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Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
6S.400/2005 /Rom 
 
Urteil vom 12. Mai 2006 
Kassationshof 
 
Besetzung 
Bundesrichter Schneider, Präsident, 
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd, 
Gerichtsschreiber Briw. 
 
Parteien 
X.________, 
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Daniel Albietz, 
 
gegen 
 
Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 3a, 4410 Liestal. 
 
Gegenstand 
Anordnung einer Massnahme (Art. 43 StGB), 
 
Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, vom 9. August 2005. 
 
Sachverhalt: 
A. 
In teilweiser Gutheissung seiner Appellation sprach das Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, am 9. August 2005 X.________ zweitinstanzlich schuldig der mehrfachen, teilweise geringfügigen Sachbeschädigung, der mehrfachen Drohung, der mehrfachen versuchten Nötigung, des Hausfriedensbruchs, der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte, der mehrfachen Beschimpfung sowie der Widerhandlung gegen das Waffengesetz und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von sieben Monaten, unter Anrechnung der ausgestandenen Untersuchungshaft bzw. des ausgestandenen Polizeigewahrsams, teilweise als Zusatzstrafe zur Strafverfügung des Verhöramts Appenzell Ausserrhoden, Trogen, vom 19. Juni 2002. 
 
Das Kantonsgericht schob den Strafvollzug gemäss Art. 43 Ziff. 2 Abs. 1 StGB auf und wies X.________ gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in eine Heil- oder Pflegeanstalt ein. Im Übrigen liess es das Urteil des Strafgerichts unverändert. 
B. 
X.________ erhebt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt die Aufhebung des kantonsgerichtlichen Urteils im Massnahmenpunkt (Aufschub des Strafvollzugs und Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt) und ersucht um die unentgeltliche Rechtspflege. 
 
Das Kantonsgericht verzichtet auf Gegenbemerkungen und beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft beantragt in der Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. X.________ richtet sich zudem mit mehreren Schreiben an das Bundesgericht. 
 
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Gestützt auf das Gutachten vom 4. August 2005 bestehen für die Vorinstanz keine Zweifel, dass der Beschwerdeführer psychiatrischer Betreuung bedarf. Ebenso unzweifelhaft ist für sie, dass zwischen seiner psychischen Störung und seinen Taten ein Zusammenhang besteht. Sie geht ferner davon aus, dass durch eine geeignete therapeutische Massnahme die Rückfallgefahr bzw. die Wahrscheinlichkeit weiterer Straftaten zumindest vermindert werden kann. Die Vorinstanz kann jedoch dem Wunsch des Beschwerdeführers nach Einweisung in eine Trinkerheilanstalt aufgrund der klaren Ausführungen im Gutachten nicht entsprechen, da der Alkoholmissbrauch nicht das Hauptproblem darstelle, sondern vielmehr eine Folgeerscheinung der Persönlichkeitsstörung sei, welche klarerweise im Vordergrund stehe. Die Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Anstalt bedeute eine klare Chance für den Beschwerdeführer. Eine minimale Kooperationsbereitschaft sei vorhanden, und die Anordnung einer stationären Behandlung sei auch möglich, wenn die Strafe zum Urteilszeitpunkt schon fast vollständig verbüsst sei, so dass die Strafe zugunsten einer stationären Therapie nach Art. 43 Ziff. 2 Abs. 1 StGB aufzuschieben und der Beschwerdeführer gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in eine Heil- oder Pflegeanstalt einzuweisen sei. 
2. 
Der Beschwerdeführer macht geltend, für die gegen seinen klaren und eindeutigen Willen erfolgte Einweisung in eine psychiatrische Anstalt gemäss Art. 43 StGB fehle es angesichts der ihm zur Last gelegten Delikte (die grösstenteils auf seine Obdachlosigkeit zurückzuführen seien) sowie des Strafmasses sowohl an der Geeignetheit wie an der Erforderlichkeit der Massnahme. Wenn überhaupt, bedürfe lediglich die Behandlung des Alkohol- und Cannabismissbrauchs einer spezialpräventiven Massnahme (in Form einer Einweisung in eine Trinkerheilanstalt oder einer resozialisierenden, ambulanten Massnahme). Dabei sei zu berücksichtigen, dass neuerdings auch sein Wille fehle, in eine Trinkerheilanstalt eingewiesen zu werden. 
3. 
3.1 Erfordert der Geisteszustand des Täters, der eine vom Gesetz mit Zuchthaus oder mit Gefängnis bedrohte Tat begangen hat, die damit im Zusammenhang steht, ärztliche Behandlung oder besondere Pflege und ist anzunehmen, dadurch lasse sich die Gefahr weiterer mit Strafe bedrohter Taten verhindern oder vermindern, so kann der Richter Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt anordnen. Er kann ambulante Behandlung anordnen, sofern der Täter für Dritte nicht gefährlich ist (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Gefährdet der Täter infolge seines Geisteszustands die öffentliche Sicherheit in schwerwiegender Weise, so wird vom Richter seine Verwahrung angeordnet, wenn diese Massnahme notwendig ist, um ihn vor weiterer Gefährdung anderer abzuhalten (Abs. 2). Der Richter trifft seinen Entscheid aufgrund von Gutachten über den körperlichen und geistigen Zustand des Täters und über die Verwahrungs-, Behandlungs- oder Pflegebedürftigkeit (Abs. 3). 
-:- 
 
Unter Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB sind jene Täter einzuordnen, bei denen eine Behandlung notwendig ist, der Sicherungsaspekt jedoch deutlich zurücktritt, sowie nicht gefährliche Täter und schliesslich die in diesem Zusammenhang wenig problematischen Täter, die lediglich einer ambulanten Massnahme bedürfen, sei es im Vollzug oder in der Freiheit (BGE 6P.95 und 6S.248/2003 vom 14. August 2003, E. 9.1 mit Hinweisen). 
 
Die Anordnung einer stationären Behandlung ist schliesslich auch möglich, wenn die Strafe zum Urteilszeitpunkt schon fast vollständig verbüsst ist. Grundsätzlich gilt, dass für die Internierung des Betroffenen in einer Heil- oder Pflegeanstalt das Gesetz weder eine Mindest- noch eine Höchstdauer nennt. Insbesondere kommt es nicht auf die Dauer der zugunsten der Massnahme aufgeschobenen Freiheitsstrafe an. Dies ergibt sich auch aus Art. 43 Ziff. 4 Abs. 1 StGB, wonach die zuständige Behörde die Aufhebung der Massnahme erst beschliesst, wenn ihr Grund weggefallen ist. Das kann längere Zeit in Anspruch nehmen. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer forensischer Patienten in Kliniken wird mit zwei bis fünf Jahren angegeben (BGE a.a.O., E. 9.2 mit Hinweis auf Marianne Heer, Strafgesetzbuch, Basler Kommentar, Art. 43 N. 82). 
3.2 Die angefochtene Entscheidung verletzt kein Bundesrecht. 
 
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, es handle sich bei den gemäss Gutachten "kaum nachvollziehbaren Delikten" nicht um schwere, sondern grösstenteils um Bagatelldelikte, die damit zusammenhingen, dass er in diesem Zeitpunkt obdachlos gewesen sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass er sich zahlreicher erheblicher Straftaten schuldig gemacht hat (oben Bst. A). Dabei hat er über einen Zeitraum von knapp eineinhalb Jahren intensiv, wiederkehrend und mit zunehmender Aggressivität delinquiert und eine grosse Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit gegenüber fremden Rechtsgütern erkennen lassen (angefochtenes Urteil S. 6). Es geht nicht an, bei dieser Sachlage von Bagatelldelikten zu sprechen. Es kommt hinzu, dass er zahlreiche, teils einschlägige Vorstrafen aufweist. So wurde er mit Urteil des Strafgerichts Schwyz vom 27. Mai 1987 wegen Notzucht, gewerbs- und bandenmässigen Diebstahls, Sachentziehung, Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs, Verletzung von Verkehrsregeln, Fahrens in angetrunkenem Zustand sowie Fahrens trotz Führerausweisentzugs zu 18 Monaten Gefängnis, mit Urteil des Strafbefehlsrichters Basel-Stadt vom 28. November 2001 wegen Vergehens gegen das Waffengesetz zu einer Busse von Fr. 300.-- und mit Urteil des Amtsstatthalteramts Kriens vom 28. Dezember 2001 wegen Sachbeschädigung zu einer Busse von Fr. 200.-- verurteilt (angefochtenes Urteil S. 6). 
 
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers setzt Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB auch nicht voraus, dass die Straftaten schwer oder gemeingefährlich gewesen sind oder dass es sich um einen "erheblich bis schwerst psychisch gestörten Straftäter" handelt. Die von der Gutachterin diagnostizierte dissozial-paranoide, emotional instabile Persönlichkeitsstörung sowie der schädliche Gebrauch von Alkohol und Cannabis (angefochtenes Urteil S. 8) genügen zur Annahme eines Geisteszustands im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
 
Soweit der Beschwerdeführer darauf aufmerksam macht, dass er bereits einen ansehnlichen Teil seiner Freiheitsstrafe verbüsst hat, wurde bereits erwähnt, dass die Anordnung einer stationären Behandlung auch möglich ist, wenn die Strafe im Urteilszeitpunkt schon weitgehend verbüsst ist. 
3.3 Im Übrigen richtet sich der Beschwerdeführer gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz. Das ist unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). So führt er aus, wenn überhaupt bedürfe es lediglich einer Heilung seiner Alkohol- und Cannabis-Sucht oder allenfalls einer ambulanten, resozialisierenden Massnahme. Damit setzt er sich nicht mit der gestützt auf das Gutachten erfolgten Feststellung der Vorinstanz auseinander, wonach der Alkoholmissbrauch nicht das Hauptproblem, sondern viel mehr eine Folgeerscheinung der Persönlichkeitsstörung darstellt, welche klarerweise im Vordergrund steht (angefochtenes Urteil S. 10). Er widerspricht zudem der vorinstanzlichen Feststellung, dass eine ambulante Massnahme im jetzigen Zeitpunkt nicht durchgeführt werden kann (angefochtenes Urteil S. 9 Mitte). Weiter macht er geltend, er habe sich klar und eindeutig gegen eine stationäre Massnahme im Sinne von Art. 43 StGB geäussert. Damit wendet er sich auch in diesem Punkt gegen die tatsächliche Feststellung der Vorinstanz, wonach bei ihm von einer zumindest minimalen Kooperationsbereitschaft bei der Durchführung der anzuordnenden Therapie auszugehen ist (angefochtenes Urteil S. 10). Dies betrifft jedenfalls die Behandlung des Alkoholmissbrauchs, die - wie erwähnt - nur zusammen mit der Persönlichkeitsstörung erfolgen kann. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. 
 
4. 
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist abzuweisen, weil das Rechtsbegehren aussichtslos erschien (Art. 152 OG). Angesichts der besonderen Umstände sind keine Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 153a OG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
1. 
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. 
2. 
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen. 
3. 
Es werden keine Kosten erhoben. 
4. 
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt. 
Lausanne, 12. Mai 2006 
Im Namen des Kassationshofes 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: