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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5A_338/2011 
 
Urteil vom 7. Juli 2011 
II. zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Hohl, Präsidentin, 
Bundesrichter Marazzi, von Werdt, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Betreibungsamt Y.________, Dienststelle Z.________, 
Beschwerdegegner. 
 
Gegenstand 
Neuschätzung, 
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, vom 2. Mai 2011. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
Gegen X.________ (nachfolgend Beschwerdeführerin) läuft beim Betreibungsamt Y.________, Dienststelle Z.________, eine Betreibung auf Grundpfandverwertung betreffend ihr Grundstück A.________-GBB-xxxx. Am 11. Juni 2010 eröffnete das Betreibungsamt der Beschwerdeführerin die auf Fr. 570'000.-- lautende Verkehrswertschätzung der B.________ GmbH. 
 
B. 
Auf entsprechendes Begehren um Neuschätzung im Sinn von Art. 9 Abs. 2 VZG erliess die kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen am 30. Juni 2010 eine Kostenvorschussverfügung und schlug den Architekten C.________ als Gutachter vor. Nachdem die Beschwerdeführerin diesen abgelehnt und D.________ als Schätzer vorgeschlagen hatte, wurde dieser mit Schreiben vom 30. September 2010 mit der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens betraut. Am 3. und 5. November 2010 meldete er sich bei der Aufsichtsbehörde, dass er die Beschwerdeführerin bis anhin für eine Terminvereinbarung nicht habe erreichen können. 
Die Beschwerdeführerin stellte ihrerseits am 4. November 2010 ein Gesuch um Rechtsstillstand im Sinn von Art. 61 SchKG, welches von der Aufsichtsbehörde am 8. November 2010 abgewiesen wurde, verbunden mit der Aufforderung, dem Gutachter Zugang zur Liegenschaft zu gewähren (Verfahren Nr. 5A_815/2010). Mit Entscheid vom 27. Januar 2011 trat das Bundesgericht auf die dagegen erhobene Beschwerde nicht ein. 
Am 1. März 2011 konnte die Liegenschaftsschätzung schliesslich vorgenommen werden und im Gutachten wurde der Verkehrswert mit Fr. 640'000.-- beziffert. Die Beschwerdeführerin beantragte, das Gutachten D.________ als untauglich zu qualifizieren, eventualiter von einem Minimalwert von Fr. 750'000.-- bzw. von einem Durchschnittswert von Fr. 800'000.-- bis Fr. 850'000.-- auszugehen. 
Mit Entscheid vom 2. Mai 2011, in welchem die Aufsichtsbehörde die Schätzdifferenz mit leicht unterschiedlichen Bewertungsmethoden erklärte und sich zu Sinn und Zweck der Liegenschaftsschätzung äusserte, setzte sie den Schätzwert verbindlich auf Fr. 605'000.-- fest und auferlegte der Beschwerdeführerin die Kosten des Gutachtens von Fr. 2'500.-- sowie eine Spruchgebühr von Fr. 150.--. Die betreffenden Beträge wurde den Kostenvorschüssen von Fr. 3'000.-- entnommen; der Restbetrag von Fr. 350.-- wurde der Beschwerdeführerin zurückerstattet. 
 
C. 
Gegen diesen Entscheid erhob X.________ am 13. Mai 2011 eine Beschwerde in Zivilsachen mit den Begehren, "die Kostennote von Wohnungs-Neuschätzer Herrn D.________ und die Honorarfestsetzung vom Obergerichtspräsident Herrn E.________ und die nicht gewährte detaillierte Rechnungseinsicht von Herrn D.________ und bitte Sie mir die detaillierte Rechnung von Herrn D.________ zuzustellen und neu zu beurteilen", die aufschiebende Wirkung zu erteilen, weil "das Obergericht mit seinem Entscheid mein Einsichtsrecht, sprich mein rechtliches Gehör massiv verletzt hat, indem man mir übrigens non stop schon seit vielen Monaten in x Verfahren immer abgesegnet vom Obergerichtspräsident E.________ Akteneinsicht verweigert", und um Anordnung einer Überprüfung, "ob Herr Obergerichtspräsident E.________ die Kriterien eines unabhängigen Richters noch erfüllt mir gegenüber". Am 20. Mai 2011 stellte die Beschwerdeführerin ausserdem ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Mit Präsidialverfügung vom 25. Mai 2011 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung erteilt. In der Sache selbst wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Gegen Entscheide der Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen ist die Beschwerde in Zivilsachen unabhängig vom Streitwert zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a und Art. 74 Abs. 2 lit. c BGG). 
In rechtlicher Hinsicht sind alle Rügen gemäss Art. 95 f. BGG zulässig und das Bundesgericht wendet in diesem Bereich das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), was heisst, dass es behauptete Rechtsverletzungen (Art. 42 Abs. 2 BGG) mit freier Kognition prüft. 
Dagegen ist es an den festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann einzig vorgebracht werden, er sei offensichtlich unrichtig festgestellt worden (Art. 97 Abs. 1 BGG), wobei "offensichtlich unrichtig" mit "willkürlich" gleichzusetzen ist (Botschaft, BBl 2001 IV 4338; BGE 133 III 393 E. 7.1 S. 398). Diesbezüglich gilt das strenge Rügeprinzip (Art. 106 Abs. 2 BGG). Das bedeutet, dass das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und soweit möglich belegte Rügen prüft, während es auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht eintritt. Wird die Verletzung des Willkürverbots gerügt, reicht es sodann nicht aus, die Lage aus Sicht des Beschwerdeführers darzulegen und den davon abweichenden angefochtenen Entscheid als willkürlich zu bezeichnen; vielmehr ist im Einzelnen darzulegen, inwiefern das kantonale Gericht willkürlich entschieden haben soll und der angefochtene Entscheid deshalb an einem qualifizierten und offensichtlichen Mangel leidet (BGE 134 II 244 E. 2.2 S. 246). 
In der Beschwerde in Zivilsachen dürfen überdies keine neuen Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, es sei denn, erst der Entscheid der Vorinstanz habe dazu Anlass gegeben (Art. 99 Abs. 1 BGG). In der Beschwerde ist darzutun, inwiefern die Voraussetzung für eine nachträgliche Einreichung von Tatsachen und Beweismitteln erfüllt sein soll (BGE 133 III 393 E. 3 S. 395). 
 
2. 
Vor Bundesgericht stellt die Beschwerdeführerin die Höhe des Schätzwertes der Liegenschaft nicht mehr in Frage; die Aufsichtsbehörde entscheidet hierüber denn auch abschliessend (vgl. Art. 9 Abs. 2 VZG). Hingegen kritisiert sie die beteiligten Personen (Richter, Gutachter, Polizei), macht eine Gehörsverletzung im Zusammenhang mit Akteneinsicht sowie den Kosten für das Gutachten geltend und kritisiert schliesslich die Kostenfestsetzung als solche. 
 
2.1 Die Beschwerdeführerin hält Oberrichter E.________ für voreingenommen und macht eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV sowie Art. 6 Ziff. 1 EMRK geltend. Sie stellt aber kein Ablehnungsbegehren, sondern verlangt vielmehr die Anordnung einer Untersuchung. Hierfür ist allerdings das Bundesgericht, welches keinerlei Disziplinargewalt über kantonale Behördenmitglieder hat, nicht zuständig und entsprechend kann auf das Begehren nicht eingetreten werden. 
Gleiches gilt mit Bezug auf den Gutachter, der in den Augen der Beschwerdeführerin Misstrauen auslöste, weil "dessen erste Kontaktaufnahme sowas von jeglichem Knigge entbehrte", indem er "mit ehrverletzendem polizeilichen Begleitungspomp anfuhr" und dann "ein gewaltiges Simulanten-Theater aufführte". Abgesehen davon, dass ohnehin nicht das Bundesgericht für ein Ablehnungsgesuch gegen den Liegenschaftsschätzer zuständig wäre, stellt die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang kein Rechtsbegehren, weshalb auf ihre Äusserungen von vornherein nicht einzutreten ist. 
 
2.2 Soweit die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit früheren Verfahren (ABS 10 124, Entscheid vom 31. Mai 2010; ABS 11 83, Entscheid vom 12. April 2011) sowie einem neuen, noch vor der Aufsichtsbehörde hängigen Verfahren (ABS 11 121) Gehörsverletzungen geltend macht und weitere dortige Umstände kritisiert, kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden, da vorliegend einzig der im Verfahren ABS 2010 193 ergangene Entscheid der Aufsichtsbehörde vom 2. Mai 2011 Anfechtungsobjekt bildet. 
Im Zusammenhang mit diesem Entscheid rügt die Beschwerdeführerin, dass ihr vor der Kostenfestsetzung nicht das rechtliche Gehör zur Rechnung des Liegenschaftsschätzers bzw. zur Höhe der Gutachtenskosten gewährt worden sei; insbesondere sei ihr nie eine Verfügung vom 8. September 2010 betreffend Kostendach zugestellt worden. Diese Sachverhaltsdarstellung durch die Beschwerdeführerin ist offensichtlich aktenwidrig: Mit Verfügungen vom 30. Juni 2010 bzw. 22. Juli 2010 (Gewährung einer Nachfrist) verlangte die Aufsichtsbehörde von der Beschwerdeführerin einen Kostenvorschuss von Fr. 2'000.--. Mit Verfügung vom 8. September 2010 wurde von ihr ein zusätzlicher Kostenvorschuss von Fr. 1'000.-- einverlangt mit der Begründung, der designierte Liegenschaftsschätzer D.________ veranschlage ein Kostendach von Fr. 2'500.-- und mit Hinweis auf die Vorschusspflicht gemäss Art. 9 Abs. 2 VZG; die Beschwerdeführerin quittierte auf der Empfangsbestätigung für die Gerichtsurkunde, diese Verfügung am 16. September 2010 in Empfang genommen zu haben. Damit waren der Beschwerdeführerin die im nunmehr angefochtenen Entscheid festgesetzten Kosten für die Neuschätzung bekannt. Die Kostenvorschussverfügung hätte selbständig vor Bundesgericht angefochten werden können, soweit sie rechtsfehlerhaft gewesen wäre und der Beschwerdeführerin ein nicht wieder gutzumachender Nachteil gedroht hätte (Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG; BGE 128 V 199; Urteil 2C_521/2008 vom 22. Juli 2008 E. 2.2). Aus der Verfassungsnorm von Art. 29 Abs. 2 BV ergibt sich kein darüber hinaus gehender Anspruch, vor der Festsetzung der Kosten noch einmal angehört zu werden, jedenfalls solange sich diese innerhalb des Vorschusses bewegen, und zwar gilt dies sowohl für die eigentliche Spruchgebühr des Gerichtes als auch für die gerichtlichen Auslagen. 
 
2.3 In der Sache selbst kritisiert die Beschwerdeführerin die Rechnung des Gutachters bzw. die im angefochtenen Entscheid festgesetzten Kosten für die Neuschätzung als überrissen. 
In seiner Rechnung vom 1. März 2011 führte D.________ 15 Stunden à Fr. 185.--, ausmachend Fr. 2'775.--, Kosten von total Fr. 141.-- für "Protokolle amtl. Bewertung", "Auskünfte Gebäudeversicherung", "Fahrspesen" und "Porti" sowie einen MWSt-Betrag von Fr. 233.30 auf, alles ausmachend Fr. 3'149.30, wobei er sich auf die Einforderung des gemäss Kostendach vereinbarten Betrages von Fr. 2'500.-- beschränkte. 
Der Vorhalt der Beschwerdeführerin, das Erstgutachten habe lediglich Fr. 1'820.-- gekostet und beim Zweitgutachten sei es ja lediglich um Ergänzungen gegangen, indem der Zweitgutachter die Daten einfach aus dem Computer habe saugen können, weshalb maximal 4,7 Stunden angemessen seien (10 Min. Schätzzeit, 1 Std. Vorarbeit, 1 Std. Aktenstudium, 1,5 Std. Reisezeit), geht an der Sache vorbei: Beim Zweitgutachten handelt es sich nicht um ein Ergänzungsgutachten, sondern um ein von Grund auf neu zu erstellendes, vom Erstgutachten vollkommen unabhängiges Gutachten im Rahmen einer Neuschätzung. Dass die Forderung für das neue Schätzungsgutachten etwas höher lag als diejenige für das erste, kann darin begründet liegen, dass durch das anhaltend renitente Verhalten der Beschwerdeführerin zusätzlicher Aufwand entstanden ist, den sie selbst zu vertreten hat. Jedenfalls vermag die Beschwerdeführerin nicht aufzuzeigen, inwiefern die Aufsichtsbehörde im Zusammenhang mit der Kostenfestsetzung im angefochtenen Entscheid von willkürlichen Grundlagen ausgegangen wäre oder Recht verletzt hätte, umso weniger als der festgesetzte Betrag demjenigen entsprach, welcher der Beschwerdeführerin in der Kostenvorschussverfügung vom 8. September 2010 in Aussicht gestellt worden war. 
 
2.4 Von vornherein nicht Thema der vorliegenden Beschwerde sein können ein allfälliger "Schaden" aus der "Rufschädigung, welche mir durch das ehrverletzende Polizeiaufgebot von Herrn D.________ widerfahren ist", sowie die Korrespondenz mit der Gläubigerbank bezüglich der Abzahlung der Hypothekarschulden. 
 
3. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann. Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, muss die Beschwerde als von Anfang an aussichtslos bezeichnet werden, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und deshalb das entsprechende Gesuch abzuweisen ist. Die gemäss Verfahrensausgang der Beschwerdeführerin aufzuerlegenden Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG) sind somit definitiv. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde in Zivilsachen wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3. 
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 7. Juli 2011 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: 
 
Hohl Möckli