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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
8C_840/2010 {T 0/2} 
 
Urteil vom 14. Januar 2011 
I. sozialrechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Ursprung, Präsident, 
Bundesrichter Frésard, Bundesrichterin Niquille, 
Gerichtsschreiberin Polla. 
 
Verfahrensbeteiligte 
V.________, 
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter T. Isler, 
Beschwerdeführer, 
 
gegen 
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, 
Brunngasse 6, 8400 Winterthur, 
Beschwerdegegnerin. 
 
Gegenstand 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung), 
 
Beschwerde gegen den Entscheid 
des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich 
vom 31. August 2010. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
A.a Der 1963 geborene V.________ war ab 1. September 2004 als geschäftsführender Gesellschafter der Firma S.________ tätig und amtete als Mitglied des Verwaltungsrates der X.________ AG. Danebst war er als Inhaber der Einzelfirma O.________, bis 19. Mai 2006 (Tagebucheintrag) sowie vom 16. Februar 2004 bis 6. Juni 2006 als Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma Y.________ im Handelsregister eingetragen. Zufolge Konkurseröffnung der Firma S.________ am ... löste diese das Arbeitsverhältnis am 10. April 2006 auf. Die Firma wurde am ... im Handelsregister gelöscht. 
 
V.________ meldete sich am 26. April 2006 zur Arbeitsvermittlung und zum Leistungsbezug bei der Arbeitslosenversicherung an. Mit Verfügung vom 22. Januar 2007 bejahte die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich den Leistungsanspruch ab 15. Mai 2006 und gewährte Taggelder auf der Grundlage eines versicherten Verdienstes von Fr. 8'083.-. Hierauf kam die Arbeitslosenkasse verfügungsweise am 25. Oktober 2007 zurück und verneinte in Rückforderung bereits ausgerichteter Leistungen für die Monate Oktober und November 2006 einen Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung aufgrund seiner arbeitgeberähnlichen Stellung in der Firma Y.________ bis zu deren Löschung am ... und der fortdauernden Stellung als Mitglied des Verwaltungsrates mit Kollektivunterschrift zu zweien bei der X._________ AG. 
 
Die dagegen erhobene Beschwerde des V.________ hiess das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 31. Juli 2008 in dem Sinne gut, dass es die (als Einspracheentscheid behandelte) Verfügung vom 25. Oktober 2007 aufhob und die Sache an die Kasse zurückwies, damit diese im Sinne der Erwägungen verfahre. 
A.b Nachdem die Arbeitslosenkasse im Rahmen des Gutglaubensschutzes abgeklärt hatte, ob der Versicherte sich - wenn er korrekt von der Verwaltung informiert worden wäre - sofort als Verwaltungsratsmitglied der X._________ AG wie auch als Gesellschafter und Geschäftsführer der Firma O._________ und der Firma S.________ (in Liquidation) hätte löschen lassen, bejahte sie die Anspruchsberechtigung unter vertrauensschutzrechtlichem Gesichtspunkt ab 22. Mai 2006 und legte den versicherten Verdienst auf Fr. 4'134.- fest (Verfügung vom 4. Februar 2009 und Einspracheentscheid vom 30. November 2009). 
 
B. 
Die von V.________ hiegegen geführte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 31. August 2010 ab. 
 
C. 
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten lässt V.________ beantragen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides sei ihm, basierend auf einem versicherten Verdienst von Fr. 8'900.-, ab 16. Mai 2006 Arbeitslosenentschädigung zuzusprechen. Ferner sei im Falle des Obsiegens eine angemessene Parteientschädigung für das kantonale Verfahren festzusetzen, eventualiter sei die Sache zur Festlegung der Prozessentschädigung an die Vorinstanz zurückzuweisen. 
Während die Arbeitslosenkasse auf Abweisung der Beschwerde schliesst, haben kantonales Gericht und Staatssekretariat für Wirtschaft auf eine Stellungnahme verzichtet. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzung gemäss den Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG), und kann deren Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Mit Blick auf diese Kognitionsregelung ist aufgrund der Vorbringen in der Beschwerde ans Bundesgericht zu prüfen, ob der angefochtene Gerichtsentscheid in der Anwendung der massgeblichen materiell- und beweisrechtlichen Grundlagen (u.a.) Bundesrecht verletzt (Art. 95 lit. a BGG), einschliesslich einer allfälligen rechtsfehlerhaften Tatsachenfeststellung (Art. 97 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2 BGG). 
 
2. 
2.1 Die Arbeitslosenkasse bejahte den guten Glauben des Versicherten und ging davon aus, er hätte, sofern er von der Verwaltung in Nachachtung der Aufklärungs- und Beratungspflicht (Art. 27 ATSG) korrekt über seinen fehlenden Arbeitslosenentschädigungsanspruch bei gleichzeitiger arbeitgeberähnlicher Stellung in den fraglichen Unternehmungen informiert worden wäre, sämtliche Funkionen als Verwaltungsrat sowie Gesellschafter und Geschäftsführer in den genannten Firmen bei der Anmeldung zum Leistungsbezug aufgegeben. Dies ist mit Blick darauf, dass sich der Beschwerdeführer bereits anfangs November 2006 wieder von der Arbeitsvermittlung aufgrund seiner Auftragsabwicklung über der Group X.________ AG, dessen Mitglied des Verwaltungsrats er bis heute geblieben ist, abmelden konnte, immerhin fraglich. 
 
Streitig und zu beurteilen ist hier jedoch einzig die Höhe des dem Taggeldanspruch zugrunde zu legenden versicherten Verdienstes und dabei die Frage, auf welche Lohnsumme aus dem Arbeitsverhältnis mit der Firma S.________ abzustellen ist. 
 
2.2 Nach dem Gesetz gilt als versicherter Verdienst der im Sinne der AHV-Gesetzgebung massgebende Lohn, der während eines Bemessungszeitraumes aus einem oder mehreren Arbeitsverhältnissen normalerweise erzielt wurde; eingeschlossen sind die vertraglich vereinbarten regelmässigen Zulagen, soweit sie nicht Entschädigung für arbeitsbedingte Inkonvenienzen darstellen (Art. 23 Abs. 1 Satz 1 AVIG). Praxisgemäss ist bei der Ermittlung des versicherten Verdienstes der im Bemessungszeitraum tatsächlich erzielte Lohn massgebend; eine davon abweichende Lohnabrede zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer hat grundsätzlich unbeachtlich zu bleiben (BGE 131 V 444 E. 3.2.1 S. 450 f.; 128 V 189 E. 3a/aa S. 190, je mit Hinweisen). Der versicherte Verdienst nach Art. 23 AVIG bildet ein Korrektiv bei allfälligen missbräuchlichen Lohnvereinbarungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, indem grundsätzlich die tatsächlichen Lohnbezüge im Bemessungszeitraum massgebend sind (BGE 131 V 444 E. 3.2.3 S. 451 mit Hinweis). Von dieser Regelung im Einzelfall abzuweichen rechtfertigt sich nur dort, wo ein Missbrauch im Sinne der Vereinbarung fiktiver Löhne, welche in Wirklichkeit nicht zur Auszahlung gelangt sind, praktisch ausgeschlossen werden kann (BGE 128 V 189 E. 3a/aa S. 190 mit Hinweis; vgl. zum Ganzen auch: ARV 2006 Nr. 19 S. 226 E. 1 [C 5/06], 2003 Nr. 9 S. 114 E. 1 und 4.1 [C 9/2], 1999 Nr. 7 S. 27 E. 1 [C 359/97]; Urteile 8C_20/2007 vom 17. Januar 2008 E. 2.1, C 155/06 vom 3. August 2007 E. 3.2). 
 
3. 
3.1 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat der Beschwerdeführer mit der Firma S.________ am 1. September 2004 arbeitsvertraglich ein Monatsgehalt von Fr. 11'000.- vereinbart, welches ab Arbeitsbeginn bis Juni 2005 auch tatsächlich ausbezahlt worden war. Die Löhne der Monate Juli und August 2005 gingen nur noch teilweise und verspätet ein, seit September 2005 erfolgten keine Lohnzahlungen mehr. 
 
3.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe bewusst zur Überbrückung der vorübergehenden Illiquidität des Unternehmens auf eine Auszahlung der Löhne verzichtet, was aber keinem grundsätzlichen Lohnverzicht gleichkomme. Es liege weder eine fiktive Lohnabrede im Sinne von BGE 128 V 189 vor, noch sei sonst wie ein missbräuchliches Verhalten zu erkennen. 
 
3.3 Vorab ist dem Versicherten entgegenzuhalten, dass es keinen Nachweis eines konkret erfolgten Missbrauchs bedarf. Massgebend ist einzig, ob eine Missbrauchsgefahr praktisch ausgeschlossen werden kann, was hier zu verneinen ist. Es kann zwar namentlich dann auf den vertraglich festgesetzten Lohn abgestellt werden, wenn dieser in einem langdauernden Arbeitsverhältnis nie bestritten war (in AJP 1994 S. 1460 ff. publiziertes Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts C 14/94 vom 31. Mai 1994). Im Gegensatz zum soeben erwähnten Urteil bestand aber vorliegend einerseits nicht ein langjähriges Arbeitsverhältnis, sondern der Versicherte hatte lediglich über einen Zeitraum von zehn Monaten den vereinbarten Lohn erhalten, wobei bezüglich der Zahlungsmodalitäten bereits ab November 2004 Unregelmässigkeiten in Form von (verspäteten) Teilzahlungen bestanden. Vor allem aber konnte er hier als geschäftsführender Gesellschafter der Firma S.________ sowie Verwaltungsratsmitglied der eng damit verbundenen Group X._________ AG die Entscheidungen des Arbeitgebers massgeblich beeinflussen. Als Gesellschafter und als betriebsleitendes Organ trug der Beschwerdeführer von Anfang an ein unternehmerisches Risiko, das nicht auf die Arbeitslosenversicherung abgewälzt werden kann. Dieses Risiko musste ihm umso mehr bewusst sein, als es sich um eine erst im April 2004 gegründete Unternehmung handelte, die sich im Aufbau befand und demnach keinesfalls finanziell und wirtschaftlich stabil war. Dies zeigt sich nicht zuletzt in der seit November 2004 bestehenden Schwierigkeit der Firma, die (hohe) Lohnsumme regelmässig und vollständig auszurichten. Auch wenn anfänglich die Gehaltsforderungen erfüllt werden konnten, wurde gleich wie im Urteil 8C_743/2008 vom 9. Februar 2009 (publ. in: SVR 2009 AlV Nr. 8 S. 27) die Lohnauszahlung bewusst vom unternehmerischen Erfolg der Arbeitgeberfirma abhängig gemacht und damit auch das Risiko der Nichteinbringlichkeit in Kauf genommen. Die Arbeitslosenentschädigung, die sich nach der Höhe des versicherten Verdienstes richtet, darf jedoch nicht zur Absicherung des unternehmerischen Risikos verwendet werden. Dies hat das Bundesgericht im erwähnten Urteil als zweckwidrig und damit rechtsmissbräuchlich bezeichnet. 
 
3.4 Der überdies geltend gemachte Einwand des Beschwerdeführers, es müsse - entgegen der von der Kasse vorgenommenen Berechnungsweise des versicherten Verdienstes - das ganze Gehalt des Monats April 2005 in der Höhe von Fr. 11'000.- berücksichtigt werden, geht fehl: Die Arbeitslosenkasse führt in ihrer letztinstanzlichen Vernehmlassung zutreffend aus, dass hier die letzten zwölf Beitragsmonate vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 10. April 2006 massgebend sind (11. April 2005 bis 10. April 2006; Art. 37 Abs. 2 AVIV), da der Bemessungszeitpunkt, unabhängig von der Anmeldung zum Leistungsbezug, am Tag vor dem Eintritt eines anrechenbaren Verdienstausfalls beginnt (Art. 37 Abs. 3 AVIV). Deshalb kann für den Monat April 2005 lediglich der für die Zeit vom 11. bis 30. April 2005 ausbezahlte Lohnanteil berücksichtigt werden. 
3.5 
3.5.1 In der Beschwerde wird schliesslich die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung des rechtlichen Gehörs gerügt, weil die Kasse den Beschwerdeführer vor Erlass der Wiedererwägungsverfügung nicht angehört habe. 
3.5.2 Zum einen hat die Kasse den Versicherten unter Beachtung der Regeln bei einer reformatio in peius (vgl. Art. 12 Abs. 2 ATSV; BGE 131 V 414 E. 1 S. 416) mit Schreiben vom 19. Juli 2007 im Hinblick auf die Bemessung des versicherten Verdienstes Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt und ihn zudem auf eine drohende Schlechterstellung mit der Gelegenheit zum Rückzug der Einsprache gegen die Verfügung vom 22. Januar 2007 aufmerksam gemacht. Zum andern bildet die Rechtmässigkeit der Wiedererwägungsverfügung vom 25. Oktober 2007 nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Damit ist auch die Rüge der Gehörsverletzung nicht stichhaltig. 
3.6 
Nach dem Gesagten hat es mit der vorinstanzlichen Bestätigung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung ab 16. Mai 2006 auf der Basis eines versicherten Verdienstes von Fr. 4'134.- sein Bewenden. 
 
4. 
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 4 lit. a BGG). Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Die Beschwerde wird abgewiesen. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt. 
 
3. 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich und dem Staatssekretariat für Wirtschaft schriftlich mitgeteilt. 
 
Luzern, 14. Januar 2011 
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: 
 
Ursprung Polla