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[AZA 7] 
U 6/99 Gb 
 
 
 
II. Kammer 
 
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; 
Gerichtsschreiberin Hofer 
 
 
Urteil vom 10. Mai 2001 
 
in Sachen 
 
B.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Eberle, Felsenstrasse 4, 8808 Pfäffikon/SZ, 
 
gegen 
 
Vaudoise Assurances, Place de Milan, 1007 Lausanne, 
Beschwerdegegnerin, 
 
und 
 
Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Schwyz 
 
 
 
A.- Die 1963 geborene B.________, welche seit Sommer 1995 in keinem Arbeitsverhältnis mehr gestanden hatte, wurde auf den 1. August 1997 als Schulische Heilpädagogin der Gemeinde X.________ mit einem Arbeitspensum von 30 % angestellt. Am 10. August 1997 verdrehte sie sich beim Joggen das linke Knie, was sie der Unfallversicherung der Arbeitgeberin, der Vaudoise Allgemeine Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend: Vaudoise), am 24. Oktober 1997 meldete. Diese lehnte mit Verfügung vom 23. Januar 1998 das Begehren um Ausrichtung der gesetzlichen Leistungen ab mit der Begründung, im Zeitpunkt des Unfallereignisses habe noch keine Versicherungsdeckung bestanden, da die Versicherte ihre Stelle erst am 18. August 1997, dem ersten Tag nach den Schulferien, angetreten habe. Die von B.________ erhobene Einsprache wies die Vaudoise mit Entscheid vom 17. April 1998 ab. 
 
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde, mit welcher die Versicherte beantragte, die Vaudoise sei zu den gesetzlichen Leistungen zu verpflichten, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz mit Entscheid vom 18. November 1998 ab. 
 
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert B.________ das vorinstanzliche Rechtsbegehren. 
Die Vaudoise und die Vorinstanz schliessen auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat keine Vernehmlassung eingereicht. 
 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Die Leistungspflicht des UVG-Versicherers setzt voraus, dass das schädigende Ereignis während des Bestehens des Versicherungsverhältnisses eingetreten ist. Nach Art. 3 Abs. 1 UVG beginnt die Versicherung an dem Tag, an dem der Arbeitnehmer auf Grund der Anstellung die Arbeit antritt oder hätte antreten sollen, in jedem Falle aber im Zeitpunkt, da er sich auf den Weg zur Arbeit begibt. Diese Regelung stimmt, von kleineren redaktionellen Änderungen abgesehen, mit Art. 62 Abs. 1 KUVG überein, sodass die hiezu ergangene Judikatur und Literatur auch für das neue Recht gültig sind. In EVGE 1950 S. 8 Erw. 1 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht erläutert, was unter dem Anknüpfungspunkt "Antritt zur Arbeit" zu verstehen ist. Diese Formulierung wolle nichts anderes heissen, als dass die Versicherung erst mit dem "Arbeitsbeginn" einsetze, also mit der tatsächlichen Aufnahme der Arbeit. Arbeitsantritt und Arbeitsbeginn seien synonyme Begriffe, wie der französische und italienische Gesetzestext klar dartue. In EVGE 1963 S. 236 Erw. 4 wurde weiter argumentiert, für den Beginn der Versicherung sei im Regelfall ein tatsächliches Ereignis (der "Arbeitsantritt") massgebend, nicht dagegen ein rein rechtliches Verhältnis ("Anstellungsvertrag"). Laut BGE 97 V 208 Erw. 2 ist die Regelung über den Beginn der Versicherung restriktiv zu interpretieren, wobei sich diese Einschränkung allerdings auf den mit der Gesetzesnovelle vom 19. Juni 1959 eingefügten Zusatz zu Art. 62 Abs. 1 KUVG ("oder hätte angetreten werden sollen, in jedem Falle aber mit Antritt des Weges zur Arbeit") bezieht, der im Verhältnis zur Grundregel des Arbeitsantritts die Ausnahme bildet (vgl. EVGE 1963 S. 236 Erw. 4). Nach neuerer Lehre und Rechtsprechung ist eine solche Ausnahmebestimmung weder restriktiv noch extensiv, sondern nach ihrem Sinn und Zweck im Rahmen der allgemeinen Regelung auszulegen (BGE 118 Ia 179 Erw. 2d, 117 Ib 121 Erw. 7c, 114 V 302 Erw. 3e, je mit Hinweisen), insbesondere unter gehöriger Beachtung der Schutzrichtung der sozialen Unfallversicherung. In BGE 118 V 179 Erw. 1 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht unter Hinweis auf die Lehre (Maurer, Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 140; vgl. dazu auch Ghélew/ Ramelet/Ritter, Commentaire de la loi sur l'assurance-accidents, S. 30) zudem festgehalten, die Auslegung, was "Arbeit antreten" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 UVG bedeutet, habe sich am Inhalt der "Anstellung" und damit am Arbeitsvertrag zu orientieren. In BGE 119 V 220 bestätigte es unter Bezugnahme auf die von Duc (Début de l'assuranceaccidents obligatoire, in: SZS 1990 S. 225 ff.; vgl. auch Daniel Guignard, Le début et la fin de l'assurance-accidents (LAA), Diss. Lausanne 1998, S. 70 ff.) geäusserte Kritik die Rechtsprechung gemäss BGE 118 V 177
 
2.- Vaudoise und Vorinstanz verneinen die Versicherungsdeckung zum Unfallzeitpunkt mit der Begründung, nach Art. 3 Abs. 1 UVG beginne die Versicherung an dem Tag, an dem der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin die Arbeit antrete. Vorliegend sei dies nach dem Ende der gesetzlichen Schulferien, am 18. August 1997, der Fall gewesen. Die Vaudoise vertritt zudem den Standpunkt, die Beschwerdeführerin habe jedenfalls in der Zeit vom 1. bis 17. August 1997 nicht mindestens zwölf Stunden pro Woche gearbeitet und sei deshalb gemäss Art. 13 Abs. 1 UVV (in der bis 31. Dezember 1999 gültig gewesenen Fassung vom 20. Dezember 1982) nicht gegen Nichtberufsunfälle versichert gewesen. 
Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, sie habe die Stelle am 1. August 1997 angetreten. Während der Schulferien habe sie vielfältige Arbeiten (Sitzungen, Vorbereitungen im Therapieraum, Lektionsvorbereitungen) im Hinblick auf den am 18. August 1997 beginnenden Unterricht geleistet. 
 
3.- a) Ein Arbeitnehmer, der bei Beginn oder Wiederbeginn seines Arbeitsverhältnisses zuerst bezahlte Ferien bezieht, ist während dieser Zeit noch nicht versichert. Der Antritt der Ferien kann nicht dem Antritt der Arbeit (der im Sinne eines tatsächlichen und nicht eines rein rechtlichen Verhältnisses zu verstehen ist) gleichgestellt werden (EVGE 1963 S. 236 Erw. 4). In Bestätigung dieser Rechtsprechung hat das Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 119 V 221 Erw. 3 entschieden, dass eine Sekundarlehrerin, deren Anstellungsverhältnis während der Sommerferien am 1. August 1990 begann, für den am 4. August 1990 - vor dem am 20. August 1990 beginnenden Unterricht - erlittenen Unfall keinen Versicherungsschutz genossen habe, weil sie die Arbeit im Zeitpunkt des Unfalles noch nicht angetreten hatte. Im Ergebnis gleich entschied es in RKUV 1995 Nr. U 230 S. 198. 
 
b) Ebenfalls nicht als Arbeitsantritt gilt die Vorbereitung zur Arbeit durch die Reparatur oder Revision eines Arbeitsmittels oder Werkzeugs beim Arbeitnehmer zu Hause ohne jede Anordnung, Kontrolle und direktes Interesse des Arbeitgebers oder ein vorheriger Besuch des Arbeitsortes durch den Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der nachfolgenden Arbeitsaufnahme (EVGE 1940 S. 18 f.). Kommt der Arbeitnehmer hingegen vor Beginn der Tätigkeit, für welche er eigentlich angestellt wurde, arbeitsvertraglichen Obliegenheiten mit konkret arbeitsvorbereitendem Charakter nach, sind diese als Antritt der Arbeit zu betrachten. In diesem Sinne hat das Eidgenössische Versicherungsgericht im Zusammenhang mit einer Skilehrerin entschieden, welche sich arbeitsvertraglich verpflichtet hatte, an einem obligatorischen Fortbildungskurs - in dessen Verlauf sie verunfallte - teilzunehmen. Da zwischen dem Kursbesuch und der Ausübung der Instruktionstätigkeit als Skilehrerin ein enger Konnex bestehe, könne dieser nicht vom Arbeitsantritt abgekoppelt werden (BGE 118 V 180 Erw. 2b). Verpflichtet sich ein Arbeitnehmer, während des betrieblich angeordneten Ferienvorbezugs die Geschäftsunterlagen zu studieren und nimmt er dieses Studium auch tatsächlich auf oder beschafft er sich im Hinblick auf die Vorbereitung auf seine neue Tätigkeit zumindest die entsprechenden Unterlagen, beginnt gemäss dem unveröffentlichten Urteil K. vom 4. August 1993 (U 18/93) die Versicherungsdeckung bereits in diesem Zeitpunkt. In dem vom Eidgenössischen Versicherungsgericht in BGE 119 V 220 beurteilten Fall wurde von keiner Seite geltend gemacht, die Sekundarlehrerin habe mit Blick auf den eigentlichen Stellenantritt nach den Schulferien Vorbereitungshandlungen treffen müssen. Da diese Frage nicht Gegenstand jener Beurteilung war, kann - entgegen dem was die Vorinstanz anzunehmen scheint - nicht geschlossen werden, gemäss höchstrichterlicher Rechtsprechung sei die Tatsache, dass ein Lehrer, insbesondere vor einem neuen Stellenantritt, Vorbereitungshandlungen zu treffen habe, für die Bestimmung des Arbeitsantritts zum Vornherein nicht ausschlaggebend. Weil sich nach dem in BGE 118 V 179 Erw. 1b Gesagten der Arbeitsantritt nach dem konkreten Arbeitsvertrag beurteilt, muss auch bei einer Lehrperson jeweils auf Grund der konkreten Anstellungsbedingungen geprüft werden, wann die Arbeit angetreten wurde. 
 
4.- a) Mit Bezug auf die Beschwerdeführerin ist daher zu prüfen, ob sie im Hinblick auf den Schulbeginn am 18. August 1997 ihr obliegende Vorbereitungen getroffen hat. Diese macht im Wesentlichen geltend, die Tätigkeit als Schulische Heilpädagogin beinhalte neben den Therapiesitzungen mit den Kindern zahlreiche andere Aufgaben, wie das Führen von Gesprächen und Abklärungen mit dem schulpsychologischen Dienst, den Lehrern und Eltern der betroffenen Kinder, den Kontakt mit Kostenträgern, Kinderärzten und Schulbehörden. Dafür sei im Arbeitsvertrag ein bedeutender Teil an Zeitaufwand reserviert. Zudem habe sie für diese neu geschaffene Stelle zuerst einen Therapieraum einrichten müssen. Sämtliche dieser Vorkehren hätten arbeitsvorbereitenden Charakter gehabt und seien mit der eigentlichen Arbeit als Therapeutin (Sitzungen mit den Kindern) in engem Zusammenhang gestanden. Als Beweismittel legt die Beschwerdeführerin eine Liste auf mit Daten über stattgefundene Sitzungen mit Heilpädagogen, Schulpräsident, Klassenlehrer und Materialchef sowie über persönliche Vorbereitungen im Therapieraum in der Zeit vom 4. April bis 14. August 1997. 
 
b) Wohl bildet gemäss Stellenbeschrieb des Schulrates X.________ die Zusammenarbeit mit den Schülern, Lehrkörper, Eltern, Schulinspektorat, KJPD Y.________, Legasthenie- und Logopädiedienst sowie übrigen Therapiestellen Teil des Pflichtenheftes. Nach den Rahmenbedingungen für die Heilpädagogische Schülerhilfe sind für die Besprechungen mit Lehrkräften, Eltern und Fachinstanzen 6 Lektionen entsprechend einem Anteil am gesamten Teilpensum von 20 % vorgesehen. Dass solche Massnahmen indessen bereits vor dem eigentlichen Schulbeginn durchgeführt werden mussten, lässt sich weder der Anstellungs-Verfügung vom Juni 1997 noch der Stellenbeschreibung oder den Rahmenbedingungen entnehmen. Auch die Beschwerdeführerin bringt nicht vor, sich gegenüber der Schulgemeinde verpflichtet zu haben, bereits vor Schulbeginn gewissen Obliegenheiten nachzukommen. Bei den von ihr erwähnten Tätigkeiten handelt es sich vielmehr um ganz generelle Vorbereitungshandlungen, welche sich im Rahmen dessen bewegen, was von einer pflichtbewussten Person vor dem Antritt einer neuen Stelle im Allgemeinen erwartet werden kann. Dies manifestiert sich denn auch darin, dass die Beschwerdeführerin bereits ab April 1997 in lockerer Folge mit verschiedenen Personen Gespräche geführt hat, ohne dazu im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses verpflichtet gewesen zu sein. Nach Beginn des Anstellungsvertrages am 1. August 1997 und vor dem Eintritt des Unfallereignisses hat sie am 4. August Lehrergespräche geführt und am 6. und 8. August persönliche Vorbereitungen im Klassenzimmer getroffen. Auch diesbezüglich lag keine vertragliche Verpflichtung vor, was das entscheidende Moment darstellt. Unter diesen Umständen kann nicht gesagt werden, zwischen den getroffenen Vorbereitungsmassnahmen und der Ausübung der heilpädagogischen Tätigkeit habe ein derart enger Konnex bestanden, dass diese nicht vom Arbeitsantritt getrennt werden können. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall von jenem der Skilehrerin (vgl. BGE 118 V 177), welche unmittelbar vor der Aufnahme der eigentlichen Instruktionstätigkeit obligatorisch an einem Fortbildungskurs teilnahm, zu dessen Besuch sie auf Grund der Anstellungsbedingungen verpflichtet war und ohne dessen Absolvierung ein Arbeitsbeginn nicht denkbar war. Wie gerade der vorliegende Fall zeigt, könnte eine weitgefasste Auslegung des Begriffs des "effektiven Arbeitsantritts" dazu führen, dass Versicherungsleistungen für lange vor dem effektiven Arbeitsbeginn getätigte Handlungen erbracht werden müssten, was nicht Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung von Art. 3 Abs. 1 UVG entspricht (BGE 118 V 179 Erw. 1b). Für die am 10. August 1997 erlittene Knieverletzung wird sich die Beschwerdeführerin entweder im Sinne von Art. 1 Abs. 2 und Art. 8 in Verbindung mit Art. 28 KVG an ihre Krankenkasse oder allenfalls unter dem Titel Rückfall/Spätfolgen an den früheren Unfallversicherer zu wenden haben, wie die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat. 
 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. 
 
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
 
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
Luzern, 10. Mai 2001 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Der Präsident der II. Kammer: 
 
 
i.V. 
 
 
Die Gerichtsschreiberin: