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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
6B_480/2015  
   
   
 
 
 
Urteil vom 9. November 2015  
 
Strafrechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Denys, Präsident, 
Bundesrichterin Jacquemdoud-Rossari, 
Bundesrichter Oberholzer, 
Gerichtsschreiber Held. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen  
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt, Binningerstrasse 21, 4051 Basel, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Strafzumessung, bedingte bzw. teilbedingte Strafe (mehrfache Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise von Ausländerinnen und Ausländern), 
 
Beschwerde gegen das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, vom 6. Februar 2015. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.  
X.________ ist u.a Eigentümerin einer Liegenschaft in der A.________-Strasse in Basel, in der sie zwischen Juli 2011 und 12. Juli 2012 Zimmer/Wohnungen an Frauen ohne ausländerrechtliche Aufenthalts- und/oder Arbeitsbewilligungen vermietete und von diesen zur Erbringung sexueller Dienstleistungen genutzt wurden. Die der illegalen Prostitution nachgehenden Ausländerinnen knüpften die Kontakte mit ihren Kunden in der sich im Erdgeschoss der Liegenschaft von der B.________ GmbH betriebenen Bar, deren Mehrheitsgesellschafterin und Geschäftsführerin X.________ bis zum 2. September 2013 war. 
 
B.  
Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt "bestätigte" am 6. Februar 2015 im Berufungsverfahren den Schuldspruch von X.________ wegen mehrfacher Förderung der rechtswidrigen Ein- und Ausreise oder des rechtswidrigen Aufenthalts von Ausländerinnen und Ausländern und der mehrfachen Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern ohne Bewilligung. Es verurteilte sie zu einer unbedingten Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu Fr. 1'140.- und einer Busse von Fr. 1'000.-. 
 
C.  
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil des Appellationsgerichts sei aufzuheben, und ihr sei für die ausgesprochene Geldstrafe der bedingte Vollzug zu gewähren. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. X.________ ersucht um aufschiebende Wirkung ihrer Beschwerde. 
 
D.  
Das Appellationsgericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt beantragen unter Verweis auf das angefochtene Urteil, die Beschwerde abzuweisen. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.  
 
1.1. Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Verweigerung einer bedingten bzw. teilbedingten Strafe. Die Vorinstanz begründe ihre Bedenken hinsichtlich einer günstigen Legalprognose sachfremd. Dass sie "diverse Etablissements" im Basler Rotlichtmilieu betreibe, sei weder strafbar noch Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Eine negative Legalprognose lasse sich nicht alleine mit ihren Vorstrafen begründen. Die Vorinstanz gehe "willkürlich" von Fortsetzungsgefahr aus, obwohl die Beschwerdeführerin sich aus dem Geschäft an der A.________-Strasse vollständig zurückgezogen habe. Ihre Legalprognose sei gut, weshalb ihr der bedingte, aber zumindest der teilbedingte Strafvollzug gemäss Art. 43 StGB zu gewähren sei. Die unbedingte Geldstrafe erweise sich vorliegend als schwerste Sanktion. Die Vorinstanz hätte von Amtes wegen fragen müssen, ob sie anstelle der ausgesprochenen Strafe gemeinnütziger Arbeit zustimme. Selbst eine Freiheitsstrafe wäre milder ausgefallen, da diese im Regime des "Electronic Monitoring" hätte vollzogen werden können.  
 
1.2. Die Vorinstanz erwägt, aufgrund der einschlägigen Vorstrafen und des Umstands, dass die Beschwerdeführerin innerhalb der Probezeit und trotz eines gegen sie eingeleiteten Strafverfahrens weiter delinquiert hat, bestünden schwere Bedenken hinsichtlich einer positiven Legalprognose. Zwar habe die Beschwerdeführerin belegt, dass sie die Vermietung der illegal zur Prostitution genutzten Wohnungen in der A.________-Strasse an eine externe Verwaltung übertragen habe und als Geschäftsführerin der darunter liegenden Bar zurückgetreten sei, jedoch scheine naheliegend, dass sie die Massnahmen nur vordergründig und unter dem Druck des laufenden Strafverfahrens vorgenommen habe. Die negative Legalprognose des erstinstanzlichen Gerichts sei zu bestätigen. Auch eine bloss teilbedingte Strafe komme mangels begründeter Aussicht auf Bewährung nicht in Betracht.  
 
1.3.  
 
1.3.1. Nach Art. 42 Abs. 1 StGB schiebt das Gericht den Vollzug einer Geldstrafe in der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten. Es kann eine Geldstrafe nur teilweise aufschieben, wenn dies notwendig ist, um dem Verschulden des Täters genügend Rechnung zu tragen (Art. 43 Abs. 1 StGB).  
 
Der vollumfängliche Aufschub des Strafvollzugs ist bei Geldstrafen gemäss Art. 42 StGB die Regel. Der teilbedingte Vollzug nach Art. 43 StGB bildet dazu die Ausnahme. Ergeben sich - insbesondere aufgrund früherer Verurteilungen - ganz erhebliche Bedenken an der Legalbewährung des Täters, die bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände eine eigentliche Schlechtprognose noch nicht zu begründen vermögen, muss der Vollzug jedenfalls eines Teils der Strafe auf Bewährung ausgesetzt werden. Auf diesem Wege kann das Gericht im Bereich höchst ungewisser Prognosen dem Dilemma "Alles oder Nichts" entgehen. Art. 43 StGB hat die Bedeutung, dass die Warnwirkung des Teilaufschubes angesichts des gleichzeitig angeordneten Teilvollzuges für die Zukunft eine weitaus bessere Prognose erlaubt. (BGE 134 IV 1 E. 5.5.2). Die Geldstrafe ist nur dann unbedingt auszufällen, wenn eine ungünstige Prognose gestellt werden muss, weil keinerlei Aussicht besteht, der Verurteilte werde sich durch den - ganz oder teilweise - gewährten Strafaufschub beeinflussen lassen (vgl. BGE 134 IV 60 E. 7.5). 
Sowohl bei der Gewährung des bedingten Strafvollzugs als auch bei der Festsetzung des aufzuschiebenden und des zu vollziehenden Strafteils gemäss Art. 43 StGB steht dem Sachrichter ein erheblicher Spielraum des Ermessens zu. Das Bundesgericht greift in dieses nur ein, wenn das Sachgericht es über- bzw. unterschreitet oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt (BGE 134 IV 1 E. 5.6; 136 IV 55 E. 5.6; Urteil 6B_251/2012 vom 2. Oktober 2012 E. 5.4). 
 
1.4. Wie bei der Strafzumessung (Art. 50 StGB) müssen die Gründe im Urteil so wiedergegeben werden, dass sich die richtige Anwendung des Bundesrechts überprüfen lässt (BGE 134 IV 1 E. 4.2.1).  
 
2.  
 
2.1. Die Vorinstanz verletzt im Ergebnis kein Bundesrecht, wenn sie der Beschwerdeführerin den bedingten Strafvollzug verwehrt. An der Sache vorbei gehen die Rügen, die Vorinstanz hätte an Stelle der (unbedingten) Geldstrafe der Beschwerdeführerin die Möglichkeit gemeinnütziger Arbeit anbieten oder gar eine unbedingte Freiheitsstrafe, die im Regime des "Electronic Monitoring" vollzogen werden könne, aussprechen müssen. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin stellen Geldstrafe und gemeinnützige Arbeit gegenüber der Freiheitsstrafe stets mildere Strafen dar. Die Wahl der Strafe erfolgt allein durch das Gericht aufgrund der konkreten Strafdrohung des Tatbestandes und der Zweckmässigkeit der jeweiligen Sanktionsart. Aus dem Zustimmungserfordernis zur gemeinnützigen Arbeit folgt kein Wahlrecht des Verurteilten bezüglich der strafrechtlichen Sanktion (BGE 134 IV 97 E. 6.3.3.3). Ob eine unbedingte Freiheitsstrafe im geschlossenen Vollzug, in Halbgefangenschaft oder im Regime des "Electronic Monitoring" vollzogen wird, betrifft nicht die vom Gericht verhängte Strafe, sondern ausschliesslich das Vollzugsregime.  
Dass die Vorinstanz die einschlägigen Vorstrafen und das Betreiben weiterer Etablissements im Basler Rotlichtmilieu durch die Beschwerdeführerin, die ähnlich strukturiert sind wie der Barbetrieb mit Zimmervermietung an der A.________-Strasse, bei der Beurteilung für die Legalprognose mitberücksichtigt, ist nicht zu beanstanden. Neben den Tatumständen sind auch das Vorleben und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter der Beschwerdeführerin und die Aussichten ihrer Bewährung zulassen, einzubeziehen (vgl. BGE 134 IV 1 E. 4.2.1). Die Vorinstanz durfte namentlich aufgrund der einschlägigen Vorstrafen, der erneuten Delinquenz während eines bereits laufenden Strafverfahrens und der von der Beschwerdeführerin gezeigten Uneinsichtigkeit hinsichtlich ihrer Straftaten schwere Bedenken an einer guten Legalprognose äussern. Dass die Beschwerdeführerin sich nach dem erstinstanzlichen Schuldspruch formell aus der Bewirtschaftung der Liegenschaft an der A.________-Strasse zurückgezogen hat, lässt die bereits begangenen Straftaten rückwirkend nicht entfallen und ist ungeeignet, nachträglich eine nachhaltige Warnwirkung aufgrund der ergangenen Verurteilungen zu belegen. Die Vorinstanz durfte die äusseren Umstände der Betriebsaufgabe, namentlich dass diese zwischen erstinstanzlichem Schuldspruch und Berufungsverhandlung erfolgte, die Beschwerdeführerin nach wie vor Mehrheitsgesellschafterin der B.________ GmbH und Eigentümerin der Liegenschaft ist und ähnlich strukturierte Einrichtungen betreibt, in ihre Legalprognose einfliessen lassen. Sie verletzt ihr Ermessen nicht, wenn sie dem formellen Rückzug aus dem Barbetrieb mit Zimmervermietung an der A.________-Strasse skeptisch gegenübersteht und im Rahmen der Gesamtwürdigung als unzureichend erachtet, um eine gute Legalprognose zu bejahen. Lediglich die vage Hoffnung auf zukünftiges Wohlverhalten begründet keine positive Legalprognose (vgl. Urteil 6S.489/2005 vom 12. April 2006 E. 1.2). 
Die Argumentation, bei einer bedingten (oder teilbedingten) Geldstrafe von rund Fr. 160'000. - sei angesichts der "horrenden" Summe nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin nochmals straffällig werde, geht an der Sache vorbei. Die Beschwerdeführerin verkennt, dass sich die Eingriffsintensität nicht (in erster Linie) aus der Höhe des (insgesamt) zu zahlenden Geldbetrages, sondern aus der für das Verschulden relevanten Anzahl von Tagessätzen ergibt. Dass die rechtskräftigen Verurteilungen, die keinen Warneffekt entfaltet haben, deutlich niedrige Tagessätze (Fr. 50.- anstatt Fr. 1'140.-) aufweisen, ist nicht nachvollziehbar, aber im Rahmen der Legalprognose unerheblich. Die Beschwerdeführerin hat im Übrigen weder Höhe noch Anzahl der Tagessätze angefochten. 
 
2.2. Ob der Beschwerdeführerin hingegen der teilbedingte Vollzug der Geldstrafe zu Unrecht verweigert wurde, lässt sich anhand der vorinstanzlichen Begründung nicht überprüfen (vgl. Art. 50 StGB; BGE 134 IV 1 E. 4.2.1). Die Vorinstanz verkennt, dass die Voraussetzungen von Art. 42 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 1 StGB nicht identisch sind. Sie berücksichtigt nicht, dass die Warnwirkung des Teilaufschubes angesichts des gleichzeitig angeordneten Teilvollzuges für die Zukunft eine weitaus bessere Prognose erlaubt. Ob lediglich Bedenken an der Legalbewährung bestehen oder diese schlecht ausfällt, hat die Vorinstanz in Berücksichtigung einer möglichen Warnfunktion eines Teilvollzugs zu beurteilen. Hierzu äussert sie sich nicht und lässt innerhalb des ihr zustehenden grossen Ermessens einen wichtigen Punkt unberücksichtigt.  
 
2.3. Es ist vorliegend mit Nachdruck in Erinnerung zu rufen, dass die Berufung nach Art. 398 ff. StPO grundsätzlich ein reformatorisches Rechtsmittel ist (BBl 2006 1318 Ziff. 2.9.3.3). Die Vorinstanz verfügt als Berufungsgericht über umfassende Kognition in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht (vgl. Art. 398 Abs. 2 und 3 StPO; Urteile 6B_497/2014 vom 6. März 2015 E. 1.4; 6B_339/2014 vom 27. November 2014 E. 1.3, nicht publ. in: BGE 140 IV 145). Tritt sie wie vorliegend auf die Berufung ein, fällt sie ein neues, den erstinstanzlichen Entscheid ersetzendes Urteil (vgl. Art. 408 StPO; BGE 141 IV 244 E. 1.3.3). Hinsichtlich der formellen Anforderungen an das Dispositiv des in der Sache ergehenden Berufungsurteils wird auf Art. 81 i.V.m. Art. 408 StPO verwiesen (vgl. hierzu: Urteile 6B_254/2015 vom 27. August 2015 E. 3.2; 6B_482/2012 vom 3. April 2013 E. 5.3; je mit Hinweisen).  
 
3.  
Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Die Beschwerdeführerin wird im Umfang ihres Unterliegens kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Kanton Basel-Stadt trägt keine Verfahrenskosten (Art. 66 Abs. 4 BGG), hat jedoch die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen, soweit diese obsiegt (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen, das Urteil des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt vom 6. Februar 2015 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen. 
 
2.   
Der Beschwerdeführerin werden Gerichtskosten von Fr. 1'000. - auferlegt. 
 
3.   
Der Kanton Basel-Stadt hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 1'000. - zu entschädigen. 
 
4.   
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt, Ausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 9. November 2015 
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Denys 
 
Der Gerichtsschreiber: Held