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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
U 178/02 
 
Urteil vom 7. Februar 2003 
III. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Borella, Bundesrichter Lustenberger und Kernen; Gerichtsschreiberin Schüpfer 
 
Parteien 
A.________, 1980, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hans Schmidt, Ulrichstrasse 14, 8032 Zürich, 
 
gegen 
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz 
 
(Entscheid vom 17. April 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
A.________, geboren 1980, absolvierte seit August 1996 eine Lehre als Motorradmechaniker in einem der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) unterstellten Betrieb. Mit Unfallmeldung vom 3. September 1999 teilte die Arbeitgeberin der SUVA mit, der Versicherte habe (vermutlich) versehentlich aus einer mit Methadon versetzten Cola-Flasche getrunken und daraufhin bewusstlos während drei Tagen, vom 14. bis 16. August 1999, auf seinem rechten Arm gelegen, womit er sich eine Druckschädigung zugezogen habe. Dem Bericht der Medizinischen Klinik des Stadtspitals W.________ vom 26. August 1999 ist zu entnehmen, dass A.________ am 16. August 1999 in soporösem Zustand bei Mischintoxikation mit Benzodiazepinen, Kokain, Heroin, Methadon und Cannabis eingeliefert worden sei. Die SUVA klärte in der Folge den Sachverhalt ab und führte dabei auch eine Befragung von A.________ selbst und dessen Mutter durch. Mit Verfügung vom 12. Juni 2001 verneinte die Versicherung ihre Leistungspflicht, weil weder ein Unfall im Rechtssinne noch eine unfallähnliche Körperschädigung vorliege. Der Versicherte habe nicht glaubhaft nachweisen können, dass er den Drogencocktail unfreiwillig eingenommen habe. Hieran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 31. August 2001 fest. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 17. April 2002 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt A.________ die Ausrichtung der gesetzlichen Leistungen beantragen. 
 
Die SUVA und die Vorinstanz schliessen auf Abweisung der Beschwerde, während sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lässt. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Nach Art. 6 Abs. 1 UVG werden die Versicherungsleistungen, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, bei Berufsunfällen, Nichtberufsunfällen sowie Berufskrankheiten gewährt. Als Unfall gilt die plötzliche, nicht beabsichtigte schädigende Einwirkung eines ungewöhnlichen äusseren Faktors auf den menschlichen Körper (Art. 9 Abs. 1 UVV). Das Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit bezieht sich nicht auf die Wirkung des äusseren Faktors, sondern nur auf diesen selber. Ohne Belang für die Prüfung der Ungewöhnlichkeit ist somit, dass der äussere Faktor allenfalls schwerwiegende, unerwartete Folgen nach sich zog. Der äussere Faktor ist ungewöhnlich, wenn er den Rahmen des im jeweiligen Lebensbereich Alltäglichen oder Üblichen überschreitet. Ob dies zutrifft, beurteilt sich im Einzelfall, wobei grundsätzlich nur die objektiven Verumständungen in Betracht fallen (BGE 122 V 233 Erw. 1, 121 V 38 Erw. 1a, je mit Hinweisen). Mit dem Erfordernis der Plötzlichkeit ist zwar nicht notwendig verbunden, dass die schädigende Einwirkung auf einen blossen Augenblick beschränkt sei, wohl aber muss sie plötzlich eingesetzt haben und eine einmalige gewesen sein (EVGE 1943 S. 69). 
1.2 Die einzelnen Umstände des Unfallgeschehens sind nach der unter altem Recht zum Unfallbegriff ergangenen Rechtsprechung, welche auch für den Unfallbegriff gemäss der erwähnten Legaldefinition nach neuem Recht gilt, glaubhaft zu machen. Kommt die Person, die eine Leistung verlangt, dieser Forderung nicht nach, indem sie unvollständige, ungenaue oder widersprüchliche Angaben macht, die das Bestehen eines unfallmässigen Schadens als unglaubwürdig erscheinen lassen, besteht keine Leistungspflicht der Unfallversicherung. Im Streitfall obliegt es dem Gericht, zu beurteilen, ob die einzelnen Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllt sind. Der Untersuchungsmaxime entsprechend hat es von Amtes wegen die notwendigen Beweise zu erheben und kann zu diesem Zwecke auch die Parteien heranziehen. Wird auf Grund dieser Massnahmen das Vorliegen eines Unfallereignisses nicht wenigstens mit Wahrscheinlichkeit erstellt - die blosse Möglichkeit genügt nicht -, so hat dieses als unbewiesen zu gelten, was sich zu Lasten der den Anspruch erhebenden Person auswirkt (BGE 116 V 140 Erw. 4b, 114 V 305 Erw. 5b, 111 V 201 Erw. 6b; RKUV 1990 Nr. U 86 S. 50). 
1.3 Die Verwaltung als verfügende Instanz und - im Beschwerdefall - das Gericht dürfen eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von ihrem Bestehen überzeugt sind (Kummer, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4. Aufl., Bern 1984, S. 136). Im Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen nicht. Der Richter und die Richterin haben vielmehr jener Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die sie von allen möglichen Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigen (BGE 126 V 360 Erw. 5b, 125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen). 
Das Abstellen auf bloss glaubhaft gemachte Sachverhaltsbehauptungen ist im Lichte des Beweismasses der überwiegenden Wahrscheinlichkeit grundsätzlich nicht gerechtfertigt (vgl. BGE 121 V 209 Erw. 6b). 
2. 
Streitig und zu prüfen ist, ob es sich beim Ereignis in der Nacht vom Freitag dem 13. auf Samstag den 14. August 1999 um einen Unfall im Sinne von Art. 9 UVV gehandelt hat. 
2.1 Das kantonale Gericht legt unter Hinweis auf den angefochtenen Einspracheentscheid dar, dass der Konsum von illegalen Drogen vorliegend keinen ungewöhnlichen Faktor darstellt, weil der Beschwerdeführer unbestrittenermassen ein regelmässiger Drogenkonsument war und entsprechende Substanzen daher in seinem Lebensbereich wenn nicht alltäglich, dann doch üblich waren. Das gilt offenbar auch für den Verbrauch von mehreren Wirkstoffen gleichzeitig. Sein Hausarzt, Dr. med. B.________, Facharzt FMH für Innere Medizin, schreibt in seiner Auskunft vom 12. Oktober 2000 von einer langjährigen Polytoxikomanie (Heroin, Kokain, Benzodiazepin, Cannabis). Vorliegend kann also nur dann von einem ungewöhnlichen Faktor und damit von einem Unfallgeschehen ausgegangen werden, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Beschwerdeführer nicht wusste, was die angebrochene Cola-Flasche im Kühlschrank enthielt, es auch nach dem ersten Schluck nicht wissen musste und dass er das Getränk nicht zu sich genommen hätte, wenn er gewusst hätte, dass es Methadon enthielt. 
2.2 Der Vorinstanz ist beizupflichten, dass die Frage, ob ein Irrtum vorgelegen hat oder nicht, primär ein innerer Vorgang ist, welcher sich heute einer Überprüfung naturgemäss entzieht. Dies zum einen, weil nunmehr jede Aussage des Beschwerdeführers bewusst oder unbewusst vom Wissen um die versicherungsrechtlichen Konsequenzen einer Aussage beeinflusst wird. Zum anderen hat er selbst - angesichts der Intoxikation, welche noch nach Tagen in seinem Blut nachgewiesen worden ist - glaubwürdig dargetan, dass er sich an kaum mehr etwas erinnern kann, was an diesem Abend bzw. während der Nacht geschehen war (vgl. auch Erwägung 3.2 hiernach). 
2.3 Objektiv steht fest, dass der Beschwerdeführer neben dem vorliegend zur Diskussion stehenden Methadon auch Kokain, Heroin und Cannabis konsumiert hat. Nach eigenen Angaben hatte er während eines Italien-Aufenthaltes, welcher bis am Freitag, dem 13. August 1999 gedauert hatte, lediglich Cannabis geraucht. Die weiteren Drogen muss er demnach im Verlaufe des Abends zu sich genommen haben, bevor er die Methadon-Cola aus dem Kühlschrank seiner Mutter trank. Weiter ist mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er aus dem Vorrat seiner Mutter zwei Rohypnol-Tabletten eingenommen hatte, wurde bei ihm bei Spitaleinlieferung doch auch eine Intoxikation mit Benzodiazepinen (zu denen das unter dem Markennamen Rohypnol verkaufte Hypnotikum gehört; vgl. Arzneimittel-Kompendium der Schweiz 1997, S. 1930 f.) festgestellt. Rohypnol, welches Medikament auch als Schlafinduktor für die Anästhesiologie verwendet wird (vgl. Arzneimittel-Kompendium a.a.O.), hat insbesondere in Zusammenwirken mit anderen Drogen oder Alkohol eine gefährlich verstärkte Wirkung. Es wird auch davor gewarnt, dass eine Überdosierung von Rohypnol zu Schläfrigkeit, Benommenheit, Koma, Dämpfung der Atmung und der Reflexaktivität führen kann. Ob es neben dem Konsum von Heroin, Kokain, Cannabis und zwei Rohypnol-Tabletten - wobei auch der Beschwerdeführer nicht behauptet, dass er all diese Stoffe versehentlich zu sich genommen hat - überhaupt noch Methadon brauchte, um als Teilursache für den schädigenden komatösen Zustand zu gelten, kann aber offen bleiben, nachdem - wie zu zeigen sein wird - nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass das Methadon unbeabsichtigt eingenommen worden ist. 
3. 
3.1 Der Beschwerdeführer argumentiert, die Vorinstanz habe sich zu wenig mit seinen Ausführungen befasst und diese nicht widerlegt. Weder die SUVA noch das kantonale Gericht hätten einen konkreten Umstand genannt, der einen erheblichen Zweifel an seiner Darstellung des Sachverhalts rechtfertigen würde. Insbesondere sei kein Grund genannt worden, weshalb es wahrscheinlicher sein sollte, dass er absichtlich zwei Tagesrationen Methadon zu sich genommen habe, um sich damit selbst zu schädigen. Ein Irrtum sei wahrscheinlicher als Absicht. Er rügt insbesondere, der Untersuchungsgrundsatz sei vorliegend verletzt worden, indem man nicht alle Möglichkeiten weiterer Abklärungen ausgeschöpft habe. 
3.2 Mit diesen Ausführungen wird übersehen, dass eine Schädigungsabsicht gar nicht zur Diskussion steht. Der bereits mit verschiedenen Drogen berauschte Beschwerdeführer nahm nach eigenen Angaben aus dem Kühlschrank seiner Methadon konsumierenden Mutter eine angebrochene Flasche und trank deren Inhalt. Er selbst gibt an, das Getränk habe nach Sirup geschmeckt. Als Drogenkonsument und als zeitweiliger Mitbewohner bei seiner Mutter wusste er, dass Methadon mit Sirup versetzt abgegeben wird. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist die Wahrscheinlichkeit, dass er es in Kauf genommen hatte, in dieser Flasche könnten - weitere - Drogen sein, genau so gross, wie seine eigene Sachverhaltsdarstellung einer irrtümlichen Einnahme. Irgendwelche weiteren Beweismassnahmen können an diesem Resultat nichts ändern. Der Vorschlag, die vom Beschwerdeführer getrunkene Mischung mit einer Zweitagesration Methadon sei in einem Blindversuch verschiedenen Personen zu verabreichen, damit sich diese über deren Geschmack äussern können, ist geradezu als absurd zu bezeichnen. Auch kann ein Glaubwürdigkeitsgutachten in Bezug auf die beschwerdeführerischen Aussagen zu keinen neuen Erkenntnissen führen. Aus dem Protokoll vom 11. Januar 2001 über die am Vortag stattgefundene Besprechung zwischen der SUVA und dem Beschwerdeführer (in Anwesenheit von dessen Vater und dem beschwerdeführerischen Rechtsvertreter) geht insbesondere eindeutig hervor, dass sich der Beschwerdeführer einfach nicht mehr an das erinnern kann, was am Wochenende vom 13. bis 16. August 1999 geschehen war. Das ist angesichts der bei der Spitaleinlieferung am 16. August 1999 festgestellten Mischintoxikation auch nicht weiter verwunderlich. In der Befragung gab er denn auch an, dass er einzig noch das Bild der Cola-Flasche vor Augen habe. Seine Mutter habe ihm auch gesagt, dass er aus dieser Flasche getrunken habe. Damit ist es zwar möglich, dass er keine Ahnung vom Inhalt der Flasche hatte und diesen im Sinne einer "ungewöhnlichen äusseren Einwirkung" zu sich nahm. Dieser Sachverhalt ist indessen nicht überwiegend wahrscheinlich und kann auch nicht überzeugend bewiesen werden. Es muss bei der vorinstanzlichen Erkenntnis der Beweislosigkeit und deren Folgen sein Bewenden haben. 
 
Dies gilt nicht nur für die Einnahme des Methadon an sich. Im Weiteren müsste auch noch bewiesen werden, dass der Beschwerdeführer die Substanz innert relativ kurzer Frist zu sich genommen hatte, um dem Kriterium der Plötzlichkeit zu genügen. Die Mutter des Beschwerdeführers sah die leere Cola-Flasche erst am Samstag Abend leer im Bett ihres Sohnes liegen. In welchem Zeitraum der Inhalt konsumiert wurde, lässt sich überhaupt nicht mehr beweisen, was ebenfalls zu Lasten des anspruchsbehauptenden Beschwerdeführers geht. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
2. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 7. Februar 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der III. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: