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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
9C_474/2012 
 
Urteil vom 6. Mai 2013 
II. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Meyer, präsidierendes Mitglied, 
Bundesrichterinnen Pfiffner Rauber, Glanzmann, 
Gerichtsschreiber Scartazzini. 
 
Verfahrensbeteiligte 
S.________, 
vertreten durch Advokat Nicolai Fullin, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Ausgleichskasse Basel-Stadt, 
Wettsteinplatz 1, 4058 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Alters- und Hinterlassenenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 24. April 2012. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Der 1939 geborene S.________ bezog von der Invalidenversicherung wegen verschiedener Leiden ab September 1995 eine ganze Invalidenrente. Mit Verfügung vom 28. August 1996 gewährte ihm die IV-Stelle Basel-Stadt einen Beitrag an die Anschaffung eines Elektrobettes und ab August 1998 wurde ihm eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades zugesprochen. Mit Verfügung vom 8. Mai 2001 bewilligte ihm die IV-Stelle die leihweise Abgabe eines Elektrorollstuhls. Am 12. August 2004 erreichte der Versicherte das AHV-Rentenalter und bezieht seit 1. September 2004 eine ordentliche Altersrente der AHV sowie eine Hilflosenentschädigung mittleren Grades. Am 24. Januar 2006 stellte er Antrag auf finanzielle Beteiligung an einem Treppenlift beim Gartenausgang, welcher die Ausgleichskasse Basel-Stadt mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 27. Januar 2006 ablehnte. Im April 2008 gewährte ihm die Ausgleichskasse im Rahmen der in Art. 4 der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Altersversicherung (HVA; SR 831.135.1) geregelten Besitzstandsgarantie die leihweise Abgabe eines neuen Elektrobettes und übernahm gemäss Mitteilung vom 23. Juni 2009, ebenfalls im Rahmen der Besitzstandsgarantie, die Kosten für die leihweise Abgabe eines neuen Rollstuhl-Zusatzantriebes e-Fix E26 im Betrag von Fr. 12'054.40 sowie darin inbegriffen invaliditätsbedingte Anpassungen und Zubehör. 
A.b Am 3. Juni 2011 stellte der Versicherte ein Gesuch um Abgabe eines neuen Elektrorollstuhls inklusive der benötigten invaliditätsbedingten Änderungen, insbesondere eines elektrischen Sitzliftes und eines an der Hauswand zu befestigenden Kettenaufzugs. Mit Verfügung vom 1. September 2011 verneinte die Ausgleichskasse die Erteilung der Kostengutsprache für einen elektrischen Sitzlift zum neu gewährten Elektrorollstuhl Otto Bock B600, und mit Verfügung vom 9. November 2011 lehnte sie die Kostengutsprache für einen beantragten Wanddrehkran ab. Die gegen diese Verfügungen erhobenen Einsprachen wies die Ausgleichskasse mit Entscheid vom 10. Januar 2012 ab. 
 
B. 
Die dagegen geführte Beschwerde mit den Anträgen, es sei die Ausgleichskasse zu verpflichten, für die Kosten eines elektrischen Sitzliftes als Zubehör zum Elektrorollstuhl und eines Wanddrehkrans aufzukommen, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 24. April 2012 ab. 
 
C. 
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Entscheides sei die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, für die Kosten eines elektrischen Sitzliftes als Zubehör zum Elektrorollstuhl aufzukommen. 
Ausgleichskasse, Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen haben von einer Vernehmlassung abgesehen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann unter anderem die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 132 V 393). 
 
1.2 Das kantonale Gericht hat die gesetzliche Regelung über den Anspruch auf Hilfsmittel der Alters- und Hinterlassenenversicherung (Art. 43ter Abs. 1 und Abs. 3 AHVG in Verbindung mit Art. 66ter AHVV und die gestützt darauf vom Eidgenössischen Departement des Innern [EDI] erlassene Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Altersversicherung [HVA] mit anhangsweise aufgeführter Hilfsmittelliste [HVA Anhang]; Kreisschreiben über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Altersversicherung [KSHA], gültig ab 1. Juli 2011) zutreffend dargelegt, worauf verwiesen wird. Richtig wiedergegeben hat es auch die in Art. 4 HVA normierte Besitzstandsgarantie, wonach für in der Schweiz wohnhafte Bezüger von Altersrenten, die bis zum Entstehen des Anspruchs auf eine Altersrente Hilfsmittel oder Ersatzleistungen nach Art. 21 oder 21bis IVG erhalten haben, der Anspruch auf diese Leistungen in Art und Umfang bestehen bleibt, solange die massgebenden Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind und soweit die HVA nichts anderes bestimmt (vgl. auch SVR 2003 AHV Nr. 12 S. 31 und Urteil P. vom 30. Januar 2006, H 176/05, E. 3.1 und 3.2). 
 
2. 
Hinsichtlich der vorinstanzlich beantragten Kostenübernahme eines Fassadenlifts mit Wanddrehkran hat der Beschwerdeführer den kantonalen Entscheid nicht angefochten. Streitig und zu prüfen ist somit allein, ob der mit Anmeldung vom 3. Juni 2011 - nach Erreichung des AHV-Rentenalters im August 2004 und damit einhergehender Beendigung der IV-rechtlichen Eingliederungsberechtigung - geltend gemachte Anspruch auf Abgabe eines elektrischen Sitzliftes als notwendiges Zubehör zum Elektrorollstuhl des Versicherten von der in Art. 4 HVA enthaltenen Besitzstandsgarantie erfasst wird. Der Beschwerdeführer vertritt diesen Standpunkt und rügt, die Vorinstanz habe Bundesrecht verletzt, indem sie ihm diese Kostenvergütung verweigert habe. Die Besitzstandswahrung müsse auch das Zubehör zum Rollstuhl umfassen, damit dieser bestimmungsgemäss eingesetzt werden könne. 
 
3. 
Die sich stellende Frage ist im Lichte der geltenden Rechtsprechung, an der festzuhalten ist, zu beurteilen. Danach wird der Rechtssinn des Art. 4 HVA überschritten, wenn in die Besitzstandsgarantie auch Leistungen miteinbezogen werden, welche die versicherte Person vor Erreichen des Schlussalters auf Grund ihrer Invalidität noch nicht hatte beanspruchen müssen und die nunmehr im Alter wegen zunehmender Verschlechterung der gesundheitlichen Verhältnisse nötig werden. Im Übrigen gehen auch neu entstehende Mehraufwendungen für Anpassungen, die von den bisher übernommenen invaliditätsbedingten Abänderungen begrifflich unterschieden werden können, über die Besitzstandsgarantie hinaus (SVR 2003 AHV Nr. 12 S. 31 und Urteil P. vom 30. Januar 2006, H 176/05, E. 3.1 und 3.2). 
 
3.1 Der Beschwerdeführer macht im Wesentlichen geltend, der beantragte Sitzlift sei wegen der geänderten technischen Gegebenheiten notwendig. Er brauche ihn, damit er den Rollstuhl frei in- und ausserhalb seiner Wohnung gebrauchen könne. Ohne den Sitzlift sei der Rollstuhl im Freien nicht benutzbar. Sowohl der neue als auch der alte ihm gewährte Rollstuhl seien ihm nicht angepasst worden. Im Rahmen der Besitzstandsgarantie seien von der Ausgleichskasse gemäss Mitteilung vom 23. Juni 2009 die Kosten für die leihweise Abgabe eines neuen Rollstuhl-Zusatzantriebes e-Fix E26 übernommen worden. Gleichermassen sei für die Benutzung des neuen Elektrorollstuhls Otto Bock B600 der beantragte elektrische Sitzlift notwendig, sodass es gesetzeswidrig wäre, diesen nicht ebenfalls als in der Besitzstandsgarantie erfasste Leistung zu betrachten. Mit diesem Sitzlift werde der Sitz des Rollstuhls angehoben (elektrische Sitzhöhenverstellung um 30 cm). Er könne den Rollstuhl im Freien ohne diesen Sitzlift nicht benutzen, weil die Fussraster auf unebenem Grund auflaufen, was unter Umständen gar zum Überschlagen des Fahrzeugs führen könne. 
 
3.2 Das kantonale Gericht hat erwogen, der elektrische Sitzlift werde in der HVA-Liste nicht aufgeführt und der Beschwerdeführer könne sich auch nicht auf die Besitzstandsgarantie gemäss Art. 4 HVA berufen. Gemäss Mitteilung vom 23. Juni 2009 seien die Kosten für die leihweise Abgabe eines neuen Rollstuhl-Zusatzantriebes e-Fix E26 übernommen und die invaliditätsbedingten Anpassungen sowie das Zubehör klar definiert worden. Im Übrigen habe die Beschwerdegegnerin aber nichts Neues zugestanden. Auch die bundesgerichtliche Praxis, wonach Leistungen, die wegen zunehmender Verschlechterung der gesundheitlichen Verhältnisse nötig werden, nicht berücksichtigt werden können, spreche gegen eine erfolgreiche Berufung auf die Besitzstandsgarantie. 
 
3.3 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers, welcher geltend macht, der beanspruchte Sitzlift verfolge das gleiche Ziel wie der 2009 gewährte Rollstuhl-Zusatzantrieb, geht aus den Akten hervor, dass die fragliche Vorrichtung dank der Möglichkeit einer elektrischen Sitzhöhenverstellung um 30 cm (bis 180 kg) eine Transferhilfe darstellt, welche gegebenenfalls im HVI-Bereich unter den Hilfsmitteln am Arbeitsplatz oder im Aufgabenbereich subsumiert werden könnte, dass jedoch diese Leistungskategorie für Versicherte nach Erreichung des AHV-Alters keine Rolle mehr spielen kann. In Frage käme weiter in der Kategorie der Hilfsmittel für die Selbstsorge gemäss Rz. 14 der Hilfsmittelliste zur HVI ein "Krankenheber". Die Hilfsmittelliste zur HVA kennt aber unbestrittenermassen auch dieses Hilfsmittel und die entsprechende Kategorie nicht. Die beanspruchte Leistung konnte durch die Ausgleichskasse somit nicht aus diesen Gründen übernommen werden. Des Weiteren trifft es offenkundig nicht zu, wonach sowohl der neue als auch der alte dem Beschwerdeführer gewährte Rollstuhl nicht angepasst worden seien. Schon bei der Abklärung durch die SAHB im Jahr 2001 (Bericht an die IV-Stelle vom 27. April 2001) war auf die Besonderheiten des Beschwerdeführers abgestellt und ein angepasstes, verstärktes Rollstuhl-Modell gewährt worden, das "sowohl im Aussenbereich als auch in der Wohnung" bei horizontaler Verschiebung gebraucht werden konnte. Dasselbe gilt für den neuen Rollstuhl. 
 
3.4 Hingegen ist aus den Akten ersichtlich, dass der Versicherte schon vor Erreichen des AHV-Alters auf Behelfe, welche die vertikale Verschiebung ermöglichen, angewiesen gewesen war, sowohl im Bettbereich als auch im Sanitärbereich. Mit dem Ersatz für den bisherigen Rollstuhl wurde es notwendig, schon dieses vorbestandene Problem der Überwindung von Höhendifferenzen mit dem Rollstuhl technisch zu lösen. Währenddem mit dem bisherigen Rollstuhl im Innen- und im Aussenbereich punkto vertikale Verschiebung noch ein befriedigendes Resultat erzielt werden konnte, benötigt der Beschwerdeführer heute den Sitzlift, um den neuen Rollstuhl im Freien benützen zu können. Der Hilfsbedarf bei der höhenmässigen Verlagerung bestand somit seit jeher, sodass der Sitzlift damit nicht wegen eines veränderten Gesundheitszustandes, sondern wegen den geänderten technischen Gegebenheiten notwendig ist. 
Aus dem Gesagten geht hervor, dass sein neu geltend gemachter Anspruch im Rahmen der in Art. 4 HVA gewährten Besitzstandwahrung bleibt, hat doch der Versicherte bereits vor Eintritt ins Rentenalter technische Hilfevorrichtungen benötigt, um sich in der Vertikalen (fort-) zu bewegen. Der Entscheid der Vorinstanz, der beantragte Sitzlift sei als ein Hilfsmittel ausserhalb des in Art. 4 HVA gewährten Besitzstandes zu qualifizieren, ist somit bundesrechtswidrig. 
 
4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 24. April 2012 und die Verfügung der Ausgleichskasse Basel-Stadt vom 1. September 2011 werden, soweit letztinstanzlich noch streitig, aufgehoben. Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf einen elektrischen Sitzlift zum Elektrorollstuhl Otto Bock B600. Die Beschwerdegegnerin wird über diesen Anspruch in masslicher Hinsicht befinden. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Ausgleichskasse Basel-Stadt auferlegt. 
 
3. 
Die Ausgleichskasse Basel-Stadt hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.- zu entschädigen. 
 
4. 
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und der Parteientschädigung des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt zurückgewiesen. 
 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 6. Mai 2013 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Das präsidierende Mitglied: Meyer 
 
Der Gerichtsschreiber: Scartazzini