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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 211/01 
 
Urteil vom 7. November 2002 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiberin Weber Peter 
 
Parteien 
O.________, 1945, Beschwerdeführerin, vertreten durch den Rechtsdienst für Behinderte, Bürglistrasse 11, 8002 Zürich, 
 
gegen 
 
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur 
 
(Entscheid vom 21. Februar 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1945 geborene O.________ war seit Jahren als Serviceangestellte tätig, bis sie am 9. Mai 1996 verunfallte. Bei einem Treppensturz zog sie sich eine lumbosakrale Rückenkontusion ohne ossäre Läsionen zu. Seither leidet sie unter therapieresistenten lumbospondylogenen Schmerzen sowie Cervicalgien und geht keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Die Winterthur-Versicherungen, als zuständige Unfallversicherung, kam ihrer gesetzlichen Leistungspflicht nach. 
 
Im März 1997 meldete sich O.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich zog die Unfallversicherungsakten bei und holte diverse Arztberichte ein, insbesondere bei der behandelnden Aerztin, Dr. med. F.________, Neurologie (vom 20. Juni 1997), bei Dr. med. H.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie (vom 7. September 1997 und 31. Mai 1997), beim Vertrauensarzt der Winterthur-Versicherungen Dr. med. B.________, Spezialarzt FMH für Neurologie (vom 8. Oktober 1997), und bei der Klinik X.________ (vom 18. Dezember 1997). Schliesslich liess sie zusammen mit der Winterthur-Versicherungen die Versicherte am Medizinischen Zentrum Y.________ (MZ) multidisziplinär abklären (Expertise vom 23. September 1998). Die Gutachter attestierten aufgrund der objektivierbaren Befunde insgesamt eine 50 %ige Arbeitsfähigkeit für körperlich nicht allzu belastende Tätigkeiten mit der Möglichkeit zum Positionswechsel. Eine krankheitswertige psychische Störung mit Einschränkung der Arbeitsfähigkeit verneinten sie. Gestützt auf dieses polydisziplinäre Gutachten sprach die IV-Stelle - nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens - der Versicherten ab 1. Mai 1997 bei einem Invaliditätsgrad von 52 % eine halbe Rente zu (Verfügung vom 5. Oktober 1999). 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher ein Konsiliarbericht des Psychiaters Dr. med. S.________ (vom 1. November 1999), ins Recht gelegt wurde, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 21. Februar 2001 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt O.________ unter Beilage einer ergänzenden Stellungnahme des Dr. med. S.________ (vom 27. März 2001) beantragen, in Aufhebung der Verwaltungsverfügung und des kantonalen Entscheides sei der Versicherten eine ganze Rente der Invalidenversicherung zuzusprechen. 
 
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die dem Eidgenössischen Versicherungsgericht in Streitigkeiten um Versicherungsleistungen zustehende umfassende Kognition (Art. 132 OG) hat unter anderem zur Folge, dass grundsätzlich auch neue, erstmals im letztinstanzlichen Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Tatsachenbehauptungen und Beweismittel (sog. Noven) zu berücksichtigen sind (RKUV 1999 Nr. U 333 S. 197 Erw. 1; ferner BGE 103 Ib 196 Erw. 4a, 102 Ib 127 Erw. 2a, 100 Ib 355). Letzteres trifft namentlich auf den mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingereichten ergänzenden Bericht des Psychiaters Dr. med. S.________ vom 27. März 2001 zu. 
2. 
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG) und dessen Ausdehnung auf geistige Gesundheitsschäden (BGE 102 V 165; AHI 2000 S. 151 Erw. 2a mit Hinweisen), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) sowie die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG) zutreffend dargelegt. Entsprechendes gilt für die Erwägungen zur Bedeutung ärztlicher Berichte und Gutachten für die Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 f. Erw. 1) und die Grundsätze der Beweiswürdigung (BGE 122 V 160 f. Erw. 1c mit Hinweisen; vgl. auch BGE 125 V 352 Erw. 3). Darauf kann verwiesen werden. 
3. 
3.1 Im angefochtenen Entscheid hat die Vorinstanz in sorgfältiger Würdigung der umfassenden medizinischen Aktenlage insbesondere des Gutachtens des MZ vom 23. September 1998 zu Recht erkannt, dass aufgrund der übereinstimmenden Schlussfolgerungen aus somatischer Sicht von einer 50 %igen Arbeitsfähigkeit in einer der gesundheitlichen Beeinträchtigung angepassten Tätigkeit auszugehen ist. Dies wird denn auch von der Beschwerdeführerin zu Recht nicht bestritten. Ihre Beschwerde richtet sich vielmehr ausschliesslich gegen die psychiatrische Beurteilung der Vorinstanz, wonach eine zusätzliche psychisch bedingte rentenrelevante Einschränkung nicht ausgewiesen sei. 
3.2 Die Vorinstanz stützte sich dabei zur Hauptsache auf die Einschätzung des Psychiaters Dr. med. T.________, welcher die Beschwerdeführerin im Rahmen des polydisziplinären MZ-Gutachtens am 22. September 1998 konsiliarisch untersuchte. Dieser kam zum Schluss, dass wegen Fehlens einer krankheitswertigen psychischen Störung keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bestehe. Er hielt fest, dass keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer posttraumatischen psychischen Störung zu finden seien, wofür dem Unfallerlebnis zudem die Eindrücklichkeit abzusprechen wäre. Aufgrund der bisherigen Lebensbewährung könne auch keine prämorbide "neurotische" Persönlichkeitsstruktur erkannt werden. Die im Bericht von Dr. med. H.________ (vom 31. Mai 1997) diagnostizierte mittelgradige depressive Episode mit somatischen Symptomen sei zwischenzeitlich mit Antidepressiva derart erfolgreich behandelt worden, dass sich heute lediglich noch eine allenfalls leichte, in ihrem Krankheitswert sehr umstrittene, depressive Störung finde. In der weltweit gebräuchlichsten Skala zur Erfassung depressiver Symptome (der Hamilton-Depressions-Scala) komme die Beschwerdeführerin in der 17-item-Version auf 15 Punkte, wobei die Grenze zwischen leichten und mittelgradigen depressiven Störungen bei 21 Punkten liegen würde. Somit sei dem Unfallereignis lediglich eine Gelegenheitsursache zur Niederlegung der Arbeit beizumessen. 
 
Das von der Beschwerdeführerin ins Recht gelegte Gutachten des Psychiaters Dr. med. S.________ (vom 1. November 1999), bei dem sie seit 23. März 1999 auf Zuweisung von Dr. med. F.________ in Behandlung steht, hat die Vorinstanz mangels einer schlüssigen Begründung oder Auseinandersetzung mit den anders lautenden Schlussfolgerungen des Gutachters Dr. med. T.________ als nicht überzeugend qualifiziert und darauf nicht abgestellt. 
4. 
4.1 Vorliegend gilt festzustellen, dass im für die gerichtliche Beurteilung massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses vom 5. Oktober 1999 (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen) das Gutachten des MZ (vom 23. September 1998) bzw. die psychiatrische Begutachtung der Beschwerdeführerin durch Dr. med. T.________ vom 22. September 1998, auf welche die Vorinstanz zur Hauptsache abstellte, bereits mehr als ein Jahr zurücklagen. Zudem ist zu beachten, dass der Psychiater Dr. med. H.________ anlässlich seiner Untersuchung vom 14. Mai 1997 eine mittelgradige depressive Episode mit somatischen Symptomen (ICD-10 F32.11) diagnostizierte, nachdem zuvor die behandelnde Aerztin Dr. med. F.________ (Bericht vom 14. Februar 1997) wie auch die Klinik X.________ anlässlich der Untersuchung vom 2. Januar 1997 (Bericht vom 18. Dezember 1997) eine ängstlich gefärbte depressive Entwicklung bzw. eine ängstlich verspannte Verstimmung mit Verdacht auf funktionelle Ueberlagerung festgestellt hatten. Er empfahl eine adäquat hochdosierte medikamentöse antidepressive Behandlung. Zur Arbeitsfähigkeit der Versicherten äusserte er sich nicht. Hingegen ging Dr. med. F.________ in Übernahme dieser Diagnose von einer vollen Arbeitsunfähigkeit aus (Bericht vom 20. Juni 1997). Im Arztbericht an die IV-Stelle vom 7. September 1997 hält Dr. med. H.________ fest, er wisse nicht, ob die Versicherte die Behandlung mittlerweile begonnen habe. Nach einer adäquaten antidepressiven Therapie sollte die mittelgradige depressive Episode aber in den Griff zu bekommen sein. Aus psychiatrischer Sicht sei dann eine 50 %ige leichte Tätigkeit sicherlich zumutbar. Anlässlich der MZ-Begutachtung vom 22. September 1998 stellte Dr. med. T.________ lediglich noch eine leichte in ihrem Krankheitswert umstrittene depressive Störung fest, und schloss daraus, dass die von Dr. med. H.________ diagnostizierte mittelgradige depressive Episode unter einer fachgerechten Antidepressivum-Therapie erfolgreich behandelt worden sei. Der Parteigutachter Dr. med. S.________, bei dem die Beschwerdeführerin auf Veranlassung von Dr. med. F.________ seit dem 23. März 1999 in psychiatrischer Behandlung steht, diagnostizierte in seinem Bericht vom 1. November 1999 eine starke Depression im Evolutionsalter mit intensiven psychosomatischen Beschwerden bei einer narzistischen Persönlichkeitsstruktur und stellte aus psychiatrischen Gründen eine Arbeitsunfähigkeit von 100% fest, ohne jedoch - wie die Vorinstanz zu Recht feststellte - diese Einschätzung und eine gesundheitliche Verschlechterung näher zu begründen. In der im vorliegenden Verfahren eingereichten ergänzenden Stellungnahme vom 27. März 2001 bestätigt Dr. med. S.________ aufgrund des bisherigen unerfreulichen Verlaufs der Krankheit und des derzeitigen Zustandes die Diagnose einer Depression unter Hinweis auf typische Symptome, wie innere Unruhe, Weinerlichkeit, Sinnlosigkeit, Beklemmungsgefühl, Schlafstörungen, Morgentief, Schuldgefühle, Zukunftsängste und Suizidgedanken. Was die anlässlich des MZ-Gutachtens festgestellte Besserung der im Mai 1997 diagnostizierten mittelgradigen Depression anbelangt, hält Dr. med. S.________ fest, es sei anzunehmen, dass die zwischen der Behandlung durch Dr. med. H.________ und durch ihn selbst entstandene, von Dr. med. T.________ beobachtete Besserung einerseits auf die Behandlung der Depression, anderseits auf den phasischen Verlauf der Krankheit zurückzuführen sei. Er beurteilt den Unfall als Auslöser einer seit Jahren latent vorhandenen Depression, welche aufgrund eines Entwicklungsdefizits (bedingt durch Persönlichkeitsstruktur und Überlastung) entstanden sei und sich, wie dies häufig passiere, in der Zeit des Klimakteriums manifestiert habe. 
 
Die ergänzenden Ausführungen von Dr. med. S.________ erfüllen zwar die Anforderungen an ein ärztliches Gutachten (BGE 122 V 160) nicht, sind aber nicht zum Vornherein von der Hand zu weisen. So sprach bereits Dr. med. H.________ von einer möglichen Überlastungssituation, die auch ohne Unfall in eine depressive Entwicklung hätte münden können. Auch Dr. med. T.________ erwähnt, dass die Beschwerdeführerin während Jahren überkonstitutionell belastet und praktisch zu 200 % ausgelastet war. Erfahrungsgemäss erfolge nach derartigen Belastungen regelmässig im 5. Lebensjahrzehnt der physische und psychische Einbruch. Zudem erweist sich die Einschätzung von Dr. med. S.________ hinsichtlich des Verfügungszeitpunkts als am aktuellsten. 
4.2 Angesichts der aufgezeigten medizinischen Ausgangslage lässt sich entgegen der Vorinstanz nicht zuverlässig beurteilen, ob bei der Beschwerdeführerin im massgebenden Verfügungszeitpunkt ein invalidenversicherungsrechtlich relevanter psychischer Gesundheitsschaden mit Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit vorlag und wenn ja, in welchem Ausmass insbesondere unter Berücksichtigung der ausgewiesenen physisch bedingten Beeinträchtigung der Arbeitsleistung. Insofern erweist sich der Sachverhalt in medizinisch-psychiatrischer Hinsicht als unzureichend abgeklärt, weshalb die Sache zur dahingehenden Ergänzung an die IV-Stelle zurückzuweisen ist. Diese wird anschliessend über den Leistungsanspruch neu verfügen. 
5. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend steht der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 Verbindung mit Art. 135 OG; SVR 1997 IV Nr. 110 S. 341 Erw. 3). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. Februar 2001 und die Verfügung vom 5. Oktober 1999 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons Zürich zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärungen in Sinne der Erwägungen, über den Leistungsanspruch neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben. 
5. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 7. November 2002 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: 
i.V.