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[AZA] 
U 274/99 Hm 
 
                      III. Kammer  
 
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; 
Gerichtsschreiberin Glanzmann 
 
  
             Urteil vom 8. Februar 2000  
 
  
                      in Sachen  
 
M.________, 1956, Beschwerdeführer, vertreten durch Für- 
sprecher Dr. W.________, 
 
  
                        gegen  
 
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Be- 
schwerdegegnerin, 
  
                         und  
 
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau 
 
  
A.- Der 1956 geborene M.________ war seit Juni 1989  
bei der Firma X.________ als Werkstattmitarbeiter tätig und 
damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt 
(SUVA) obligatorisch gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle 
versichert. Am 17. Januar 1997 zog er sich bei einer Auf- 
fahrkollision auf der Autobahn mit sechs beteiligten Fahr- 
zeugen eine Distorsion der Halswirbelsäule und eine Kon- 
tusion des Beckens zu. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen 
Leistungen. Mit Verfügung vom 10. März 1997 schloss sie den 
Fall ab, da der Versicherte wieder vollständig arbeitsfähig 
sei, wobei sie die Einstellung der Taggeldleistungen auf 
den 6. März 1997 und diejenige der Heilbehandlung auf den 
Zeitpunkt der nächsten Kontrolle festlegte. Daran hielt sie 
mit Einspracheentscheid vom 27. Oktober 1997 fest. 
 
  
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versiche-  
rungsgericht des Kantons Aargau ab (Entscheid vom 2. Juni 
1999). 
 
  
C.- Der Versicherte lässt Verwaltungsgerichtsbeschwer-  
de führen und beantragen, der kantonale Entscheid und der 
Einspracheentscheid der SUVA vom 27. Oktober 1997 seien 
aufzuheben und es seien ihm die Heilkosten betreffend 
Rücken- und Beinschmerzen rückwirkend ab 17. Januar 1997 
sowie eine angemessene Integritätsentschädigung zuzuspre- 
chen; eventuell sei die Sache zur Neubeurteilung an das 
kantonale Gericht zurückzuweisen. Mit separatem Begleit- 
schreiben lässt er zudem um Gewährung der unentgeltlichen 
Verbeiständung ersuchen. 
  
Die SUVA beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde  
sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Bundes- 
amt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen. 
 
  
D.- Mit nachträglicher Eingabe vom 4. Oktober 1999  
liess der Versicherte das Gutachten der Medizinischen Ab- 
klärungsstelle am Kantonsspital Y.________ (MEDAS) vom 
23. August 1999 einreichen. Dazu nahm die SUVA am 12. No- 
vember 1999 Stellung. 
  
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:  
 
  
1.- Im Einspracheentscheid vom 27. Oktober 1997 hat  
sich die SUVA lediglich zum Anspruch auf Heilbehandlung und 
Taggeld geäussert, nicht aber zu demjenigen auf Integri- 
tätsentschädigung. Insoweit fehlt es an einem Anfechtungs- 
gegenstand und damit an einer Sachurteilsvoraussetzung, 
weshalb auf den diesbezüglichen Antrag nicht einzutreten 
ist (BGE 119 Ib 36 Erw. 1b, 118 V 313 Erw. 3b, je mit Hin- 
weisen). 
 
  
2.- Streitig und zu prüfen bleibt der Behandlungs-  
anspruch. 
 
  
a) Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zu dem für  
die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten 
natürlichen Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und 
Gesundheitsschaden (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 
Erw. 1b, je mit Hinweisen) sowie zum Beweiswert von medi- 
zinischen Berichten und Gutachten (BGE 122 V 160 Erw. 1c 
mit Hinweisen) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen 
werden. 
  
Zu ergänzen ist, dass die Leistungspflicht des Unfall-  
versicherers im Weiteren voraussetzt, dass zwischen dem 
Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden ein adäquater 
Kausalzusammenhang besteht. Nach der Rechtsprechung hat ein 
Ereignis dann als adäquate Ursache eines Erfolges zu gel- 
ten, wenn es nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und nach 
der allgemeinen Lebenserfahrung an sich geeignet ist, einen 
Erfolg von der Art des eingetretenen herbeizuführen, der 
Eintritt dieses Erfolges also durch das Ereignis allgemein 
als begünstigt erscheint (BGE 123 III 112 Erw. 3a, 123 V 
103 Erw. 3d, 139 Erw. 3c, 122 V 416 Erw. 2a, 121 V 49 
Erw. 3a mit Hinweisen). 
  
b) Überdies ist darauf hinzuweisen, dass nach dem  
Institut der prozessualen Revision die Verwaltung ver- 
pflichtet ist, auf eine formell rechtskräftige Verfügung 
zurückzukommen, wenn neue Tatsachen oder neue Beweismittel 
entdeckt werden, die geeignet sind, zu einer andern recht- 
lichen Beurteilung zu führen (BGE 122 V 21 Erw. 3a, 138 
Erw. 2c, 173 Erw. 4a, 272 Erw. 2, 121 V 4 Erw. 6, je mit 
Hinweisen). 
  
Als neu gelten Tatsachen, die sich bis zum Zeitpunkt  
des Verfügungserlasses verwirklicht haben, jedoch trotz 
hinreichender Sorgfalt damals nicht bekannt waren (BGE 110 
V 141 Erw. 2; 108 V 171 Erw. 1). 
 
  
3.- Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer an  
keinen somatischen Unfallfolgen mehr leidet. Dies ergibt 
sich insbesondere auch aus dem letztinstanzlich ins Recht 
gelegten MEDAS-Gutachten vom 23. August 1999. Dagegen för- 
derte die polydisziplinäre Untersuchung neu zu Tage, dass 
beim Versicherten eine psychische Gesundheitsstörung im 
Vordergrund steht, welche gemäss Gesamtbeurteilung eine 
natürliche Folge des Unfallereignisses vom 17. Januar 1997 
bildet. Diese Tatsache war bei Erlass des Einspracheent- 
scheides vom 27. Oktober 1997 offensichtlich nicht bekannt. 
Doch gereicht dieser Umstand keiner der Parteien zum Vor- 
wurf. Wie schon die Vorinstanz korrekt festgestellt hat, 
lagen Ende Oktober 1997 keine Anhaltspunkte vor, welche auf 
eine psychische Störung des Beschwerdeführers hindeuteten, 
die eine spezielle Abklärung erfordert hätte. Von einer 
Rückweisung der Sache zur Neubeurteilung kann indessen 
abgesehen werden, da die aus dem MEDAS-Gutachten vom 
23. August 1999 gewonnene neue Erkenntnis nicht geeignet 
ist, zu einer andern Entscheidung zu führen (vgl. Erw. 2b). 
Denn die Adäquanz des Kausalzusammenhangs, die sich im vor- 
liegenden Fall nach Massgabe der in BGE 115 V 133 ent- 
wickelten Kriterien beurteilt (BGE 123 V 99 Erw. 2a mit 
Hinweisen), ist zu verneinen. 
  
Das Unfallereignis vom 17. Januar 1997 kann auf Grund  
des Geschehensablaufs - das Fahrzeug des Versicherten 
schleuderte nach Vollbremsung und wurde vom nachfolgenden 
Auto seitlich erfasst, wodurch es sich zweimal um die eige- 
ne Achse drehte - und der erlittenen Verletzungen als mit- 
telschwer eingestuft werden. Zur Bejahung der adäquaten 
Kausalität wäre daher erforderlich, dass ein einzelnes 
unfallbezogenes Kriterium in besonders ausgeprägter Weise 
erfüllt ist oder dass mehrere der nach der Rechtsprechung 
massgebenden Kriterien gegeben sind (BGE 115 V 140 
Erw. 6b/cc). Dies trifft, wie die SUVA in der letztinstanz- 
lich eingereichten Vernehmlassung zu Recht ausgeführt hat, 
nicht zu. Es kann auf die entsprechenden Ausführungen, 
denen das Eidgenössische Versicherungsgericht nichts Weite- 
res beizufügen hat, verwiesen werden. 
  
Bei dieser Rechtslage kann offen bleiben, ob es, wie  
die SUVA in ihrer Stellungnahme vom 12. November 1999 gel- 
tend macht, seitens des Beschwerdeführers zu einer Beein- 
flussung der MEDAS-Ärzte gekommen ist. 
 
  
4.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die  
seitens des Versicherten beantragte unentgeltliche Verbei- 
ständung kann gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit 
Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die 
Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die 
Vertretung geboten war (BGE 124 V 309 Erw. 6; AHI 1999 
S. 85 Erw. 3). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 
Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei 
der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie 
später dazu im Stande ist. 
  
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:  
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen,  
  
soweit darauf eingetreten wird.  
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.  
 
III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung  
  
wird Rechtsanwalt Dr. W.________ für das Verfahren vor  
  
dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der Ge-  
  
richtskasse eine Entschädigung (einschliesslich Mehr-  
  
wertsteuer) von Fr. 2000.- ausgerichtet.  
 
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs-  
  
gericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für  
  
Sozialversicherung zugestellt.  
 
 
Luzern, 8. Februar 2000 
  
  
  
Im Namen des  
  
  
  
Eidgenössischen Versicherungsgerichts  
  
  
  
Der Präsident der III. Kammer:  
 
  
  
  
Die Gerichtsschreiberin: