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[AZA 0/4] 
2A.114/2001/mks 
 
II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG *********************************** 
 
 
10. Juli 2001 
 
Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der 
II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Betschart, Hungerbühler, 
Müller, Bundesrichterin Yersin und Gerichtsschreiber Wyssmann. 
 
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In Sachen 
S.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Kurt Oehler, OEK Oehler Kurt Steuer-, Rechts-, Wirtschaftsberatung, Stadelhoferplatz, Zürich, 
 
gegen 
Kantonales Steueramt Zürich, Abteilung Direkte Bundessteuer, 
Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich, 
 
betreffend 
direkte Bundessteuer 1997/98, hat sich ergeben: 
 
A.- Mit Entscheid vom 31. Januar 2001 wies die Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich die Beschwerde der Eheleute S.________ ab und bestätigte die Veranlagung für die direkte Bundessteuer 1997/98 mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 99'900.--. Streitig war die Aufrechnung von Erträgen von Fr. 10'446.-- für 1996 aus Kapitalanlagen, welche die Beschwerdeführer bei der B.________ Portfolio Management getätigt hatten. Die Beschwerdeführer hatten geltend gemacht, B.________ sei betrügerisch vorgegangen und habe keine Börsengewinne erzielt. Die ihnen von den Steuerbehörden aufgerechneten Erträge seien rein fiktiv gewesen und nie realisiert worden. Demzufolge bestehe kein steuerbarer Vermögensertrag. 
 
B.- Gegen den Entscheid der Bundessteuer-Rekurskommission des Kantons Zürich führen die Steuerpflichtigen Verwaltungsgerichtsbeschwerde. 
Sie beantragen, es sei das steuerbare Einkommen auf Fr. 94'700.-- festzusetzen. (...) 
 
Aus den Erwägungen: 
 
1.- Gemäss Art. 16 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR 642. 11) unterliegen der Einkommenssteuer alle wiederkehrenden und einmaligen Einkünfte und insbesondere alle Erträge aus beweglichem Vermögen. Art. 20 Abs. 1 DBG zählt diese nicht abschliessend ("insbesondere") auf. Es gehören dazu namentlich (lit. a) Zinsen auf Guthaben, (lit. c) Erträge wie Dividenden und Gewinnanteile auf Beteiligungen und (lit. e) Einkünfte auf Anteilen an Anlagefonds. Auch Erträge aus Geldanlagen aufgrund eines Verwaltungsauftrages bei einem Vermögensverwalter (Portfolio-Manager) oder bei einem anlagefondsähnlichen Unternehmen sind nach der Rechtsprechung steuerbares Einkommen. Steuerfrei sind lediglich die Kapitalgewinne bei der Veräusserung von Privatvermögen (Art. 16 Abs. 3 DBG), doch fehlt es an der Möglichkeit, Kapitalgewinne (Veräusserungsgewinne) von anlagefondsähnlichen Unternehmen dem Privatvermögen des Anlegers zuzurechnen, sofern die Anlage, bei deren Veräusserung der Gewinn erzielt worden ist, nicht im Namen und auf Rechnung oder aufgrund eines Treuhandverhältnisses auf Rechnung des Anlegers erfolgte, wie das Bundesgericht bereits im Urteil vom 21. Oktober 1996 erkannt hat (ASA 66 S. 377 E. 2b). 
 
 
2.- B.________, der unter seiner Einzelfirma B.________ Portfolio Management als Vermögensverwalter auftrat, ging nach dem sog. Schneeballsystem vor. Er wies gegenüber den Anlegern überhöhte Gewinne aus, die nicht auf Vermögensanlagen beruhten, sondern die er aus ihm anvertrauten Geldern finanzierte. Nur einen kleinen Teil investierte er in (verlustbringende) Börsenanlagen. Nach dem von der Vorinstanz für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 Abs. 2 OG) festgestellten Sachverhalt ist davon auszugehen, dass B.________ im Rahmen seiner angeblichen Vermögensverwaltung die anvertrauten Gelder zu einem Pool zusammengefasst hatte. Es ist nicht nachgewiesen, dass er Vermögenswerte für die Beschwerdeführer in deren Namen direkt oder aufgrund eines Treuhandverhältnisses auf deren Rechnung anlegte. Den Beschwerdeführern wurde lediglich ein prozentualer Anteil des vom Vermögensverwalter B.________ ausgewiesenen Gewinnes gutgeschrieben. Die Gutschriften stellen somit nach Art. 16 und 20 DBG grundsätzlich Vermögensertrag und nicht Kapitalgewinn dar. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die gutgeschriebenen Beträge von B.________ Portfolio Management als "Kapitalgewinne" bezeichnet wurden (s. auch ASA 66 S. 377 E. 2b in fine). 
Das ist allseits unbestritten. 
 
Umstritten und zu prüfen ist lediglich, ob und wann diese Erträge realisiert worden sind. Die Beschwerdeführer bezeichnen diese Erträge als rein fiktive "Papiergewinne", weil B.________ im Rahmen seiner rechtswidrigen und betrügerischen Vermögensverwaltungsgeschäfte keine Gewinne, sondern immer nur Verluste erwirtschaftet habe. 
 
3.- Einkommen gilt grundsätzlich dann als realisiert, wenn dem Steuerpflichtigen Leistungen zufliessen oder wenn er einen festen Rechtsanspruch erwirbt, über den er tatsächlich verfügen kann. In der Regel wird bereits der Forderungserwerb als einkommensbildend betrachtet, sofern die Erfüllung nicht als unsicher erscheint (BGE 113 Ib 23 E. 2e S. 26 mit Hinweisen; ferner ASA 66 S. 377 E. 4a, 61 S. 666 E. 3b). Bei Ertrag aus Kapitalvermögen ist daher grundsätzlich auf den Zeitpunkt abzustellen, da die Leistung fällig wird. 
 
Nach diesen Grundsätzen ist der den Beschwerdeführern gutgeschriebene Zuwachs beim Vermögen als in der Bemessungsperiode 1996 realisiert anzusehen. Mit Steuerausweis vom 4. Februar 1997 bestätigte B.________ den Beschwerdeführern, dass sich ihr Guthaben (einschliesslich Erträge) auf Ende der Rechnungsperiode am 31. Dezember 1996 auf Fr. 110'446. 30 belaufen habe. Auf diesen Zeitpunkt hatte sich der Zuwachs verwirklicht und konnten die Beschwerdeführer darüber verfügen. Sie haben denn auch ihren Willen erkennbar betätigt, indem sie das Guthaben für weitere Anlagen - im Sinne des Verwaltungs-Auftrags mit der B.________ Portfolio Management - stehen liessen. Mit der Vorinstanz ist davon auszugehen, dass die Forderung im damaligen Zeitpunkt nicht unsicher schien und die Beschwerdeführer auf den Vermögenszuwachs greifen konnten. Es ist nicht anzunehmen, dass die Auszahlung des Guthabens verweigert worden wäre, wenn die Beschwerdeführer Zahlung verlangt hätten. Vielmehr gingen auch die Beschwerdeführer davon aus, dass die Rückzahlung gesichert sei, andernfalls sie nicht am 24. Februar 1997 der B.________ Portfolio Management weitere Fr. 47'000.-- anvertraut hätten. Wohl wurde über B.________ der Konkurs eröffnet, jedoch erst am 17. Juni 1998. Für die Beurteilung, ob die Forderung einbringlich sei, ist von den Verhältnissen auszugehen, wie sie im Zeitpunkt des Eintritts der Fälligkeit, am 31. Dezember 1996, bestanden haben. 
 
 
 
4.- Die Beschwerdeführer wenden ein, die Geschäfte des B.________ seien unerlaubt und strafbar gewesen. Das ist schwerlich zu bestreiten, ändert aber nichts an der Einkommenssteuerpflicht. 
Diese entsteht grundsätzlich dann, wenn der Steuerpflichtige das Recht erwirbt. Der Rechtserwerb beurteilt sich vorwiegend nach zivilrechtlichen Verhältnissen. 
Auf den Rechtsgrund des Erwerbs kommt es nicht an. 
Dieser kann vertraglicher oder gesetzlicher Natur sein (Reimann/Zuppinger/Schärrer, Kommentar zum Zürcher Steuergesetz, Vorbemerkungen zu § 19-32, N 9 und 18; Jean-Marc Rivier, Droit fiscal suisse, L'imposition du revenu et de la fortune, 2. Aufl. 1998, S. 301). Ob das Geschäft unter zivil- oder strafrechtlichem Aspekt zu beanstanden ist, ist unerheblich. Auch wenn der Erwerbsgrund in einer unerlaubten, d.h. dem Recht oder der Sittlichkeit zuwiderlaufenden Handlung liegt, ist nach heutiger Auffassung die Einkommenssteuerpflicht gegeben. Die frühere Theorie, dass aus widerrechtlichem oder unsittlichem Geschäft kein Einkommen fliessen könne, kann heute als aufgegeben gelten (Markus Reich, in Kommentar zum Schweizerischen Steuerrecht I/2a, N 12 und 25 zu Art. 16 DBG; Rivier, a.a.O., S. 301; so bereits BGE 70 I 250 E.1 und Reimann/Zuppinger/Schärrer, a.a.O., N 18). Die gegenteilige Auffassung liesse sich schwerlich mit dem Grundgedanken der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit in Einklang bringen. Denn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Subjekts wird (mit)bestimmt durch die ihm tatsächlich zugeflossenen Einkünfte. Aus diesem Grund sind auch hochriskante Geschäfte, die der Erwerbssphäre zugeordnet werden können, wie beispielsweise Differenz- oder Devisentermingeschäfte oder die Beteiligung an betrügerischen Schneeballsystemen, der Einkommenssteuerpflicht unterworfen (ebenso für das deutsche Recht: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 15. Aufl. , Köln 1996, § 9 Rz. 129; Wolfgang Heinicke, in Ludwig Schmidt (Hrsg.), Einkommenssteuerrecht, 
20. Aufl. , München 2001, N 15 zu § 20). Massgebend kann somit nicht sein, ob die von den Anlegern mit B.________ getroffenen Vereinbarungen widerrechtlich oder gar betrügerisch waren, sondern nur, ob die Anlagen für die Beschwerdeführer einen Ertrag abwarfen. 
Lausanne, 10. Juli 2001