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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
 
 
 
{T 0/2} 
 
1C_95/2014  
   
   
 
 
 
Urteil vom 13. Juni 2014  
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung  
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Merkli, Eusebio, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
A.________, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen  
 
Verkehrsamt des Kantons Schwyz.  
 
Gegenstand 
Strassenverkehrsrecht (Führerausweisentzug), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid vom 18. Dezember 2013 des Verwaltungsgerichts 
des Kantons Schwyz, Kammer III. 
 
 
Sachverhalt:  
 
A.   
A.________ erlitt am 31. März 2013, um ca. 21.38 Uhr, am Steuer seines Personenwagens Mercedes-Benz E 250 CDI T einen Selbstunfall. Auf der Autobahn A3 in Richtung Chur unterwegs, verlor er in Freienbach/SZ bei durch Schneeregen eingeschränkter Sicht und durch Schneematsch rutschiger Fahrbahn die Herrschaft über sein Fahrzeug, kam ins Schleudern, drehte sich um die eigene Achse und prallte wiederholt in die Mittelleitplanke. Nach den Feststellungen der Polizei wies der rechte Hinterreifen ein ungenügendes Profil auf. 
 
 Mit Strafbefehl vom 3. Mai 2013 verurteilte die Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln A.________ wegen Nichtanpassens der Geschwindigkeit an die Umstände (Art. 90 Abs. 1 SVG i.V.m. Art. 32 Abs. 1 SVG und Art. 4 Abs. 2 VRV) und Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs (Art. 93 Abs. 2 lit. a SVG i.V.m. Art. 29 SVG und Art. 57 Abs. 1 VRV) zu einer Busse von 550 Franken. Der Strafbefehl erwuchs in Rechtskraft, nachdem A.________ seine Einsprache zurückgezogen hatte. 
 
 Am 16. Juli 2013 entzog das Verkehrsamt des Kantons Schwyz A.________ den Führerschein wegen mittelschwerer Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften im Sinne von Art. 16b Abs. 1 lit. a SVG für einen Monat. 
 
 A.________ erhob gegen diese Entzugsverfügung Beschwerde ans Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, welches sie am 18. Dezember 2013 abwies. 
 
B.   
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt A.________, dieses verwaltungsgerichtliche Urteil ersatzlos aufzuheben und das Verfahren zu schliessen. Eventuell sei der angefochtene Entscheid aufzuheben und in Anwendung von Art. 16a Abs. 4 SVG auf eine Massnahme zu verzichten oder subeventuell in Anwendung von Art. 16a Abs. 3 SVG eine Verwarnung auszusprechen. In verfahrensmässiger Hinsicht beantragt er, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. 
 
C.   
Das Verwaltungsgericht beantragt in seiner Vernehmlassung, die Beschwerde abzuweisen. 
 
D.   
Am 21. März 2014 erkannte der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu. 
 
E.   
Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) beantragt, die Beschwerde abzuweisen. 
 
F.   
A.________ hält in seiner Replik an der Beschwerde fest. 
 
 
Erwägungen:  
 
1.   
Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Entscheid über eine Administrativmassnahme im Strassenverkehr. Dagegen steht die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 ff. BGG offen; ein Ausnahmegrund ist nicht gegeben (Art. 83 BGG). Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung von Bundesrecht, was zulässig ist (Art. 95 lit. a, Art. 97 Abs. 1 BGG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind erfüllt, weshalb auf die Beschwerde einzutreten ist. 
 
2.   
Der Beschwerdeführer macht geltend, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte sei es mit Art. 4 Ziff. 1 des Protokolls Nr. 7 zur EMRK (SR 0.101.07) unvereinbar, ihn wegen des gleichen Vorfalls sowohl mit einer straf- als auch einer administrativrechtlichen Sanktion zu belegen. 
 
 Die Trennung des Straf- vom Verwaltungsverfahren kann unter dem Gesichtspunkt des völkerrechtlich verankerten Grundsatzes "ne bis in idem" zwar durchaus kontrovers diskutiert werden, weil der Betroffene regelmässig sowohl die strafrechtliche als auch die administrative Sanktion als Strafe wahrnimmt und sich "doppelt bestraft" vorkommen mag. Das Bundesgericht hat den Gesetzgeber in seinem Geschäftsbericht 2010 (S. 17) auf diese Problematik hingewiesen. In BGE 137 I 363 E. 2 ist es nun allerdings aufgrund einer vertieften Auseinandersetzung mit der Lehre und der Praxis der Organe der Menschenrechtskonvention - insbesondere mit dem Fall Zolotukhin gegen Russland, Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte vom 10. Februar 2009 - zum Ergebnis gekommen, dass der Grundsatz "ne bis in idem" durch die Kumulierung von straf- und verwaltungsrechtlicher Sanktion jedenfalls bei Verkehrsregelverletzungen nicht verletzt wird (seither mehrfach bestätigt, z.B. Urteile 1C_28/2012 vom 25. Mai 2012 E. 2.2; 1C_268/2012 vom 31. Oktober 2012 E. 3.3-3.5; 1C_495/2013 vom 7. Januar 2014 E. 6.1). Die Rüge ist unbegründet. 
 
3.   
Führerausweise werden nach Widerhandlungen gegen die Strassenverkehrsvorschriften in Anwendung der Art. 16a-c SVG je nach Schwere und Häufigkeit für bestimmte Zeit, in besonders schwerwiegenden Fällen auch auf unbestimmte Zeit entzogen; durch diese strafähnlichen (BGE 133 II 331 E. 4.2; 120 Ib 504 E. 4b mit Hinweis; Urteil 1C_65/2007 vom 11. September 2007 E. 3.1) Warnungsentzüge soll der Betroffene von der Begehung weiterer Widerhandlungen abgehalten werden. 
 
 Das Gesetz unterscheidet zwischen der leichten, mittelschweren und schweren Widerhandlung (Art. 16a-c SVG). Gemäss Art. 16a SVG begeht eine leichte Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine geringe Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft und ihn dabei nur ein leichtes Verschulden trifft (Abs. 1 lit. a). Gemäss Art. 16b SVG begeht eine mittelschwere Widerhandlung, wer durch Verletzung von Verkehrsregeln eine Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt (Abs. 1 lit. a). Eine schwere Widerhandlung im Sinn von Art. 16c lit. a SVG begeht, wer durch grobe Verletzung von Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Nach einer mittelschweren Widerhandlung wird der Ausweis für mindestens einen Monat entzogen (Art. 16b Abs. 2 lit. a SVG). Eine Unterschreitung der gesetzlichen Mindestentzugsdauern ist ausgeschlossen (Art. 16 Abs. 3 SVG). 
 
4.  
 
4.1. Nach dem Strafbefehl vom 3. Mai 2013, der sich im Wesentlichen auf den Rapport der Kantonspolizei Zürich vom 19. April 2013 stützt, trägt der Beschwerdeführer die strafrechtliche Verantwortung dafür, dass er am Abend des 31. März 2013 ein nicht betriebssicheres Fahrzeug (abgefahrener Pneu hinten rechts) lenkte und bei schwierigen äusseren Bedingungen (Schneeregen, Schneematsch auf der Strasse) zufolge nicht an diese widrigen Verhältnisse angepasster Geschwindigkeit die Herrschaft über sein Fahrzeug verlor.  
 
Der Beschwerdeführer muss sich diesen rechtskräftigen Strafbefehl sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht entgegenhalten lassen. Es ist entgegen seiner Auffassung mit Treu und Glauben nicht vereinbar, die strafrechtliche Verurteilung zu akzeptieren und gegen deren tatsächlichen Grundlagen im anschliessenden Administrativverfahren Einwände zu erheben (BGE 123 II 97 E. 3c/aa; 121 II 214 E. 3a; Urteil 1C_249/2012 vom 27. März 2013 E. 2.1.2). Dies gilt vorliegend umso mehr, als das Verkehrsamt dem Beschwerdeführer am 31. Mai 2013 ausdrücklich mitteilte, dass er allfällige Einwände bereits im Strafverfahren geltend machen müsse und es sich auf das Ergebnis des Strafverfahrens abstützen werde. Dass der Beschwerdeführer am 7. Juni 2013, als er seine Einsprache gegen den Strafbefehl zurückzog, ausdrücklich erklärte, er anerkenne den ihm zur Last gelegten Sachverhalt nicht, ändert daher nichts daran, dass er sich den Strafbefehl uneingeschränkt entgegenhalten lassen muss. 
 
 Seine Einwände wären im Übrigen auch unbehelflich. Wer technische Fahrhilfen wie Spurassistenten oder Nachfahrtempomaten einsetzt, muss mit ihrer Funktionsweise vertraut sein. Bei äusseren Bedingungen - z. B. schneebedeckter Fahrbahn - die geeignet sind, deren einwandfreies Funktionieren zu beeinträchtigen, muss er seine Fahrweise so gestalten, dass er die Kontrolle über sein Fahrzeug auch bei einem möglichen Ausfall des Systems behält. Beim hier zu beurteilenden Vorfall hat der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben gegenüber der Polizei die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren, als es nach dem Ausfall eines Fahrhilfesystems nach links ausbrach, was er durch eine Lenkbewegung nach rechts ausgleichen wollte. Diese Richtungskorrektur ist in Anbetracht der Umstände - (überhöhte) Geschwindigkeit, abgefahrener Pneu hinten rechts, Schneematsch auf der Strasse - offensichtlich zu brüsk ausgefallen und hat den Wagen ins Schleudern gebracht. Das muss sich der Beschwerdeführer als Verkehrsregelverletzung bzw. als Widerhandlung gegen die Strassenverkehrsvorschriften anlasten lassen. 
 
4.2. Die Staatsanwaltschaft Höfe Einsiedeln hat den Beschwerdeführer wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln im Sinn von Art. 90 Abs. 1 SVG verurteilt. Eine solche entspricht einer leichten oder mittelschweren Widerhandlung im Sinn von Art. 16a Abs. 1 bzw. Art. 16b Abs. 1 SVG.  
 
 Wer auf der Autobahn die Kontrolle über sein Fahrzeug verliert, sodass es ins Schleudern gerät, sich um die eigene Achse dreht, wiederholt mit der Mittelleitplanke kollidiert und anschliessend auf der Fahrbahn zum Stillstand kommt, schafft offensichtlich eine nicht unerhebliche Gefahr für sich und die übrigen Verkehrsteilnehmer, und zwar gleichgültig darum, ob das Verkehrsaufkommen rege (nach der Beurteilung der ausgerückten Polizeibeamten) oder mässig (nach der Einschätzung des Beschwerdeführers) war. Selbst wenn den Beschwerdeführer nur ein leichtes Verschulden trifft, ist unter diesen Umständen die Annahme einer bloss leichten Widerhandlung ausgeschlossen. Das Verwaltungsgericht hat kein Bundesrecht verletzt, indem es die Widerhandlung als mittelschwer einstufte. 
 
4.3. Nach einer mittelschweren Widerhandlung ist der Führerausweis zwingend für mindestens einen Monat zu entziehen (Art. 16 Abs. 2 lit. a SVG). Diese gesetzliche Mindestentzugsdauer kann nicht unterschritten werden; daran vermag auch nichts zu ändern, dass die Mobilität des Beschwerdeführers aufgrund eines körperlichen Gebrechens eingeschränkt ist und er für die Ausübung seines Berufs auf ein Auto angewiesen ist. Diesen besonderen persönlichen Verhältnissen kann allerdings das Verkehrsamt beim Vollzug Rechnung tragen, indem es allfällige Wünsche des Beschwerdeführers hinsichtlich des Beginns des Entzugs angemessen berücksichtigt .  
 
5.   
Die Beschwerde ist somit als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:  
 
1.   
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2.   
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3.   
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Verkehrsamt des Kantons Schwyz, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, und dem Bundesamt für Strassen, Sekretariat Administrativmassnahmen, schriftlich mitgeteilt. 
 
 
Lausanne, 13. Juni 2014 
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
 
Der Präsident: Fonjallaz 
 
Der Gerichtsschreiber: Störi