Wichtiger Hinweis:
Diese Website wird in älteren Versionen von Netscape ohne graphische Elemente dargestellt. Die Funktionalität der Website ist aber trotzdem gewährleistet. Wenn Sie diese Website regelmässig benutzen, empfehlen wir Ihnen, auf Ihrem Computer einen aktuellen Browser zu installieren.
Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Grössere Schrift
 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
7B.186/2006 /blb 
 
Urteil vom 10. Januar 2007 
Zweite zivilrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Raselli, Präsident, 
Bundesrichterin Hohl, Bundesrichter Marazzi, 
Gerichtsschreiber Gysel. 
 
Parteien 
X.________ GmbH, 
Beschwerdeführerin, 
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Pius Huber, 
 
gegen 
 
Obergericht (Justizkommission) des Kantons Zug als kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs, Aabachstrasse 3, 6301 Zug. 
 
Gegenstand 
Konkursandrohung (Zustellung des Zahlungsbefehls), 
 
Beschwerde nach OG gegen das Urteil 
vom 20. September 2006. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
In der von der Y.________ AG für eine Forderung von Fr. 10'139.15 nebst Zins zu 5 % seit 1. Februar 2005 gegen die X.________ GmbH eingeleiteten Betreibung Nr. xxxx des Betreibungsamtes L.________ wurde der am 7. April 2005 ausgestellte Zahlungsbefehl noch am gleichen Tag S.________ ausgehändigt. Es wurde kein Rechtsvorschlag erhoben, worauf die Y.________ AG das Forsetzungsbegehren einreichte. Das Betreibungsamt M.________, in dessen Amtskreis die X.________ GmbH inzwischen ihren Sitz verlegt hatte, stellte hierauf die Konkursandrohung aus. 
Mit Eingabe vom 26. Mai 2006 reichte die X.________ GmbH beim Obergericht (Justizkommission) des Kantons Zug als kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs Beschwerde ein und verlangte, es sei festzustellen, dass der Zahlungsbefehl in der von der Y.________ AG gegen sie eingeleiteten Betreibung nicht ordnungsgemäss zugestellt worden sei, und die Betreibung als nichtig aufzuheben. 
Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Urteil vom 20. September 2006 ab. 
Die X.________ GmbH nahm diesen Entscheid am 25. September 2006 in Empfang. Mit einer vom 5. Oktober 2006 datierten und noch am gleichen Tag zur Post gebrachten Eingabe führte sie (rechtzeitig) Beschwerde an das Bundesgericht (damalige Schuldbetreibungs- und Konkurskammer) und verlangte, es sei festzustellen, dass die Betreibung der Y.________ AG nicht eröffnet und nichtig sei. 
Die kantonale Aufsichtsbehörde beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Die Y.________ AG (Beschwerdegegnerin) und das Betreibungsamt L.________ schliessen auf Abweisung der Beschwerde (soweit auf diese einzutreten sei). 
Durch Präsidialverfügung vom 18. Oktober 2006 ist der Beschwerde antragsgemäss aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. 
2. 
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der angefochtene Entscheid ist vorher ergangen, so dass noch die Bestimmungen des Bundesrechtspflegegesetzes (OG) anzuwenden sind (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG). Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer (Art. 12 Abs. 1 lit. c OG) besteht indessen nicht mehr, und die vorliegende Beschwerde ist von der Zweiten zivilrechtlichen Abteilung zu beurteilen (Art. 32 Abs. 1 lit. c des Reglements vom 20. November 2006 für das Bundesgericht [BgerR; SR 173.110.131]). 
3. 
Die Beschwerdeführerin hält den Zahlungsbefehl in der strittigen Betreibung als solchen für nichtig, weil die Gläubigerin auch die Vertreterin der Schuldnerin sei. Indessen findet die geltend gemachte Identität in den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz keine Stütze. Sie entspricht denn auch in keiner Weise den auf dem Zahlungsbefehl vorhandenen Angaben, wo die Y.________ AG lediglich (auch) in der Rubrik "Gläubiger-Vertreter" eingetragen wurde. Der Rüge der Nichtigkeit des Zahlungsbefehls ist die Grundlage damit entzogen. Das gilt ebenfalls für den mit gleicher Begründung unter Berufung auf Art. 41 Abs. 2 OR erhobenen Vorwurf der Sittenwidrigkeit. Nach dem Gesagten stösst die Beschwerde auch insofern ins Leere, als die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe gegen Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG (Untersuchungsgrundsatz) verstossen, indem sie davon abgesehen habe, das Betreibungsbegehren beizuziehen, aus dem sich ergeben hätte, wer als Vertreter der Schuldnerin aufgeführt gewesen sei. 
4. 
In der gegen eine juristische Person gerichteten Betreibung ist der Zahlungsbefehl deren Vertreter zuzustellen; als solcher gilt für eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung jedes Mitglied der Verwaltung sowie jeder Direktor oder Prokurist (Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG). Wird im Geschäftslokal keine der genannten Personen angetroffen, kann auch an einen anderen Beamten oder Angestellten zugestellt werden (Art. 65 Abs. 2 SchKG). 
4.1 Das Obergericht hält fest, dass im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsbefehls (7. April 2005) gemäss Handelsregisterauszug U.________ und die V.________ AG die einzigen Gesellschafter der Beschwerdeführerin gewesen seien. Einziger Verwaltungsrat der V.________ AG, die ihr Domizil - wie die Y.________ AG - früher an der Strasse K.________ in L.________ gehabt habe, sei T.________ gewesen. Als der Betreibungsbeamte den Zahlungsbefehl am 7. April 2005 habe zustellen wollen, habe er in den Geschäftsräumlichkeiten der Beschwerdeführerin an der genannten Adresse weder U.________ noch T.________ auffinden können. Er habe die Urkunde deshalb S.________ übergeben, die sich in den Büroräumlichkeiten aufgehalten habe. Den Akten sei zu entnehmen, dass S.________ den Zahlungsbefehl sodann nicht etwa U.________, dem Gesellschafter der Beschwerdeführerin und Verwaltungsrat der betreibenden Gläubigerin, ausgehändigt, sondern an T.________ weitergeleitet habe: S.________ habe auf Anfrage des Vorsitzenden der kantonalen Aufsichtsbehörde mitgeteilt, es sei am 8. April 2005 eine Sendung an T.________ bei der Post aufgegeben worden; sie nehme an, dass es sich dabei um den fraglichen Zahlungsbefehl gehandelt habe; die Sendung sei indessen von der Post mit dem Vermerk "Nicht abgeholt" an den Absender (Y.________ AG) zurückgeleitet worden; das Kuvert sei nicht geöffnet worden und befinde sich nach wie vor in verschlossenem Zustand. Aufforderungsgemäss habe S.________ das verschlossene an T.________ adressierte Kuvert dem Vorsitzenden der kantonalen Aufsichtsbehörde gesandt. Dieser habe es im Beisein von Obergerichtsschreiberin P.________ geöffnet und habe verifizieren können, dass es den Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. xxxx des Betreibungsamtes L.________ enthalten habe. Damit sei erstellt, dass S.________ den Zahlungsbefehl unverzüglich an T.________ weitergeleitet habe. 
Diese Feststellungen tatsächlicher Natur sind für das Bundesgericht verbindlich, zumal die Beschwerdeführerin nicht dartut, dass sie unter Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften zustande gekommen wären, und nichts auf ein offensichtliches Versehen hindeutet (vgl. Art. 63 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 81 OG). 
4.2 Die Beschwerdeführerin anerkennt ausdrücklich, dass es sich bei T.________ um einen ihrer Vertreter im Sinne von Art. 65 Abs. 1 Ziff. 2 SchKG gehandelt habe. Ihr Hinweis auf BGE 118 III 10 (E. 3a S. 12), dem ein Fall zugrunde gelegen hatte, wo der Zahlungsbefehl nicht zu einer in dieser Bestimmung genannten Person gelangt war, ist daher von vornherein unbehelflich. Zu bemerken ist im Übrigen, dass in jenem Entscheid die Zustellung nicht wegen der fehlenden Angabe eines Vertreters der Schuldnerin im Betreibungsbegehren aufgehoben wurde, sondern deshalb, weil das Betreibungsamt den Zahlungsbefehl in Missachtung der in Art. 65 SchKG festgelegten Regeln an eine Hilfsperson der Schuldnerin übergeben hatte (vgl. E. 3b S. 12 f.). 
4.3 
4.3.1 Die kantonale Aufsichtsbehörde erklärt sodann, die Beschwerdeführerin könne aus dem Umstand, dass das von S.________ aufgegebene den Zahlungsbefehl enthaltende Kuvert mit dem Vermerk "Nicht abgeholt" an den Absender (Y.________ AG) zurückgelangt sei, nichts zu ihren Gunsten ableiten. Zum einen sei S.________ unbestrittenermassen mandatsweise für die Beschwerdeführerin tätig gewesen, weshalb sie davon habe ausgehen dürfen, dass deren Vertreter (T.________) sie rechtzeitig über eine allfällige Adressänderung informieren würde. Zum anderen liege nichts vor, was die Behauptung der Beschwerdeführerin bestätigen würde, S.________ bzw. die Y.________ AG hätten gewusst, dass T.________ nicht mehr an der fraglichen Adresse gewohnt habe bzw. erreichbar gewesen sei. Dem Briefumschlag mit dem Vermerk "Wird abgeholt: 01.06.2005" sei vielmehr zu entnehmen, dass T.________ offenbar der Post einen Rückbehaltungsauftrag erteilt habe. Wenn er dies S.________ bzw. der Y.________ AG nicht mitgeteilt habe, sei dies ein internes Problem. 
4.3.2 Soweit diese Erwägungen rechtlicher Natur sind, legt die Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern sie gegen Bundesrecht verstossen sollen (Art. 79 Abs. 1 erster Satz OG). Sie beschränkt sich auf die - die tatsächlichen Verhältnisse betreffenden - Einwände, T.________ habe nie eine Abholungseinladung erhalten und es treffe nicht zu, dass dieser einen Rückbehaltungsauftrag erteilt habe und dass S.________ mandatsmässig für sie, die Beschwerdeführerin, tätig gewesen sei. Diese Vorbringen sind hier nicht zu hören, zumal die Beschwerdeführerin Gelegenheit erhalten hatte, sich zu den Ermittlungen der kantonalen Aufsichtsbehörde in diesem Punkt zu äussern (vgl. Art. 79 Abs. 1 zweiter Satz OG). Der Rüge, die Vorinstanz habe ihre Untersuchungspflicht gemäss Art. 20a Abs. 2 Ziff. 2 SchKG auch in diesem Zusammenhang verletzt, indem sie keine weiteren Abklärungen getroffen habe, ist entgegen zu halten, dass die kantonale Aufsichtsbehörde auf Grund einer vorweggenommenen Beweiswürdigung von zusätzlichen Ermittlungen absehen darf, wenn sie den massgeblichen Sachverhalt angesichts der vorhandenen Akten als hinreichend abgeklärt erachtet. Dass sie Beweisanträge gestellt hätte, die in Verletzung von Art. 8 ZGB übergangen worden wären, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend. 
5. 
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 20a Abs. 1 SchKG, der hier auf Grund von Art. 132 Abs. 1 BGG noch anzuwenden ist). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin (Y.________ AG, vertreten durch Rechtsanwalt lic iur. Frank Stapper), dem Betreibungsamt L.________ und dem Obergericht (Justizkommission) des Kantons Zug als kantonaler Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 10. Januar 2007 
Im Namen der Zweiten zivilrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: