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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
H 29/06 {T 7} 
 
Urteil vom 6. Februar 2007 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter U. Meyer, Präsident, 
Bundesrichter Lustenberger, Seiler, 
Gerichtsschreiber Fessler. 
 
Parteien 
G.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Robert P. Gehring, Erchingerstrasse 2, 8500 Frauenfeld, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8501 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau vom 30. Dezember 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Mit Verfügungen vom 7. Dezember 2004 erhob die Ausgleichskasse des Kantons Thurgau bei der 1941 geborenen G.________ Beiträge für Nichterwerbstätige für 1999 bis 2003 sowie für die Zeit vom 1. Januar bis 31. August 2004. Bemessungsgrundlage bildeten die von der Veranlagungsbehörde für die direkte Bundessteuer gemeldeten Reinvermögen am 31. Dezember der Beitragsjahre 1999-2002. Mit Einspracheentscheid vom 17. März 2005 bestätigte die Ausgleichskasse die Beitragspflicht in der festgesetzten Höhe. 
B. 
Die Beschwerde der G.________ wies die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau nach zweifachem Schriftenwechsel mit Entscheid vom 30. Dezember 2005 ab. 
C. 
G.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, Gerichtsentscheid und Beitragsverfügungen (recte: Einspracheentscheid) seien aufzuheben. 
Die Ausgleichskasse beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht (BGG) in Kraft getreten (AS 2006 1205 ff., 1243). Da der angefochtenen Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 395 Erw. 1.2). 
2. 
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, ist nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 OG in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b OG sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
3. 
3.1 Nichterwerbstätige bezahlen je nach ihren sozialen Verhältnissen einen Beitrag von 324 (seit 1. Januar 2007: 370) bis 8400 Franken pro Jahr (Art. 10 Abs. 1 erster Satz AHVG). Die Beiträge der Nichterwerbstätigen, für die nicht der jährliche Mindestbeitrag (Art. 10 Abs. 2 AHVG) vorgesehen ist, bemessen sich aufgrund ihres Vermögens und Renteneinkommens (Art. 28 Abs. 1 erster Satz AHVV). Personen, die nicht dauernd voll erwerbstätig sind, leisten die Beiträge wie Nichterwerbstätige, wenn ihre Beiträge vom Erwerbseinkommen zusammen mit denen ihres Arbeitgebers in einem Kalenderjahr nicht mindestens der Hälfte des Beitrages nach Artikel 28 entsprechen (Art. 28bis Abs. 1 erster Satz AHVV). Nach der Verwaltungspraxis gilt die Erwerbstätigkeit als nicht dauernd, die während weniger als neun Monaten im Kalenderjahr ausgeübt wird. Als nicht voll erwerbstätig gelten Versicherte, die nicht während mindestens der halben üblichen Arbeitszeit tätig sind (Rz 2035 und 2039 der Wegleitung über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen in der AHV, IV und EO [WSN] in der seit 1. Januar 2004 geltenden Fassung). 
3.2 In Anwendung dieser Vorschriften hat die kantonale Rekurskommission die von der Ausgleichskasse verfügten Beiträge für Nichterwerbstätige für 1999-2003 sowie für die Monate Januar bis August 2004 bestätigt. Die Vorinstanz hat erwogen, die Versicherte weise seit 1999 jährliche Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit in der Höhe von Fr. 7000.- aus. Dabei handle es sich um die Entschädigung für ihr Verwaltungsratsmandat bei der Firma X.________ AG. Anderseits weise sie zum Ende der Jahre 1999 bis 2002 ein Vermögen von mehr als 2 Millionen Franken aus. Unter diesen (den vorliegenden) Umständen könne die Ausübung des Verwaltungsratsmandates für die Firma X.________ AG nicht als dauernd volle Erwerbstätigkeit betrachtet werden. Die paritätischen Beiträge auf der Entschädigung für das Verwaltungsratsmandat von Fr. 7000.- erreichten offensichtlich nicht die Hälfte der als Nichterwerbstätige mit einem Vermögen von über 2 Millionen Franken zu bezahlenden Beiträge. Die Erhebung von Nichterwerbstätigenbeiträge durch die Ausgleichskasse sei somit rechtens. 
4. 
Die Beschwerdeführerin bringt vor, es sei willkürlich, wenn sie nur wegen ihres Vermögens von über zwei Millionen Franken als Nichterwerbstätige gelten solle, während sie bei einem Vermögen von beispielsweise lediglich 100'000 Franken ohne weiteres als Erwerbstätige anerkannt würde. Im Übrigen habe sich ihre unselbständige Tätigkeit immer auf das ganze Jahr verteilt und durchaus einer mindestens halben üblichen Arbeitszeit entsprochen. Mangels Ausbildung und wegen der gesundheitlich bedingten stark reduzierten Leistungsfähigkeit sei lediglich ein sehr geringer Lohn festgesetzt worden. Dies ändere aber nichts an ihrem Status als Erwerbstätige. Die Anwendung der Bestimmungen der AHVV und der Wegleitung führe zumindest im vorliegenden Fall (relativ hohes Vermögen ohne entsprechenden Ertrag) zu einem widersinnigen Ergebnis. Es werde direkt in das Existenzminimum eingegriffen. Wie bei einer prohibitiven Besteuerung finde ein Eingriff in die Vermögenssubstanz statt, was mit der verfassungsmässigen Eigentumsgarantie unvereinbar sei. Dafür bestehe keine ausreichende Rechtsgrundlage. 
5. 
5.1 Es steht fest, dass die im Zeitraum 1999 bis August 2004 erzielten Einkommen aus unselbständiger Erwerbstätigkeit Entschädigungen für ein Verwaltungsratsmandat bildeten. Die Tätigkeit als Verwaltungsrat kann zwar als dauernd im Sinne von Art. 28bis Abs. 1 AHVV betrachtet werden. Hingegen stellt ein reines Verwaltungsratsmandat grundsätzlich keine volle Erwerbstätigkeit dar (vgl. ZAK 1980 S. 46). Dass die Beschwerdeführerin im fraglichen Zeitraum darüber hinaus auch geschäftsführende Funktionen in der Firma wahrgenommen oder eigentliche Sekretariatsaufgaben erledigt hätte, wird nicht vorgebracht. Im Übrigen fehlt eine ärztlich attestierte eingeschränkte Arbeits- und Leistungsfähigkeit für den fraglichen Zeitraum. Es kann daher offen bleiben, ob die Beschwerdeführerin ohne die angeblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen solche Aufgaben wahrgenommen hätte oder noch anderweitig erwerbstätig gewesen wäre. Die Einstufung als nicht dauernd voll Erwerbstätige im Sinne von Art. 28bis Abs. 1 AHVV und Rz 2035 und 2039 WSN ist somit nicht zu beanstanden. 
5.2 Im Weitern besteht entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin eine genügende gesetzliche Grundlage für die in Art. 28 ff. AHVV geregelte Frage, wann Versicherte, die ein Einkommen aus unselbständiger oder selbstständiger Erwerbstätigkeit erzielen, (trotzdem) als Nichterwerbstätige gelten, und wie diesfalls die Beiträge zu bemessen sind. Gemäss den im angefochtenen Entscheid nicht erwähnten Art. 10 Abs. 1 zweiter Satz und Abs. 3 erster Satz AHVG kann der Bundesrat den Grenzbetrag (324 resp. 370 Franken) nach den sozialen Verhältnissen des Versicherten erhöhen, wenn dieser nicht dauernd voll erwerbstätig ist. Er erlässt nähere Vorschriften über den Kreis der Personen, die als Nichterwerbstätige gelten, und über die Bemessung der Beiträge. Mit der im Rahmen der 9. AHV-Revision gemäss Bundesgesetz vom 24. Juni 1977 eingeräumten Kompetenz des Bundesrates, den Grenzbetrag nach den sozialen Verhältnissen des Versicherten zu erhöhen, wenn dieser nicht dauernd voll erwerbstätig ist, sollte der Kreis der an sich erwerbstätigen Versicherten, welche als Nichterwerbstätige zu gelten haben, erweitert werden. Die Festlegung des Grenzbetrages nach den sozialen Verhältnissen der versicherten Person führt zwar dazu, dass bei einer nicht dauernd vollen Erwerbstätigkeit die Höhe des Erwerbseinkommens darüber entscheidet, ob die Beiträge nach dem Vermögen und dem Renteneinkommen zu bemessen sind. Darin liegt ein zufälliges Element und es besteht die Möglichkeit der Beitragsumgehung (ZAK 1984 S. 484 Erw. 2b). Diese Folgen ergeben sich indessen unmittelbar aus dem Gesetz. An dieses sind die kantonalen Versicherungsgerichte und auch das Bundesgericht im Rahmen konventions- und verfassungskonformer Auslegung gebunden (Art. 190 BV; BGE 131 II 566 Erw. 3.2, 130 V 488 Erw. 6, 122 V 93 Erw. 5a/aa). Die Umsetzung des Gesetzgebungsauftrages durch den Verordnungsgeber in Art. 28 und 28bis AHVV mit einer innerhalb des oberen und unteren Grenzbetrages progressiv verlaufenden Beitragsbelastung kann nicht als willkürlich bezeichnet werden, wie das Eidgenössische Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: I. und II. sozialrechtliche Abteilungen des Bundesgerichts) in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (BGE 125 V 234 Erw. 3c mit Hinweisen insbesondere auf ZAK 1984 S. 484; Ueli Kieser, Alters- und Hinterlassenenversicherung, in: SBVR, 2. Aufl., S. 1264 f.). In diesem Zusammenhang kann nicht von einer prohibitiven, mit der Eigentumsgarantie gemäss Art. 29 BV und Art. 22ter aBV (vgl. zum Gehalt dieses verfassungsmässigen Rechts BGE 106 Ia 348 f. Erw. 6a) nicht vereinbaren Beitragsbemessung gesprochen werden. Ebenfalls fällt die in der Verordnung nicht näher umschriebene Voraussetzung für die Erhebung von Nichterwerbstätigenbeiträge der nicht dauernd vollen Erwerbstätigkeit im Sinne von Art. 10 Abs. 1 dritter Satz AHVG gemäss Rz 2035 und 2039 WSN weder aus dem gesetzlichen Rahmen noch widerspricht sie dem Normzweck (so schon nicht veröffentlichtes Urteil R. vom 3. Oktober 1985 [H 43/85] Erw. 2b zum Begriff der vollen Erwerbstätigkeit). Zum Argument der Beschwerdeführerin, sie habe bereits Beiträge auf ihrem Erwerbseinkommen bezahlt, ist darauf hinzuweisen, dass diese Beiträge gemäss Einspracheentscheid offenbar angerechnet worden sind. 
5.3 Schliesslich ist auch die Rüge, die Erhebung von Nichterwerbstätigenbeiträge stelle einen Eingriff ins betreibungsrechtliche Existenzminimum dar, unbegründet. Soweit eine beitragspflichtige Person bei Bezahlung des vollen Beitrags ihren Notbedarf und denjenigen ihrer Familie nicht befriedigen kann, besteht Anspruch auf Herabsetzung oder Erlass nach Art. 11 Abs. 1 AHVG. Dabei ist unter Notbedarf das Existenzminimum im Sinne des SchKG zu verstehen (BGE 120 V 274 Erw. 5a, 113 V 252 Erw. 3a, je mit Hinweisen). Besondere Umstände können allenfalls ein Abweichen vom betreibungsrechtlichen Notbedarf rechtfertigen (ZAK 1984 S. 172 Erw. 5d; nicht veröffentlichtes Urteil N. vom 22. Dezember 1994 [H 174/94] Erw. 2). Die Frage der Beitragsherabsetzung ist jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens. 
 
Der angefochtene Entscheid ist somit rechtens. 
6. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 700.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss in dieser Höhe verrechnet. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen zugestellt. 
Luzern, 6. Februar 2007 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: