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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_1162/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 8. Mai 2014  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Mathys, Präsident, 
Bundesrichter Oberholzer, Rüedi, 
Gerichtsschreiberin Siegenthaler. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Advokat Dr. Andreas Noll, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft, Hauptabteilung Liestal, Rheinstrasse 27, 4410 Liestal,  
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Verletzung der Verteidigungsrechte, rechtliches Gehör, willkürliche Beweiswürdigung (mehrfache Vergewaltigung etc.), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, vom 20. August 2013. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Am 7. Mai 2012 sprach das Strafgericht Basel-Landschaft X.________ schuldig unter anderem der mehrfachen Vergewaltigung, der Nötigung und versuchten Nötigung, der mehrfachen Drohung und des mehrfachen Hausfriedensbruchs. Es verurteilte ihn zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren, unter Anrechnung der erstandenen Untersuchungshaft. Den vollziehbaren Teil der Strafe setzte es auf zwölf Monate fest, die Probezeit für den bedingt vollziehbaren Teil auf drei Jahre. 
 
 Die Berufung von X.________ wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft am 20. August 2013 ab. 
 
B.   
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 20. August 2013 sei aufzuheben. Er sei vom Vorwurf der mehrfachen Vergewaltigung freizusprechen und für die verbleibenden Schuldsprüche zu einer bedingten Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu Fr. 10.-- bei einer Probezeit von zwei Jahren zu verurteilen. Eventualiter sei die Sache zur Festlegung des Strafmasses an die Vorinstanz, subeventualiter an das erstinstanzliche Gericht zurückzuweisen. X.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung seines Rechts auf wirksame Verteidigung, insbesondere des Konfrontationsrechts, nach Art. 32 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK und Art. 147 Abs. 1 StPO (Beschwerde, S. 12 f.).  
 
 Zur Begründung verweist er hauptsächlich auf seine Berufungsbegründung vom 7. Februar 2013. Ergänzend führt er aus, die Befragung seiner Exfrau vor Vorinstanz habe sich insbesondere bezüglich der Vergewaltigungsvorwürfe auf eine formale Bestätigung ihrer früheren Aussagen beschränkt. Überdies sei sie weitgehend von einer suggestiven Frageweise geprägt gewesen. Da seine Exfrau vor dem erstinstanzlichen Gericht die Aussage verweigert habe, sei seinem Anspruch auf Konfrontation insgesamt nicht Genüge getan und sein Recht auf wirksame Verteidigung verletzt (Beschwerde, S. 12 f.). 
 
1.2. Soweit der Beschwerdeführer lediglich auf seine Berufungsbegründung verweist, ist sein Vorbringen nicht zu hören. Die Begründung der Beschwerde muss in der Beschwerdeschrift selbst enthalten sein, blosse Verweise auf andere Aktenstücke sind unbeachtlich (BGE 133 II 396 E. 3.2 mit Hinweisen; Urteil 6B_199/2011 vom 10. April 2012 E. 1.3).  
 
1.3. Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch des Beschuldigten, den Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren. Eine belastende Zeugenaussage ist grundsätzlich nur verwertbar, wenn der Beschuldigte wenigstens einmal während des Verfahrens angemessene und hinreichende Gelegenheit hatte, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Belastungszeugen zu stellen. Dieser Anspruch wird als Konkretisierung des rechtlichen Gehörs (Art. 29 Abs. 2 BV) auch durch Art. 32 Abs. 2 BV gewährleistet (BGE 131 I 476 E. 2.2; 129 I 151 E. 3.1 mit Hinweisen). Im Regelfall ist das Fragerecht dem Beschuldigten und seinem Verteidiger gemeinsam einzuräumen (Urteil 6B_681/2012 vom 12. März 2013 E. 2.3.1 mit Hinweisen).  
 
1.4. In gewissen Konstellationen wird das Konfrontationsrecht des Beschuldigten durch die Opferrechte eingeschränkt. Dabei sind die Interessen der Verteidigung und diejenigen des Opfers gegeneinander abzuwägen. Es ist in jedem Einzelfall zu prüfen, welche Vorgehensweisen und Ersatzmassnahmen infrage kommen, um die Verteidigungsrechte des Beschuldigten so weit als möglich zu gewährleisten und gleichzeitig den Interessen des Opfers gerecht zu werden. Die Videoeinvernahme wird als mögliche Ersatzmassnahme für die direkte Konfrontation von Bundesrechts wegen vorgesehen. Dies schliesst nach der Rechtsprechung nicht aus, dass die Verteidigungsrechte auch durch Einsichtnahme in das Protokoll und die Möglichkeit, Ergänzungsfragen zu stellen, gewahrt werden können (BGE 129 I 151 E. 5 mit Hinweisen). Das Gericht verfügt bei der Wahl der konkreten Vorkehren zum Schutz des Opfers über ein gewisses Ermessen (Urteil 6B_681/2012 vom 12. März 2013 E. 2.4).  
 
1.5. Die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen sexuellen Übergriffe zum Nachteil seiner Exfrau wiegen schwer. Die Massnahmen zum Schutz des Opfers im Untersuchungsverfahren waren angezeigt. An sämtlichen Opfereinvernahmen hatte der Beschwerdeführer Gelegenheit, dem Opfer über seinen Anwalt Ergänzungsfragen zu stellen. Dieser nahm an allen Befragungen entweder selbst teil oder liess sich durch einen Substituten vertreten (act. 1553 ff., 1759 ff., 1959 ff., 2093 ff.). Zwei der Opfereinvernahmen wurden zudem auf Video aufgezeichnet, was dem Beschwerdeführer ermöglichte, die Befragungen selber zu sichten und insbesondere das Aussageverhalten des Opfers zu beobachten. An den Verhandlungen vor erster und zweiter Instanz erhielt er schliesslich die Möglichkeit einer direkten Konfrontation mit dem Opfer. Auch wenn dieses anlässlich der erstinstanzlichen Hauptverhandlung die Aussage verweigerte und vor Vorinstanz nicht mehr in gleicher Ausführlichkeit aussagte, wie noch im Untersuchungsverfahren, hatte der Beschwerdeführer insgesamt ausreichend Gelegenheit, die Glaubhaftigkeit der Opferaussagen infrage zu stellen und dazu Stellung zu nehmen. Sein Recht auf Konfrontation mit der Belastungszeugin wurde nicht verletzt.  
 
 Die vom Beschwerdeführer behauptete suggestive Frageweise bedeutete selbst wenn sie zu bejahen wäre keine Verletzung seiner Verteidigungsrechte. Das Verbot von Suggestivfragen ist als Ordnungsvorschrift ausgestaltet, weshalb Antworten trotz suggestiver Fragestellung grundsätzlich verwertbar sind. Der Art, wie sie erlangt wurden, ist bei der Würdigung der entsprechenden Aussagen Rechnung zu tragen (Daniel Häring, in: Basler Kommentar, Strafprozessordnung, 2011, N. 37 zu Art. 143 StPO). 
 
2.  
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Grundsatzes "in dubio pro reo" sowie Willkür bei der Beweiswürdigung (Beschwerde, S. 14 f.).  
 
2.2. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist (BGE 137 III 226 E. 4.2 mit Hinweisen; zum Begriff der Willkür BGE 138 I 49 E. 7.1; 136 III 552 E. 4.2; je mit Hinweisen) oder wenn sie auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Rüge muss klar vorgebracht und substanziiert begründet werden (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 I 65 E. 1.3.1; je mit Hinweisen). Auf eine rein appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 137 IV 1 E. 4.2.3; 136 II 489 E. 2.8; je mit Hinweisen). Dem Grundsatz "in dubio pro reo" kommt in seiner Funktion als Beweiswürdigungsregel im Verfahren vor dem Bundesgericht keine über das Willkürverbot von Art. 9 BV hinausgehende Bedeutung zu (vgl. BGE 138 V 74 E. 7; 127 I 38 E. 2a; je mit Hinweisen; Urteil 6B_730/2012 vom 24. Juni 2013 E. 1.2).  
 
2.3. Die vorinstanzliche Beweiswürdigung ist nicht willkürlich.  
 
2.3.1. Die Vorinstanz setzt sich ausführlich und nachvollziehbar mit den Einwänden des Beschwerdeführers auseinander (Urteil, S. 16-25). Das aussagepsychologische Gutachten bezieht sie nicht unbesehen in ihre Erwägungen ein, sondern würdigt es eingehend und kritisch. Sie verschweigt auch nicht, wenn einzelne Ergebnisse der Gutachterin gegen die Glaubhaftigkeit der Opferaussagen sprechen (Urteil, S. 17 ff.). Ausserdem prüft sie mögliche Motive seitens des Opfers für eine Falschanschuldigung und legt einleuchtend dar, weshalb sie diese verwirft (Urteil, S. 21 ff.). Die Schlüsse der Vorinstanz sind insgesamt plausibel.  
 
2.3.2. Der Beschwerdeführer begründet den behaupteten Verstoss gegen den Grundsatz "in dubio pro reo" damit, dass die Vorinstanz ihn schuldig gesprochen habe, obschon sie nachweislich Zweifel an seiner Schuld gehabt habe. Das beweise die Bemerkung des Vorsitzenden im Anschluss an die mündliche Urteilseröffnung vor Vorinstanz (Beschwerde, S. 11).  
 
 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden. Es handelt sich um eine rein spekulative Interpretation durch den Beschwerdeführer, die zum Nachweis von Willkür in der vorinstanzlichen Beweiswürdigung nicht genügt. Aus welchen Gründen die Vorinstanz unüberwindliche Zweifel an seiner Schuld hätte haben sollen, legt der Beschwerdeführer nicht konkret dar und ist nicht ersichtlich (vgl. Beschwerde, S. 14 f.). 
 
2.3.3. Die übrigen Einwände in der Beschwerde sind lediglich appellatorische Kritik oder beschränken sich darauf, andere mögliche Beweiswürdigungen aufzuzeigen. Damit lässt sich keine Willkür belegen. Auf die entsprechenden Vorbringen ist nicht einzutreten.  
 
2.3.4. Insgesamt vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, dass das vorinstanzliche Beweisergebnis schlechterdings nicht vertretbar ist oder inwiefern sich ein anderes geradezu aufgedrängt hätte. Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet, soweit sie den Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG überhaupt genügt.  
 
3.   
Die Beschwerde wendet sich schliesslich gegen die "unrechtmässige Ablehnung von Beweisanträgen" (Beschwerde, S. 5). Der Beschwerdeführer macht geltend, sein Antrag, der Gutachterin weitere Fragen unterbreiten zu dürfen, sei mit Verfügung der Vorinstanz vom 30. April 2013 abgewiesen worden. Dabei handle es sich um einen Zwischenentscheid, der mit dem Endentscheid angefochten werden könne, was er hiermit tue. Zur Begründung des Beweisantrags verweise er auf die Berufungserklärung vom 24. September 2012 (Beschwerde, S. 15). 
 
 Infolge blossen Verweisens auf andere Aktenstücke fehlt auch hier eine genügende Begründung (vgl. vorne E. 1.3.2). Auf das Vorbringen ist nicht einzutreten. 
 
4.   
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seinem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege kann nicht entsprochen werden, da das Rechtsmittel von vornherein aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1 BGG). Bei der Festsetzung der Gerichtskosten ist seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG). Der Beschwerdegegnerin ist keine Entschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 3 BGG). 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
 
3.   
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 8. Mai 2014 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Mathys 
 
Die Gerichtsschreiberin: Siegenthaler