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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1P.574/2003 /dxc 
 
Urteil vom 10. Dezember 2003 
I. Öffentlichrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesgerichtspräsident Aemisegger, Präsident, 
Bundesgerichtsvizepräsident Nay, 
Bundesrichter Aeschlimann, 
Gerichtsschreiber Pfisterer. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt 
Dr. Patrick Stach, Postfach 1944, 9001 St. Gallen, 
 
gegen 
 
Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement Graubünden, v.d. den Departementssekretär, 
Hofgraben 5, 7000 Chur, 
Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, 
Poststrasse 14, 7002 Chur. 
 
Gegenstand 
Art. 9 BV (Widerhandlung gegen die Verordnung über 
die Ausübung von Berufen des Gesundheitswesens), 
 
Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, vom 18. Juni 2003. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ wurde mit Strafverfügung des Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartements Graubünden vom 28. Februar 2003 der fahrlässigen Widerhandlung gegen die Verordnung über die Ausübung von Berufen des Gesundheitswesens (VO ABG) schuldig gesprochen und zu einer Busse von Fr. 300.-- verurteilt. Ihr wurde einerseits vorgeworfen, ohne Berufsausübungsbewilligung mit der Craniosacraltherapie gesundheitliche Störungen behandelt und dadurch gegen Art. 3 VO ABG verstossen zu haben. Andererseits verfüge sie zwar über das Diplom als Krankenschwester. Gemäss Art. 9 Abs. 1 VO ABG sei es ihr jedoch untersagt, auf ihrem Briefpapier ohne die entsprechende kantonale Berufsausübungsbewilligung ihre Tätigkeit als Krankenschwester anzukündigen. Gleiches gelte für die Arbeit als Naturheilpraktikerin. 
 
Auf Beschwerde von X.________ hin bestätigte das Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, diesen Schuldspruch am 18. Juni 2003. 
B. 
X.________ führt mit Eingabe vom 17. September 2003 staatsrechtliche Beschwerde. Sie beantragt, das Urteil des Kantonsgerichts Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, vom 18. Juni 2003 sei aufzuheben. 
 
Das Kantonsgericht sowie das Justiz-, Polizei- und Gesundheitsdepartement Graubünden sprechen sich für Abweisung der Beschwerde aus, das Kantonsgericht, soweit auf die Beschwerde einzutreten ist. 
C. 
Das Bundesgericht trat auf die ebenfalls am 17. September 2003 von X.________ eingereichte und wörtlich mit der staatsrechtlichen Beschwerde übereinstimmende eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde am 23. Oktober 2003 nicht ein. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
1.1 Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Entscheid, der die Strafverfügung des Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartements Graubünden bestätigt, in ihren rechtlich geschützten Interessen betroffen (Art. 88 OG). Sie macht die Verletzung verfassungsmässig garantierter Rechte geltend (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Dazu ist sie legitimiert. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf ihre staatsrechtliche Beschwerde einzutreten, unter Vorbehalt der nachfolgenden Erwägungen. 
1.2 Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die staatsrechtliche Beschwerde die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Wirft der Beschwerdeführer der kantonalen Behörde vor, sie habe mit ihrer Anwendung des kantonalen Rechts Art. 9 BV verletzt, so genügt es nicht, wenn er einfach behauptet, der angefochtene Entscheid sei willkürlich. Er hat vielmehr die Rechtsnorm, die in unhaltbarer Weise angewendet worden sein soll, zu bezeichnen und die behauptete qualifizierte Unrichtigkeit der Auslegung und Anwendung zu belegen. Auf ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 129 I 113 E. 2.1 mit Hinweisen). 
 
Soweit die vorliegende Beschwerde diesen Anforderungen nicht genügt, ist darauf nicht einzutreten. Dies gilt namentlich in Bezug auf die Rüge der Verletzung der Unschuldsvermutung, in der sich die Beschwerdeführerin mit der Begründung im angefochtenen Urteil nicht auseinandersetzt, es stehe "ausser Zweifel, dass ausgeschlossen werden kann", sie habe sich jeglicher Behandlung gesundheitlicher Störungen enthalten. 
2. 
2.1 
Die Beschwerdeführerin hält dafür, das Kantonsgericht habe willkürlich entschieden, sie habe nicht nur gesunde, sondern auch kranke Menschen behandelt. Alleine die Möglichkeit, dass sie auch Kranke behandeln könnte, besage nichts. 
2.2 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Willkürlich ist ein Entscheid nicht schon dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, sondern erst dann, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür liegt nur vor, wenn nicht bloss die Begründung eines Entscheides, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist (BGE 129 I 8 E. 2.1 mit Hinweisen). 
2.3 Die Behandlung von Krankheiten, Verletzungen, Behinderungen oder sonstiger gesundheitlicher Störungen auf eigene Rechnung oder in fachlicher Verantwortung auf Rechnung eines andern unterliegt nach Art. 3 VO ABG einer Bewilligung zur Berufsausübung (bewilligungspflichtige Tätigkeiten). 
2.4 Das Kantonsgericht hat ausführlich und korrekt dargelegt, was unter der Craniosacraltherapie zu verstehen ist und welches die möglichen Einsatzgebiete sind. Darauf kann verwiesen werden (angefochtenes Urteil S. 7). Das Gericht erwog, diese Therapieform könne gewiss auch an gesunden Menschen angewendet werden. Gesamthaft gesehen sei sie jedoch in erster Linie auf die Behandlung Kranker ausgerichtet. Bereits der Begriff der "Therapie" (als Lehre von der Behandlung der Krankheiten) spreche gegen die Beschränkung einzig auf gesunde, aber gestresste Personen, wie die Beschwerdeführerin für sich behaupte. Sie preise sich auf ihrem Briefpapier als Craniosacraltherapeutin an, ohne den Vorbehalt anzubringen, sich ausschliesslich mit gesunden Personen zu befassen. Auch ihre beruflichen Qualifikationen sprächen gegen ihre Darlegungen. Es könne daher ausgeschlossen werden, dass sich die Beschwerdeführerin einzig und allein mit einem Nischenbereich der Craniosacraltherapie, nämlich der Stärkung der Gesundheit gesunder Menschen, befasse und sich jeglicher Behandlung gesundheitlicher Störungen konsequent enthalte. Die Beschwerdeführerin habe mit der Craniosacraltherapie Heilbehandlungen durchgeführt, ohne im Besitze der erforderlichen kantonalen Bewilligung zur Berufsausübung zu sein. Deshalb habe sie gegen Art. 3 VO ABG (bewilligungspflichtige Tätigkeiten) verstossen. 
 
Unter Würdigung der gesamten Umstände, namentlich der Vielfalt der mit der Craniosacraltherapie behandelbaren gesundheitlichen Störungen, des Briefkopfes und der Ausbildung der Beschwerdeführerin, erscheint es nicht als willkürlich davon auszugehen, diese habe nicht nur gesunde, sondern auch kranke Menschen behandelt. Somit hat das Kantonsgericht das Verfassungsrecht nicht verletzt, indem es die Verurteilung wegen Widerhandlung gegen Art. 3 VO ABG bestätigt hat. 
3. 
3.1 
Die Beschwerdeführerin ist sodann der Meinung, das Kantonsgericht habe willkürlich erkannt, die Erwähnung des Titels als Krankenschwester auf ihrem Briefpapier oder im Twixtel sei eine Ankündigung zur Ausübung des Berufes einer Krankenschwester gemäss Art. 9 Abs. 1 VO ABG. Die Auflistung ihrer Verbandszugehörigkeiten unter ihrem Namen gebe lediglich Auskunft über ihr Dienstleistungsangebot. Sie biete sich nicht als Krankenschwester an. 
3.2 Das Kantonsgericht hielt fest, die Beschwerdeführerin sei Inhaberin des Diploms als Krankenschwester. Es sei unbestritten, dass sie keine kantonale Berufsausübungsbewilligung als Krankenschwester eingeholt habe. Mit dem Begriff der "Gesundheitspraxis", der Nennung ihrer verschiedenen Verbandszugehörigkeiten und der Bezeichnung als "Dipl. Krankenschwester" im Briefkopf schaffe sie eine Verbindung zwischen ihrer Ausbildung und ihrer beruflichen Tätigkeit. Der unbefangene Leser schliesse daraus, dass sie als Krankenschwester tätig und zugelassen sei. Die VO ABG wolle aber gerade solche irreführenden Ankündigungen verhindern. Daher habe sie gegen Art. 9 Abs. 1 VO ABG verstossen. 
3.3 Soweit auf die Ausführungen der Beschwerdeführerin überhaupt einzugehen ist (vgl. Ziff. 1.2 hiervor), lassen diese den Entscheid des Kantonsgerichts nicht als im Ergebnis unhaltbar erscheinen. 
 
Die erste Zeile des Briefkopfes der Beschwerdeführerin lautet: "Gesundheitspraxis X.________, Dipl. Krankenschwester". Darunter steht geschrieben: "Geprüftes Mitglied des internationalen Therapeutenverbandes für Akupunkt-Massage nach Penzel (APM), der Gesellschaft für Manuelle Lymphdrainage nach Dr. Vodder und des Verbandes IST-CMT, internationale Studiengruppe für Craniosacrale Movement-Therapie/Craniosacrale Osteopathie, A-Mitglied der NVS (Naturärzte Vereinigung der Schweiz)". 
 
Die Ausübung des Berufes als Krankenschwester darf nur ankündigen, wer über die erforderliche Berufsausübungsbewilligung verfügt (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 20 VO ABG). 
 
Das Kantonsgericht ist der Meinung, es bestehe ein grosses öffentliches Interesse an einem gut funktionierenden und seriösen Gesundheitswesen. Die VO ABG wolle dies garantieren, z. B. indem sie Ankündigungen ohne Bewilligung verbiete. Diese Auslegung der Verordnung ist jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar. Das Kantonsgericht verfiel daher nicht in Willkür, wenn es nach dem Sinn und Zweck der VO ABG zum Schluss kam, aufgrund des Briefkopfes der Beschwerdeführerin entstehe der falsche Eindruck, sie sei nicht nur Inhaberin des Diploms als Krankenschwester, sondern übe diesen Beruf auch aus. Die Verurteilung wegen Widerhandlung gegen Art. 9 Abs. 1 VO ABG hält demnach vor der Verfassung Stand. 
4. 
Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, soweit darauf eingetreten werden kann. 
 
Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt die Beschwerdeführerin die Gerichtskosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung ist nicht auszurichten (Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt. 
3. 
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement Graubünden und dem Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 10. Dezember 2003 
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: