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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 550/02 
 
Urteil vom 10. März 2003 
IV. Kammer 
 
Besetzung 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin Durizzo 
 
Parteien 
M.________, 1956, Beschwerdeführer, vertreten 
durch Fürsprecher Ulrich Seiler, Falkenhöheweg 20, 3012 Bern, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern 
 
(Entscheid vom 17. Juli 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
M.________, geboren 1956, meldete sich am 8. Juni 1999 unter Hinweis auf Psoriasis und eine Depression bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug (Umschulung) an. Die IV-Stelle Bern holte Berichte der Frau Dr. med. R.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 11. August 1999, des Dr. med. S.________, Allgemeine Medizin FMH, vom 7. September 1999 sowie des Spitals X.________, Dermatologische Universitätsklinik und -Poliklinik, vom 16. September 1999 ein, liess den Versicherten durch Dr. med. C.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, (Expertise vom 14. Oktober 1999) und durch das Ärztliche Begutachtungsinstitut ABI untersuchen (Expertise vom 6. Februar 2001) und klärte die erwerbliche Situation ab. Nachdem seine behandelnde Psychiaterin Frau Dr. med. I.________, am 6. Juni 2001 über seinen aktuellen Gesundheitszustand berichtet und M.________ vom 17. September 2001 bis zum 16. Dezember 2001 ein Arbeitstraining bei der Solothurnischen Eingliederungsstätte für Behinderte VEBO absolviert hatte (Bericht vom 5. Dezember 2001), führte die IV-Stelle das Vorbescheidverfahren durch und lehnte die Ausrichtung einer Invalidenrente mit Verfügung vom 12. April 2002 mangels rentenbegründenden Invaliditätsgrades ab. 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 17. Juli 2002 gut und sprach M.________ mit Wirkung ab 1. Januar 2000 eine Viertelsrente zu. 
C. 
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und die Zusprechung einer ganzen Rente, eventualiter die Rückweisung der Sache zur ergänzenden Abklärung beantragen. 
 
Während die IV-Stelle Bern auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze zum Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG; BGE 116 V 249 Erw. 1b), insbesondere bei geistigen Gesundheitsschäden (BGE 102 V 165; AHI 2000 S. 151 Erw. 2a; vgl. auch AHI 2001 S. 228 Erw. 2b mit Hinweisen und BGE 127 V 298 Erw. 4c in fine), zu den Voraussetzungen und dem Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG) und zur Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; vgl. auch BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) richtig dargelegt. Zutreffend sind auch die Ausführungen über die Aufgabe des Arztes im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen. Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügung (hier 12. April 2002) eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1, 121 V 366 Erw. 1b). 
2. 
2.1 Das kantonale Gericht hat sich zur Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf das Gutachten des ABI vom 6. Februar 2001 gestützt, welches eine Wiedereingliederung in der angestammten Tätigkeit empfiehlt und ein Arbeitspensum von 66 % als zumutbar erachtet. Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, er sei höchstens noch zu 30 % arbeitsfähig, und beruft sich dabei auf die Berichte der behandelnden Psychiaterin Frau Dr. med. I.________ vom 6. Juni 2001 und der Berufsberaterin Frau M.________ vom 21. Mai 2001. 
2.2 
2.2.1 Gemäss psychiatrischem Gutachten des Dr. med. C.________ vom 14. Oktober 1999 leidet der Beschwerdeführer seit seiner Einreise in die Schweiz im Jahr 1981 an Psoriasis. Trotz der sozial schwerwiegend einschränkenden Hauterkrankung, der für ihn damit verbundenen narzisstischen Kränkung und andauernder Schamgefühle habe der Patient seine Tätigkeit als Laborant, später als stellvertretender Laborchef mit einem vollen Pensum versehen können. Im Rahmen von gesundheitspolitischer Spitalzusammenlegung und Laborzentralisierung sei es im Oktober 1998 zu einer "Disqualifikation" als "ungepflegter Mensch, von dem sich die Patienten nicht stechen lassen wollten," und als "unzumutbar" und schliesslich zum Arbeitsverlust auf Ende November 1999 gekommen. Die bereits bestehende depressive Entwicklung habe sich vertieft und die Hautkrankheit habe derart exazerbiert, dass der Versicherte habe hospitalisiert werden müssen. Seit Januar 1999 sei er von seinen Ärzten zu 100 % arbeitsunfähig geschrieben worden. 
2.2.2 Die Ärzte des ABI stellten am 6. Februar 2001 die psychiatrische Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung mit einer gegenwärtig leichten bis mittelgradigen Episode (F 33). Es handle sich dabei um eine Anpassungsstörung im Sinne einer neurotischen Depression. Der Explorand könne sich nicht mit seiner Hautkrankheit abfinden, wobei eine etwas sensible Charakterstruktur prädisponierend die depressive Entwicklung begünstige. Die Depression behindere in der Leistungsfähigkeit im Sinne einer Verlangsamung durch die psychomotorische Hemmung und wegen Konzentrationsschwierigkeiten. Es könne ihm aber unter Berücksichtigung auch des somatischen Zustandes durchaus zugemutet werden, etwa sechs Stunden täglich einer Tätigkeit nachzugehen. Die psychiatrische Prognose sei ungewiss; die zweijährige Erwerbslosigkeit bei ähnlich depressivem Zustandsbild weise jedoch auf eine Chronifizierung hin. 
2.2.3 Frau Dr. med. I.________ stimmte in ihrem Bericht vom 6. Juni 2001 nach zweieinhalbmonatiger Behandlung des Versicherten im psychopathologischen Befund überein mit den Ärzten des ABI. Sie war jedoch der Ansicht, dass auf Grund der bereits damals beschriebenen Symptome die Diagnose einer mittelschweren depressiven Episode hätte gestellt werden müssen. Nachdem seit der damaligen Begutachtung eine weitere Verschlechterung eingetreten sei, müsse nun eindeutig ein chronischer Verlauf, zur Zeit mit einer schweren depressiven Episode, angenommen werden. Sie erachtete den Patienten zu 30 % arbeitsfähig, wobei er lediglich in einer Eingliederungsstätte im Rahmen einer Therapie eingesetzt werden könne. 
2.2.4 Laut dem Schlussbericht der Eingliederungsstätte VEBO über das vom 17. September bis zum 16. Dezember 2001 absolvierte Arbeitstraining konnte der Beschwerdeführer in der während der drei Monate gezeigten psychischen Verfassung höchstens in geschütztem Rahmen einer geregelten Arbeit nachgehen; eine Vermittlung in die offene Wirtschaft schien unrealistisch. Die Abteilungschefin der Beruflichen Eingliederung der Beschwerdegegnerin schloss sich auf Grund ihres eigenen Eindruckes vom Versicherten dieser Einschätzung an (Schlussbericht vom 21. Dezember 2001). 
3. 
Der Beschwerdeführer steht bereits seit 1999 in psychiatrischer Behandlung. Während die Ärzte des ABI noch von einer depressiven Störung ausgingen, musste die behandelnde Psychiaterin ein halbes Jahr später eine Verschlechterung des Gesundheitszustands im Sinne einer Chronifizierung feststellen. Die Berichte der Berufsberaterin sowie der VEBO zeigen die Schwierigkeiten der Wiedereingliederung wegen Antriebslosigkeit, Resignation und Konzentrationsproblemen sowie der Fixierung auf die Hautkrankheit. Nach Lage der Akten bestehen demnach Anhaltspunkte dafür, dass nicht nur ein vorübergehender depressiver Verstimmungszustand vorliegt, sondern eine andauernde Depression mit wesentlich stärkerer Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit, als die Vorinstanz angenommen hat. Aus allen ärztlichen Berichten, aber auch denjenigen der Berufsberaterin und der VEBO lässt sich zudem entnehmen, dass es dem Beschwerdeführer nicht am Willen mangelt, wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, sondern er vielmehr durch seine psychischen Probleme, die sich insbesondere auch in sozialem Rückzug zeigen, daran gehindert wird (BGE 127 V 299 f. Erw. 5a). 
 
Zur Klärung ist eine erneute psychiatrische Abklärung angezeigt. Zwar wurden schon zwei entsprechende Gutachten erstellt; jedoch hat sich bis zum Verfügungszeitpunkt offenbar trotz ärztlicher Behandlung eine Verschlechterung eingestellt. Die Sache ist zu diesem Zweck an die IV-Stelle zurückzuweisen. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 17. Juli 2002 und die Verfügung der IV-Stelle Bern vom 12. April 2002 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Anspruch auf Invalidenrente neu verfüge. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die IV-Stelle Bern hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 10. März 2003 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: Die Gerichtsschreiberin: