechenden Kontoauszüge erhalten hatte. Das erstmalige unrichtige Handeln der Beschwerdegegnerin kann ihr somit bei aller zumutbarer Aufmerksamkeit erst mit Kenntnisnahme der besagten Vermögenswerte am 25. Februar 2008 angelastet werden. Ihr Rückforderungsanspruch war demnach bei Erlass der Rückforderungsverfügung vom 1. Juli 2008 nicht verwirkt. 
 
4. 
Gemäss Einspracheentscheid vom 2. Februar 2009 bezieht sich der rückerstattungspflichtige Betrag auf die Zeit vom 1. März 2003 bis zum 31. Juli 2008. Dieser zeitliche Rückforderungsanspruch hinsichtlich des Freizügigkeitsguthabens und des Guthabens der Säule 3a ist unbestritten und für die Berechnung des rückerstattungspflichtigen Betrags massgeblich. 
 
5. 
Dem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es ist keine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 und 3 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 5. August 2011 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Scartazzini