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Eidgenössisches Versicherungsgericht 
Tribunale federale delle assicurazioni 
Tribunal federal d'assicuranzas 
 
Sozialversicherungsabteilung 
des Bundesgerichts 
 
Prozess 
{T 7} 
I 196/02 
 
Urteil vom 13. November 2002 
II. Kammer 
 
Besetzung 
Präsident Schön, Bundesrichter Ursprung und Frésard; Gerichtsschreiber Jancar 
 
Parteien 
S.________, 1955, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Beratungsstelle Q.________, 
 
gegen 
 
IV-Stelle Glarus, Zwinglistrasse 6, 8750 Glarus, Beschwerdegegnerin 
 
Vorinstanz 
Verwaltungsgericht des Kantons Glarus, Glarus 
 
(Entscheid vom 26. Februar 2002) 
 
Sachverhalt: 
A. 
Die 1955 geborene S.________ war ab 1. März 1989 bis 29. Februar 2000 bei der Firma Z.________ AG als Textilarbeiterin angestellt. Am 31. Januar 2000 meldete sie sich wegen Rückenbeschwerden bei der Invalidenversicherung zur Durchführung beruflicher Massnahmen und zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle zog Berichte des Medizinischen Zentrums Y.________ vom 22. April 1999, des Spitals X.________ vom 5. November 1999, des Dr. med. O.________, Spezialarzt FMH für Neurologie, vom 30. Januar 2000, des Hausarztes Dr. med. B.________, vom 15. Februar 2000 sowie ein Gutachten der Medizinischen Begutachtungsstelle, Medizinisches Zentrum (MZ), vom 5. April 2001 bei. Gestützt auf diese Unterlagen lehnte sie den Anspruch auf eine Invalidenrente ab (Verfügung vom 3. Oktober 2001). 
B. 
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Glarus mit Entscheid vom 26. Februar 2002 ab. 
C. 
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Versicherte die Aufhebung des kantonalen Entscheides und die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente; zudem sei ein zweiter Schriftenwechsel durchzuführen, in dessen Rahmen ihr Gelegenheit einzuräumen sei, ein psychiatrisches Gutachten einzureichen. 
 
Das kantonale Gericht schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, soweit darauf einzutreten sei, während die IV-Stelle und das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichten. 
D. 
Mit Eingabe vom 24. April 2002 reichte die Versicherte einen Bericht des Dr. med. A.________, Spezialarzt für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 21. April 2002 ein. 
 
Auf gerichtliche Aufforderung hin reichte die Versicherte am 8. Juni 2002 den Bericht über die Operation vom 3. Mai 2001 (Gebärmutterentfernung) im Spital X.________ ein. 
 
Am 9. Juli 2002 nahm die IV-Stelle Stellung zur Eingabe der Versicherten vom 24. April 2002, zum Operationsbericht vom 3. Mai 2001 und zum Arztbericht vom 21. April 2002. 
 
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung: 
1. 
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und die Grundsätze über den Invaliditätsbegriff (Art. 4 IVG), den Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen medizinischer und beruflicher Art (Art. 8 Abs. 1 und Abs. 3 lit. a und b IVG), die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG), die Invaliditätsbemessung bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b), die Ermittlung des Valideneinkommens (RKUV 1998 Nr. U 314 S. 572 Erw. 2a, 1993 Nr. U 168 S. 100 Erw. 3b), den Beizug von Tabellenlöhnen bei der Bestimmung des Invalideneinkommens (BGE 126 V 76 Erw. 3b/bb mit Hinweisen), die zulässigen Abzüge vom Invalideneinkommen (BGE 126 V 78 ff. Erw. 5; AHI 2002 S. 67 ff. Erw. 4) sowie den Begriff des ausgeglichenen Arbeitsmarktes (BGE 110 V 276 Erw. 4b; AHI 1998 S. 291 Erw. 3b) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen zur Selbsteingliederung als Teil der allgemeinen Schadenminderungspflicht (Art. 10 Abs. 2 IVG; BGE 125 V 199 Erw. 6b; AHI 1997 S. 39 Erw. 4a), zur Bedeutung, die den ärztlichen Stellungnahmen bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades zukommt (BGE 125 V 261 Erw. 4 mit Hinweisen) sowie zum Beweiswert eines Arztberichts (BGE 125 V 352 Erw. 3a mit Hinweis; RKUV 2000 Nr. KV 124 S. 214) und zum Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 126 V 360 Erw. 5b mit Hinweisen). Darauf kann verwiesen werden. 
2. 
2.1 Streitig ist der Grad der Arbeitsfähigkeit und damit die Feststellung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise noch erzielbaren Einkommens (Invalideneinkommen). 
2.2 Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist können - ausser im Rahmen eines zweiten Schriftenwechsels - keine neuen Akten mehr eingebracht werden. Vorzubehalten ist immerhin der Fall, dass solche Aktenstücke neue erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel im Sinne von Art. 137 lit. b OG darstellen und als solche eine Revision des Gerichtsurteils rechtfertigen könnten (BGE 127 V 353). 
 
Die Versicherte reichte am 24. April 2002, somit nach Ablauf der auf Grund des Oster-Fristenstillstandes (Art. 34 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 135 OG) bis 15. April 2002 erstreckten Rechtsmittelfrist, einen Bericht des Dr. med. A.________ vom 21. April 2002 ein, wonach sie an einer depressiven Störung auf dem Boden einer anankastischen Persönlichkeit und an einem chronifizierten Schmerzsyndrom leide. Wegen andauernder Schmerzen und der 
Folgen der Gebärmutteroperation vom 3. Mai 2001 sei sie in psychischer Hinsicht zu 70 % arbeitsunfähig. 
 
Nach Einreichung dieses Arztberichts holte das Eidgenössische Versicherungsgericht den Operationsbericht vom 3. Mai 2001 ein und stellte diese Berichte sowie die Eingabe der Versicherten vom 24. April 2002 der IV-Stelle zur allfälligen Stellungnahme zu, welche am 9. Juli 2002 erfolgte. Der Arztbericht vom 21. April 2002 ist daher zu berücksichtigen. 
3. 
3.1 Verwaltung und Vorinstanz stellten auf das MZ-Gutachten vom 5. April 2001 ab. Darin werden als Diagnosen mit Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit ein chronifiziertes Cervicovertebral-Syndrom sowie eine Dysbalance im Bereich paracervical beidseits und am Schultergürtel beidseits genannt. Ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit seien eine prolongierte Trauerreaktion sowie differentialdiagnostisch eine Konversionssymptomatik. Die Beschwerdeführerin sei für schwere Arbeiten, das heisst repetitives Tragen und Heben von schweren Lasten über 15 kg zu 100 % arbeitsunfähig. Für Tätigkeiten in wechselbelastenden Berufen mit Tragen und Heben von leichten bis mittelschweren Lasten sei sie zu 100 % arbeitsfähig; in der Haushaltsführung sei sie nicht wesentlich eingeschränkt, da die hier anfallenden Arbeiten nicht als schwer bezeichnet werden könnten. 
 
Die Versicherte machte bereits im vorinstanzlichen Verfahren geltend und wendet auch in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein, die als Folge der Operation vom 3. Mai 2001 aufgetretenen Beschwerden seien bei der Beurtei lung unberücksichtigt geblieben. Neben den starken Rückenschmerzen leide sie an starken Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen und Depressionen. 
3.2 Das Spital X.________ hält im Operationsbericht vom 3. Mai 2001 folgende Diagnose fest: Stressinkontinenz II. Grades, mittelgrosse Cystocele, grosse Recto-/Enterocele bei kurzem narbigem Damm. Es wurde folgende Operation durchgeführt: eine vaginale Hysterektomie mit kleiner vorderer Plastik, eine ausgedehnte hintere Plastik mit Levatornaht und Dammaufbau, eine Kolposuspension nach MMK in der Modifikation nach Cowen sowie eine suprapubische Drainage. 
 
Dieser Eingriff erfolgte mithin nach der Begutachtung durch das MZ vom 5. April 2001, aber vor dem massgebenden Zeitpunkt des Verfügungserlasses (3. Oktober 2001; BGE 121 V 366 Erw. 1b; RKUV 2001 Nr. U 419 S. 101 Erw. 2a). Die IV-Stelle hatte von dieser bevorstehenden Operation auf Grund des MZ-Gutachtens Kenntnis, hat aber (wie im Übrigen auch die Vorinstanz) keine diesbezüglichen Arztbericht eingeholt. Ihre Verfügung basiert somit nicht auf der medizinischen Gesamtsituation, weshalb sie nicht rechtsgenüglich ist. Es ist denn auch nicht auszuschliessen, dass sich der Gesundheitszustand der Versicherten nach der Operation verschlechterte. 
 
Nicht stichhaltig ist bei dieser Sachlage die Argumentation der Vorinstanz, im Vorbescheid- und Anhörungsverfahren habe sich die Versicherte lediglich dahingehend geäussert, sie könne schmerzbedingt nicht wieder ins Berufsleben einsteigen, habe aber keinen neuen Gesundheitsschaden angeführt. 
3.3 In Anbetracht dieser Aktenlage ist eine abschliessende und rechtskonforme Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und somit des Invaliditätsgrades nicht möglich. Vielmehr drängen sich weitere von der Verwaltung zu veranlassende Abklärungen in medizinischer und allenfalls beruflicher Hinsicht auf. Notwendig ist eine erneute, sämtliche Aspekte des vorliegenden Falles umfassende medizinische interdisziplinäre Begutachtung. 
4. 
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Der durch eine Beratungsstelle Q.________ vertretenen, obsiegenden Beschwerdeführerin steht nach Massgabe der zu Art. 159 Abs. 1 und 2 OG ergangenen Rechtsprechung (BGE 122 V 278; nicht veröffentlichte Urteile M. vom 12. April 2000, U 389/99 und M. vom 10. Februar 2000, I 142/99) eine reduzierte Parteientschädigung zu. 
 
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht: 
1. 
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen, dass der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Glarus vom 26. Februar 2002 sowie die Verfügung vom 3. Oktober 2001 aufgehoben werden und die Sache an die IV-Stelle Glarus zurückgewiesen wird, damit diese, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen, über den Rentenanspruch neu verfüge. 
 
2. 
Es werden keine Gerichtskosten erhoben. 
3. 
Die Beschwerdegegnerin hat hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen. 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Glarus, der Kantonalen Ausgleichskasse Glarus und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt. 
Luzern, 13. November 2002 
 
 
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts 
 
Der Präsident der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: