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[AZA 7] 
H 66/01 Go 
 
IV. Kammer 
 
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; 
Gerichtsschreiberin Helfenstein Franke 
 
Urteil vom 11. Juni 2002 
 
in Sachen 
C.________, 1972, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
Ausgleichskasse Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, 4102 Binningen, Beschwerdegegnerin, 
 
und 
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal 
 
A.- Die 1972 geborene C.________, Inhaberin eines Blumengeschäfts, rechnete vom 1. November 1994 bis 30. Juni 1999 als Selbstständigerwerbende mit der Ausgleichskasse Basel-Landschaft (nachfolgend: Ausgleichskasse) ab. Auf Grund der Steuermeldung vom 30. Dezember 1998 über die 1995 und 1996 erzielten Einkommen und das im Betrieb investierte Eigenkapital setzte die Ausgleichskasse mit Verfügungen vom 8. Juli 1999 die persönlichen Beiträge von 1. Januar 1995 bis 30. Juni 1999 definitiv fest. Der Beitragsbemessung hatte sie für 1995 und 1996 die jeweiligen Jahreseinkommen, für 1997 bis 1999 das Durchschnittseinkommen 1995/1996 zu Grunde gelegt. 
 
 
B.- Die von C.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft mit Entscheid vom 24. Januar 2001 ab. 
 
C.- C.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die angefochtenen Verfügungen seien unter Berücksichtigung der fristgerecht eingereichten und verlorenen Akten neu zu überarbeiten. 
Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
 
1.- Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). 
 
2.- a) Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff des Einkommens aus selbstständiger Erwerbstätigkeit (Art. 9 AHVG), die Bindung der Ausgleichskassen an die Angaben der Steuerbehörden (Art. 23 Abs. 4 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung) sowie die Voraussetzungen, unter denen das Sozialversicherungsgericht von rechtskräftigen Steuertaxationen abweichen darf (BGE 110 V 86 Erw. 4 und 370 f.; siehe auch AHI 1997 S. 25 Erw. 2b mit Hinweis), zutreffend dargelegt. 
Darauf kann verwiesen werden. 
Zu ergänzen ist, dass gemäss Art. 22 AHVV in der bis 
31. Dezember 2000 geltenden Fassung der Jahresbeitrag vom reinen Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit durch eine Beitragsverfügung für eine Beitragsperiode von zwei Jahren festgesetzt wird. Die Beitragsperiode beginnt mit dem geraden Kalenderjahr (Abs. 1). Der Jahresbeitrag wird in der Regel aufgrund des durchschnittlichen reinen Erwerbseinkommens einer zweijährigen Berechnungsperiode bemessen. Diese umfasst das zweit- und drittletzte Jahr vor der Beitragsperiode und entspricht jeweils einer Berechnungsperiode der direkten Bundessteuer (Abs. 2). 
Haben sich die Einkommensgrundlagen seit der Berechnungsperiode, für welche die kantonale Steuerbehörde das Erwerbseinkommen ermittelt hat, infolge Berufs- oder Geschäftswechsels, Wegfalls oder Hinzutritts einer Einkommensquelle, Neuverteilung des Betriebs- oder Geschäftseinkommens oder Invalidität dauernd verändert und wurde dadurch die Höhe des Einkommens wesentlich beeinflusst, so ermittelt die Ausgleichskasse das massgebende reine Erwerbseinkommen für die Zeit von der Veränderung bis zum Beginn der nächsten ordentlichen Beitragsperiode und setzt die entsprechenden Beiträge fest (Art. 25 Abs. 1 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung). 
 
b) Als wesentlich gilt die für die Anwendung des in Art. 25 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung umschriebenen ausserordentlichen Bemessungsverfahrens vorausgesetzte Einkommensveränderung, wenn sie mindestens 25 % beträgt (BGE 120 V 162 Erw. 3c mit Hinweisen). 
Blosse Einkommensschwankungen, wie beträchtlich sie auch sein mögen, genügen nicht für einen mit der Vornahme einer Neueinschätzung verbundenen Übergang zum ausserordentlichen Bemessungsverfahren. Die Anwendung von Art. 25 Abs. 1 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung setzt vielmehr einschneidende Veränderungen in den Grundlagen der wirtschaftlichen Tätigkeit voraus. So müssen sich die Einkommensgrundlagen selber aufgrund eines der in dieser Bestimmung aufgezählten Umstandes dauernd verändert und damit die Einkommenshöhe auch quantitativ wesentlich beeinflusst haben (BGE 106 V 76 f. Erw. 3a, 96 V 63; ZAK 1992 S. 474 f. Erw. 2b). Dies bedeutet, dass die Beiträge nur dann im ausserordentlichen Verfahren nach Art. 25 Abs. 1 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung festgesetzt werden dürfen, wenn sich die Struktur des Betriebes oder die Erwerbstätigkeit als solche grundlegend geändert haben (Käser, Unterstellung und Beitragswesen in der obligatorischen AHV, 2. Aufl. , Rz 14.56 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung). 
Diesen Grundsätzen trägt insbesondere die Verwaltungspraxis zum Neueinschätzungsgrund der Invalidität Rechnung. 
Danach lässt der Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung allein noch nicht auf eine dauernde Änderung der Einkommensgrundlagen schliessen. Anderseits kann auch bei fehlendem Rentenanspruch Erwerbsunfähigkeit in einem Masse gegeben sein, dass dadurch eine dauernde Änderung der Einkommensgrundlagen bewirkt wird (vgl. Rz. 1260 f. der Wegleitung über die Beiträge der Selbständigerwerbenden und Nichterwerbstätigen [WSN] (= Rz. 1259 f. WSN in der bis 
31. Dezember 1994 gültig gewesenen Fassung, unveröffentlichtes Urteil W. vom 19. Juni 1995, H 85/95). 
Schliesslich ist festzuhalten, dass Art. 25 Abs. 1 AHVV in der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung nach der Praxis eine Ausnahmebestimmung darstellt, welche nicht extensiv ausgelegt werden darf (BGE BGE 113 V 178, 98 V 247, 96 V 64; ZAK 1981 S. 256 Erw. 3c). 
 
c) Der Sozialversicherungsprozess ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Danach hat das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhaltes zu sorgen. Nach Art. 85 Abs. 2 lit. c AHVG hat die Beschwerdeinstanz im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes (BGE 125 V 195 Erw. 2 mit Hinweisen) von Amtes wegen die für den Entscheid erheblichen Tatsachen festzustellen; sie erhebt die hiezu notwendigen Beweise; dabei steht es grundsätzlich in ihrem pflichtgemässen Ermessen, weitere Abklärungen selber vorzunehmen oder in Aufhebung der Verfügung die Sache zu diesem Zwecke an die Ausgleichkasse zurückzuweisen (SVR 1996 IV Nr. 93 S. 
283 Erw. 4b/aa und ZAK 1971 S. 36 Erw. 1; vgl. auch BGE 122 V 163 oben und RKUV 1999 Nr. U 342 S. 410, Urteil B. vom 3. September 2001, I 421/99). Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien (BGE 125 V 195 Erw. 2, 122 V 158 Erw. 1a, je mit Hinweisen). Die Mitwirkungspflicht kommt als allgemeiner Verfahrensgrundsatz auch im kantonalen Beschwerdeverfahren zur Anwendung und bedeutet das aktive Mitwirken der Parteien bei der Feststellung des Sachverhalts (Locher, Grundriss des Sozialversicherungsrechts, 
2. Aufl. , Bern 1997, S. 384 f.; Merkli/Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, Bern 1997, N 1 f. zu Art. 20; Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. , Bern 1983, S. 284 f.). 
 
Zwar ist es in erster Linie Sache der beitragspflichtigen Person, die wesentliche Änderung ihrer Einkommensgrundlagen im Sinne von Art. 25 Abs. 1 AHVV zu melden, und sie trägt auch die Beweislast für die eine Zwischentaxation begründenden Tatsachen, vorliegend also eine massgebende Erwerbsunfähigkeit (Urteil G. vom 28. September 2001, H 115/01). Indes sind im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes in Bezug auf den rechtserheblichen Sachverhalt Abklärungen vorzunehmen, wenn hiezu aufgrund der Parteivorbringen oder anderer sich aus den Akten ergebender Anhaltspunkte hinreichender Anlass besteht (BGE 117 V 282 Erw. 4a; AHI 1994 S. 212 Erw. 4a; SVR 1999 IV Nr. 10 S. 28 Erw. 2c). 
 
3.- a) Die Beschwerdeführerin hat im kantonalen Verfahren beschwerdeweise geltend gemacht, ihr Geschäft habe auf Grund ihrer beginnenden Invalidität und der damit verbundenen langen Abwesenheiten nur Verluste eingebracht und auch ihr Lohn sei auf das lebensnotwendige Minimum reduziert worden. Sie sei auf Grund der anstehenden weiteren Operationen nicht arbeitsfähig. Das Geschäft sei in der Zwischenzeit verkauft worden. 
Das kantonale Gericht hat hiezu erwogen, die Kasse habe dazu einzig in Erfahrung bringen können, dass die IV-Anmeldung bei der Invalidenversicherung anscheinend am 3. Juni 1999 erfolgt sei. Über die davorliegende massgebliche Zeitperiode liessen sich aus den vorliegenden Akten betreffend eine gesundheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit keinerlei Anhaltspunkte entnehmen. Überdies sei die Beschwerdeführerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. 
Auch auf gerichtliche Aufforderung habe sie sich anscheinend nicht um eine entsprechende ärztliche Abklärung bemüht oder zumindest ein ärztliches Attest nicht zu den Akten gegeben. Die Beurteilung der aktuellen Aktengrundlage ergebe somit keinerlei stichhaltige Beweise, welche die gesundheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin belegen könnte. Sie habe demgemäss ihre Darlegungen beweismässig nicht substantiieren können. 
 
 
b) Dieser Argumentation kann unter prozessualen Gesichtspunkten nicht gefolgt werden. 
In der von der Ausgleichskasse beigezogenen und vernehmlassungsweise ins Recht gelegten IV-Anmeldung vom 3. Juni 1999 hatte die Versicherte angegeben, es bestehe eine volle Arbeitsunfähigkeit ab August 1999. Bei den näheren Angaben zur Behinderung verwies sie für Fragen an Dr. med. S.________. Ebenfalls gab sie an, wegen ihres rechten Knies bei diesem Arzt seit Januar 1999 in Behandlung zu stehen. Früher (ohne indes ein Datum oder einen Zeitraum anzugeben) sei sie von Dr. med. K.________, behandelt worden. Schliesslich bemerkte sie ergänzend, sie sei für etwa ein Jahr arbeitsunfähig nach ihrer Operation. 
Mit prozessleitender Verfügung vom 20. Juli 2000 forderte die Vorinstanz die Beschwerdeführerin auf, für die fragliche Periode ärztliche Atteste einzureichen, worauf die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14. August 2000 angab, wie ihr von ihrem Arzt mitgeteilt worden sei, müsse die Vorinstanz die ärztlichen Atteste direkt bei ihm einreichen (recte wohl: einverlangen). Ihr Arzt sei Dr. 
 
med. S.________. 
Auf Grund dieser deutlichen Anhaltspunkte für eine in der massgebenden Periode von 1995 bis 1998 teilweise bestehende Arbeitsunfähigkeit und damit eine qualitative Veränderung der Einkommensgrundlagen wäre das kantonale Gericht mit Blick auf das Verhältnis zwischen Untersuchungsgrundsatz und Mitwirkungspflicht gehalten gewesen, weitere Abklärungen vorzunehmen, zumal mit Blick auf die in den Buchhaltungsunterlagen ausgewiesenen Betriebsverluste für 1997 und 1998 gegenüber 1995 und 1996 eine entsprechende Einkommensverminderung nicht unglaubhaft war. Insbesondere durfte sich die Vorinstanz nicht damit begnügen, bei der Beschwerdeführerin ein ärztliches Attest einzuverlangen und sich diesbezüglich auf deren Mitwirkungspflicht zu berufen. 
Nachdem die Versicherte unter Nennung ihres behandelnden Arztes angegeben hatte, dieser habe ihr mitgeteilt, ein Bericht sei bei ihm einzuverlangen, hätte die Vorinstanz direkt bei Dr. med. S.________ einen klärenden Bericht mit den entsprechenden fallspezifischen Fragen verlangen und allenfalls in der Zwischenzeit bei der IV-Stelle vorhandene entsprechende Unterlagen beiziehen müssen. Unter diesen Umständen geht es nicht an, der Versicherten vorzuwerfen, sie habe sich auch auf eine gerichtliche Aufforderung hin nicht selbst um eine ärztliche Abklärung bemüht. 
Indem die Vorinstanz keine weiteren Abklärungen getätigt hat, hat sie den wesentlichen Verfahrensgrundsatz von Art. 85 Abs. 2 lit. c AHVG verletzt (BGE 98 V 224). Daran ändert nichts, dass die Ausgleichskasse in ihrer Vernehmlassung angibt, jüngste Abklärungen bei der IV-Stelle hätten ergeben, dass auch dort keine Arztzeugnisse vorlägen, die eine Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin ab 1997 bestätigen. Die Sache geht daher an das kantonale Gericht zurück, damit dieses die erforderlichen Abklärungen nachhole und hernach neu entscheide. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne 
gutgeheissen, dass der Entscheid des Versicherungsgerichts 
des Kantons Basel-Landschaft vom 24. Januar 
2001 aufgehoben und die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen 
wird, damit sie, nach erfolgter Abklärung 
im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde neu entscheide. 
 
II.Die Gerichtskosten von Fr. 1600.- werden der Ausgleichskasse Basel-Landschaft auferlegt. 
III. Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1600.- wird der 
 
Beschwerdeführerin zurückerstattet. 
 
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
 
 
Luzern, 11. Juni 2002 
 
Im Namen des 
Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Präsidentin der IV. Kammer: 
 
Die Gerichtsschreiberin: