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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 403/01 /Rp 
 
Urteil vom 12. August 2002 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber Ackermann 
 
Parteien 
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Q.________, 1967, Beschwerdegegner, vertreten durch den Procap, Schweizerischer Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4600 Olten 
 
Vorinstanz 
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen 
 
(Entscheid vom 31. Mai 2001) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Q.________, geboren 1967, arbeitete ab 1993 im Baugewerbe, zuerst als Akkordmaurer, dann als Bauhandlanger. Nach zwei Rückenoperationen 1998 und 1999 meldete er sich am 4. Januar 2000 bei der Invalidenversicherung zur Berufsberatung und Umschulung an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen holte in der Folge einen Bericht des Dr. med. M.________ vom 2. Februar 2000 (mit medizinischen Vorakten der Klinik X.________) ein. Nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren lehnte die IV-Stelle mit Verfügung vom 6. März 2000 den Anspruch des Q.________ auf berufliche Eingliederungsmassnahmen ab, da er in einer leichten, leidensangepassten Tätigkeit zu 100% arbeitsfähig sei. 
B. 
Die dagegen erhobene Beschwerde des Q.________ hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 31. Mai 2001 insoweit gut, als es den Anspruch auf Arbeitsvermittlung bejahte; soweit weitergehend wurde die Beschwerde abgewiesen. 
C. 
Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den vorinstanzlichen Entscheid aufzuheben. 
 
Q.________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) deren Gutheissung beantragt. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen und Grundsätze für den Anspruch eines Invaliden auf Arbeitsvermittlung zutreffend dargestellt (Art. 18 Abs. 1 IVG; BGE 116 V 80). Darauf wird verwiesen. 
2. 
Streitgegenstand ist einzig der Anspruch auf Arbeitsvermittlung; weitere Eingliederungsmassnahmen sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. 
2.1 Das kantonale Gericht hat den Anspruch auf Arbeitsvermittlung bejaht, da der Beschwerdegegner infolge seines Gesundheitsschadens höchstens noch leichte Hilfsarbeiten ausführen könne, womit sich die Zahl der möglichen Stellen drastisch reduziert habe; der Anspruch auf Arbeitsvermittlung sei im Übrigen nicht auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die gesundheitliche Beeinträchtigung die Stellensuche direkt behindere (z.B. die Unfähigkeit, ein vernünftiges Vorstellungsgespräch zu führen). In ihrer Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies die Vorinstanz - in Übereinstimmung mit dem Beschwerdegegner - zudem darauf hin, dass der Anspruch auf Arbeitsvermittlung nicht - wie die Bemessung der Invalidität gemäss Art. 28 Abs. 2 IVG - von einem hypothetischen, ausgeglichenen Arbeitsmarkt ausgehe, sondern vom realen Arbeitsmarkt. 
 
Die IV-Stelle wendet dagegen ein, dass der Versicherte für leichte Arbeiten vollständig arbeitsfähig sei und auf dem ausgeglichenen, hypothetischen Arbeitsmarkt genügend zumutbare Stellen vorhanden seien. Das BSV bemerkt zusätzlich, dass ein bereits umgeschulter Versicherter keinen Anspruch auf Arbeitsvermittlung der Invalidenversicherung habe, wenn er die neue Tätigkeit voll ausüben könne. 
2.2 Der Anspruch auf Arbeitsvermittlung durch die Invalidenversicherung nach Art. 18 Abs. 1 IVG ist von der Arbeitsvermittlung Behinderter durch die Arbeitslosenversicherung (Art. 15 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 2 AVIG) zu unterscheiden. Die Invalidenversicherung ist für invalide Versicherte hinsichtlich der Arbeitsvermittlung vorrangig zuständig (Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 12). Nach der Rechtsprechung wird die Arbeitsvermittlung in der Arbeitslosenversicherung unabhängig von jener durch die Invalidenversicherung beurteilt (BGE 116 V 85 mit Hinweisen, bestätigt durch Urteil F. vom 15. Juli 2002, I 421/01). 
2.3 Notwendig für die Bejahung des Anspruchs auf Arbeitsvermittlung sind die allgemeinen Voraussetzungen für Leistungen der Invalidenversicherung gemäss Art. 4 ff. und Art. 8 IVG, d.h. insbesondere eine leistungsspezifische Invalidität (Art. 4 Abs. 2 IVG), welche im Rahmen von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG schon bei relativ geringen gesundheitlich bedingten Schwierigkeiten in der Suche nach einer Arbeitsstelle erfüllt ist (BGE 116 V 81 Erw. 6a; AHI 2000 S. 70 Erw. 1a). Eine für die Arbeitsvermittlung massgebende Invalidität liegt daher vor, wenn der Versicherte bei der Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle aus gesundheitlichen Gründen Schwierigkeiten hat (BGE 116 V 81 Erw. 6a mit Hinweis; AHI 2000 S. 69 Erw. 2b), d.h. es muss für die Bejahung einer Invalidität im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG zwischen dem Gesundheitsschaden und der Notwendigkeit der Arbeitsvermittlung ein Kausalzusammenhang bestehen (Urteil F. vom 15. Juli 2002, I 421/01; vgl. Art. 4 Abs. 1 IVG; in diesem Sinne Jean-Louis Duc, L'assurance-invalidité, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 85). 
Gesundheitliche Schwierigkeiten bei der Suche einer neuen Arbeitsstelle (BGE 116 V 81 Erw. 6a; AHI 2000 S. 69 Erw. 2b) erfüllen den leistungsspezifischen Invaliditätsbegriff, wenn die Behinderung bleibend oder während voraussichtlich längerer Zeit (Art. 4 Abs. 1 IVG) Probleme bei der - in einem umfassenden Sinn verstandenen - Stellensuche selber verursacht. Das trifft beispielsweise zu, wenn wegen Stummheit oder mangelnder Mobilität kein Bewerbungsgespräch möglich ist oder dem potentiellen Arbeitgeber die besonderen Möglichkeiten und Grenzen des Versicherten erläutert werden müssen (z.B. welche Tätigkeiten trotz Sehbehinderung erledigt werden können), damit der Behinderte überhaupt eine Chance hat, den gewünschten Arbeitsplatz zu erhalten. Zur Arbeitsvermittlung nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG ist im Weiteren berechtigt, wer aus invaliditätsbedingten Gründen spezielle Anforderungen an den Arbeitsplatz (z.B. Sehhilfen) oder den Arbeitgeber (z.B. Toleranz gegenüber invaliditätsbedingt notwendigen Ruhepausen) stellen muss und demzufolge aus invaliditätsbedingten Gründen für das Finden einer Stelle auf das Fachwissen und entsprechende Hilfe der Vermittlungsbehörden angewiesen ist. Bei der Frage der Anspruchsberechtigung nicht zu berücksichtigen sind demgegenüber invaliditätsfremde Probleme bei der Stellensuche, z.B. Sprachschwierigkeiten (im Sinne fehlender Kenntnisse der Landessprache, anders wiederum bei medizinisch diagnostizierten, somit gesundheitsbedingten Sprachstörungen; Urteil F. vom 15. Juli 2002, I 421/01). 
 
Unter Beachtung dieser Voraussetzungen ist bei voller Arbeitsfähigkeit für leichte Tätigkeiten der Invaliditätsbegriff im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG nicht erfüllt. Denn die Suche einer Anstellung, in deren Rahmen leichte Tätigkeiten vollzeitig verrichtet werden können, unterliegt keinen solchen Anforderungen und Einschränkungen im eben umschriebenen Sinne. Es braucht diesfalls für die Bejahung einer Invalidität nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG zusätzlich eine gesundheitlich bedingte spezifische Einschränkung in der Stellensuche. Denn die invalidenversicherungsrechtliche Arbeitsvermittlung bezweckt, konkrete eingetretene oder unmittelbar drohende (Art. 8 Abs. 1 IVG) invaliditätsbedingte Einschränkungen bei der Stellensuche durch die Inanspruchnahme spezieller Fachkenntnisse der Versicherungsorgane (oder der von ihr beigezogenen Stellen; vgl. Art. 59 IVG) auszugleichen. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, fällt der Anspruch auf Arbeitsvermittlung gegenüber der Invalidenversicherung ausser Betracht (Urteil F. vom 15. Juli 2002, I 421/01). 
3. 
Es fragt sich, ob der Beschwerdegegner wegen seiner Leiden Probleme bei der Stellensuche hat. 
 
Gemäss Bericht der Klinik X.________ vom 14. Januar 2000 ist der Beschwerdegegner in einer leidensangepassten leichten Tätigkeit vollständig arbeitsfähig. Damit liegt eine vollständige Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit vor, ohne dass weitere Einschränkungen ersichtlich wären. Dem Versicherten stehen deshalb auf dem - für alle erwerblich orientierten Leistungen der Invalidenversicherung massgebenden (Ulrich Meyer-Blaser, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, Zürich 1997, S. 8 unten) - ausgeglichenen hypothetischen Arbeitsmarkt genügend zumutbare Stellen offen (zu denken ist insbesondere an leichtere Kontroll- und Überwachungstätigkeiten), zu deren Finden die spezifischen Fachkenntnisse der mit der Invalidenversicherung betrauten Behörden nicht notwendig sind. Die dabei bestehenden Eingliederungsprobleme des Beschwerdegegners gründen zudem nicht in seinem Gesundheitszustand, sondern in seiner mangelnden Schulbildung und sind daher invaliditätsfremd (vgl. Erw. 2.3 hievor). Damit besteht nach dem Gesagten kein Anspruch auf Arbeitsvermittlung durch die Invalidenversicherung. Bei diesem Ausgang des Verfahrens kann die von der IV-Stelle aufgeworfene Frage der subjektiven Eingliederungsfähigkeit (AHI 2002 S. 108) offen bleiben. 
4. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die IV-Stelle als obsiegende Behörde hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG). 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
 
1. 
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 31. Mai 2001 aufgehoben. 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 12. August 2002 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
Die Vorsitzende der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: