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Bundesgericht 
Tribunal fédéral 
Tribunale federale 
Tribunal federal 
 
{T 0/2} 
1B_250/2011 
 
Urteil vom 14. Juli 2011 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung 
 
Besetzung 
Bundesrichter Fonjallaz, Präsident, 
Bundesrichter Aemisegger, Merkli, 
Gerichtsschreiber Störi. 
 
Verfahrensbeteiligte 
X.________, 
vertreten durch Fürsprecher Frank Goecke, 
Beschwerdeführerin, 
 
gegen 
 
Y.________, 
vertreten durch Rechtsanwältin Sabine Tormann, 
Beschwerdegegner, 
 
Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat, 
Postfach, 8026 Zürich. 
 
Gegenstand 
Einstellung der Strafuntersuchung, 
 
Beschwerde gegen den Beschluss vom 5. April 2011 des Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer. 
 
Sachverhalt: 
 
A. 
X.________ reichte am 3. Dezember 2009 eine Strafanzeige ein gegen Y.________ wegen fahrlässiger Körperverletzung. Sie warf ihm vor, am 1. Oktober 2009, um ca. 22.55 Uhr, am Steuer eines Linienbusses auf der Hagenholzstrasse in Zürich mit ungenügendem seitlichen Abstand an ihr vorbeigefahren zu sein und dadurch eine Streifkollision mit dem von ihr gelenkten Personenwagen verursacht zu haben, bei der sie sich Verletzungen an der Halswirbelsäule zugezogen habe. 
 
Am 2. Februar 2010 stellte die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat die Strafuntersuchung gegen Y.________ ein. 
 
Am 5. April 2011 wies das Obergericht des Kantons Zürich den Rekurs von X.________ gegen diese Einstellungsverfügung ab, soweit es darauf eintrat. 
 
B. 
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, diesen Entscheid des Obergerichts aufzuheben und die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat anzuweisen, die Strafuntersuchung fortzusetzen und mit Anklageerhebung oder Strafbefehl zum Abschluss zu bringen. 
 
C. 
Das Obergericht und der Oberstaatsanwalt der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat verzichten auf Vernehmlassung. Y.________ beantragt, auf die Beschwerde nicht einzutreten oder sie eventuell abzuweisen. 
 
Erwägungen: 
 
1. 
1.1 Der angefochtene Entscheid bestätigt, dass das von der Beschwerdeführerin angestrebte Strafverfahren eingestellt bleibt. Er schliesst damit das Verfahren ab. Es handelt sich um den Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz in einer Strafsache, gegen den die Beschwerde in Strafsachen zulässig ist (Art. 78 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1, Art. 90 BGG). Als Geschädigte ist die Beschwerdeführerin befugt, sie zu erheben, sofern sich der angefochtene Entscheid auf ihre Zivilansprüche auswirken kann (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG). Das ist nicht der Fall, da die Stadt Zürich für Schäden, die ihre Angestellten, darunter der Beschwerdegegner als VBZ-Chauffeur, in Ausübung ihrer dienstlichen Verpflichtungen anrichten, nach den Bestimmungen des Zürcher Haftungsgesetzes vom 14. September 1969 (HG) haftet; zivilrechtliche Ansprüche gegen den Beschwerdegegner sind ausgeschlossen (§ 6 Abs. 4 HG; vgl. Urteil des Bundesgerichts 6B_127/2010 vom 15. April 2010). 
 
1.2 Unbekümmert um die fehlende Legitimation in der Sache selbst kann die Geschädigte allerdings die Verletzung von Verfahrensrechten geltend machen, deren Missachtung eine formelle Rechtsverweigerung darstellt. Das nach Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG erforderliche rechtlich geschützte Interesse ergibt sich in diesem Fall nicht aus einer Berechtigung in der Sache, sondern aus der Berechtigung, am Verfahren teilzunehmen (Urteil des Bundesgerichts 6B_1093/2010 vom 24. Mai 2011). Als Partei des kantonalen Verfahrens kann sie die Verletzung jener Parteirechte rügen, die ihr nach dem kantonalen Verfahrensrecht, der Bundesverfassung oder der EMRK zustehen und deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft. Zulässig sind dabei Rügen, die formeller Natur sind und von der Prüfung der Sache getrennt werden können. Nicht zu hören sind dagegen Rügen, die im Ergebnis auf eine materielle Überprüfung des angefochtenen Entscheids abzielen. Eine in der Sache nicht legitimierte Beschwerdeführerin kann deshalb weder die Beweiswürdigung kritisieren, noch kann sie geltend machen, die Begründung sei materiell unzutreffend ("Star-Praxis"; BGE 136 IV 41 E. 1.4; 135 II 430 E. 3.2 S. 436 f.; 133 I 185 E. 6.2 S. 198). 
 
2. 
Der erste Entscheid in dieser Sache erging am 2. Februar 2010 nach der bis Ende 2010 in Kraft stehenden Strafprozessordnung des Kantons Zürich vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH). Am 1. Januar 2011 trat die Schweizerische Strafprozessordnung vom 5. Oktober 2007 (SR 312.0; StPO) in Kraft (AS 2010 1881), welche die kantonalen Strafprozessordnungen ablöst. Nach der einschlägigen Übergangsbestimmung von Art. 453 Abs. 1 StPO ist auf Rechtsmittel gegen vor dem 1. Januar 2011 gefällte Entscheide das bisherige Recht anwendbar (Urteil des Bundesgerichts 1B_63/2011 vom 24. März 2011 E. 2.1). Das Obergericht beurteilte die Beschwerde am 5. April 2011 daher zu Recht nach den Bestimmungen der StPO/ZH, welche auch für die vorliegende Beschwerde massgebend sind (Art. 454 Abs. 2 StPO). 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe den Sachverhalt in willkürlicher Weise festgestellt und ihren Entscheid unzulässigerweise nach dem für das Sachurteil geltenden Grundsatz "in dubio pro reo" anstatt nach dem für die Strafuntersuchung anwendbaren Grundsatz "in dubio pro duriore" gefällt (Beschwerde Ziff. 14 S. 5 "Es wird zusammenfassend kritisiert.."). 
 
3.1 Der Vorwurf der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung ist eine materielle, den angefochtenen Entscheid bzw. das Untersuchungsergebnis inhaltlich kritisierende Rüge. Die Beschwerdeführerin ist nach dem Gesagten nicht befugt, sie zu erheben. 
 
3.2 Die Eröffnung eines Strafverfahrens setzt voraus, dass der Beschuldigte einer Straftat verdächtig ist. Der Zweck der Untersuchung besteht darin, dass entweder Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt werden kann (§ 30 StPO/ZH). Fehlt es nach durchgeführter Untersuchung an einem hinreichenden Tatverdacht bzw. ist das Vorliegen eines Straftatbestandes nicht genügend dargetan, so dass eine Verurteilung in der Hauptverhandlung nicht zu erwarten ist, darf die Untersuchungsbehörde das Verfahren einstellen. Sinn dieser Prüfung ist es, den Beschuldigten vor Anklagen zu schützen, die mit einiger Sicherheit zu Freisprüchen führen müssten. Da Untersuchungsbehörden jedoch nicht dazu berufen sind, über Recht und Unrecht zu befinden, dürfen sie nicht allzu rasch, gestützt auf eigene Bedenken, zu einer Einstellung schreiten. In Zweifelsfällen beweismässiger und vor allem rechtlicher Art soll Anklage erhoben und es dem Gericht überlassen werden, einen Entscheid zu fällen. Der Grundsatz "in dubio pro reo" gilt hier nicht. Vielmehr ist nach Massgabe der Maxime "in dubio pro duriore" im Zweifel, wenn eine Verurteilung wahrscheinlicher erscheint als ein Freispruch, Anklage zu erheben (Urteile des Bundesgerichts 6B_879/2010 vom 24. März 2011 E. 1.2 und 6B_588/2007 E. 3.2.3, publiziert in Praxis 2008 Nr. 123). 
 
Die Rüge, die Staatsanwaltschaft habe das Verfahren nach dem für die Untersuchung nicht anwendbaren Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" zu Unrecht eingestellt, anstatt im Zweifel Anklage erhoben, ist an sich formeller Natur. Ihre Beurteilung hängt indessen unmittelbar von der Würdigung des Untersuchungsergebnisses ab, ob danach eine Verurteilung ernsthaft in Betracht fällt oder mit einiger Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Die Rüge zielt damit auf eine inhaltliche Prüfung des Untersuchungsergebnisses ab, was nach der dargestellten Star-Praxis (oben E. 1.2) nicht zulässig ist. Darauf ist nicht einzutreten. 
 
4. 
Auf die Beschwerde ist somit nicht einzutreten. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat zudem dem obsiegenden Beschwerdegegner eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG). 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht: 
 
1. 
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten. 
 
2. 
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt. 
 
3. 
Die Beschwerdeführerin hat dem Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu bezahlen. 
 
4. 
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat und dem Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt. 
 
Lausanne, 14. Juli 2011 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung 
des Schweizerischen Bundesgerichts 
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: 
 
Fonjallaz Störi