Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
 
Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
9C_843/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 7. April 2014  
 
II. sozialrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Kernen, Präsident, 
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Glanzmann, 
Gerichtsschreiber Schmutz. 
 
Verfahrensbeteiligte 
Z.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Marco Chevalier, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
IV-Stelle Basel-Stadt,  
Lange Gasse 7, 4052 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Invalidenversicherung (Invalidenrente), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 25. September 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
 
A.a. Z.________, geboren 1967, erlitt am 26. Mai 2005 bei einer Auffahrkollision eine HWS-Distorsion. Am 3. April 2006 zog er sich bei einem Sturz Verletzungen am linken Handgelenk zu. Er meldete sich am 22. August 2006 bei der IV-Stelle Basel-Stadt zum Leistungsbezug an. Diese lehnte mit Verfügung vom 12. September 2007 einen Leistungsanspruch ab. Die hiegegen gerichtete Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 17. September 2008 teilweise gut. Es wies die Sache zur Aktenergänzung und Neuverfügung an die IV-Stelle zurück.  
 
A.b. Die IV-Stelle holte die Stellungnahme der Klinik X.________ vom 6. Mai 2009 ein und verfügte gestützt darauf am 29. Oktober 2009 erneut die Abweisung des Rentenanspruchs. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 10. Mai 2010 ab.  
 
A.c. In der Zwischenzeit hatte sich Z.________ mit Gesuch vom 14. September 2009 nochmals zum Leistungsbezug angemeldet. Mit Vorbescheid vom 5. April 2011 stellte die IV-Stelle wiederum die Abweisung des Leistungsbegehrens in Aussicht. Aufgrund einer Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. med. G.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 5. Mai 2011 liess die       IV-Stelle Z.________ durch das medizinische Abklärungsinstitut Y.________ polydisziplinär untersuchen (Gutachten vom 25. Oktober 2011). Die Experten kamen zum Ergebnis, Z.________ sei aus orthopädischer Sicht eine leidensangepasste Tätigkeit uneingeschränkt zumutbar; hingegen bestehe aus psychiatrischer Sicht eine vollständige Arbeitsunfähigkeit.  
 
A.d. Der Regionale Ärztliche Dienst (RAD) empfahl der IV-Stelle, ein weiteres psychiatrisches Gutachten einzuholen. Dieses erstattete Dr. med. A.________, Spezialarzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, am 20. August 2012. Er hielt darin fest, Z.________ sei aus psychiatrischer Sicht zu 20 % in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. Mit Vorbescheid vom 17. Januar 2013 und Verfügung vom 2. April 2013 verneinte die IV-Stelle abermals einen Rentenanspruch.  
 
B.   
Die Beschwerde des Z.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt mit Entscheid vom 25. September 2013 ab. 
 
C.   
Z.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen. Er beantragt, die IV-Stelle sei zu verpflichten, ihm ab März 2010 eine ganze Invalidenrente auszurichten. Eventualiter sei die Sache an die IV-Stelle zurückzuweisen und diese zu verpflichten, nach Vornahme weiterer Abklärungen neu über den Rentenanspruch zu verfügen. Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung. 
Die IV-Stelle beantragt Abweisung der Beschwerde. Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherungen verzichten auf Vernehmlassung. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann u.a. die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht kann die Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2.   
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf eine Invalidenrente. Es besteht Einigkeit darüber, dass dem Beschwerdeführer aus rein somatischer Sicht die Ausübung einer leidensangepassten Arbeit zumutbar ist. Hinsichtlich der Frage, ob und in welchem Umfang er infolge eines geistigen Gesundheitsschadens massgeblich in der Erwerbsfähigkeit eingeschränkt sein könnte, gehen die fachärztlichen Beurteilungen auseinander. Das Gutachten des medizinischen Abklärungsinstituts Y.________ vom 25. Oktober 2011 mitsamt Erläuterung vom 15. Dezember 2011 geht aufgrund der psychiatrischen Einschränkungen überwiegend wahrscheinlich vom Bestehen einer vollen Arbeitsunfähigkeit in der angestammten Tätigkeit im Service und auch in körperlich adaptierten Tätigkeiten aus. Dagegen erachtet der Gutachter Dr. med. A.________ den Beschwerdeführer am 20. August 2012 in der angestammten oder einer Verweistätigkeit zu 80 % arbeitsfähig. Das medizinische Abklärungsinstitut Y.________ begründet seine Einschätzung vorab mit der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (ICD-10 F43.1) und einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige bis schwere Episode (ICD-10 F33.1/33.2). Dr. med. A.________ hingegen diagnostiziert mit Relevanz für die Arbeitsfähigkeit lediglich eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige Episode (ICD-10 F33.0). 
 
3.  
 
3.1. Der Beschwerdeführer rügt, umstritten bleibe im Wesentlichen, ob er persönlich in lebensgefährliche Situationen geraten sei, die ein posttraumatisches Belastungssyndrom begründen könnten. Die Vorinstanz habe den Sachverhalt aktenwidrig und willkürlich festgestellt, wenn sie ihn gemäss dem Gutachten des Dr. med. A.________ übernommen habe. Es seien diverse Beweismittel eingereicht worden, die seine Vermutung widerlegten, der Beschwerdeführer kenne die Geschehnisse im Kosovo nur vom Hörensagen. Indem die Vorinstanz die aufgezeigten Widersprüche nicht einmal behandelt habe, habe sie das rechtliche Gehör verletzt. Der angefochtene Entscheid sei wegen der Verletzung von Art. 29 Abs. 2 BV aufzuheben.  
 
3.2. Der Beschwerdeführer spricht hier die im Rahmen der vorinstanzlichen Replik eingelegten Beweismittel an. Zum einen ist das die Bescheinigung der Gemeindeversammlung Q.________, dass der Bruder des Beschwerdeführers am 1. April 1999 von serbischen Kräften ermordet worden sei. Zum andern ist es der am 9. April 1999 ausgestellte albanische Flüchtlingsausweis des Beschwerdeführers. Des Weiteren reichte er eine Stellungnahme des behandelnden Arztes Dr. med. G.________ vom 5. Juli 2013 zum Gutachten des Dr. med. A.________ ein.  
 
3.3. Der Vorwurf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs rechtfertigt sich nicht; denn die Bescheinigung der Gemeindeversammlung und der albanische Flüchtlingsausweis sind nicht geeignet, etwas vorliegend Relevantes zu beweisen. Warum auf Aussagen des behandelnden Arztes mit Zurückhaltung abzustellen ist, hat die Vorinstanz umfassend dargelegt. Der in diesem Zusammenhang erhobene Vorwurf einer falschen Rechtsanwendung ist unbegründet.  
 
4.  
 
4.1. Neben den beiden sich im Ergebnis diametral widersprechenden Gutachten des Dr. med. A.________ und des medizinischen Abklärungsinstituts Y.________ hat das Sozialversicherungsgericht auch auf das Gutachten der Klinik X.________ vom 25. April 2007 zurückgegriffen. Dieses sei zum Schluss gekommen, das Zustandsbild und die vorgebrachten Beschwerden seien mit keiner etablierten psychiatrischen Diagnose in genügender Weise in Übereinstimmung zu bringen. Mangels psychischer Störung entfalle folglich auch eine psychiatrisch bedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit. Die Vorinstanz erwog, auch die Gutachter des medizinischen Abklärungsinstituts Y.________ hätten im Rahmen ihrer Exploration verschiedene Inkonsistenzen festgestellt und wiederholt festgehalten, die Beurteilung sei äusserst schwierig. Letztlich hätten sie jedoch die Aussagen des Beschwerdeführers als glaubhaft bewertet und konsequenterweise aufgrund der postulierten Schwere seines Leidens dessen Arbeitsfähigkeit als vollständig aufgehoben betrachtet. Dies vermöge nicht zu überzeugen, da der Einschätzung des behandelnden Psychiaters im Rahmen der Begutachtung ein zu grosses Gewicht eingeräumt worden sei. Die Würdigung der zentralen medizinischen Akten ergebe, dass die lege artis erfolgte Einschätzung des Dr. med. A.________ überwiegender wahrscheinlich den tatsächlichen Gesundheitszustand des Beschwerdeführers widerspiegle. Dr. med. A.________ lege schlüssig und nachvollziehbar dar, weshalb die rezidivierende depressive Störung nur leichtgradig ausgeprägt sei und setze sich eingehend mit der vom medizinischen Abklärungsinstitut Y.________ bejahten posttraumatischen Belastungsstörung auseinander. Weiter zeige er auf, dass der Beschwerdeführer über gesunde Ressourcen verfüge, die es ihm zumutbar machten, im Rahmen eines 80 %-Pensums einer leidensangepassten Arbeit nachzugehen.  
 
4.2. Bei den vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der versicherten Person handelt es sich grundsätzlich um Entscheidungen über eine Tatfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 S. 397 ff.), welche das Bundesgericht seiner Urteilsfindung zugrunde zu legen hat (E. 1). Die konkrete Beweiswürdigung stellt ebenfalls eine Tatfrage dar. Dagegen ist die Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG Rechtsfrage (BGE 132 V 393 E. 3.2 und 4 S. 397 ff.; Urteil I 865/06 vom 12. Oktober 2007 E. 4 mit Hinweisen), die das Bundesgericht frei überprüfen kann (Art. 106 Abs. 1 BGG).  
 
4.3. Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe bei der gegebenen Ausgangslage das Gutachten der Klinik X.________ quasi als Obergutachten den Ausschlag geben lassen zwischen den später verfassten und sich widersprechenden Gutachten des medizinischen Abklärungsinstituts Y.________ und des Dr. med. A.________. Dies sei willkürlich. Richtigerweise hätte bereits die IV-Stelle das Gutachten der Klinik X.________ nicht berücksichtigen und nach dem überzeugenden Gutachten des medizinischen Abklärungsinstituts Y.________ kein Obergutachten mehr anordnen dürfen. Indem sie trotz Vorliegen eines aktuellen und den Anforderungen gut genügenden MEDAS-Gutachtens ein weiteres Gutachten angefordert habe, habe sie den Grundsatz verletzt, dass sie im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur Neutralität und Objektivität verpflichtet sei.  
Der Vorwurf sticht nicht. Die IV-Stelle ist zwar im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zur Neutralität und Objektivität verpflichtet. Was vor der IV-Stelle stattfindet, ist indes ein Einparteienverfahren mit dem Leistungsgesuchssteller als Partei und der IV-Stelle als Behörde, welche nach den Grundsätzen des Amtsbetriebes die Herrschaft über das Verfahren innehat (BGE 136 V 376 E. 4.2.2 S. 380 f. mit zahlreichen Hinweisen). Die IV-Stelle verletzte somit den Grundsatz zum neutralen und objektiven Vorgehen nicht, wenn sie zur Ergänzung der sachverhaltlichen Entscheidungsgrundlage ein zusätzliches Gutachten einholte, bevor sie neu verfügte. 
 
4.4. Was das Gutachten des Dr. med. A.________ anbelangt, ist auf Folgendes hinzuweisen: Begründete das medizinische Abklärungsinstitut Y.________ seine Einschätzung vorab mit der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig mittelgradige bis schwere Episode, diagnostizierte Dr. med. A.________ mit Relevanz für die Arbeitsfähigkeit lediglich eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradige Episode. Wesentlich dafür war, dass er der Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung nicht folgen konnte, da diese das Erleben bzw. Erleiden einer lebensbedrohlichen Katastrophe verlange, was jedoch aufgrund der Datenlage nicht der Fall gewesen sei. Dies ist jedoch gerade fraglich. Letztlich geht es darum, ob der Beschwerdeführer beweisen kann, dass er im Kosovokonflikt in Lebensgefahr geraten ist, indem er auf der Flucht von einer serbischen Patrouille aufgegriffen und einer Scheinhinrichtung unterzogen worden ist, und dass er miterlebt hat, wie Bekannte aus seinem Ort Opfer von Massentötungen und Massenvergewaltigung geworden sind (vorinstanzliche Replik vom 29. Juli 2013). In diesem für die Diagnostizierung einer posttraumatischen Belastungsstörung entscheidenden Punkt (vgl. zur Bedeutung wahrhaftiger anamnestischer Angaben in diesem Kontext Urteil 9C_953/2012 E. 3.2) ist der Sachverhalt unvollständig abgeklärt. Auf die Einschätzung der Arbeitsfähigkeit im Gutachten Dr. med. A.________ vom 20. August 2012 kann somit nicht abschliessend abgestellt werden, ebenso wenig auf die Beurteilung im Gutachten des medizinischen Abklärungsinstituts Y.________ vom 15. Dezember 2011, da auch diesbezüglich Zweifel bestehen. Der angefochtene Entscheid beruht mithin auf einem ungenügend abgeklärten Sachverhalt bzw. auf unvollständiger Beweisgrundlage, was Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG; Urteil 8C_234/2013 vom 9. Oktober 2013 E. 3). Die Vorinstanz wird ein Gerichtsgutachten einzuholen haben (BGE 137 V 210 E. 4 S. 258 ff.) und danach neu entscheiden.  
 
5.   
Entsprechend dem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten der Beschwerdegegnerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf eine Parteientschädigung (Art. 68 BGG). Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist daher gegenstandslos. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 25. September 2013 wird aufgehoben. Die Sache wird an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt zurückgewiesen, damit es ein Gerichtsgutachten einhole und danach über die Beschwerde gegen die Verfügung vom 2. April 2013 neu entscheide. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt. 
 
3.   
Die Beschwerdegegnerin hat den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'800.- zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Basel-Stadt und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Luzern, 7. April 2014 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Kernen 
 
Der Gerichtsschreiber: Schmutz