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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
5P.336/2005 /blb 
 
Urteil vom 8. Februar 2006 
II. Zivilabteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer, 
Gerichtsschreiber Möckli. 
 
Parteien 
X.________ (Ehefrau), 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch avvocato Andrea Lenzin, 
 
gegen 
 
Y.________ (Ehemann), 
Beschwerdegegner, 
vertreten durch Advokat Dr. Roland Fankhauser, 
Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Bäumleingasse 1, 4051 Basel. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (Ehescheidung), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Entscheid 
des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt 
vom 11. Mai 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
Y.________ und X.________, geb. 1960 bzw. 1959, haben am 3. Juni 1988 geheiratet. 1989 wurde der gemeinsame Sohn A.________ geboren. 
Seit Oktober 1994 leben die Parteien getrennt. Im Mai 1995 reichte die Ehefrau die Scheidungsklage ein, wandelte diese im März 1997 aber in eine Trennungsklage um; am 14. August 1998 wurde die Trennung ausgesprochen. 
B. 
Aufgrund der Scheidungsklage des Ehemannes vom 18. Januar 2000 schied das Zivilgericht Basel-Stadt die Parteien mit Urteil vom 6. November 2003. Ausgehend von einem gebührenden Unterhalt der Ehefrau von Fr. 3'500.--, von einem hypothetischen Erwerbseinkommen von anfänglich Fr. 500.-- und von Fr. 1'500.-- ab Mündigkeit des Sohnes sowie von einer halben IV-Rente von Fr. 1'000.--, verpflichtete es den Ehemann, ihr Unterhaltsbeiträge von Fr. 2'000.-- bis November 2005 und von Fr. 1'000.-- ab Dezember 2005 bis November 2007 zu bezahlen. 
Mit Urteil vom 11. Mai 2005 bestätigte das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt diese Regelung. 
C. 
Gegen das Urteil des Appellationsgerichts hat X.________ am 14. September 2005 sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde erhoben, Letztere mit dem Begehren um Aufhebung des angefochtenen Urteils. Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Wird in der gleichen Sache sowohl Berufung als auch staatsrechtliche Beschwerde eingereicht, ist in der Regel zuerst über die staatsrechtliche Beschwerde zu befinden und die Entscheidung über die Berufung auszusetzen (Art. 57 Abs. 5 OG). Es besteht kein Anlass, anders zu verfahren. 
2. 
Das Appellationsgericht hat die Unterhaltsrente für die Beschwerdeführerin auf die Zeit bis zur Volljährigkeit von A.________ begrenzt mit dem Argument, ab diesem Zeitpunkt bestünden keine ehebedingten Nachteile mehr, weil die gesundheitlichen Probleme in keinem Zusammenhang mit der in der Ehe praktizierten Aufgabenteilung stünden. 
Die Beschwerdeführerin erblickt darin eine Aktenwidrigkeit bzw. Willkür und macht geltend, die Zeugung von A.________ sei eine gemeinsame Entscheidung gewesen und gemäss Gutachten seien die Rückenschmerzen im Lenden- und Halsbereich, die nunmehr Ursache der eingeschränkten Erwerbsfähigkeit seien, erstmals während der Schwangerschaft aufgetreten und danach schlimmer geworden. 
Im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde sind neue tatsächliche und rechtliche Vorbringen grundsätzlich unzulässig (BGE 114 Ia 204 E. 1a S. 205, 118 Ia 20 E. 5a S. 26) und es können auch keine neuen Beweismittel eingereicht werden (BGE 108 II 69 E. 1 S. 71). Entgegen ihrer Substanziierungspflicht (dazu BGE 117 Ia 10 E. 4b S. 11 f.; 125 I 492 E. 1b S. 495; 130 I 258 E. 1.3 S. 262) zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf, wo und inwiefern sie die betreffenden Behauptungen bereits im kantonalen Verfahren erhoben hätte. In der Appellationsschrift hat sie jedenfalls nicht geltend gemacht, die heutigen gesundheitlichen Probleme seien durch die Schwangerschaft bedingt, sondern lediglich "die latent von der Vorinstanz vorgebrachte Unterstellung, die Krankheit ... habe schon vorehelich bestanden, ... entschieden zurückgewiesen". 
Scheitert jedoch die Rüge bereits am Novenverbot, kann offen bleiben, ob das Gutachten nicht nur eine zeitliche Koinzidenz zwischen den heutigen gesundheitlichen Problemen und der Schwangerschaft, sondern eine zwingende Kausalität festgestellt hat und das Appellationsgericht in willkürlicher Weise von entsprechenden gutachterlichen Schlussfolgerungen abgegangen ist. 
3. 
Die Beschwerdeführerin bringt sodann vor, es sei willkürlich, wenn ihr das Appellationsgericht bereits für die Zeit vor dem 16. Altersjahr von A.________ eine Erwerbstätigkeit zumute, habe doch das Gutachten eine 50%-ige Arbeitsfähigkeit unter dem Vorbehalt festgestellt, dass dieses Pensum eine ganztägige Anwesenheit erfordere. Sie könne aber unmöglich den ganzen Tag abwesend sein, um ihr 50%-Pensum zu erfüllen, und gleichzeitig ihren Sohn betreuen. 
Vorab ist klarzustellen, dass das Appellationsgericht der Beschwerdeführerin vor dem 16. Altersjahr von A.________ nicht etwa eine 50%-ige Erwerbstätigkeit zugemutet hat. Vielmehr hat es befunden, dass die Beschwerdeführerin angesichts der bei Einreichen der Scheidungsklage im Jahr 2000 bereits über fünfjährigen Trennungszeit erste Wiedereingliederungsschritte oder jedenfalls Ausbildungsmassnahmen hätte ins Auge fassen müssen, zumal hierfür der in jenem Zeitpunkt bereits mehr als zehnjährige Sohn kein Hindernis gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin habe umso weniger auf den Fortbestand der Ehe bzw. auf eine lebenslange finanzielle Unterstützung zählen dürfen, als sie bereits 1995 eine erste Scheidungsklage eingereicht und der Ehemann sein Leben längst mit einer neuen Lebensgefährtin eingerichtet habe, aus welcher Beziehung auch eine Tochter hervorgegangen sei. Schliesslich hat das Appellationsgericht der Beschwerdeführerin vorgehalten, sie versuche Stellenbewerbungen nicht einmal nachzuweisen und es bestehe der Eindruck, dass sie sich gar nicht erst die Mühe genommen habe, hier aktiv zu werden. 
Vor diesem Hintergrund ist es nicht willkürlich, wenn das Appellationsgericht der Beschwerdeführerin ab dem 14. Altersjahr von A.________ ein hypothetisches Einkommen von Fr. 500.-- zugemutet hat. Es trifft zwar zu, dass sich im Gutachten die Aussage findet, die Beschwerdeführerin sei unter der Bedingung zu 50 % arbeitsfähig, dass sie dieses Pensum während eines ganzen Tages erledige. Indes kann die tatsächliche Erwerbsfähigkeit nicht einfach mit der im Gutachten festgestellten theoretischen Arbeits(un)fähigkeit gleichgesetzt werden. Sie hängt vielmehr von zahlreichen anderen - vom Appellationsgericht nicht übersehenen - Faktoren wie beispielsweise Vermittlungsfähigkeit oder Arbeitsmarktlage ab. Im vorliegenden Fall dürfte sodann die Arbeitszeit, die aufgrund der gesundheitlichen Probleme für ein 50%-Pensum konkret aufzuwenden wäre, naturgemäss auch von der effektiv verrichteten Arbeit abhängen. Die von der Beschwerdeführerin zitierten Vorbehalte erscheinen denn an einem andern Ort im Gutachten auch bloss im Sinn einer Empfehlung. Bei dieser Ausgangslage lässt sich jedenfalls nicht sagen, dass die Anrechnung eines hypothetischen Einkommens von Fr. 500.--, was einem sehr kleinen Arbeitspensum entspricht, in einem unüberbrückbaren Gegensatz zu Tatsachen stünde, die sich in zwingender Weise aus dem Gutachten der MEDAS ergäben, umso weniger als die verbleibende Betreuungspflicht sich auf ein einziges Kind in fortgeschrittenem Alter bezieht. Entsprechend ist der Willkürvorwurf unbegründet. 
4. 
Zusammenfassend ergibt sich, dass die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen ist, soweit auf sie eingetreten werden kann. Die Gerichtsgebühr ist demnach der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden. 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 8. Februar 2006 
Im Namen der II. Zivilabteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: