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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1C_588/2013  
   
   
 
 
 
Urteil vom 9. Januar 2014  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Nussbaumer. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau, Postfach, 5001 Aarau,  
Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau.  
 
Gegenstand 
Entzug des Führerausweises, 
 
Beschwerde gegen das Urteil vom 24. April 2013 des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 1. Kammer. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
Gegen X.________, der seit 18. Juni 1985 den Führerausweis der Kategorie B besitzt, sind seit 2008 drei strassenverkehrsrechtliche Administrativmassnahmen angeordnet worden: Am 19. Mai 2008 wurde ihm der Führerausweis wegen einer leichten und einer schweren Widerhandlung für drei Monate entzogen, am 5. Juni 2008 wurde er infolge einer leichten Widerhandlung verwarnt und am 6. Januar 2011 wurde ihm der Führerausweis nach einer erneuten leichten Widerhandlung für einen Monat entzogen. 
Mit Verfügung vom 31. Oktober 2011 entzog das Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau X.________ den Führerausweis vorsorglich und ordnete eine verkehrspsychologische Begutachtung an. Zur Begründung führte es aus, gemäss dem Rapport der Polizei Basel-Landschaft sei X.________ am 24. September 2011 auf der Autobahn A2 diverse Male vor ein anderes Fahrzeug gefahren und habe dieses ausgebremst. Aufgrund des bereits getrübten automobilistischen Leumunds müsse die charakterliche Eignung zum Führen eines Motorfahrzeugs bezweifelt werden. Die hiegegen erhobenen Beschwerden wurden abgewiesen, letztinstanzlich mit Urteil des Bundesgerichts 1C_308/2012 vom 3. Oktober 2012. 
Am 30. Oktober 2012 unterzog sich X.________ beim Verkehrsinstitut in Solothurn der angeordneten verkehrspsychologischen Untersuchung. Gestützt auf dessen Gutachten vom 26. November 2012 entzog das Strassenverkehrsamt X.________ mit Verfügung vom 14. Dezember 2012 den Führerausweis rückwirkend ab dem 3. November 2011 auf unbestimmte Zeit. Die Wiedererteilung wurde von der Absolvierung von mindestens 14 Verkehrstherapie-Sitzungen, einer anschliessenden erneuten verkehrspsychologischen Begutachtung und einer amtsärztlichen Abklärung der Fahreignung abhängig gemacht. Ausserdem hielt das Strassenverkehrsamt ausdrücklich fest, dass weitere Abklärungen vorbehalten würden und dass über eine erzieherische Massnahme betreffend den Vorfall vom 24. September 2011 in Basel und Pratteln nach rechtskräftigem Abschluss des parallelen Strafverfahrens entschieden werde. 
 
B.   
Die gegen die Verfügung vom 14. Dezember 2012 erhobene Beschwerde wies das Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) des Kantons Aargau mit Entscheid vom 25. Februar 2013 ab. Die daraufhin eingereichte Beschwerde samt Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wies das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 24. April 2013 ab. 
 
C.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 7. Juni 2013 beantragt X.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides unter Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. 
Das Strassverkehrsamt, das DVI und das Bundesamt für Strassen schliessen auf Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht hat auf eine Stellungnahme verzichtet. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über einen Führerausweisentzug. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Bundesrecht, was zulässig ist (Art. 95 lit. a, Art. 97 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.  
 
2.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Die Feststellung des Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 105 Abs. 1-2 BGG).  
 
2.2. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann namentlich eine Verletzung von Bundesrecht, Völkerrecht und kantonalen verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 95 BGG). Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen, und es kann eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254 mit Hinweisen). Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 S. 254). Hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten, insbesondere des Willkürverbots, gilt zudem eine qualifizierte Rügepflicht (Art. 106 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 136 I 229 E. 4.1 S. 235 mit Hinweisen). Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG; vgl. BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 262; 129 I 113 E. 2.1 S. 120; je mit Hinweisen).  
 
3.   
Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie - soweit seine Ausführungen überhaupt verständlich sind -, die Staatsanwaltschaft habe das Strafverfahren wegen grober Verkehrsregelverletzung gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG etc. eingestellt. Aus diesem Grund sei die Anordnung eines verkehrspsychologischen Gutachtens nicht rechtmässig erfolgt. 
 
3.1. Das kantonale Gericht stellte in tatsächlicher Hinsicht verbindlich fest, dass das Strafverfahren betreffend Ungehorsam gegen amtliche Verfügungen, Nötigung und grober Verkehrsregelverletzung am 8. Oktober 2012 eingestellt worden sei. Der Beschwerdeführer sei jedoch im Strafbefehlsverfahren wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln gemäss Art. 90 Ziff. 1 SVG von der Staatsanwaltschaft Rheinfelden-Laufenburg wegen dem Vorfall vom 24. September 2011 verurteilt worden, wobei das entsprechende Einspracheverfahren derzeit beim Bezirksgericht Rheinfelden hängig sei.  
Die Rechtmässigkeit der Anordnung eines Gutachtens sei letztinstanzlich mit Urteil des Bundesgerichts 1C_308/2012 vom 3. Oktober 2012 bestätigt worden. Der vorsorgliche Entzug des Führerausweises sei mit dem automobilistischen Leumund des Beschwerdeführers (seit 2008 zwei leichte Widerhandlungen wegen Geschwindigkeit sowie eine schwere Widerhandlung wegen Rechtsüberholens auf der Autobahn) sowie dem Vorfall vom 24. September 2011 begründet worden. Dabei sei dem Bundesgericht bewusst gewesen, dass in Bezug auf den letztgenannten Vorfall das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Das Bundesgericht habe bestätigt, dass insgesamt erhebliche Bedenken bestünden, dass der Beschwerdeführer künftig beim Führen eines Motorfahrzeuges die Vorschriften beachte und auf Mitmenschen Rücksicht nehme. Die Fragen der Rechtmässigkeit der Anordnung der Begutachtung (und des sofortigen Ausweisentzuges) seien nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. 
 
3.2. Die Auffassung des kantonalen Gerichts hält vor Bundesrecht stand. Das Verfahren betreffend vorsorglichen Führerausweisentzug sowie Anordnung einer verkehrspsychologischen Begutachtung wurde mit Urteil des Bundesgerichts 1C_308/2012 vom 3. Oktober 2012 rechtskräftig abgeschlossen. Namentlich die Anordnung einer verkehrspsychologischen Begutachtung wurde als bundesrechtskonform beurteilt. Im damaligen Verfahren war allen Beschwerdeinstanzen bekannt, dass das Strafverfahren wegen dem Vorfall vom 24. September 2011 von den Strafbehörden noch nicht rechtskräftig beurteilt worden war. Der Beschwerdeführer kann daher unter allen Gesichtspunkten der von ihm angerufenen Verfassungs- und Gesetzesbestimmungen nichts zu seinen Gunsten daraus ableiten, dass in der Zwischenzeit das Strafverfahren wegen grober Verkehrsregelverletzung eingestellt worden ist. An der Sache vorbei gehen denn auch die Ausführungen zum Vorfall vom 24. September 2011. Das kantonale Gericht hat zu Recht erkannt, dass die Rechtmässigkeit der Anordnung einer psychologischen Begutachtung im vorliegenden Verfahren nicht mehr zu beurteilen ist (Urteil 1C_238/2013 vom 27. August 2013, E. 3.2).  
 
4.  
 
4.1. Nach Art. 16 Abs. 1 SVG sind Ausweise zu entziehen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr gegeben sind. Grundvoraussetzung für die Erteilung des Führerausweises ist die Fahreignung. Ist sie nicht mehr gegeben, etwa weil eine Person aufgrund ihres bisherigen Verhaltens nicht Gewähr bietet, dass sie künftig beim Führen eines Motorfahrzeugs die Vorschriften beachten und auf die Mitmenschen Rücksicht nehmen wird (Art. 16d Abs. 1 lit. c SVG), ist der Führerausweis auf unbestimmte Zeit zu entziehen. Nach dieser gesetzlichen Regelung muss ein Sicherungsentzug zwingend in jedem Fall angeordnet werden, bei dem die Fahreignung nicht mehr gegeben ist. Da der Sicherungsentzug einen schwerwiegenden Eingriff in den Persönlichkeitsbereich des Betroffenen bewirkt, setzt er eine sorgfältige Abklärung aller wesentlichen Gesichtspunkte voraus (BGE 133 II 384 E. 3.1). Ein auf unbestimmte Zeit entzogener Lernfahr- oder Führerausweis kann bedingt und unter Auflagen wiedererteilt werden, wenn eine allfällige gesetzliche oder verfügte Sperrfrist abgelaufen ist und die betroffene Person die Behebung des Mangels nachweist, der die Fahreignung ausgeschlossen hat (Art. 17 Abs. 3 SVG).  
 
4.2. Das kantonale Gericht ging bei der Würdigung des verkehrspsychologischen Gutachtens vom 26. November 2012 davon aus, dass dieses zum eindeutigen Schluss gelange, dass der Beschwerdeführer die charakterlichen Voraussetzungen zum Lenken von Motorfahrzeugen nicht mitbringe, und dass er deshalb als Motorfahrzeuglenker charakterlich nicht geeignet sei. Nachdem bei der Beurteilung eines Sicherungsentzugs nicht nur die Art und Zahl der Vorkommnisse, sondern auch die persönlichen Umstände mit einfliessen würden, könne der Beschwerdeführer aus der Einstellungsverfügung nichts zu seinen Gunsten ableiten. Die Schlussfolgerungen des Gutachtens basierten nicht auf dem Vorfall vom 24. September 2011, sondern darauf, dass sich beim Beschwerdeführer vielmehr generell eine klare Einstellungsproblematik zeige, aufgrund welcher seine charakterliche Fahreignung - explizit: "deutlich" - verneint worden sei. So deuteten Charaktermerkmale des Beschwerdeführers, die für die Eignung im Verkehr erheblich seien, darauf hin, dass er als Lenker eine Gefahr für den Verkehr darstelle. Das Gericht gelangte zusammenfassend zum Schluss, es bestünden beim Beschwerdeführer charakterliche Mängel, die sich als nachteilig für das Verhalten und die Einstellung als Motorfahrzeugführer herausstellten. Diese Charaktermerkmale seien für die Eignung im Verkehr erheblich; sie deuteten darauf hin, dass der Beschwerdeführer als Lenker für die anderen Verkehrsteilnehmer gefährlich sei. Mit Blick auf die im Gutachten beschriebenen Persönlichkeitsmerkmale des Beschwerdeführers dürfte dieser die "minimalen charakterlichen Eigenschaften" gemäss dem Leitfaden "Verdachtsgründe fehlender Fahreignung" wohl weitestgehend nicht erfüllen. Das Gutachten vom 26. November 2012 entspreche in allen Punkten dem erforderlichen Standard; die gutachterlichen Darlegungen seien schlüssig und die Schlussfolgerungen gut nachvollziehbar.  
 
4.3. Mit diesen tatsächlichen Feststellungen und der Beweiswürdigung, insbesondere mit den von der Vorinstanz aus dem verkehrspsychologischen Gutachten vom 26. November 2012 gezogenen Schlussfolgerungen, setzt sich der Beschwerdeführer in seiner Eingabe nicht in rechtsgenüglicher Weise auseinander. Das kantonale Gericht durfte ohne Verletzung von Bundesrecht aus dem Gutachten vom 26. November 2012 den Schluss ziehen, der Sicherungsentzug sowie die verfügten Voraussetzungen für eine spätere Wiedererteilung des Führerausweises seien rechtmässig. Eine Bundesrechtswidrigkeit des angefochtenen Entscheids ist nicht ersichtlich.  
 
5.   
Die Beschwerde erweist sich damit als unbegründet. Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Da die Voraussetzungen von Art. 64 Abs. 1 BGG erfüllt sind (vgl. erwähntes Urteil 1C_308/ 2012 vom 3. Oktober 2012 E. 3), kann dem Gesuch entsprochen werden und ist von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen. 
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
3.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt des Kantons Aargau, dem Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau, dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 1. Kammer, und dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. Januar 2014 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Nussbaumer