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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
8C_1009/2010 
 
Urteil vom 7. April 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, 
Gerichtsschreiberin Hofer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
S.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Andrea Cantieni, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Glarus, 
Burgstrasse 6, 8750 Glarus, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 10. November 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a S.________, geboren 1958, erlitt am 13. Januar 1998 einen Verkehrsunfall, bei dem er sich eine Distorsion der Halswirbelsäule zuzog. Im November 1998 meldete er sich erstmals bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gestützt auf das polydisziplinäre Gutachten der medizinischen Abklärungsstelle (MEDAS) am Spital X.________ vom 30. März 2000 sprach ihm die IV-Stelle Glarus bei einem Invaliditätsgrad von 64 % eine halbe Invalidenrente zu. 
 
Nachdem S.________ am 17. April 2004 einen Schlaganfall erlitten hatte, erhöhte die IV-Stelle den Anspruch bei einem Invaliditätsgrad von 100 % mit Wirkung ab 1. Juli 2004 auf eine ganze Invalidenrente (Verfügung vom 4. August 2006). 
A.b Im Februar 2007 führte die IV-Stelle von Amtes wegen ein Revisionsverfahren durch. Gestützt auf das in diesem Rahmen eingeholte Gutachten der MEDAS vom 25. Januar 2008 und den Bericht ihres Regionalen Ärztlichen Dienstes (RAD) vom 28. März 2008 stellte sie mit Verfügung vom 23. Juli 2008 die Leistungen ein. Diese Verfügung erwuchs in Rechtskraft. 
A.c Am 11. März 2009 wurde S.________ mit akuten Herzbeschwerden ins Spital G.________ eingeliefert. Von dort wurde er anderntags in die Kardiologie des Spitals T.________ verlegt, wo eine koronare Zweigefässerkrankung diagnostiziert wurde, welche mittels Stent behandelt werden konnte. Vom 7. April bis 5. Mai 2009 erfolgte eine stationäre Behandlung im Rehabilitationszentrum E.________. 
 
Mit Schreiben vom 3. Juni 2009 ersuchte der behandelnde Hausarzt Dr. med. H.________ die IV-Stelle um Neubeurteilung des Rentenanspruchs, da sich nach dem akuten Herzinfarkt neue Aspekte ergeben hätten. Nach Eingang der Stellungnahme des RAD-Arztes vom 6. November 2009, Durchführung des Vorbescheidverfahrens und nochmaliger Beurteilung durch die RAD-Ärzte trat die IV-Stelle mangels Glaubhaftmachung neuer rentenrelevanter Tatsachen mit Verfügung vom 16. Februar 2010 auf das Leistungsbegehren nicht ein. 
 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus mit Entscheid vom 10. November 2010 ab. 
 
C. 
S.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen, mit welcher er die Aufhebung des kantonalen Entscheids und die Rückweisung der Sache zur materiellen Prüfung des Leistungsbegehrens und anschliessend neuer Verfügung beantragen lässt. 
 
Die IV-Stelle sowie das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Stellungnahme. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG) kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Dabei legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
Streitig und zu prüfen ist das vorinstanzlich als rechtens beurteilte Nichteintreten der Verwaltung auf das Leistungsbegehren vom 3./9. Juni 2009 mangels Glaubhaftmachung einer anspruchserheblichen Änderung seit der letzten verfügten materiellrechtlichen Leistungsprüfung und -verweigerung vom 23. Juli 2008 (zur zeitlichen Vergleichsbasis: BGE 130 V 71). 
 
2.1 Im kantonalen Entscheid werden die gesetzlichen Voraussetzungen des Eintretens auf eine Neuanmeldung nach früherer rechtskräftiger Leistungsverweigerung, insbesondere das Erfordernis der Glaubhaftmachung einer anspruchserheblichen Änderung gemäss Art. 87 Abs. 4 in Verbindung mit Abs. 3 IVV, zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen. 
 
2.2 Mit dem Beweismass des Glaubhaftmachens sind herabgesetzte Anforderungen an den Beweis verbunden; die Tatsachenänderung muss nicht nach dem im Sozialversicherungsrecht sonst üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 353 E. 5b S. 360) erstellt sein. Es genügt, dass für das Vorhandensein des geltend gemachten rechtserheblichen Sachumstandes wenigstens gewisse Anhaltspunkte bestehen, auch wenn durchaus noch mit der Möglichkeit zu rechnen ist, bei eingehender Abklärung werde sich die behauptete Änderung nicht erstellen lassen (9C_68/2007 vom 19. Oktober 2007 E. 4.4.1). Erheblich ist eine Sachverhaltsänderung, wenn angenommen werden kann, der Anspruch auf eine Invalidenrente sei begründet, falls sich die geltend gemachten Umstände als richtig erweisen sollten (SZS 2009 S. 397, 9C_286/2009 E. 2; 9C_616/2010 vom 12. Oktober 2010 E. 2.3). 
 
2.3 In erster Linie ist es Sache der versicherten Person, substantielle Anhaltspunkte für eine allfällige neue Prüfung des Leistungsanspruchs darzulegen (vgl. - auch bezüglich Nachfristansetzung zur Einreichung ergänzender, in der Neuanmeldung lediglich in Aussicht gestellter Beweismittel - BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 69). Wenn die der Neuanmeldung beigelegten ärztlichen Berichte so wenig substanziiert sind, dass sich eine neue Prüfung nur aufgrund weiterer Erkenntnisse allenfalls rechtfertigen würde, ist die IV-Stelle zur Nachforderung weiterer Angaben nur, aber immerhin dann verpflichtet, wenn den - für sich allein genommen nicht Glaubhaftigkeit begründenden - Arztberichten konkrete Hinweise entnommen werden können, wonach möglicherweise eine mit weiteren Erhebungen erstellbare rechtserhebliche Änderung vorliegt (zum Ganzen SZS 2009 S. 397, 9C_286/2009 E. 2.2.3). 
 
2.4 Ob eine anspruchserhebliche Änderung im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV glaubhaft gemacht ist, ist eine vom Bundesgericht unter dem Blickwinkel von Art. 105 Abs. 2 BGG überprüfbare Tatfrage. Frei zu beurteilende Rechtsfrage ist hingegen, wie hohe Anforderungen an das Glaubhaftmachen im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV zu stellen sind (Urteil 9C_68/2007 vom 19. Oktober 2007 E. 4.1; Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts I 692/06 vom 19. Dezember 2006 E. 3.1). 
 
3. 
3.1 Zum Gesundheitszustand, wie er sich im Zeitpunkt der rentenablehnenden Verfügung vom 23. Juli 2008 darbot, hält der angefochtene Entscheid fest, der Versicherte sei in seiner ursprünglichen Tätigkeit als Wirt von den Ärzten als voll arbeitsunfähig beurteilt worden. In einer leidensangepassten Tätigkeit in Wechselbelastung ohne Heben, Tragen und Transportieren von Lasten über 5 kg, ohne Verharren in Zwangshaltung, ohne Armvorhalte und Überkopfarbeiten habe hingegen eine Arbeitsfähigkeit von 80 % bestanden. Der gestützt darauf durchgeführte Einkommensvergleich habe einen Invaliditätsgrad von 28 % ergeben. 
 
3.2 Die Neuanmeldung basiert auf dem Bericht des Dr. med. H.________ vom 3. Juni 2009, welchem die Austrittsberichte des Spitals T.________ vom 13. März 2009, des Spitals G.________ vom 19. März 2009, des Spitals P.________ vom 22. April 2009 und des Rehabilitationszentrums E.________ vom 5. Mai 2009 beilagen. Nach den Feststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer damit keine seit Juli 2008 eingetretene, anhaltende Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit Auswirkung auf die erwerbliche Leistungsfähigkeit glaubhaft gemacht. Gemäss Dr. med. H.________ seien zur früheren Symptomatik diffuse Herzbeschwerden mit subjektiv eingeschränkter körperlicher Leistungsfähigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten und allgemeiner Verlangsamung gekommen. Daraus schliesse der Hausarzt auf eine volle Arbeitsunfähigkeit seit der Hospitalisation vom März 2009 selbst in einer optimal angepassten Tätigkeit. Nach den vorinstanzlichen Erwägungen enthalten die eingereichten Spitalberichte indessen keine Hinweise darauf, dass die koronare Zweigefässerkrankung einen Einfluss auf die vorbestandene erwerbliche Leistungsfähigkeit haben würde. Mit dem RAD sei vielmehr davon auszugehen, dass durch die Rehabilitationsmassnahmen eine gute kardiale Belastbarkeit habe erreicht werden können, der Myokardinfarkt letztlich somit ohne Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit geblieben sei und dem Versicherten bezogen auf den Zeitpunkt der Neuanmeldung eine leichte, gut strukturierte Tätigkeit weiterhin zumutbar sei. 
 
3.3 Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe die Ausführungen des Hausarztes als Parteiaussage abgetan und somit deutlich überspannte Anforderungen an die Glaubhaftmachung im Sinne von Art. 87 Abs. 3 IVV gestellt. Mit der von Dr. med. H.________ angeführten neuen Diagnose und den damit einhergehenden neuen Beschwerden wie Erschöpfung und allgemeine Verlangsamung seien Anhaltspunkte für den Anspruch auf eine Invalidenrente dargetan worden, welche die Verwaltung hätten veranlassen müssen, das genaue Ausmass der gesundheitlichen Beeinträchtigung durch eigene medizinische Abklärungen zu prüfen. Das kantonale Gericht habe gestützt auf die medizinischen Berichte vom Frühling 2009 eine eingehende materielle Beurteilung vorgenommen und damit Bundesrecht (Art. 95 BGG) verletzt. Überdies bringt der Beschwerdeführer vor, die Feststellung des kantonalen Gerichts, wonach die koronare Zweigefässerkrankung nur einen vorübergehenden Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit gehabt habe, beruhe auf einer offensichtlich unrichtigen Feststellung des Sachverhalts im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG und einer willkürlichen Würdigung der medizinischen Unterlagen. Weder aus dem in verschiedenen Austrittsberichten erwähnten guten Allgemeinzustand noch aus dem Ergebnis der Ergometrie könne auf ein gleichbleibendes körperliches Leistungsvermögen geschlossen werden. 
 
3.4 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat das kantonale Gericht keine überspitzten Anforderungen an die Glaubhaftmachung gestellt. Es hat die mit der Stellungnahme des Dr. med. H.________ vom 3. Juni 2009 namhaft gemachten Spitalberichte in die Beweiswürdigung miteinbezogen. Den mit der Neuanmeldung aufgelegten medizinischen Unterlagen lassen sich keine abklärungsbedürftigen Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich die gesundheitliche Situation nach Abschluss der Behandlung der im März 2009 aufgetretenen Herzprobleme in anspruchsrelevantem Ausmass verändert dargestellt hätte. Die Einschätzung des Dr. med. H.________ einer zusätzlich eingeschränkten Arbeitsfähigkeit - welche mit Blick auf dessen Behandlungs-/Therapieauftrag besonders sorgfältig zu würdigen ist (BGE 125 V 351 E. 3b/cc S. 353 mit Hinweisen) - basiert ausschliesslich auf den subjektiven Empfindungen des Versicherten. Sie steht zudem nicht im Einklang mit den auf verschiedenen Untersuchungen beruhenden Angaben im Austrittsbericht des Rehabilitationszentrums E.________ vom 5. Mai 2009, laut welchem die stationär durchgeführten Rehabilitationsmassnahmen zu einer guten körperlichen Leistungsfähigkeit geführt haben. Dass die Klinik fälschlicherweise annahm, der Beschwerdeführer sei IV-Rentner, vermag am Ergebnis nichts zu ändern. Ohne Bundesrecht zu verletzen, konnte das kantonale Gericht davon ausgehen, dass dem Beschwerdeführer - wie schon im Zeitpunkt der Rentenaufhebung vom 23. Juli 2008 - eine körperlich leichte Tätigkeit zumutbar sei. Die zu dieser Erkenntnis führende vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung ist weder offensichtlich unrichtig noch sonstwie rechtsfehlerhaft. Unbehelflich ist sodann auch der Hinweis des Versicherten auf den Untersuchungsgrundsatz; dieser spielt erst dann, wenn eine Verschlechterung des Invaliditätsgrades zumindest glaubhaft gemacht ist (BGE 130 V 64 E. 5.2.5 S. 68 f.). Da die der Verwaltung eingereichten Unterlagen nicht ausreichen, um eine solche Verschlechterung auch nur glaubhaft zu machen, hat das kantonale Gericht die Nichteintretensverfügung der Beschwerdegegnerin zu Recht bestätigt. 
 
4. 
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 7. April 2011 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Hofer