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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
2A.564/2003 /kil 
 
Urteil vom 5. Dezember 2003 
II. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Wurzburger, Präsident, 
Bundesrichter Betschart, Hungerbühler, 
Gerichtsschreiber Uebersax. 
 
Parteien 
A.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher 
Lukas Bürge, Hirschengraben 8, 3011 Bern, 
 
gegen 
 
Fremdenpolizei der Stadt X.________, 
 
Haftgericht III Bern-Mittelland, Amthaus, 
Hodlerstrasse 7, 3011 Bern. 
 
Gegenstand 
Verlängerung der Ausschaffungshaft gemäss Art. 13b Abs. 2 ANAG
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Haftgerichts III Bern-Mittelland vom 30. Oktober 2003. 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.________, geb. ... 1971, Staatsangehöriger von Serbien und Montenegro, wurde am 15. November 1994 wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (insbesondere Handel mit Heroin) sowie Gewalt gegen Beamte zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt. Am 15. Mai 1995 wies ihn die Fremdenpolizei (heute Migrationsdienst) des Kantons Bern für unbestimmte Zeit aus der Schweiz aus. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies eine entsprechende Beschwerde am 9. November 1995 letztinstanzlich ab. 
 
Nach seiner Entlassung aus dem Strafvollzug wurde A.________ am 29. September 1998 erstmals in Ausschaffungshaft genommen, daraus aber bereits am 2. Oktober 1998 mangels Hafterstehungsfähigkeit wieder entlassen. Nachdem es den Behörden im Jahr 2003 gelungen war, ein Reisepapier zu beschaffen, ordnete die Fremdenpolizei der Stadt X.________ über A.________ im Hinblick auf eine für den 31. Juli 2003 organisierte Ausschaffung erneut Ausschaffungshaft an. Die Haftrichterin 7 am Haftgericht III Bern-Mittelland prüfte und genehmigte die Haft am 1. August 2003. Mit Urteil vom 26. August 2003 wies das Bundesgericht eine dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde ab (Verfahren 2A.367/2003). Auf Antrag des Ausländer- und Bürgerrechtsdienstes der Kantonspolizei Bern verlängerte die Haftrichterin am 30. Oktober 2003 die Ausschaffungshaft bis zum 28. Januar 2004. 
B. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 26. November 2003 an das Bundesgericht beantragt A.________, der Entscheid des Haftgerichts vom 30. Oktober 2003 über die Haftverlängerung sei aufzuheben und er sei mit sofortiger Wirkung aus der Ausschaffungshaft zu entlassen. 
 
Das Haftgericht hat unter Hinweis auf seinen Entscheid auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Fremdenpolizei der Stadt X.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die Abteilung Vollzugsunterstützung des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements beantragt für das Bundesamt für Flüchtlinge ebenfalls die Abweisung der Beschwerde. A.________ nahm die Gelegenheit nicht wahr, sich nochmals zur Sache zu äussern. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Die zuständige Behörde kann einen Ausländer gemäss den Bestimmungen von Art. 13b ff. ANAG in Ausschaffungshaft nehmen. Die Zulässigkeit der Haft setzt dabei unter anderem voraus, dass die gesetzlichen Anforderungen an die Haftbedingungen beachtet werden (vgl. Art. 13c Abs. 3 sowie Art. 13d ANAG; BGE 123 I 221; 122 II 299; 122 I 49 E. 5, 222). Gegen den kantonal letztinstanzlichen Haftrichterentscheid steht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht offen (BGE 125 II 369 E. 2b, S. 371 f., mit Hinweisen). Stehen dem Vollzug der Weg- oder Ausweisung besondere Hindernisse entgegen, so kann die Haft mit Zustimmung der kantonalen richterlichen Behörde um höchstens sechs Monate verlängert werden (Art. 13b Abs. 2 ANAG). Gegen den Verlängerungsentscheid des Haftrichters ist ebenfalls die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht zulässig (vgl. Hugi Yar Thomas, Zwangsmassnahmen im Ausländerrecht, in: Uebersax Peter/Münch Peter/Geiser Thomas/Arnold Martin [Hrsg.], Ausländerrecht. Ausländerinnen und Ausländer im öffentlichen Recht, Privatrecht, Strafrecht, Steuerrecht und Sozialrecht der Schweiz, Basel/Genf/München 2002, Rz. 7.127). Die vorliegende Beschwerde erweist sich daher als zulässig. 
1.2 Nach Art. 105 Abs. 2 OG ist das Bundesgericht an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, wenn - wie hier - eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften erhoben hat. Aus dem gleichen Grund können neue Tatsachen und neue Beweismittel, die sich nach dem haftrichterlichen Entscheid ergeben haben bzw. dem Haftrichter nicht vorlagen, nicht berücksichtigt werden (vgl. BGE 125 II 217 E. 3a S. 221; 122 I 299 E. 5d S. 310). 
2. 
Vor Bundesgericht ist einzig noch umstritten, ob der Beschwerdeführer hafterstehungsfähig ist bzw. ob die Haftbedingungen dem gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers gerecht werden und für eine zulässige Haft genügen. Nicht mehr strittig ist, dass beim Beschwerdeführer die grundsätzlichen Haftvoraussetzungen erfüllt sind, namentlich dass ein genügender Haftgrund vorliegt, die Bedingungen einer Haftverlängerung gegeben sind und die Behörden das Beschleunigungsgebot beachtet haben. Dass der Haftgrund vorliegt, hat das Bundesgericht in seinem Urteil vom 26. August 2003 denn auch bereits bestätigt; offensichtlich ist sodann, dass der Haftgrund angesichts der Renitenz des Beschwerdeführers, insbesondere aufgrund der erneuten - bereits zweiten - Vereitelung eines Ausschaffungsversuchs, weiter besteht und sich unter diesen Voraussetzungen auch die Verlängerung der Haft als zulässig erweist. Überdies lässt sich den Behörden nicht Untätigkeit vorwerfen, haben sie doch die beiden Ausschaffungsversuche jeweils innert angemessener Frist organisiert und bereiten sie nunmehr eine begleitete Ausschaffung mit einem Sonderflug vor, der für den 10. Dezember 2003 vorgesehen ist. Näher einzugehen ist daher einzig auf die umstritten gebliebene Zulässigkeit der Haftbedingungen. 
3. 
3.1 Psychische oder physische Erkrankung führt nicht ohne weiteres zur Haftentlassung. Die kantonalen Behörden haben jedoch angemessene Haftbedingungen zu gewährleisten, wobei es sich rechtfertigen kann, die Haft in einer Klinik oder in sonstigen geeigneten Räumlichkeiten zu vollziehen. Erst wenn die Haft aufgrund des Krankheitszustandes vollends unzumutbar wird, stellt sich die Frage der Hafterstehungsfähigkeit. Die kantonalen Behörden müssen die Entwicklung der konkreten Umstände, namentlich des Gesundheitszustandes des Häftlings, im Auge behalten und der Frage der Zumutbarkeit im Rahmen eines Haftentlassungsgesuches oder von Amtes wegen nachgehen; die Sperrfristen gemäss Art. 13c Abs. 4 dritter Satz ANAG gelten diesfalls nicht (vgl. dazu die Urteile des Bundesgerichts 2A.430/2002 vom 25. September 2002 und 2A.423/2001 vom 9. Oktober 2001 sowie - zur Frage der Sperrfristen - BGE 125 II 217 E. 3c/aa S. 224; Hugi Yar, a.a.O., Rz. 7.118 ff.). 
 
Obschon für einen Haftrichter an sich die Möglichkeit besteht, ergänzende Abklärungen vorzunehmen oder anzuordnen, ist doch zu berücksichtigen, dass dafür aufgrund der Behandlungsfristen von Art. 13c Abs. 2 ANAG (bei der erstmaligen Haftanordnung) bzw. Art. 13b Abs. 2 ANAG (bei der Haftverlängerung; dazu BGE 128 II 241 E. 3.5 S. 245 f.) nur eine beschränkte Zeit zur Verfügung steht. Es muss dem Haftrichter daher ein gewisser Beurteilungsspielraum dafür eingeräumt werden, ob er die ihm bekannten Umstände des Einzelfalles als derart schwerwiegend erachtet, dass er in der ihm zur Verfügung stehenden kurzen Frist vertiefte Abklärungen zum Gesundheitszustand eines Häftlings anordnet, oder ob er die Behörden zu einer entsprechenden Beobachtung während der Haft anweist (Urteil des Bundesgerichts 2A.430/2002 vom 25. September 2002, E. 3.2). 
3.2 Die Haftrichterin hat im angefochtenen Entscheid festgehalten, der Beschwerdeführer mache geltend, er sei aus der Haft zu entlassen, da er in psychischer Behandlung sei und starke Antidepressiva zu sich nehmen müsse; gemäss seinen Aussagen sei aber (offenbar) die medizinische Versorgung in der Ausschaffungshaft gewährleistet; auch hätte er die Möglichkeit gehabt, auszureisen und dadurch die Haft zu beenden. 
 
Der Beschwerdeführer verweist darauf, er habe bereits einmal im Jahre 1998 wegen mangelnder Hafterstehungsfähigkeit aufgrund psychischer Erkrankung aus der Ausschaffungshaft entlassen werden müssen. Darüber hinaus legt er ein ärztliches Zeugnis vom 23. November 2003 ein, wonach er gegenwärtig nicht mehr hafterstehungsfähig sei, da seine psychiatrisch-psychologische Betreuung völlig unzureichend sei. Dazu führt er aus, eine entsprechende Abklärung durch die Haftrichterin hätte bereits im Rahmen der haftrichterlichen Verhandlung zum gleichen Ergebnis geführt. 
3.3 Tatsächlich lagen bereits der Haftrichterin gewisse Hinweise auf den Krankheitszustand des Beschwerdeführers vor. So war aktenkundig, dass schon im Jahre 1998 psychische Beschwerden zu einer Haftentlassung geführt hatten; sodann wies der Beschwerdeführer in der haftrichterlichen Verhandlung selber darauf hin, in psychischer Behandlung zu sein und entsprechende Medikamente einzunehmen. Überdies kann entgegen der Begründung im angefochtenen Entscheid für die Frage der Haftbedingungen bzw. der Hafterstehungsfähigkeit nicht massgeblich sein, ob der Beschwerdeführer die Möglichkeit zur Ausreise gehabt und eine solche gegebenenfalls selber vereitelt hätte. Fehlt es an der Hafterstehungsfähigkeit, ändert das Verhalten des Ausländers daran nichts. 
 
Entscheidend ist hingegen, dass der Beschwerdeführer gemäss dem Protokoll der haftrichterlichen Verhandlung damals gar nicht geltend gemacht hat, nicht hafterstehungsfähig zu sein; auch der ihn bereits vor dem Haftgericht vertretende Rechtsanwalt behauptete dies nicht und stellte keinen entsprechenden Antrag, auch nicht auf Vornahme ergänzender Abklärungen. Die Haftrichterin war daher aufgrund des ihr zustehenden Beurteilungsspielraums nicht zu solchen Abklärungen verpflichtet. 
 
Das vom Beschwerdeführer dem Bundesgericht eingereichte ärztliche Zeugnis konnte der Haftrichterin ohnehin nicht bekannt sein, wurde es doch erst rund drei Wochen nach der haftrichterlichen Verhandlung erstellt und beruht es auf einer Untersuchung vom 15. November 2003, gibt also den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers rund zwei Wochen nach Fällung des angefochtenen Entscheids wieder. Das Zeugnis kann daher vom Bundesgericht als unzulässiges neues Beweismittel nicht berücksichtigt werden (vgl. E. 1.2). Es kann daher offen bleiben, ob dieses angeblich auf Initiative der Familie erstellte Arztzeugnis denselben Beweiswert hat wie das Zeugnis eines durch eine Behörde beauftragten neutralen Arztes. Ob es Anlass und Grundlage für eine ausserordentliche Haftprüfung unter Abweichung von den ordentlichen Sperrfristen geben könnte, ist nicht im vorliegenden Verfahren zu entscheiden, sondern wäre im Rahmen eines besonderen Verfahrens zu prüfen. Selbst wenn das ärztliche Zeugnis bereits der Haftrichterin vorgelegen hätte, hiesse dies im Übrigen nicht zwingend, dass der Beschwerdeführer aus der Haft hätte entlassen werden müssen. Vielmehr wäre zu prüfen gewesen, ob ein angemessener Haftvollzug, etwa in einer geeigneten Anstalt, möglich gewesen und in Frage gekommen wäre. 
3.4 Immerhin ist zu bemerken, dass die Ausschaffung, wie bereits ausgeführt, in wenigen Tagen vollzogen werden soll, was bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Haft und der Notwendigkeit einer allfälligen Verlegung des Beschwerdeführers in eine geeignete andere Anstalt berücksichtigt werden darf. 
4. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich als unbegründet und ist im Sinne der Erwägungen abzuweisen. 
 
Da der Beschwerdeführer bedürftig ist und seine Begehren nicht von vornherein aussichtslos waren, ist seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu entsprechen (vgl. Art. 152 OG). Damit sind keine Kosten zu erheben; zudem ist sein Rechtsvertreter zum unentgeltlichen Beistand zu ernennen und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Gerichtskasse zu entschädigen. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen. 
2. 
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt, und es wird ihm Fürsprecher Lukas Bürge als unentgeltlicher Rechtsbeistand beigegeben. 
3. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
4. 
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Fürsprecher Lukas Bürge, wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 1'500.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet. 
5. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Fremdenpolizei der Stadt X.________ und dem Haftgericht III Bern-Mittelland sowie dem Bundesamt für Flüchtlinge schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 5. Dezember 2003 
Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: